Ansgar Lange Bedrohtes Europa In dem kleinen Gerhard Hess Verlag aus Bad Schussenried sind jüngst drei Bücher erschienen, die sich auf unterschiedliche Weise mit den Gefahren befassen, die Europa drohen. Aus konservativer Sicht werden unter anderem die Euro-Problematik und die Gefahr für die freie Lebensart von Christen und Juden in Europa dargestellt, die durch den radikalen Islam immer mehr zunimmt. „Rechts von der CDU ist nicht mehr die Wand, sondern ein großer Abenteuerspielplatz.“ Mit diesen Worten beschrieb Jasper von Altenbockum vor einiger Zeit in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die derzeitige Parteienlandschaft nach dem Erfolg der „Alternative für Deutschland“ im Bundesland Sachsen. Wer sich für den geistigen Nährboden dieser neuen politischen Formation interessiert, sollte zu zwei Neuerscheinungen des oben genannten Verlages greifen. Heiner Kappel: Kapiert’s endlich! Geldkrieg statt Weltkrieg. Bad Schussenried: Gerhard Hess Verlag 2014. 2., erweiterte Auflage, 84 S. Heiner Kappels Streitschrift ist nun in zweiter, erweiterter Auflage erschienen. Das Buch hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Der evangelische Theologe und Ex-Politiker (FDP, Bund Freier Bürger) schreibt eine schnörkellose, meinungsfreudige Prosa. Dies ist ein klarer Vorteil. Als Nachteil erweist sich aber Kappels Hang zu Verschwörungstheorien, so als konzentrierten sich die Großmächte spätestens seit Otto von Bismarck darauf, Deutschland klein zu halten und zu knechten. Ein bestimmter Typus des Konservativen in Deutschland neigt bisweilen zur Larmoyanz, und auch Kappel ist nicht frei davon. Wenn der Autor über Deutschlands Rolle im Zweiten Weltkrieg räsoniert, dann ist viel vom Leid die Rede, das „den Deutschen“ angetan wurde, weniger vom Leid, das „die Deutschen“ den anderen Völkern angetan haben. Auch Kappels Beschreibung der „Umerziehung“ der Deutschen fällt sehr einseitig aus. Westliche „Wohltaten“ werden bewußt ausgeblendet: „Diesen Deutschen mußte zuerst einmal eingetrichtert werden, daß sie grundsätzlich an allem schuld waren, sind auch und sein werden“. Dabei hat Kappel ja nicht Unrecht: Mit der Aufgabe der D-Mark zugunsten des Euro wollten insbesondere die Franzosen den wirtschaftlich überlegenen, weil leistungsfähigeren Nachbarn schwächen. Während die Banken gerettet wurden, haben viele Durchschnittsbürger Angst um ihr Erspartes, ihre Renten und Pensionen. Banken und Versicherungen feixen, Politiker lavieren, die Bürger sind ohnmächtig. Dieser Gesamteindruck – ob berechtigt oder nicht – könnte die politischen Verhältnisse in Europa auf Dauer zum Tanzen bringen. Doch was in Europa schief läuft, macht man im Inneren nicht besser: „Von den 16 Bundesländern zahlen inzwischen nur noch Bayern, Baden-Württemberg und 470 Hessen in den Länderfinanzausgleich, während alle übrigen subventioniert werden.“ Von den Entwicklungen „in den PIGS (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien)“ schweigt derweil die Presse. Syrien, die Ukraine und der Irak sind uns wichtiger geworden als die anhaltende (Jugend-)Arbeitslosigkeit und die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten insbesondere in Südeuropa. Es gab einmal ein Europa mit vielen Völkern, eigenen Sprachen, Kulturen, Traditionen und Geschichten. Die Kriegsgefahr war gebannt auf dem Kontinent, zumindest in der EU. Der Euro und die Brüsseler Bürokratie sind verantwortlich, wenn dies nicht mehr so ist, glaubt Heiner Kappel: „Europa wird organisatorisch, juristisch, fiskalisch und reglementarisch immer enger zusammengebunden, und die Europäer entfernen sich – oft unbewußt und manchmal sogar bewußt gesteuert – mental immer mehr voneinander“. Können wir mit mehr konservativem Denken diese fatale Entwicklung aufhalten? Was heißt überhaupt konservativ? „Das Konservative ist nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.