Ding an sich und Erscheinung

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Andrea Rödig
Ding an sich
und Erscheinung
Einige Bemerkungen zur
theoretischen Dekonstruktion
von Geschlecht
i.
Es ist bekannt, daß die Kantische Lehre
von der Unerkennbarkeit der Dinge an sich
Heinrich von Kleist 1801 in eine tiefe Krise
stürzte. Bekannt ist auch, daß diese Verzweiflung an der Philosophie unnötig gewesen wäre, wenn Kleist Kant nur richtig
gelesen hätte.
Zwei Dinge lassen sich hieraus lernen:
Kant war nicht der radikale Relativist, für
den Kleist ihn fälschlicherweise hielt. Und
man sollte die Frage nach der Existenz fester Wahrheiten nicht für eine Frage auf
Leben und Tod halten.
In der feministischen Diskussion fallen
immer wieder Parallelen zu Debatten auf,
wie sie in der Philosophie geführt worden
sind und ewig wieder geführt werden. Es
geht um die Frage nach Freiheit und Determination, nach Relativismus und Wahrheitskriterien, nach dem Verhältnis von
Theorie und Praxis. Ich möchte im folgenden auf eine dieser Parallelen hinweisen,
nämlich auf die augenfällige, aber gleichwohl bisher nicht explizit benannte Ähnlichkeit der Behauptung einer vollständigen »Konstruiertheit« von »Geschlecht«
mit der philosophischen Auffassung eines
erkenntnistheoretischen
»Relativismus« 1
und den sich daraus ergebenden Debatten.
Dabei handelt es sich um eine erste Skizze,
eine Versuchsanordnung, in der ich heterogene Theorietypen zusammenbinde, um
einen »Querschnitt« zu erstellen. In einem
solchen Verfahren sind Verfremdungen per
se angelegt, zumal es mir nicht darum geht,
»Parallelen« im Sinne direkter wirkungsge-
schichtlicher Traditionslinien nachzuzeichnen. So kann es sein, daß keine der zitierten
Theorien sich adäquat behandelt findet ich nehme dieses Risiko in Kauf,
überzeugt, daß eine weiter ausgreifende
Studie auch en détail aufzeigen könnte, was
hier nur in einer groben Linie gezeichnet
ist.
Unter der »Konstruktionshypothese«
verstehe ich diejenige Auffassung, die »Geschlecht« für sozial, kulturell, historisch
oder diskursiv produziert hält, und zwar in
der radikalisierten Form, daß sie die
sex/gender Unterscheidung noch unterläuft
und »sex« in »gender« auflöst. Nach ihr
soll sich zeigen, »daß das Geschlecht (sex)
definitionsgemäß
immer
schon
Geschlechtsidentität (gender) gewesen ist«
(Butler 1991, 26). Selbst der Körper, die
Materialität, die bisher unausgesprochen
und selbstverständlich als ein Substrat galt,
als eine Art »Trägersubstanz«, an der sich
»gender« festmachen und verorten ließ, erweist sich als eine »kulturell spezifische
Konstruktion« (Hirschauer 1993 b, 23), als
ein Effekt sozialer bzw. diskursiver Prozesse; er ist »kein >Seiendes< ... sondern eine
variable Begrenzung, eine Oberfläche, deren Durchlässigkeit politisch reguliert ist,
eine Bezeichnungspraxis in einem kulturellen Feld der Geschlechter-Hierarchie«
(Butler 1991, 204).
Mit der Entnaturalisierung von »Körper« und der angedeuteten Auflösung der
Unterscheidung von sex und gender, fällt
auch das für den bisherigen Feminismus so
grundlegende Modell von Zweigeschlechtlichkeit unter die Konstruktionshypothese.
Wenn sex und gender kulturelle Konstrukte
sind, so ist auch die Zweigeschlechtlichkeit
keine natürliche bzw. notwendige Verfassung von Geschlechterverhältnissen. Eine
Geschlechtsidentität, die nicht an den Körper gebunden ist, wird zu einem »freischwebenden Artefakt« (Butler 1991, 23),
das grundsätzlich auf beliebige Körper beziehbar und über die Binarität hinaus multiplizierbar ist.
