Einführung in die partiellen Differentialgleichungen

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Zusammenfassung der Vorlesung
Einführung in die partiellen Differentialgleichungen
Stefan Müller
Universität Bonn
Sommersemester 2017
Dies ist eine gekürzte Zusammenfassung und kein vollständiges Skript der
Vorlesung. Deshalb kann diese Zusammenfassung ein Lehrbuch nicht ersetzen. Wie in der Vorlesung besprochen, werden folgende Bücher empfohlen:
• L. C. Evans, Partial Differential Equations, AMS Graduate Studies in
Mathematics 19
• F. John, Partial Differential Equations, Springer
• J. Jost, Partielle Differentialgleichungen, Springer
Dieses Skript basiert auf den oben genannten Büchern, und Skripten von S.
Conti (SS 2011), L. Szekelyhidi (SS 2010), Notizen zu einer Vorlesung im SS
2009 sowie weiteren Quellen, die nicht immer im Einzelnen genannt sind.
Tippfehler und Korrekturen bitte an [email protected] oder in der
Sprechstunde.
Diese Zusammenfassung ist nur für Hörer der Vorlesung V2B2 EPDE an
der Universität Bonn, Sommersemester 2017, bestimmt.
1
[24. Juli 2017]
Inhaltsverzeichnis
1 Harmonische Funktionen und die Poisson Gleichung
1.1 Eigenschaften harmonischer Funktionen . . . . . . . . . . . .
1.1.1 Definition und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2 Mittelwerteigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.3 Regularität I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.4 Maximumprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.5 Regularität II: Abschätzungen für die höheren Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Explizite Lösung der Poissongleichung . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Gauß-Green Formeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.2 Fundamentallösung, Laplacegleichung im Ganzraum .
1.2.3 Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.4 Verhalten bei ∞, Multipolentwicklung . . . . . . . . .
1.2.5 Greensche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.6 Spezielle Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.7 Randintegralmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.8 Beweis von Satz 1.57 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Existenz von Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Energiemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
19
19
20
24
27
33
38
44
46
48
58
2 Wärmeleitungsgleichung
2.1 Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Symmetrien und spezielle Lösungen . . . . . . . . . . . .
2.4 Fundamentallösung, homogene Gleichung im Ganzraum
2.5 Inhomogene Gleichung im Ganzraum . . . . . . . . . . .
2.6 Maximumprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7 Regularität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.8 Energiemethoden, Langzeitverhalten . . . . . . . . . . .
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59
59
59
60
62
67
71
75
76
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79
79
80
85
88
90
3 Wellengleichung
3.1 Eine Raumdimension . . . . . . . . . . .
3.2 Höhere Dimension, insbesondere 3D und
3.3 Energiemethoden, Eindeutigkeit . . . . .
3.4 Fourier- und Eigenwertmethoden . . . .
3.5 Inhomogene Wellengleichung . . . . . .
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2D
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3
3
3
4
8
10
4 Quasilineare PDG erster Ordnung
92
4.1 Charakteristiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
4.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
4.1.2 Die Richtung b ist konstant . . . . . . . . . . . . . . . 92
2
[24. Juli 2017]
4.1.3
4.2
4.3
Parameterabhängige gewöhnliche Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.4 Die Richtung b hängt von x ab . . . . . . . . . . . . .
4.1.5 Die Richtung b hängt von x und u(x) ab . . . . . . . .
Voll nichtlineare PDG erster Ordnung . . . . . . . . . . . . .
Burgersgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
100
101
103
108
5 ’Allgemeine’ Theorie
111
5.1 Quasilineare PDG höherer Ordnung und der Satz von CauchyKowalevskaya . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.2 Klassifikation linearer PDG zweiter Ordnung . . . . . . . . . 115
5.3 Elliptische PDG höherer Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . 115
6 Rückblick und Ausblick
6.1 Wohlgestellte Probleme . . . . . . . .
6.2 Lösungsmethoden . . . . . . . . . . . .
6.3 Wichtige Eigenschaften . . . . . . . .
6.3.1 −∆u = f ”elliptisch“ . . . . . .
6.3.2 ∂t u − ∆u = f ”parabolisch“ . .
6.3.3 ∂t2 u − ∆u = f ”hyperbolisch“ .
