Langzeittherapie bei ankylosierender Spondylitis

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Schmerz dokumentiert
Die Reihe «Schmerz dokumentiert» ist eine journalistische Arbeit im Auftrag der Firma Pfizer. Die referierten Studien werden von
ARS MEDICI in Absprache mit Pfizer ausgewählt. Pfizer nimmt auf den von Medizinjournalisten verfassten Text keinen Einfluss. Die
Interviewpartner sind unabhängig und werden von Pfizer finanziell nicht unterstützt. Unterstützt wird von Pfizer hingegen die Produktion der Beiträge.
Langzeittherapie bei ankylosierender Spondylitis:
Coxibe wirksam und besser verträglich
Coxibe sind bei der Langzeitbehandlung der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) eine Alternative
zu den klassischen NSAR. Ihre Wirksamkeit ist ver-
Diagnose erfolgt aufgrund der Anamnese und der Diagnosekriterien der ESSG (siehe Kasten). 90 Prozent der Betroffenen
haben das HLA-B27-Gen. Der Rheumafaktor ist negativ.
gleichbar, gastrointestinale Nebenwirkungen sind aber
Therapie: Schmerz lindern, Funktion erhalten
seltener 1.
Am wichtigsten sind regelmässige Bewegung und Krankengymnastik, vor allem um eine Kyphose zu vermeiden. Die
Therapie kann zwar schmerzhaft sein, immerhin lässt sich
damit die Beweglichkeit des Körpers oft ausreichend erhalten.
Seit einigen Jahren sind die TNF-alpha-Blocker (Etanercept,
Adalimumab, Infliximab) zur Therapie zugelassen. Die Empfehlungen der «ASsessments in AS (ASAS) International Working Group» und der European League against Rheumatism
(EULAR) verlangen vor Beginn einer Therapie mit TNF-alphaBlockern das Fehlschlagen von zwei unterschiedlichen nicht
steroidalen Entzündungshemmern. Es ist deshalb wichtig,
diverse NSAR wie auch Coxibe auf ihre Wirkung bei
M. Bechterew zu prüfen und zu vergleichen, um den Patienten verschiedene Behandlungsoptionen anbieten zu können.
Mehrere Studien untersuchten die Tauglichkeit von Coxiben
zur Langzeitbehandlung bei ankylosierender Spondylitis. Sieper et al. vermochten in einer zwölf Wochen dauernden randomisierten, doppelblinden Studie an 458 Patienten zu zeigen, dass sowohl 200 wie 400 mg (2-mal 200 mg) Celecoxib
eine mit 150 mg Diclofenac (2-mal 75 mg) vergleichbare analgetische Wirkung entfalten. Entzündungsparameter reagierten hingegen nur auf 400 mg Celecoxib und auf Diclofenac.
Wie nicht anders zu erwarten, war die gastrointestinale Verträglichkeit unter beiden Dosierungen von Celecoxib deutlich
besser als unter Diclofenac.
Kvien et al. hatten bereits früher in einer ebenfalls zwölf Wochen dauernden Studie an 330 Patienten mit M. Bechterew
nachgewiesen, dass die gesamthafte Schmerzintensität sowohl
unter 200 mg wie unter 400 mg (2 × 200) Celecoxib und unter
150 mg (2 × 75) Diclofenac in vergleichbarem Mass abnimmt.
Die Frage der Verträglichkeit einer antientzündlichen analgetischen Therapie hält Sieper vor dem Hintergrund der Streitfrage «kontinuierliche oder periodisch unterbrochene Gabe?»
für besonders wichtig. Eine kontinuierliche Therapie über
zwei Jahre hat offenbar das Potenzial, die radiologisch sichtbare Progression im Bereich der Wirbelsäule zu stoppen. Eine
derartige Langzeittherapie aber stellt besondere Anforderungen an die Verträglichkeit. Seine Arbeitsgruppe empfiehlt
denn auch, die Behandlung mit 200 mg Celecoxib täglich zu
beginnen und je nach Ansprechen auf zweimal 200 mg zu
erhöhen.
Die Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew ) ist eine chronisch entzündliche, rheumatische Erkrankung aus der Gruppe
der Spondylarthropathien. Spondylarthropathien kommen
bei gegen 2 Prozent der Bevölkerung vor, der Morbus Bechterew bei 0,5 bis 1 Prozent. Das sind immerhin gegen 70 000
Betroffene in der Schweiz.
Ursache: gestörtes Immunsystem?