Solche Thesen vertritt auch die soziologische Forschung, die auf dem Wege der
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Ethnomethodologie zu ähnlichen Resultaten gelangt, wie Butler auf dem Wege einer
an Foucault orientierten Diskurs- und
Machttheorie:
Die Vorstellung einer »Natur der Zweigeschlechtlichkeit« als unmittelbar erlebbare, körperlich und/oder biologisch begründete und nicht weiter zu hinterfragende »objektive Realität« ist ein (kuturell produziertes) Mißverständnis ... Die »Natur
der Zweigeschlechtlichkeit«
stellt eine soziale Konstruktion dar, ein generatives Muster der Herstellung sozialer
Ordnung
(Gildemeister/Wetterer 1992, 230).2
Judith Butlers Buch Gender Trouble hat
wohl deshalb so starke Reaktionen ausgelöst, weil es zur rechten Zeit auf den Punkt
brachte, was viele feministische Theorien
seit langem schon unterschwellig beunruhigte: 3 daß sie implizit immer noch auf ein
Substanzdenken rekurrierten, bzw. rekurrieren mußten, das ihnen eigentlich - qua
feministischem »Biologismusverbot« - untersagt war. Und so folgt nun auf die vielzitierte »Rezeptionssperre« angesichts ähnlicher Ansätze eine wahre Rezeptionswut;
die These von der sozialen Konstruktion
bietet eine derart schlagkräftige Form der
Kritik an feministischen Grundlagen, daß
sie grundsätzlich nicht bestritten, sondern
nur in ihren Varianten kritisiert werden
kann. So bezieht sich zwar kaum einer der
Beiträge im letzten Heft der Feministischen
Studien zur »Kritik der Kategorie >Geschlecht<« uneingeschränkt positiv auf Butler, aber niemand distanziert sich explizit
von dem für sie zentralen Theorem der
Konstruktion: 4 wir erleben die Instauration
nicht eines »neuen Mythos« (Landweer
1993, 35), aber eines neuen, anscheinend
unhintergehbaren Grundsatzes.
II.
In der Konstruktionshypothese verbindet
sich ein bestimmter erkenntnistheoretischer Gestus mit dem »nietzscheanischen«
Motiv der Kritik am Substanzdenken.
»Erkenntnistheoretisch« meint dabei im
Sinne der philosophischen Tradition bestimmte Annahmen über unsere Dispositionen und Möglichkeiten der Erkenntnis, der
Beziehung von erkennendem »Subjekt«
und erkanntem Gegenstand. An manchen
Stellen ist eine solche Option in den prokonstruktivistischen Texten erwähnt, etwa
wenn es heißt: »Mit Kant wird angenommen, daß wir z.B. keinen Zugang zur Natur
an sich haben« (Seifert 1992, 270) oder:
»Erkenntnistheoretisch gesehen gibt es keinen Zugang zur >reinen<, >wirklichen< oder
>bloßen Natur<« (Gildemeister/Wetterer
1992, 210).
Die Kantische Idee, daß wir Zugang zur
Wirklichkeit nur über die Erfahrung haben
und wir folglich über Erscheinungen, nicht
aber über Tatsachen der Welt urteilen können, die Kantische Idee, daß wir den Standpunkt der Betrachtungsweise umkehren
und nach den Bedingungen unserer Erkenntnis fragen müssen, nicht nach dem
Sein der Gegenstände, scheint letztlich
auch in der Konstruktionshypothese zu gelten, die diese Idee - auf eine andere Ebene
verschoben - reaktualisiert.
Dabei ist die Bemerkung »andere Ebene« wichtig, denn die Konstruktionshypothese ist keine Transzendentalphilosophie
und steht auch nicht in deren direkter Tradition. Aber sie bedient sich eines bestimmten erkenntnistheoretischen Gestus, den ich
mit Kant engführe, nicht weil mit ihm die
meisten Ähnlichkeiten bestehen, sondern
weil sich mit und nach Kant ein Denkstil
geprägt hat, auf den sich die Konstruktionshypothese implizit beruft. Mein Verdacht,
daß hier eine grundlegende Parallele besteht, nährt sich aus Sätzen wie: »Es gibt
keine natürliche Grenze für Geschlechtszeichen ... weil es letztlich die Betrachter
sind, die sich die Geschlechtsmerkmale
auswählen« (Hirschauer 1993 b, 37).
Worin besteht hier das Gemeinsame mit
der Kantischen Tradition? Es besteht zunächst darin, Erscheinungen nicht für Dinge an sich zu halten, bzw. Inhalte der Erfahrung nicht für wahre Tatsachen. Ein
Hauptmotiv in pro-konstruktivistischen
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Texten ist es, gegen »Naturalisierungen«
anzugehen, d.h. gegen unseren Glauben,
Geschlechtlichkeit bestehe als substantiell
wirkliche Körpertatsache, weil wir sie als
Körpertatsache erleben. Der Schein von
Natürlichkeit, von dem wir uns hier blenden lassen, hat viel von einem »naturalistischen Fehlschluß«, in dem die Wahrnehmung naiv als Spiegelbild objektiver
Wirklichkeit genommen wird. Die Konstruktionshypothese geht - wie die Erkenntnistheorie - davon aus, daß die Wahrnehmung »Gegenstände« formiert, daher
distanziert sie sich ebenso von einem unmittelbaren Alltagswissen und einem Biologismus wie die Transzendentalphilosophie vom naiven Realismus.5
In der Distanznahme geht es auch immer darum, das Alltagswissen selbst, d.h.
das, was sonst unhinterfragter Boden unseres Verstehens ist, zum Thema zu machen.