6.3.4 Quasilineare Gleichungen erster
6.3.5 ”Allgemeine“ PDG . . . . . . .
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Ordnung
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124
124
126
126
127
128
128
128
[21.4. 2017, Vorlesung 1]
1
Harmonische Funktionen und die Poisson Gleichung
1.1
1.1.1
Eigenschaften harmonischer Funktionen
Definition und Beispiele
Definition 1.1. Sei Ω ⊂ Rn offen, u ∈ C 2 (Ω). Die Funktion u heißt harn
X
∂2
monisch wenn ∆u = 0 auf Ω. Dabei ∆u =
u.
∂x2i
i=1
Beispiele:
(i) Jede affine Funktion ist harmonisch.
(ii) Sei A ∈ Rn×n . Die Funktion x 7→ x · Ax ist genau dann in Rn harmonisch, wenn Tr A = 0. Insbesondere sind x 7→ x21 − x22 und x 7→ x1 x2
in R2 harmonisch.
3
[24. Juli 2017]
(iii) Trennung der Variablen. Der Ansatz u(x1 , x2 ) = f (x1 )g(x2 ) führt auf
gewöhnliche Differentialgleichungen für f and g und liefert spezielle
harmonischen Funktionen (s. Übungsblatt 1).
(iv) Polarkoordinaten. Sei u : R2 \{0} → R und sei v(r, ϕ) = u(r cos ϕ, r sin ϕ).
Dann gilt
1 ∂2
1 ∂
∂2
(∆u)(r cos ϕ, r sin ϕ) =
v+
v + 2 v (r, ϕ) . (1.1)
r2 ∂ϕ2
r ∂r
∂r
Nach Definition ist v 2π-periodisch in ϕ, d.h.
v(r, ϕ + 2π) = v(r, ϕ) ∀r ∈ (0, ∞), ϕ ∈ R.
(1.2)
Man sieht leicht, dass es Lösungen von (1.1), (1.2) der Form rk g(ϕ)
gibt (s. Übungsblatt 1).
(v) Holomorphe Funktionen. Sei Ω ⊂ C offen. Eine Funktion f : Ω → C
heißt holomorph, falls sie in jedem Punkt von Ω komplex differenzierbar ist, d.h., falls für jedes z0 ∈ Ω in a ∈ C existiert, so dass
f (z0 + z) − f (z0 ) − az
= 0.
z→0
z
lim
Dann sind f1 = Re f und f2 = Im f : Ω ⊂ R2 → R differenzierbar und
erfüllen die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen
∂
∂
f1 =
f2 ,
∂x1
∂x2
∂
∂
f1 = −
f2 .
∂x2
∂x1
Da holomorphe Funktionen unendlich oft differenzierbar sind, folgt
leicht, dass f1 und f2 harmonisch sind. Falls umgekehrt Ω ⊂ C konvex
ist und u : Ω → R harmonisch, so gibt es eine holomorphe Funktion f :
Ω → C mit Re f = u. Statt Konvexität von Ω reicht es anzunehmen,
dass Ω einfach zusammenhängend ist.
Folgerung: Seien ω ⊂ C und Ω ⊂ C offen, f : ω → Ω holomorph
u : Ω → R harmonisch. Dann ist u ◦ f : ω → R harmonisch.
Wir werden sehen, dass harmonische Funktionen viele Eigenschaften
holomorpher Funktionen auf höheren Dimensionen verallgemeinern.
(vi) Radialsymmetrische Funktionen. Sei f : (0, ∞) → R eine C 2 Funktion
und u(x) = f (|x|). Dann gilt
(∆u)(x) = f 00 (r) +
n−1 0
f (r),
r
wobei r := |x| .
(1.3)
(s. Übungsblatt 1).
4
[24. Juli 2017]
1.1.2
Mittelwerteigenschaft
Definition 1.2. Sei (X, S, µ) ein Maßraum, E ∈ S mit 0 < µ(E) < ∞,
u ∈ L1 (E; µ). Dann gilt:
ˆ
1
u dµ .