“ Schöner kann eine Definition konservativen Denkens kaum ausfallen. „Konservatives Denken und Handeln ist im Innern wie nach außen bestimmt von einem pessimistischen Gradualismus: Kampf für Prinzipien, so lange wie möglich – verbunden mit Konzessionen, wo es nicht anders geht“, schreibt der Publizist und heutige AfD-Politiker Alexander Gauland in seiner „Anleitung zum Konservativsein“. In seinem aktuellen Buch „Konservativ!“ versucht sich der Wirtschaftsanwalt und Publizist Wolfgang Philipp ebenfalls an einer Definition dieses Begriffs. Schade, daß als Untertitel „Die Antwort auf den ‚Kampf gegen Rechts‘“ gewählt wurde. Denn nicht jeder Konservativer ist ja ein „Rechter“, und außerdem wirkt diese Zeile etwas defensiv: Der Konservative im Schützengraben und im Abwehrkampf gegen „die Linke“, die ihm Böses will. Wolfgang Philipp: Konservativ! Die Antwort auf den „Kampf gegen Rechts“. Wider Unfreiheit und Anarchie. Gerhard Hess Verlag: Bad Schussenried 2014. 177 S. Das Buch widmet sich denn auch zu großen Teilen dem sogenannten „Kampf gegen Rechts“. Die einschlägig bekannten Einzelfälle wie Philipp Jenninger, Martin Hohmann, Eva Herman und Thilo Sarrazin werden noch einmal referiert. Selbstverständlich ist ein „Kampf gegen Rechts“ insofern Unsinn und einseitig, da der „Kampf gegen Links“ völlig fehlt. Rechtes wie linkes Denken muß in einer freien Gesellschaft seinen Platz haben. Notwendig ist ein Kampf der wehrhaften Demokratie gegen politischen Extremismus – sei er nun rechts, links oder islamistisch drapiert. Zuzustimmen ist Phillipp, wenn er schreibt: „Der wohl brutalste Kampf gegen die Meinungsfreiheit wurde von starken linken Kräften aber gegen eine Berliner Wochenzeitung geführt, die sich ‚Junge Freiheit‘ nennt, also die Freiheit des Menschen als ein Ur- und Grundrecht auf ihre Fahnen geschrieben hat.“ Mittlerweile ist die Zeitung voll rehabilitiert, nicht nur deshalb, weil höchst honorige Personen für sie geschrieben oder ihr Interviews gegeben haben – bis in die deutsche 471 Sozialdemokratie hinein. Doch noch immer ist es (leider) so, daß derjenige, der sie bezieht, in ihr schreibt oder ihr ein Interview gibt, sich anschließend oft verteidigen oder rechtfertigen muß. Große Teile des Buches sind der „Euro-Rettung“ gewidmet. Sie funktioniert nach Ansicht des Autors nach dem Prinzip „Vertragsbruch, Täuschung und Verschleierung als politisches Prinzip“. Auch wenn Philipp in seiner Analyse durchaus Recht haben mag: Letztlich ist die „Euro-Rettung“ kein Beispiel für schlechte linke oder gute konservative Politik. Sie ist schlicht ein Beispiel für schlechte Wirtschaftspolitik zu Lasten nachfolgender Generationen und eines gedeihlichen Zusammenlebens der Völker in Europa. Am Ende seines Buches liefert Philipp eine Auflistung all dessen, was seiner Meinung nach zu tun sei. Der politische Kampf müsse wieder „gesitteter“ ablaufen. In der Europapolitik müsse zum Recht zurückgekehrt werden. Die Brüsseler Verwaltung müsse abgebaut werden. Der „Werbeterror“ im öffentlichen Fernsehen müsse aufhören, genauso wie „Schwulenpropaganda“ (dieses verletzende Wort hätte der Autor besser vermieden). Die Energiepolitik müsse wieder realistischer werden. Allen diesen Forderungen kann man zustimmen, man kann es aber auch seinlassen. Es fällt schwer, sie als ein konservatives Programm zu betrachten, das allgemeinverbindlich wäre. Konservative sind vielleicht aus gutem Grunde theoriefaul. Denn letztlich muß man sich eingestehen, daß sich nicht alle Konservativen auf den einen konservativen Forderungskatalog einigen können. Denn „das“ konservative Denken gibt es nicht. Doch definitiv greift es zu kurz, Konservativismus auf den Kampf gegen den „Euro-Wahn“ oder den sogenannten „Kampf gegen Rechts“ zu reduzieren. Doch den Europäern drohen neben dem Verlust ihrer Ersparnisse noch ganz andere Gefahren, deren Ausmaß für die Zukunft noch gar nicht abgeschätzt werden kann. Es geht um die bedrohte Christenheit. Christenverfolgung ist tägliche Realität