Diese reflexive Rückwendung auf unmittelbare Voraussetzungen unseres Denkens,
hat viel von der Kantischen Frage nach den
Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung. Wenn Wahrnehmung6 die Gegenstände formiert, so läßt sich weiter fragen, wodurch die Wahrnehmung selbst bestimmt
ist. Wahrend aber Kant, weil er Erkenntnistheorie als Propädeutik einer Metaphysik
betreibt, stabile und universale Elemente
von Anschauung und Denken sucht, ist die
Antwort auf die Frage nach den Bedingungen (der Möglichkeit) von Erfahrung in der
Konstruktionshypothese verschoben: Hier
geht es um »Gesellschaftstheorie«, und
folglich werden die Bedingungen für Erfahrung nicht im Erkenntnissubjekt, sondern in sozialen Praxen oder in Diskursformationen gesucht. »Kategorien« und »Anschauungsformen« sind ersetzt durch
gesellschaftliche Wissensformen, die auch
nicht mehr als feststehend und universal
gedacht sind: Das Apriori wird historisch.7
Das Gemeinsame zum Kantischen Modell
liegt aber in der Überzeugung, daß etwas
unsere Wahrnehmung/Erfahrung (prä-)formiert, was selbst nicht Gegenstand der
Wahrnehmung ist. Daher auch die häufige
Rede von einem Zirkel: »Betrachter >wis-
sen< schon, daß jemand eine Frau oder ein
Mann ist, bevor sie >Geschlechtsmerkmale< identifizieren können...« (Hirschauer
1993b, 36). Daher der permanente Hinweis
darauf, daß bestimmte Denkformen (die
moderne Medizin z.B.) unsere Wahrnehmung steuern.
Kants »kopernikanische Wende« ist getragen von dem Gedanken, daß wir Zugang
zur Welt nur über die Erscheinungen haben,
wir uns folglich auch nur auf Erscheinungen beziehen können, nicht aber auf die
Dinge wie sie »an sich« sind. Mir scheint,
daß die Konstruktionshypothese strukturell
diese Wende mitmacht, und zwar insofern,
als es jetzt gesellschaftliche bzw. historische »Erscheinungen« sind, die den Boden
der Untersuchung bilden: Was »dahinter«
oder »darunter« ist, bleibt irrelevant, weil
nicht erfaßbar.8 Was in unserem Wissen immer schon vorausgesetzt ist, wird zum letzten, logisch unhintergehbaren Punkt. Für
die Cartesianische Tradition ist dieses Unhintergehbare das erkennende Subjekt, für
die Philosophie nach dem lingustic turn ist
es die Sprache, für die Konstruktivistlnnen
ist es die Herstellungspraxis der Beteiligten, die »Gesellschaft«.
III.
Wenn Kant behauptet, daß wir die Dinge an
sich nicht erkennen können, so setzt er mit
»Ding an sich« einen Begriff, der die Grenzen der Erfahrung zieht und sie gleichzeitig
überschreitet. Das »Ding an sich« ist inhaltlich völlig leer, ein reines Gedankending, die systematische Stelle, die darauf
hinweist, daß wir die Gegenstände notwendigerweise auch als unabhängig von der
sinnlichen Anschauung denken müssen
(vergl. Kant KrV, B306ff.). Weil es aber
selbst nur ein gedachtes Ding ist und de
facto gar nicht über das Subjekt hinausweisen kann, wurde es zum philosophischen
Zankapfel par excellence. In der Nachfolge
Kants gibt es nicht wenige Tendenzen, die
systematische Stelle des Ding an sich einfach wegzustreichen, so z.B. bei Fichte, in
der transzendentalen Phänomenologie des
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späten Husserl oder bei einigen Vertretern
des Neukantianismus. Kann man nicht hinter die Erfahrung zurück, dann sind Fragen
nach ihrem »Jenseits«, z.B. nach dem objektiven, wahren Sein der Dinge, per se
obsolet, sie sind »einzuklammern«. 9 Dieses
Vorgehen hat allerdings die Tendenz, die
ehemals postulierte Differenz zwischen
Sein und Erscheinung wieder einzuebnen,
weil allzuleicht vergessen wird, was man
methodisch ausgegrenzt hat. So neigt
Husserl dazu, den Phänomenen die Stelle
von objektiven Tatsachen zuzusprechen,
für die Neukantianer »gibt« es die Dinge
nur, weil wir sie erkennen. Der erkenntniskritische Impuls, die Wahrnehmungen
nicht für die Dinge zu halten, schlägt leicht
ins Gegenteil um, die Dinge bloß als Wahrnehmungen gelten zu lassen, weil alles
außerhalb unseres Erfahrungsbereichs sowieso unzugänglich, d.h. für die Theorie
irrelevant ist. Es ergibt sich eine Art Spiegelbild, ein naiver Realismus auf transzendentaler Ebene.
Ich habe nun den Verdacht, daß die
Konstruktionshypothese - wiederum auf
anderer Ebene - eine ähnliche Bewegung
macht, daß sie aus ähnlichen Motiven eine
methodische Einschränkung ihres Fragebereichs vornimmt, 10 und daß auch in ihr jene
Ellipse stattfindet, in der die begriffliche
Differenz zwischen einem »Ding« und seiner »Erscheinung«, bzw. einem Gegenstand und seiner Bedeutung für uns, eliminiert ist.