(1.4)
u dµ =
µ(E) E
E
Insbesondere gilt für u ∈ L1 (B(x, r))
1
u dL = n
L (B(x, r))
B(x,r)
ˆ
n
u dLn
(1.5)
B(x,r)
und für u : ∂B(x, r) → R, integrierbar,
u dHn−1 =
∂B(x,r)
1
Hn−1 (∂B(x, r))
ˆ
u dHn−1 .
(1.6)
∂B(x,r)
Dabei bezeichnet Hn−1 das (n − 1)-dimensionale Hausdorffmaß das auf der
Sphäre ∂B(x, r) mit dem in Analysis 3 eingeführtem Oberflächenmaß S n−1
übereinstimmt:
ˆ
ˆ
u dHn−1 =
u dS n−1 .
(1.7)
∂B(x,r)
∂B(x,r)
Im folgenden benutzen wir insbesondere zwei Tatsachen aus Analysis 3.
• (Fubini in Polarkoordinaten) Sei f ∈ L1 (B(x, r)) Aus dem Satz von
Fubini und der Transformationsformel folgt, dass für fast alle ρ ∈ [0, r]
die Funktion f über ∂B(x, ρ) integrierbar ist und dass gilt
!
ˆ
ˆ
ˆ
f dHn−1
f dLn =
B(x,r)
[0,r]
dL1 .
(1.8)
∂B(x,ρ)
(vgl. Analysis 3, Beispiele nach dem Transformationssatz, Satz 3.30,
insbesondere Gleichungen (3.177), (3.181) und (5.17).
Daraus folgt, dass Ln (B(x, r)) = ωn rn und Hn−1 (∂B(x, r)) = S n−1 (∂B(x, r)) =
nωn rn−1 , wobei ωn = Ln (B(0, 1)).
• (Satz von Gauß) Für f ∈ C 0 (B(x, r)) ∩ C 1 (B(x, r)) mit div f ∈
L1 (B(x, r)) (und deshalb insbesondere für alle f ∈ C 2 (Ω), mit B(x, r) ⊂
Ω) gilt:
ˆ
ˆ
div f dLn =
B(x,r)
f · ν dHn−1 .
(1.9)
∂B(x,r)
Satz 1.3 (Mittelwerteigenschaft). Sei Ω ⊂ Rn offen, u ∈ C 2 (Ω), B(x, r) ⊂
Ω.
5
[24. Juli 2017]
(i) Falls ∆u = 0 in Ω, dann gilt
u dHn−1 =
u(x) =
∂B(x,r)
u dLn .
(1.10)
B(x,r)
(ii) Falls −∆u ≤ 0 in Ω, dann gilt
u(x) ≤
u dHn−1
(1.11)
u dLn .
(1.12)
u dHn−1
(1.13)
u dLn .
(1.14)
∂B(x,r)
und
u(x) ≤
B(x,r)
(iii) Falls −∆u < 0 in Ω, dann gilt
u(x) <
∂B(x,r)
und
u(x) <
B(x,r)
Beweis. Aussage (i), folgt indem man Aussage (ii) auf u und −u anwendet.
Der Beweis von (iii) ist analog zu dem von (ii). Daher zeigen wir nur (ii).
Für ρ ∈ (0, r] gilt
u(y) dHn−1 (y) =
∂B(x,ρ)
u(x + ρz) dHn−1 (z) ,
(1.15)
∂B(0,1)
denn unmittelbar aus der Definiton des Hausdorffmaßes folgt Hn−1 (ρE) =
ρn−1 Hn−1 (E) und Hn−1 (x + E) = Hn−1 (E).
Sei ϕ : [0, r] → R durch
u(x + ρz) dHn−1 (z)
ϕ(ρ) =
(1.16)
∂B(0,1)
definiert. Die Funktion ϕ ist stetig (vgl. Analysis 3, Satz 3.38 (i) und ϕ(0) =
u(x).
Es reicht daher zu zeigen, dass ϕ in (0, r) differenzierbar ist und ϕ0 ≥ 0
gilt. Die Differenzierbarkeit von ϕ folgt aus der Tatsache, dass u und ∇u
auf der kompakten Menge B(x, r) stetig und daher insbesondere beschränkt
sind (vgl. Analysis 3, Satz 3.38 (ii). Es gilt
d
ϕ(ρ) =
dρ
∇u(x + ρz) · z dHn−1 (z)
∂B(0,1)
ˆ
1
= n−1
∇u(x + ρz) · ν dHn−1 (z)
H
(∂B(0, 1)) ∂B(0,1)
ˆ
ρ
∆u(x + ρz) dLn ≥ 0 .
