Künstliche Welt unter Glas: Biosphäre II Biosphäre II Die Biosphäre II steht mitten in der Sonora-Wüste, unweit von Tucson im USBundesstaat Arizona: ein gigantisches weißes Bauwerk mit riesigen Glasflächen. Unter der futuristischen Kuppel verbirgt sich ein künstlich geschaffener Lebensraum mit Pflanzen und Tieren, Ozean und Wasserfall. Das Gebäude war Anfang der 1990er Jahre als ein Modell errichtet worden, um die Besiedlung fremder Planeten zu proben: Es war eine Utopie, die Vision einer besseren Welt, wenn auch hinter Glas: Ein Team amerikanischer Grundlagenforscher und Ingenieure plante die Konstruktion einer abgeschlossenen Überlebenskapsel. Im Inneren sollten alle Lebensvoraussetzungen, etwa Nahrung oder die Luft zum Atmen vorhanden sein. Zugleich sollte dieser Zufluchtsort mobil sein, um ihn auch im Weltraum etablieren zu können. >>Gedacht für den Transport auf fremde Planeten >>Parameter nach Belieben manipulierbar >>Lernen für die Erde Gedacht für den Transport auf fremde Planeten Gesponsert mit 150 Millionen Dollar vom texanischen Ölmilliardär Edward Bass entstand ein gewaltiger Dom aus Glas und Stahl. Das Dach, gedacht für den Transport auf fremde Planeten, ist ein gigantisches Stecksystem in Leichtbauweise. Rund 3000 Pflanzen- und Tierarten wurden in dem 1,3 Hektar großen Terrarium angesiedelt - je nach Bedarf im Regenwald, Ozean oder Sumpf, in der Wüste oder Savanne. Wasser-, Luft und Lebensmittelkreisläufe waren vollständig abgeschlossen und konnten innerhalb des Systems recycelt werden. 1991 ließen sich dann acht "Bionauten" auf dem Mini-Planeten nieder. Doch bereits nach wenigen Monaten mussten die menschlichen Versuchskaninchen von außen versorgt werden: Lebensmittel und Sauerstoff wurden knapp. Nach zwei Jahren war klar: die Vision war gescheitert. Aber der Sponsor Bass wollte sein Geld nicht einfach so in den Sand gesetzt sehen. 1996 investierte er nochmals 30 Millionen Dollar, wieder aus eigener Tasche, um die "Columbia University" von New York zu gewinnen. Sie sollte die Biosphäre II durch Wissenschaft wieder beleben. Die Rechnung ging auf: Heute gehört das außergewöhnliche Gewächshaus zum "Columbia University´s Earth Institute", ein Netzwerk verschiedener renommierter Forschungseinrichtungen, die sich mit ökologischen Fragestellungen beschäftigen. Im Vordergrund der Forschung stehen der Stoffhaushalt der natürlichen Atmosphäre und die Auswirkungen von Umweltveränderungen. Wie reagiert das System auf Umweltveränderungen? Parameter nach Belieben manipulierbar Die sechs Biome (Lebensräume), die einst von den Bionauten erschaffen wurden, existieren noch immer im Inneren der gläsernen Kathedrale. Ob Wüste, Regenwald oder Ozean: die chemischen und biologischen Prozesse der quasi natürlichen Lebensräume können minutiös kontrolliert werden. Alle Stoffkreisläufe des riesigen Systems sind in sich geschlossen. Über 700 Sensoren protokollieren alle drei Minuten Temperatur, Feuchtigkeit, photoaktive Strahlung von außen sowie die Zusammensetzung der atmosphärischen Gase und des Wassers. Dabei können die Forscher einzelne Parameter, etwa Luftfeuchtigkeit oder Sauerstoffgehalt, nach Belieben manipulieren und anschließend die Reaktion der Pflanzen und Pflanzengemeinschaften testen. Eine voll kontrollierbare einzigartige Mini-Welt, in der alle Wechselwirkungen genau gemessen werden können. Im Mittelpunkt der Überwachung steht Kohlendioxid (CO2). So untersuchten die BiosphärenWissenschaftler die Auswirkungen verschiedener CO2-Konzentrationen auf ihren hauseigenen Regenwald. Mit Massenspektrometern und Gaswechselmessgeräten rückten sie den immergrünen Gewächsen zu Leibe und kamen zu Ergebnissen, die sie bisher Mutter Natur nicht entlocken konnten. Sie fanden unter anderem heraus, dass bis zu einem gewissen Grenzwert die Pflanzen ihre Photosynthese erhöhen. Bei höheren CO2-Konzentrationen jedoch, nehmen die Pflanzen nichts mehr auf. Eine folgenschwere Feststellung, denn nach Ansicht der Biosphären-Forscher reagieren die Pflanzen im Freiland auf das CO2 auf die gleiche Weise. Die steigenden CO2-Werte in der Luft – verursacht durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe - könnten dann vielleicht irgendwann das "Aus" für die Sauerstoffproduktion der Pflanzen und damit für unsere Atmosphäre bedeuten, so die Befürchtung. Ein Teil des Lebensraumes "Ozean" Lernen für die Erde An anderer Stelle weht eine leichte Meeresbrise unter dem Glasgewölbe: ein OriginalSandstrand von den Bahamas, inklusive Kokosnuss, gleich daneben, Wasser aus dem Golf von Kalifornien: der "Lebensraum Ozean". Was zunächst nach Urlaubsstimmung aussieht, ist in Wirklichkeit ernsthafte Umweltforschung. Hier wird ebenfalls die Auswirkung des Treibhausgases CO2 auf die Lebensgemeinschaft im künstlichen Riff untersucht. Obwohl die bodenständige Wissenschaft sicherlich weniger anschaulich ist als das Weltraum-Experiment der 1990er Jahre ist Biosphäre II, der Planet auf dem Planeten, immer noch ein Publikumsmagnet. Rund 175.000 Touristen bestaunen jährlich die moderne Kathedrale. Zwar ist die Geschichte um die acht Bionauten längst ins Museum gewandert: Küche, Wohnraum und ein original orangefarbener Bionautenanzug sind heute Ausstellungsobjekte - aber die Anziehungskraft ist ungebrochen. Und während die Besucher auf der Suche nach der Vergangenheit von Biosphäre II sind, suchen die Wissenschaftler hinter den Kulissen nach langfristigen Lösungen für das zukünftige Überleben in der Biosphäre I, unserer Erde. (Susanne Wagner) (Stand vom 21.05.2004)