Als Ursache der Spondylitis ankylosans vermutet man eine
Störung des Immunsystems. Da nach der Hemmung des
Tumor-Nekrose-Faktors alpha (TNF-alpha) eine Linderung der
Symptome eintritt, liegt es nahe zu vermuten, dass dieser eine
zentrale Rolle spielt. Eine Besonderheit ist die enge Assoziation der Erkrankung mit der Präsenz von HLA-B27, einem auf
den Leukozyten verankerten Antigen (human leukocyte antigen). Man geht heute davon aus, dass das HLA-B27-Gen
die am besten bekannte, jedoch nicht die allein auslösende,
genetische Ursache ist.
Variables klinisches Bild
Wichtigster Vorgang beim M. Bechterew ist die Entzündung
der Sehnenansätze, besonders an Becken und Wirbelsäule. Die
Sakroiliitis ist eine der ersten Erscheinungen. An der Wirbelsäule kommt es zur Bildung von Syndesmophyten, was zur
Bildung der sogenannten Bambuswirbelsäule führt.
Die ersten Symptome treten meist in der späten Jugend oder
im frühen Erwachsenenalter auf. Sie äussern sich in stumpfen
Schmerz in der Lenden- und Gesässregion. Dazu gesellt sich
morgendliche Steifheit. Innerhalb weniger Monate ist der
Schmerz anhaltend und beidseitig. Etwa 25 bis 35 Prozent der
Patienten klagen über Schmerzen in Schulter-, Hüft- und Iliosakralgelenk (Sakroiliitis). Arthritiden in anderen Gelenken
treten bei 30 Prozent der Patienten auf, häufig asymmetrisch.
Begleitet sind die Arthritiden von Schwellungen, Fieber und
Müdigkeit. Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel, er reicht
von leichter Steifheit bis hin zur kompletten Verschmelzung
der Wirbel und damit einhergehender Bewegungseinschränkung des Oberkörpers, Arthritiden und sogar Manifestationen
ausserhalb der Gelenke (anteriore Uveitis, Kolitis, Aorteninsuffizienz).
Wichtig ist eine frühzeitige Diagnosestellung, um bleibende
Verformungen des Bewegungsapparats zu vermeiden. Die
Dr. med. Richard Altorfer
1
Swissmedic hat diese Indikation für Celebrex noch nicht zugelassen.
Das Inter view zum Thema
«Auch im Zeitalter der anti-TNF keine Alternative zu Antirheumatika (NSAR, Coxibe)»
Interview mit PD Dr. med. Haiko Sprott, Leiter Schmerzforschung, Rheumaklinik und Institut für
Physikalische Medizin, UniversitätsSpital Zürich
Die Inzidenz des Morbus Bechterew ist überraschend hoch. Wird die Krankheit in der
Praxis eher unterschätzt?
Die Inzidenz wird je nach Literatur sehr unterschiedlich angegeben. Allerdings wird die
Krankheit sicher in der Praxis unterschätzt.
Dies zeigt sich zum Beispiel in der verspäteten Diagnosestellung, die im Mittel erst 5 bis
7 Jahre nach Auftreten der ersten Symptome
erfolgt. Das kann mit den unterschiedlichen
Krankheitsverläufen, beispielsweise milden
Verläufen vor allem bei Frauen, aber auch
mit einer verzögerten Zuweisung zum
Spezialisten zusammenhängen.
PD Dr. med. Haiko Sprott
Wie erlebt denn der «Durchschnittspatient» die
Spondylitis ankylosans?
Die Krankheit präsentiert sich individuell
sehr unterschiedlich: von sehr milde mit
wenigen Schüben bis zu schnell progredient
mit ausgeprägter Ankylose und schweren
Schüben. Jedoch wurden bisher keine Merkmale identifiziert, die eine sichere Aussage
zur individuellen Prognose zulassen. Mit
einem schweren Krankheitsverlauf ist zu
rechnen, wenn während der beiden ersten
Krankheitsjahre bestimmte Symptome zu
finden sind: Coxitis, BSG > 30 mm/1. Std.,
unbefriedigende Wirkung von NSAR, wurstförmige Schwellung der Finger oder Zehen,
Oligoarthritis, Krankheitsbeginn vor Vollendung des 17. Lebensjahres.
Ist die Lebenserwartung von BechterewPatienten beeinträchtigt?
Dazu gibt es unterschiedliche Angaben: Eine
Untersuchung (Radford et al., 1977) zeigte
bei den Männern eine erhöhte Mortalität,
die insbesondere mit begleitenden Erkrankungen wie Colitis, Nephritis und Herzund Lungenerkrankungen in Zusammenhang stand. Eine weitere Studie (Khan et al.
1981) zeigte im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung in den ersten 10 Krankheitsjahren keine Erhöhung der Mortalität, danach war sie geringfügig erhöht. Eine andere
Studie (Lehtinen 1993) zeigte eine Erhöhung
der Mortalität von 1,5 gegenüber gleichaltrigen Personen gleichen Geschlechts.