= n−1
H
(∂B(0, 1)) B(0,1)
6
(1.17)
(1.18)
(1.19)
[24. Juli 2017]
Hier wurde den Satz von Gauß benutzt, und die Rechnung
X ∂2
X ∂ ∂
u(x + ρz) =
ρ 2 u(x + ρz) = ρ∆u(x + ρz)
∂zi ∂xi
∂xi
(1.20)
i
i
Daher gilt ϕ0 ≥ 0 in (0, r) und (1.11) ist bewiesen.
Um (1.12) zu beweisen benutzen wir Polarkoordinaten (vgl. (1.8)):
!
ˆ
ˆ
ˆ
u dHn−1 dL1 (ρ)
(1.21)
u dLn =
[0,r]
B(x,r)
ˆ
∂B(x,ρ)
Hn−1 (∂B(x, ρ))u(x)dL1 (ρ) = u(x)Ln (B(x, r)) .
≥
[0,r]
(1.22)
[21.4. 2017, Vorlesung 1]
[24.4. 2017, Vorlesung 2]
Satz 1.4. Sei Ω ⊂ Rn offen, u ∈ C 2 (Ω). Die drei Eigenschaften
(i) u ist harmonisch, d.h.,
∆u = 0 in Ω ,
(1.23)
(ii) u erfüllt die sphärische Mittelwerteigenschaft, d.h.,
u dHn−1
u(x) =
(1.24)
∂B(x,r)
für alle (x, r) mit B(x, r) ⊂ Ω,
(iii) u erfüllt die Kugelmittelwerteigenschaft, d.h.,
u dLn
u(x) =
(1.25)
B(x,r)
für alle Kugeln B(x, r) ⊂ Ω,
sind äquivalent.
Bemerkung. Die Äquivalenz der drei Eigenschaften gilt auch unter der
schwächeren Annahme u ∈ C 0 und sogar u ∈ L1 (Ω) (vgl. Satz 1.8 für die
präzise Formulierung). Der Ansatz, Lösungsbegriffe für partielle Differentialgleichungen zu entwickeln, die zunächst möglichst wenig Regularitätsannahmen an die Lösung u erfordern und dann bessere Regularitätseigenschaften
zu beweisen, ist eine der wichtigen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Dies
wird in systematischer Weise in der Vorlesung ’Partielle Differentialgleichungen und Funktionalanalysis’ im nächsten Semester besprochen.
7
[24. Juli 2017]
Beweis. (i)⇒(ii) folgt aus Satz 1.3.
(ii)⇒(iii) folgt aus
ˆ
ˆ
ˆ
!
u dLn =
B(x,r)
u dHn−1
[0,r]
dL1 (ρ)
(1.26)
∂B(x,ρ)
ˆ
Hn−1 (∂B(x, ρ))u(x)dL1 (ρ) = u(x)Ln (B(x, r)) .
=
[0,r]
(1.27)
(vgl. (1.21) oben).
(iii)⇒(i) wird durch Widerspruch bewiesen. Sei x ∈ Ω, so dass ∆u(x) 6=
0. Wir können oBdA annehmen, dass ∆u(x) > 0 (sonst betrachten wir −u).
Dann gibt es ein R > 0, so dass B(x, R) ⊂ Ω und ∆u > 0 in B(x, R). Dann
folgt für r ∈ (0, R) aus Satz 1.3(iii) (angewendet mit Ω = B(x, R)) , dass
u dLn ,
u(x) <
(1.28)
B(x,r)
entgegen der Annahme.
1.1.3
Regularität I
Lemma 1.5. Es existiert
eine nichtnegative, radialsymmetrische Funktion
´
η ∈ Cc∞ (B(0, 1)) mit Rn η dLn = 1.
Erinnerung: eine Funktion η : Rn → R heisst radialsymmetrisch falls für
alle x, y ∈ Rn mit |x| = |y| die Gleichung η(x) = η(y) gilt.
Beweis. Dies wurde in Analysis 3, Lemma 4.27 (ii) bewiesen.