Warum läßt sich z.B. in Barbara Dudens Geschichte unter der Haut nicht zwischen Körper und Körperwahrnehmung
unterscheiden? Da wird die »wirklichkeitsschaffende Kraft der Vorstellung« so ernst
genommen, daß nicht nur die Form, sondern auch der Stoff »erst durch den Blick
des Betrachters« entsteht (Duden 1991,
18f.). Ist denn der Körper eine Wahrnehmung? Warum ist von der »Produktion des
modernen Körpers« die Rede und nicht präziser - von der Produktion der modernen Körpervorstellung?
Immer wieder seit Foucault - geschieht der Schluß, die
Geschichte der Diskurse über den Körper
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sei die Geschichte des Körpers. Es läßt sich
nicht mehr unterscheiden zwischen einem
Diskurs und dem, worauf sich der Diskurs
richtet." Diese Ellipse gilt auch, wenn
nicht von »Diskursen« die Rede ist: Der
Geschlechtsunterschied geht in seiner
»kulturell konstituierten Zeichenrealität«
(Hirschauer 1993b, 22) auf, weil es letztlich nichts an den Gegenständen gibt, was
uns veranlaßte, sie als so und so beschaffen
zu erkennen: Wir schaffen ihren Sinn, die
körperlichen Phänomene selbst sind bedeutungslos (s. Hirschauer 1993b, 22).
Erkenntnistheoretischer
Subjektivismus geht davon aus, daß das Subjekt seine
Gegenstände nicht nur formiert, sondern
konstituiert. Diese Figur kehrt als Produktionsgedanke in der Konstruktionshypothese wieder: Die Diskurse, die gesellschaftlich Interagierenden, produzieren ihre Erkenntnisgegenstände, sie produzieren den
Wahnsinn, die Transsexualität, die Geschlechterdifferenz. Außerhalb ihrer Produktion sind sie nichts. Es bleibt zu fragen,
warum sich im Zusammenhang mit konstruktivistischen Thesen das Wort »Subjektivismus« aufdrängt (z.B. Seifert 1992,
282), obwohl es gleichzeitig als unpassendes Charakteristikum erscheint. Der Konstruktionsgedanke ist ja kein subjektivistischer Anti-Realismus, denn er setzt nicht
den Standpunkt des Erkenntnissubjektes
als absolut, und er leugnet weder die Faktizität des Körpers, noch die Realität der
Phänomene. Aber er läßt die Faktizität vollständig in der ihr verliehenen gesellschaftlichen Bedeutung aufgehen - und genau
das ist sein »subjektivistisches« Element. 12
IV.
Die beschriebene Ellipse hat in den prokonstruktivistischen Texten allerdings eine
systematische Bedeutung, denn sie ist zusätzlich durch einen metaphysikkritischen
Impuls motiviert. Es könnte ja sein, daß die
begriffliche Unterscheidung von (wahrem)
»Sein« und (bloßer) »Erscheinung« uns
dazu verleitet, ein Substrat, einen wahrhaften Grund »hinter« den Erscheinungen anUnauthenticated
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zunehmen, den es gar nicht gibt. So setzt
man der »Suche nach der >wahren< oder
>wirklichen< Differenz« eine Perspektive
entgegen, derzufolge »>hinter dem Vorhang
nichts ist«< (Gildemeister/Wetterer 1992,
204), d.h. daß sich kein substantielles, beharrliches Etwas hinter der jeweiligen historischen Gestalt verbirgt. Hier steckt das
Nietzscheanische der Konstruktionshypothese, die »Umwertung der Werte« und die
Auflösung jener »Hinterwelten«, die nichts
sind, als Fata Morganen unserer Sprache.
Am deutlichsten wird dieser Gestus wohl
von der Konzeption Judith Butlers getragen: 13 Unablässig fordert sie uns auf, die
angeblichen Ursachen als Effekte, die Substanzen als Akte und das Innen als Oberfläche zu lesen. Es gibt keinen Täter hinter der
Tat, denn der Täter wird erst durch die Tat
hervorgebracht (Butler 1991, 209).14 Es
gibt kein Original hinter der Kopie, denn
das Original ist »nichts anderes als eine
Parodie der Idee des Natürlichen und Ursprünglichen« (Butler 1991, 58). Solche
Kritik an der »Substanzmetaphysik« prozessualisiert das angeblich Beharrliche
(Identische) und reduziert es konsequent
auf seine Genese, sein Hergestelltsein. So
gibt es auch kein »sex« hinter »gender«,
denn Geschlechtsidentität ist »performativ,
d.h. sie selbst konstituiert die Identität, die
sie angeblich ist... Geschlechtsidentität ist
ein Tun« (Butler 1991, 49). Hier hat sich,
das sei am Rande vermerkt, ein existentialistische Diktum in die »Postmoderne« hinübergerettet, nämlich der Gedanke, daß die
Existenz der Essenz vorausgehe, daß »der
Mensch ... nichts anderes [ist], als wozu er
sich macht«.15
Nun hat diese Art von Denken mindestens zwei Schwächen: Indem man die Auffassung vom »Nichts hinter dem Vorhang«
in einer starken, nietzscheanischen Lesart
unterstützt, behauptet man mehr als bloß
dies, daß wir nicht wissen, was »hinter dem
Vorhang ist«, man macht eine (ehemals?)
heuristische Begrenzung des Feldes der Erkenntnis zur konstitutiven Seinsaussage.