Wie häufig sind extraartikuläre Manifestationen
der Krankheit?
Sie treten bei über 40 Prozent der Patienten
auf und betreffen vor allem die Augen
(Uveitis bei 27–40 Prozent), die Haut (PsoriaQuellen:
Joachim Sieper et al.: Ann Rheum Dis
(published online 6 Jul 2007).
T.K. Kvien et al.: Ann Rheum Dis 2006;
65 (Suppl II): 531.
sis bei 11–15 Prozent) und den Darm (IBD bei
9–10 Prozent). Die Abnahme der Knochendichte, resultierend in Frakturen der Wirbelkörper (6 Prozent), ist ebenfalls nicht zu
vernachlässigen. Die Prävalenz dieser Manifestationen steigt auf 60–90 Prozent bei Patienten
mit über 30-jähriger Krankheitsdauer.
Mit Antirheumatika (NSAR und Coxibe) soll die
Progression der Krankheit – radiologisch
erkennbar – gestoppt werden können.
Ist das der Normalfall?
Dies zeigt die Studie von Wanders et al. 2005,
bei der diese Substanzen kontinuierlich über
zwei Jahre verabreicht wurden. Solange in
der Literatur nichts Kontroverses dazu berichtet wird, kann man das momentan als
Normalfall deklarieren.
Bei welchen Patienten ist trotz Antirheumatika
mit einer Progression zu rechnen?
Leider haben wir keine zuverlässigen Prädiktoren, um genau diese Patientensubpopulation definieren zu können. Generell gilt,
dass das Ansprechen auf eine suffiziente medikamentöse Therapie bei jüngeren Patienten mit einer kurzen Erkrankungsdauer deutlich besser ist (Braun 2007). Allerdings gibt es
hier auch individuelle Ausnahmen.
Verschiedene Studien zeigen, dass die analgetische Wirkung von Celecoxib mit jener von
Diclofenac vergleichbar ist. Sind NSAR und die
Coxibe auch punkto Einfluss auf den Krankheitsverlauf gleichzusetzen?
Das scheint so zu sein. Dabei wird, wegen
der Verminderung der radiologischen Progression, eine kontinuierliche Einnahme
empfohlen. Bezüglich der analgetischen
Wirksamkeit gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen «kontinuierlicher Medikation» und «on-demand-Verabreichung»
der NSAR. Das trifft übrigens auch auf die
Nebenwirkungsrate zu. Betonen möchte ich
an dieser Stelle, dass man, insbesondere in
Kenntnis der Nebenwirkungen, die Indikationsstellung für die Dauer der NSAR- und
Coxibe-Therapie sehr streng festlegt.
Wie sehen Ihre praktischen Erfahrungen mit
Entzündungshemmern (NSAR, Coxibe) bei
Bechterew-Patienten aus?
Vor dem Zeitalter der Anti-TNF-Alpha hatten
wir ja keine Alternative und haben die Patienten «nur» mit NSAR und Physiotherapie
behandelt. Und auch im Zeitalter der AntiTNF gibt es keine wirkliche Alternative zu
den NSAR oder Coxiben. Für mich ist es eine
«Basistherapie» – häufig die einzige, wenn
periphere oder extraartikuläre Manifestationen fehlen. Bei der Langzeittherapie, die
man aufgrund der derzeitigen Studienlage
bevorzugen sollte, ist streng auf die Indikationsstellung im Hinblick auf potenzielle
Nebenwirkungen zu achten.
Bei welchen Patienten ist der Einsatz von TNFalpha-Blockern angezeigt oder gar zwingend?
Hier halte ich mich konsequent an die ASASEmpfehlungen (Braun 2006). Klare Indikationen sind für mich die Krankheitsaktivität
(BASDAI) und das ungenügende Ansprechen
auf NSAR beziehungsweise Kontraindikationen gegen diese Medikamentengruppe. Auch
das Versagen von lokalen Massnahmen
(Steroidinfiltrationen an Enthesen oder in
Gelenke) veranlassen mich zum Einsatz von
anti-TNF-Alpha-Produkten.
Interview: Richard Altorfer
Diagnosekriterien für Morbus Bechterew gemäss ESSG
(European Spondylarthropathy Study Group)
Wirbelsäulenschmerzen vom entzündlichen Typ oder Arthritis/Synovitis, entweder
asymmetrisch oder an den unteren Extremitäten sowie eines der folgenden Kriterien:
* Auftreten von Morbus Bechterew in der Familie
* Befund oder Anamnese von Schuppenflechte
* Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
* Beidseitig wechselnde Gesässschmerzen
* Fersenschmerzen
* Sakroiliitis
Schmerz dokumentiert
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