Zur Erinnerung: wir wissen aus Analysis I, dass die durch ψ(t) = e−1/t für
t > 0, ψ(t) = 0 für t ≤ 0 definierte Funktion in C ∞ (R) ist. Nach der Kettenregel ist daher die Funktion ϕ(x) = ψ(1−|x|2 ) in´Cc∞ (B(0, 1)). Außerdem ist
ϕ nichtnegativ und radialsymmetrisch. Sei C = Rn ϕ dx. Dann hat η = C1 ϕ
die gewünschten Eigenschaften.
Lemma 1.6. Sei η wie in Lemma 1.5, ηr (x) = r−n η(x/r). Sei u ∈ L1 (Ω) ,
so dass u die sphärische Mittelwerteigenschaft erfüllt, d.h. für jedes x ∈ Ω
gilt
u dHn−1
u(x) =
(1.29)
∂B(x,ρ)
für fast alle ρ > 0 mit B(x, ρ) ⊂ Ω. Dann gilt
u(x) = (u ∗ ηr )(x)
(1.30)
für alle x mit B(x, r) ⊂ Ω.
8
[24. Juli 2017]
Beweis. Sei B(x, r) ⊂ Ω. Dann gilt
ˆ
u(y)ηr (x − y) dy
(u ∗ ηr )(x) =
Ω
ˆ
u(y)ηr (x − y) dy
=
B(x,r)
ˆ
ˆ
u(y)ηr (x − y) dHn−1 (y)dL1 (ρ) .
=
[0,r)
(1.31)
(1.32)
(1.33)
∂B(x,ρ)
Für jedes ρ ist y 7→ ηr (x−y) auf ∂B(x, ρ) konstant (weil η radialsymmetrisch
ist). Da u die sphärische Mittelwerteigenschaft hat, folgt
ˆ
ˆ
n−1
ηr (x − y) dHn−1 (y) . (1.34)
u(y)ηr (x − y) dH
(y) = u(x)
∂B(x,ρ)
∂B(x,ρ)
Deshalb gilt
ˆ
ˆ
ηr (x − y) dHn−1 (y)dL1 (ρ)
(u ∗ ηr )(x) = u(x)
(0,r)
ˆ
ηr dLn = u(x) .
= u(x)
(1.35)
∂B(x,ρ)
(1.36)
Rn
Satz 1.7. Sei Ω ⊂ Rn , u ∈ C 2 (Ω), harmonisch. Dann gilt u ∈ C ∞ (Ω).
Beweis. Sei x ∈ Ω, r > 0, so dass B(x, 2r) ⊂ Ω. Dann gilt nach Lemma 1.6
ˆ
u(y) =
u(z)ηr (y − z)dz
(1.37)
B(x,2r)
für alle y ∈ Br (x). Aus ηr ∈ Cc∞ folgt, dass u beliebig oft differenzierbar
ist.
Satz 1.8. Sei Ω ⊂ Rn offen, u ∈ L1 (Ω). Falls
u dLn
u(x) =
(1.38)
B(x,r)
für alle Kugeln B(x, r) ⊂ Ω, dann gilt u ∈ C 2 (Ω) und
∆u = 0 in Ω .
(1.39)
Beweis. Wir werden zeigen, dass u die sphärische Mittelwerteigenschaft hat
und dann Lemma 1.6 und Satz 1.4 anwenden.
9
[24. Juli 2017]
Sei B(x, R) ⊂ Ω. Dann gibt es eine Nullmenge N ⊂ (0, R), so dass
für alle ρ ∈ (0, R) \ N die Funktion u über ∂B(x, ρ) integrierbar ist. Sei
ψ : (0, R) → R durch
ˆ
(u(y) − u(x))dHn−1 (y) ,
(1.40)
ψ(ρ) =
∂B(x,ρ)
und ψ(ρ) = 0 für ρ ∈ N definiert. Aus (1.38) folgt, dass
ˆ
ˆ
ˆ
1 dLn = 0
u(y) dLn − u(x)
ψdL1 =
(0,s)
(1.41)
B(x,s)
B(x,s)
für alle s ∈ (0, R), und deshalb ψ = 0 fast überall (Lemma 1.9, angewendet
auf ψχ(0,R) ). Es folgt, dass u die sphärische Mittelwerteigenschaft für fast
alle ρ ∈ (0, R) erfüllt. Aus Lemma 1.6 folgt, dass
u(x) = (ηr ∗ u)(x)
(1.42)
falls B(x, r) ⊂ Ω. Daraus folgt u ∈ C ∞ (vgl. den Beweis von Satz 1.7). Die
Aussage folgt dann aus Satz 1.4.