Sie erscheint als ontologische Fassung einer erkenntnistheoretischen Option: Es
gibt nichts außerhalb des Diskurses (s. Butler 1991, 67), es gibt nichts jenseits der
sozialen oder kulturellen Herstellungsprozesse. Woher wir das wieder so genau wissen wollen, bleibt unklar.
Eine zweite Schwäche des nietzscheanischen Gestus ist seine Ambivalenz, mit
der er einmal die Auflösung von Hinterwelten propagiert, andererseits aber in seiner
Umkehrungsrhetorik dazu tendiert, nur die
Vorzeichen zu verändern und die alten Entgegensetzungen und Denkmuster selbst
beizubehalten. So ist Butler anscheinend
gezwungen, doch mit einem Ursache-Wirkungsmodell zu arbeiten, wo nun die ehemaligen »Effekte« sich als Ursachen gebärden. Es sind die Machtverhältnisse, die Effekt hervorbringen, es ist die Inszenierung
von Geschlechtsidentität die die Vorstellung eines natürlichen Geschlechts bedingt
(s. Butler 1991, 24).17
Fragwürdig am Modell der Auflösung
von »Hinterwelten« ist auch, ob man
dichotomes Denken aufbrechen kann, indem man den Monismus einer Seite predigt: (fast?) alles ist Effekt, alles ist Kopie,
alles ist Oberfläche, alles ist gender. Natürlich kennt Butler die Mechanismen und
Fallen des Umkehr-Diskurses und der Ausschließungslogik. Sie versucht, sich den
gängigen Oppositionsschemata zu entziehen, etwa wenn sie anmerkt, daß die Geschlechterparodie nicht ein faktisches Original voraussetze, sondern den Begriff des
Originals selbst parodiere (Butler 1991,
203). Oder wenn sie eine Strategie der »internen Subversion« vorschlägt, »die die Binarität sowohl voraussetzt als auch bis zu
dem Punkt vervielfältigt, daß sie letztlich
sinnlos wird« (Butler 1991, 1988). Alles
das ist konsequent gedacht und verbietet
eine an herkömmlichem Denken orientierte
Kritik, weil dessen Logik ja gerade aufgelöst werden soll. Gleichzeitig drängt sich
eine solche Kritik immer wieder auf. Holt
der »Fehler«, den Butler einerseits vermeidet, sie nicht auf einer anderen Ebene wieder ein? Unterschätzt sie nicht die Abhängigkeit der Begriffe voneinander und die
Macht des »herkömmlichen« Denkens? So
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wie der Gegensatz von Natur und Kultur,
kann auch derjenige von sex und gender,
von Kopie und Original, nicht wirklich unterlaufen werden, wenn man eine der Seiten
wegstreicht. Die Hypostasierung einer der
Komponenten zum Absoluten lebt - wie
Butler sehr wohl weiß - von dem untergründigen Fortwirken der anderen und
bleibt auf sie, als das sie bestimmende Gegenteil, bezogen.
Und das gilt nicht nur für die Logik der
Begriffe: Das Publikum bei der Performance von Phranc, die Sabine Hark beschreibt
(s. Hark 1993, 105 f.), wäre nicht so begeistert gewesen, wenn es nicht gewußt hätte,
daß das nicht Neil Diamond ist, »der« dort
auf der Bühne steht, und die Verkleidung
als Mann wirkt auf das lesbische Publikum
nur, weil es weiß, daß Phranc eine Frau ist.
Die subversive Kraft der Mimesis ist nicht
zu unterschätzen. Aber die Eloge auf die
spielerische Denunziation des Scheins und
auf die unendliche Proliferation der Geschlechter vergißt, daß Parodie nur als Augenblicksereignis wirken kann und daß sie
nur solange Parodie ist, wie wir - wenn
auch gebrochen - noch an den Identitäten
festhalten, die da parodiert werden.18 Die
homo- wie die heterosexuelle Travestie
spielt mit »gender«, nicht mit »sex«: Wenn
es wirklich zur Sache geht, muß das Geschlecht unterm Kostüm stimmen, und
zwar eindeutig.
V.