weltweit. Besonders beschämend ist, daß sogar Christen, die aus ihrer Heimat fliehen mußten, bei uns in Deutschland Repressalien ausgesetzt sind. „Mit den Flüchtlingen kommen auch die Konflikte ihrer Herkunftsländer nach Deutschland. Asylsuchende Christen aus der arabischen Welt sind auch in Deutschland Attakken radikaler Moslems ausgesetzt“, schrieb jüngst die Tageszeitung „Die Welt“. Der Westen ist nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung. Er schaut den „‚Ergebnissen‘“ der „Demokratisierung im Nahen Osten tatenlos zu“, meint Ortfried Kotzian, stellvertretender Vorsitzender des Beirates des Europäisch-Christlichen Entwicklungswerks für Syrien, in seinem Vorwort zu dem Buch „Zeitzeugen der Christenverfolgung“, das Elias Basilio herausgebracht hat: Elias Basilio: Zeitzeugen der Christenverfolgung. Sukzessives Verschwinden des Christentums in den islamisch geprägten Ländern. Ausbreitung des Islam im Westen. Zeitzeugen berichten. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2014. 247 S. Basilio will in seinem Buch Fakten sprechen lassen. So kommen von Christenverfolgung betroffene Zeitzeugen zu Wort. Außerdem bettet der Autor diese Beiträge 472 in grundsätzliche Überlegungen zu den drei Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam ein. Die Liste der Länder, in denen täglich Christen aufgrund ihres Glaubens systematisch drangsaliert und gedemütigt werden, ist lang. Meist sind sie der Verfolgung durch fanatische Islamisten ausgesetzt, so im Irak, Iran, in der Türkei, in Ägypten, Syrien, Nigeria, im Sudan etc. Aber auch in Indien, Vietnam, Nordkorea und China werden Christen verfolgt. In den allermeisten Fällen werden diese abscheulichen Taten jedoch „nach der Gesetzmäßigkeit der Scharia ausgeführt“, so Basilio. Der Autor hat eine große Sorge: Wenn die (westliche) Weltöffentlichkeit nicht bald drastische und konkrete Maßnahmen gegen Vertreibung und Unterdrückung von Christen in deren Heimatländern ergreift, dann wird das Christentum in diesen Ländern auf absehbare Zeit von der Bildfläche verschwinden. Neben dem Christentum ist Europa natürlich auch wesentlich vom Judentum geprägt worden. Doch unter islamistischen Vorzeichen breitet sich auch die Pest des Antisemitismus wieder in Europa aus. „Durch die anhaltende und massive Zuwanderung politisch und religiös motivierter Muslime nach Europa nimmt auch der Antisemitismus zu. Diese Situation gefährdet den Frieden Europas und fördert den Terrorismus und die Gewalt gegen die europäischen Juden. Es ist bekannt, daß in den islamisch geprägten Ländern eine feindliche und vernichtende antijüdische Politik vorherrscht“, schreibt der Autor. In dem Epilog seiner Schrift sagt Basilio, daß aus der Literatur und Geschichte bekannt sei, daß der Islam „eine autoritäre, machtbesessene, nicht säkulare politische Religion ist“. Er akzeptiere keinen religiösen Pluralismus und grundsätzliche keine Kritik: „Gerade an diesem Punkt erkennt man die Intoleranz dieser Religion, die mit Gewalt und Aggressivität ihren Kritikern begegnet“. Diese Feststellungen muß man doch mit einem Fragezeichen versehen, denn dies bedeutete letztlich, daß Muslime überhaupt nicht in unsere westlichen Gesellschaften zu integrieren sein. Mit vielen gemäßigten Muslimen funktioniert aber unser Zusammenleben friedlich und reibungslos. An sie sollte nicht ein solches Signal radikaler Abgrenzung gerichtet werden. Daß jemand Muslim ist, darf nicht zu einer grundsätzlichen Mißtrauenshaltung bei Andersgläubigen führen. Im großen und ganzen ist dies aber ein wichtiges Buch, denn es zeigt, welches antichristliche und antijüdische Potential im radikalen, mordbereiten Islam steckt. Christen, Juden und friedliebende Muslime sollten diese Gefahr gemeinsam angehen, denn sie bedroht uns alle und unsere freie westliche Lebensart. Ansgar Lange ist im Hauptberuf CDU-Fraktionsgeschäftsführer in Remscheid und schreibt für verschiedene Zeitungen. 473