´
Lemma 1.9. Sei f ∈ L1 (R), so dass (a,b) f dL1 = 0 für alle a, b ∈ R. Dann
gilt f = 0 fast überall.
Beweis. Seien ϕ = 12 χ(−1,1) und
ψk (x) = kϕ(kx) =
Dann gilt
k
(ψk ∗ f )(x) =
2
k
χ
(x).
2 (−1/k,1/k)
ˆ
f dL1 .
(1.43)
(x−1/k,x+1/k)
Aus der Annahme folgt, dass ψk ∗ f = 0. Nun gilt ψk ∗ f → f in L1 (Analysis
3, Lemma 4.28 (i)) und deshalb f = 0 fast überall.
1.1.4
Maximumprinzip
Satz 1.10 (Schwaches Maximumprinzip). Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt,
u ∈ C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω) und
−∆u ≤ 0 in Ω .
(1.44)
Dann gilt
max u(Ω) = max u(∂Ω) .
10
(1.45)
[24. Juli 2017]
Beweis. (i): Sei −∆u < 0 in Ω, und x0 ∈ Ω mit u(x0 ) = max u(Ω). Dann
Du(x0 ) = 0 und D2 u(x0 ) ≤ 0 (als symmetrische Matrix bzw. als bilineare
Abbildung). Es folgt, dass ∆u(x0 ) = Tr D2 u(x0 ) ≤ 0, gegen die Annahme.
(ii): Sei −∆u ≤ 0 in Ω, v : Ω → R durch v(x) = x2 definiert. Dann
−∆(u + εv) = −∆u − 2εn < 0 in Ω für alle ε > 0. Aus (i) folgt, dass
max(u + εv)(Ω) = max(u + εv)(∂Ω) .
(1.46)
max u(Ω) + ε min v(Ω) ≤ max u(∂Ω) + ε max v(∂Ω)
(1.47)
Es folgt, dass
und mit ε → 0 die Aussage.
Bemerkung. Falls u harmonisch ist, dann gilt auch
min u(Ω) = min u(∂Ω) .
Satz 1.11 (Eindeutigkeit). Sei Ω ⊂
C 0 (Ω), so dass
Rn
(1.48)
offen und beschränkt, u, v ∈
∆u = ∆v in Ω
u = v auf ∂Ω .
C 2 (Ω)∩
(1.49)
(1.50)
Dann gilt u = v.
Beweis. Die Funktion w = u − v ist harmonisch, und gleich null auf ∂Ω.
Deshalb gilt w = 0 in Ω.
Bemerkung. Wir haben auch gezeigt, dass aus ∆u = ∆v in Ω die quantitative Abschätzung max |u − v|(Ω) ≤ max |u − v|(∂Ω) folgt, d.h., die stetige
Abhängigkeit von den Randwerten in C 0 .
Definition 1.12. Eine offene Menge M ⊂ Rn heißt zusammenhängend,
wenn für alle offene Mengen A, B ⊂ M mit A ∩ B = ∅ und A ∪ B = M gilt:
A = ∅ oder B = ∅.
Bemerkung. Eine offene Menge M ⊂ Rn ist genau dann zusammenhängend,
wenn zu jedem Paar x, y ∈ M eine Kurve ϕ ∈ C 0 ([0, 1], M ) existiert, so dass
ϕ(0) = x und ϕ(1) = y. Die Kurve darf auch in C ∞ gewählt werden.
Satz 1.13 (Starkes Maximumprinzip). Sei Ω ⊂ Rn offen, beschränkt, zusammenhängend. Sei u ∈ C 0 (Ω), so dass
u dLn für alle B(x, r) ⊂ Ω .
u(x) ≤
(1.51)
B(x,r)
Dann gilt entweder
(i) u(x) < max u(∂Ω) für alle x ∈ Ω
oder
(ii) Die Funktion u ist konstant auf Ω.