Nun ist die Butlersche Variante der Konstruktionshypothese nicht ohne weiteres
mit anderen, v. a. den empirisch ausgerichteten Ansätzen der Sozialforschung, in eins
zu setzen. Die Unterschiede lassen sich
leicht an den Reaktionen auf Butler ablesen: Da wird ihre Fragestellung für zu wenig empirisch gehalten (Hirschauer 1993 a,
58 f.) und für in einem schlechten Sinne
relativistisch (Hagemanm-White 1993, 69;
Duden 1993, 28). Das Modell der genderParodie provoziert die Kritik, es gehe hier
lediglich um einen »Maskenball« (Hagemann-White) oder um eine »dekonstrukti-
vistische Modenschau« (Duden). Fast einstimmig wirft man Butlers Diskurstheorie
vor, sie betreibe »Entkörperung«, der Körper sei »wegoperiert« (Landweer 1993,
42), auf bloßen Text reduziert (Duden
1993, 26; Lorey 1993, 20).
So werden die Aspekte der »leiblichen
Erfahrung« (Lindemann 1993 a, 50), des
Spürens und der »Körpererlebnisse« (Duden 1993, 28), der »Gestaltwahrnehmung«
und der »leiblichen affektiven Betroffenheit« (Landweer 1993, 40) stark gemacht
und mögliche Vorwürfe der relativistischen
Beliebigkeit gleich im Vorfeld abgewiesen:
»Die Zweigeschlechtlichkeit als Konstrukt
zu sehen ... heißt ... gerade nicht, daß die
Individuen je für sich und nach eigenem
Wunsch ihr Geschlecht herstellen können«
(Hagemann-White 1993, 69f.). 19 Man
wendet sich der empirisch ausgerichteten
Untersuchung zu, »wie denn die Geschlechter
sozial-wirklich
existieren«
(Hirschauer 1993 a, 58).20
In einem soziologischen Forschungsansatz ist die Konstruktionshypothese argumentativ unschlagbar: Man kann sich auf
den Standpunkt der empirischen Betrachtungsweise zurückziehen und die grundsätzlich »erkenntnistheoretische« Ebene
ausblenden oder sogar als unsinnig zurückweisen. Soziale (oder historische) Konstruktion heißt nicht Willkür und Beliebigkeit, denn sie konstituiert Realitäten,
Fakten, Wirklichkeiten. Es gibt die Geschlechter ja tatsächlich, sie befinden sich
nicht, wie beim Subjektivismus, als bloße
Vorstellungen in einem Kopf. Ihre faktische Realität wird nicht bestritten, nur die
Frage nach ihrer »substantiellen« Realität
wird nicht gestellt.
Nun scheint mir aber, daß Butler u.a.
deshalb so angreifbar ist, weil sich das, was
an der Konstruktionshypothese problematisch ist, erst zeigt, wenn sie ohne die Kleider des Empirischen, als bloße Theorie vorgetragen wird. In seinem prinzipiellen Anliegen unterscheidet sich Butlers Ansatz ja
nicht von den anderen: Ob es der Diskurs
ist oder ein Gewebe aus sozialen, leiblichaffektiven, kulturellen oder historischen
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Hervorbringungsmechanismen,
macht
zwar innerhalb des Konstruktivismus einen
Unterschied, an der Annahme von Konstruktion selbst ändert es aber nichts. Legt
Gender Trouble nicht auch theoretische
Implikationen frei, die sich als Bestandteil
aller konstruktivistischen Positionen erweisen? Das soll nun nicht heißen, daß Butler
die Theorie zum sozialen Konstruktivismus
liefert, sondern daß sie deutlicher gewisse
philosophische Voraussetzungen zum Ausdruck bringt, die die Konstruktionshypothese generell betreffen. 21
So könnten vor allem die leibtheoretisch orientierten Kritiken an Butler auch
als Indikator eines Unbehagens gegen die
Prämissen des Konstruktivismus insgesamt
gelesen werden.22 Wenn Barbara Duden
beharrt, sie lasse sich von keinem Dekonstruktivisten ihre Leibhaftigkeit ausreden,
sie sei »nicht ohne Substanz«, sie sei doch
»wer und nicht was« (Dudenl993, 29), so
scheint es, als stelle sich das erkenntnistheoretische Problem der »Realität der
Außenwelt« auch innerhalb des konstruktivistischen Denkens, das Duden ja in ihren
historisierenden Untersuchungen von Körperwahrnehmung mit auf den Weg gebracht hat.
VI.
Wenn es um den Körper geht, mag niemand
mehr auf die Biologie zurückgreifen. Wie in
der Philosophie spätestens mit Kant es nicht
mehr möglich war, ganz einfach nach dem
Sein der Dinge zu fragen, so scheint auch in
der feministischen Theorie mit der Konstruktionshypothese ein unhintergehbarer
Grundsatz zu gelten: niemals ganz einfach
nach »sex«, bzw. der sex/gender Unterscheidung zu fragen. Man kann diesem Grundsatz
nicht widersprechen, ohne gleichzeitig einem Substantialismus das Wort zu reden,
ohne sich nicht sofort dem Vorwurf von
»Reifizierung«, »Ontologi- sierung«, »Neutralisierung« auszusetzen. Leicht hat es, wer
sich dieser Auffassung ohne weiteres fügt.
Wer sich irgendwie außerhalb stellt, gerät in
eine Zwickmühle und kann nicht gewinnen.