11
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Falls u ∈ C 2 (Ω), dann kann die Annahme (1.51) durch
−∆u ≤ 0 in Ω ersetzt werden (Satz 1.3(ii)).
Beweis. Sei M = max u(Ω), V = Ω ∩ u−1 (M ) = {x ∈ Ω : u(x) = M }.
Sei x ∈ V , B(x, r) ⊂ Ω. Aus der Mittelwerteigenschaft folgt, B(x, r) ⊂
V . Deshalb ist V offen.
Da u stetig ist, ist auch die Menge Ω \ V = {x ∈ Ω : u(x) 6= M }) offen.
Da Ω zusammenhängend ist, gilt V = ∅ (Option (i)) oder V = Ω (Option
(ii)).
Satz 1.14 (Harnack-Ungleichung). Sei Ω ⊂ Rn offen, V offen, beschränkt,
zusammenhängend, mit V ⊂ Ω. Dann gibt es eine Konstante c = c(Ω, V ),
so dass
sup u(V ) ≤ c inf u(V )
(1.52)
für alle u ∈ C 2 (Ω) die ∆u = 0 und u ≥ 0 auf Ω erfüllen.
Beweis. Die Menge V ist kompakt, deshalb gilt:
1
r = dist (V, ∂Ω) > 0 .
(1.53)
2
Wir betrachten zuerst zwei Punkte x, y ∈ V , mit |x − y| < r. Aus der
Mittelwerteigenschaft, B(x, r) ⊂ B(y, 2r) ⊂ Ω und u ≥ 0 folgt
ˆ
1
u(x) =
u=
u
(1.54)
ωn rn B(x,r)
B(x,r)
ˆ
1
≤
u
(1.55)
ωn rn B(y,2r)
= 2n
u = 2n u(y) .
(1.56)
B(y,2r)
Da V kompakt ist, gibt es endlich viele Kugeln {B(xj , r/2)}j=1,...,N mit
xj ∈ V , die V überdecken. Falls z, w ∈ B(xj , r/2) ∩ V für ein j, dann gilt
|z − w| < r und deshalb
u(z) ≤ 2n u(w) .
(1.57)
Aus der Stetigkeit von u folgt die gleiche Aussage für z, w ∈ B(xj , r/2) ∩ V .
Seien x, y ∈ V . Dann gibt es eine Kurve ϕ ∈ C 0 ([0, 1]; V ), die x und y
verbindet. Die Menge ϕ([0, 1]) ist durch maximal N der Kugeln überdeckt,
d.h.,
es gibt Kugeln Bk ∈ {B(xj , r/2)}, k = 1, . . . , K∗ so dass ϕ([0, 1]) ⊂
S
B
k k , Bk ∩ Bk+1 6= ∅. Konstruktion der Kugeln: B1 ist eine Kugel (aus der
Familie {B(xj , r/2)}j ), die ϕ(0) enthält. Sei t1 = sup{t ∈ [0, 1] : ϕ(t) ∈ B1 }.
Falls t1 < 1, gilt ϕ(t1 ) ∈ ∂B1 . Sei B2 eine Kugel (aus der gleiche Familie),
die ϕ(t1 ) enthält, und weiter induktiv. Da man keine Kugel zweimal wählt,
endet das Prozess nach höchstens N Schritten. Es folgt
u(x) ≤ 2N n u(y) .
12
(1.58)
[24. Juli 2017]
[24.4. 2017, Vorlesung 2]
[28.4. 2017, Vorlesung 3]
1.1.5
Regularität II: Abschätzungen für die höheren Ableitungen
Notation: wir betrachten Multiindizes α ∈ Nn und definieren
kαk =
n
X
αi ,
α! =
i=1
n
Y
αi ! .
(1.59)
i=1
Man nennt kαk die Ordnung von α. Für x ∈ Rn definieren wir
xα =
n
Y
xαi i
mit der Konvention x0i = 1.
(1.60)
i=1
Falls f ∈ C kαk (Ω), Ω ⊂ Rn offen so definieren wir
Dα f = ∂1α1 ∂2α2 . . . ∂nαn f .
(1.61)
mit der Konvention ∂i0 f = 0.