Ich habe versucht zu zeigen, daß dieser
Grundsatz, wenn er als ausschließlicher betrieben wird, auf einer Ellipse beruht, die
derjenigen ähnlich ist, die die konsequentesten Kant-Nachfolger vollführten: dem
Wegstreichen der Funktion des »Ding an
sich« und der Reduktion eines Gegenstandes auf seine Bedeutung. Die Ellipse wird
verschärft durch ihre Verbindung mit dem
»nietzscheanischen« Motiv der Kritik an
Substanzmetaphysik - es verleiht der erkenntnistheoretischen Option einen gewissermaßen »ontologischen« Status und
überträgt den Gedanken subjektiver Konstitution des Gegenstandes auf das Modell
seines vollständigen gesellschaftlichen
Hergestelltseins. Der kritische Gewinn dieses Verfahrens ist nicht abzustreiten, und
folglich geraten die Aussagen über eine
substantielle Grundlage der Geschlechter
in den Dünkel von Naivität. Doch die Ellipse nivelliert ihrerseits genau jene Unterscheidung von »Sein« und »Erscheinung«,
auf die die kritische Erkenntnistheorie sich
anfangs berufen hatte, und sie führt tendenziell dazu, den Monismus eines Prinzips
anzunehmen. Daher haben auf das »Außerhalb« der Konstruktion zielende Fragen
keine Konjunktur zur Zeit.
Die Konstruktionshypothese muß mindestens zwei Fragen ausklammern, um
nicht in das Fahrwasser des »naiven« Denkens zu geraten:
1. Die »Was ist« und »Warum«-Fragen,
denn sie verleiten zu substantialistischem
Denken, sie provozieren einen bestimmten
Typus von Antworten, der den Blick für
eine »wirkliche« Analyse verstellt.
2. Den »Seinsglauben« der Alltagserfahrung, es gebe zwei Geschlechter
unabhängig von der gesellschaftlichen
Verfassung, den Glauben, es gebe eine
Natur hinter der Kultur.
So produktiv diese Ausgrenzungen sind
und so theoretisch einleuchtend, sie führen
als verabsolutierte zu neuen Denkverboten
und zu einer Selbstbeschränkung des Feminismus. Mit der Ausgrenzung von WarumFragen verbieten wir uns die »Geste der
Erklärung« und die Suche nach den »Ur-sachen«. Für die soziale Ungleichheit zwiUnauthenticated
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sehen Männern und Frauen besteht aber
immer noch Erklärungsbedarf. 23
Mit der Ausgrenzung der theoretischen
Relevanz von Alltagsevidenz nehmen wir
uns den Bereich der Erfahrung, aus dem
wir unsere politischen Motive gewinnen,
und die Identitäten, mit denen wir unsere
Ziele formulieren und legitimieren. Werden
wir nicht »als Frauen« »unterdrückt«? Einen solchen Satz zu formulieren ist guten
theoretischen Gewissens kaum mehr möglich. Ist er deswegen auch schon nicht mehr
wahr? 24
Wenn Kleist glaubte, ohne die Erkennbarkeit der Dinge an sich nicht leben zu
können, so weil er Theorie und Praxis nicht
pragmatisch zu trennen vermochte.
feministische Politik (keine »Geschlechterpolitik«) läßt sich hoffentlich auch ohne ein
theoretisch fundiertes Subjekt »Frau« betreiben. Sie muß pragmatisch Identitäten
annehmen, die sie theoretisch nicht mehr
legitimieren kann.
Die feministische Theorie aber könnte
sich die zweite Lehre geben lassen, daß die
kantische Konzeption vom »Ding an sich«
klüger ist, als ein bloßer Monismus der
Konstruktion. Ohne das »Ding an sich«
wäre die kritische Intention vertan, denn
die liegt im Aufweis der Grenzen der Erkenntnis, d.h. der Bewahrung einer (begrifflichen) Differenz von Innen und
Außen.
Daß die sex/gender-Unterscheidung latent biologistisch ist, liegt auf der Hand.
Daß ein einlinig auf ihr und der Geschlechterdifferenz beruhendes Denken zu einem
»ungewollten Konservativismus« tendiert,
ebenfalls (vergl.
Gildemeister/Wetterer
1992, 207, 203). Problematisch ist allerdings, diese Konzepte zugunsten eines gender-Monismus (bzw. einer »genderlessness«) fallenzulassen.
Sollten wir nicht wenigstens die Differenz von »sex« und »gender« in einem formalen Sinn beibehalten, so daß »sex« als
eine Art Grenzbegriff fungiert, der die
Schranken konstituierender Erkenntnis benennt und uns hindert, das Erkenntnisimmanente selbst als Absolutes zu deklarieren?
Diskussion
Anmerkungen
1 »Relativismus« soll hier einfach »Bezüglichkeit«
des Objekts auf ein Erkenntnissubjekt heißen und
bezeichnet noch keine Stellungnahme zu Wahrheitsfragen.
2 Für den Weg über die Ethnomethodologie s. auch
Lindemann (1993 a, 1993 b) und Hirschauer
(1993a, 1993b).
3 Vor der großen Butler-Rezeption waren es im
deutschen Sprachraum z. B. Texte von Carol Hagemann-White (1984, 1988), die in eine ähnliche
Richtung zielten, aber nicht dieselbe Breitenwirkung hatten.
4 Selbst Barbara Duden und Carol Hagemann-White. die Butler hart angehen, halten letztlich an
diesem Theorem fest, wenn auch nicht in seiner
Butlerschen Variante (vgl. meine Ausführungen in
Teil V). Am weitesten in ihrer Kritik geht Hilge
Landweer, indem sie mit der Generaüvität einen
Grund für die Geschlechtsunterscheidung und die
Existenz zweier »Kemkategorien« angibt (Landweer 1993, 36).
5 Zur Abgrenzung vom Alltagswissen s. Hirschauer
1993a, 56; 1993b, 21 ff.; Gildemeister/Wetterer
1992, 204, 231.
6 Ich mache im folgenden keinen terminologischen
Unterschied zwischen Wahrnehmung und Erfahrung.
7 Foucault OD, 24. Foucault beruft sich mit seiner
archäologischen Methode der »Geschichtsschreibung« explizit auf die Fragestellung Kants.
8 Parallel zu Kant ist daher auch die Option gegen
Ontologie.
9 S. die Epoch6 Husserls und sein »methodischer
Solipsismus« (z.B. Husserl CM 22, 32).
10 Z.B. in der beharrlichen Ausgrenzung von »Was
ist« und »Warum«-Fragen (s. Hirschauer 1993 a,
57; 1992, 278; Gildemeister/Wetterer 1992, 237).
11 Vergl. auch Landweers Kritik an Butler und ihrer
Foucault-Rezeption (Landweer 1993, 41 ff ).
12 Der Produktionsgedanke ist als Kritik an einer
bestimmten Art von (Wissenschafts-)Geschichtsschreibung wichtig, und für viele Phänomene mag
es sinnvoll sein, sie mit ihrer gesellschaftlichen
Herstellung gleichzusetzen (die Transsexualität
z.B.). Dieses Verfahren müßte aber differenzierter
eingesetzt werden, denn es ist nicht auf alle beliebigen Gegenstände gleichermaßen anwendbar.
13 Butler bezieht sich explizit auf Nietzsche (s. Butler 1991, 9, 43 u.a.); weiterhin bleibt - auch bei
anderen Autor/inn/en - in der Anlehnung an
Foucault Nietzsche immer präsent.
14 S. dazu Nietzsche GM, 236. Interessanterweise
bezeichnet Nietzsche in diesem Kontext auch das
»Ding an sich« als »Wechselbalg« (a.a.O.).
15 S. Sartre EH, 11, 9. - Symptomatisch ist, wie
Sabine Hark die Butlersche These in vollkom-
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Diskussion
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menstem existentialistischen Duktus reformulieit:
»daß wir also nicht tun, was wir sind, sondern wir
sind, was wir tun« (Harle 1993, 105).
Nicht umsonst nennt Hilge Landweer Butlers
Konzeption eine Diskursontologie und wirft ihr
vor, sie universalisiere, was bei Foucault lediglich
als historischer Befund dargestellt ist (s. Landweer 1993, 41).
Zur Umkehrrhetorik s.a. Hirschauers These,
Transsexualität werde durch die Medizin hervorgebracht (1993b) und Duden 1991, 15f.
So überschätzt Butler m.E. auch das kritische
Potential der butch-femme Inszenierungen (s.
Butler 1991, 202). Ihr Unterschied zur schlichten
Reproduktion von vorhandenen Rollenklischees
ist wohl oft nur von einem »intellektuellen«
Standpunkt aus zu entdecken.
Das hatte, entgegen Hagemann-Whites Unterstellung, auch Judith Butler niemals behauptet.
Zum Rückzug auf Empirie s. a. Hagemann-White
1993, 71.
Es gibt natürlich keine zwingende Notwendigkeit,
Theorien von einem »philosophischen« Standpunkt aus zu betrachten.
Parallel dazu ließe sich evtl. Hilge Landweers
Rekurs auf prädiskursive Gestaltwahmehmung
anführen.
Vergl. dagegen Hirschauer, 1993a, 57.
Fragen nach dem Außerhalb der Konstruktion,
nach der »wirklichen«, »wahren« Sein der Geschlechter, stellen sich immer wieder. Sie gehen»naiv« von einem unhinterfragten Natur/Kultur-Dualismus aus, den die Konstniktionshypothese gerade unterlaufen möchte. Vielleicht sollte
man aber »naive« Fragen, die sich immer wieder
stellen, nicht nur als billige Versionen des falschen Bewußtseins belächeln, sondern ihnen ein
Recht der Beharrlichkeit einräumen, ebenso wie
es gilt, den (Wahrheits-)Anspruch von Alltagsevidenz und vortheoretischen Überzeugungen
ernst zu nehmen.
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