Sei u : Ω → R harmonisch, B(x, r) ⊂ Ω. Aus Lemma 1.6 folgt, dass
u = u ∗ ηr/2 in B(x, r/2) und daher
Dα u(x) = Dα (u ∗ ηr/2 )(x) = u ∗ Dα ηr (x) .
(1.62)
Aus ηr (x) = r−n η(x/r) folgt |Dα ηr | ≤ C/r−n−kαk und deshalb
|Dα u|(x) ≤
C
rn+kαk
kukL1 (B(x,r)) .
(1.63)
Die Konstante C hängt von η, n und α ab. Es folgt:
Satz 1.15. Sei Ω ⊂ Rn offen, u : Ω → R harmonisch, B(x, r) ⊂ Ω. Dann
gibt es Konstanten Cn,k , so dass für jeden Multiindex α ∈ Nn der Ordnung
k gilt:
Cn,k
(1.64)
|Dα u|(x) ≤ n+k kukL1 (B(x,r)) .
r
Beweis. Folgt aus (1.62-1.63).
Diese Abschätzung hat viele Anwendungen, es werden hier insbesondere
zwei erwähnt:
Satz 1.16 (Liouville). Sei u ∈ C 2 (Rn ) harmonisch und beschränkt. Dann
ist u konstant.
13
[24. Juli 2017]
Beweis. Sei M = sup |u|(Rn ). Aus Satz 1.15 (mit kαk = 1) folgt
|∂i u|(x) ≤
Cn,1 n
L (B(x, r))M
rn+1
(1.65)
für alle i ∈ {1, . . . , n}, alle x ∈ Rn und alle r > 0. Da r beliebig ist, folgt
Du(x) = 0.
Satz 1.17. Sei Ω ⊂ Rn offen, u : N → C 2 (Ω) eine Folge harmonischer
Funktionen, die in L1 (Ω) eine Cauchy-Folge ist. Dann gibt es u∗ ∈ L1 (Ω),
so dass:
(i) Dα uj konvergiert punktweise gegen Dα u für alle α ∈ Nn , insbesondere
ist die Funktion u∗ harmonisch.
(ii) Falls K ⊂ Ω kompakt ist und α ∈ Nn , dann konvergiert Dα uj → Dα u∗
gleichmäßig in K.
Beweis. Sei x ∈ Ω, B(x, r) ⊂ Ω. Aus
ˆ
1
1
|uj − um |(x) ≤
|uj − um |(y)dy ≤
kuj − um kL1 (Ω) (1.66)
n
ωn r B(x,r)
ωn rn
folgt, dass j 7→ uj (x) eine Cauchy-Folge in R ist. Wir definieren u∗ (x) =
limj→∞ uj (x). Da uj eine Cauchy-Folge in L1 (Ω) ist, gilt auch uj → u∗ in
L1 (Ω).
Aus
u∗ (x) = lim uj (x) = lim
j→∞
j→∞ B(x,r)
uj dLn =
u∗ dLn
(1.67)
B(x,r)
folgt, dass u∗ die Mittelwerteigenschaft erfüllt. Deshalb (Satz 1.8) ist u∗
harmonisch.
Sei K ⊂ Ω kompakt, r = dist (K, ∂Ω). Für alle x ∈ K gilt B(x, r) ⊂ Ω
und deshalb
|Dα (uj − u∗ )|(x) ≤
Cn,kαk
rn+kαk
kuj − u∗ kL1 (Ω) .
(1.68)
Es folgt, dass
lim max |Dα (uj − u∗ )|(K) = 0 .
j→∞
(1.69)
Das beendet den Beweis.
Unser nächstes Ziel ist zu zeigen, dass harmonische Funktionen analytisch sind (s. unten). Dazu müssen wir die Abhängigkeit der Konstante Cn,k
von k = kαk präziser abschätzen.
14
[24. Juli 2017]
Satz 1.18. Sei Ω ⊂ Rn offen, u : Ω → R harmonisch, B(x, r) ⊂ Ω. Dann
gilt für jeden Multiindex α ∈ Nn der Ordnung k
|Dα u|(x) ≤
wobei
Cn,k =
Cn,k
kukL1 (B(x,r)) ,
rn+k

1


 ω(n)
falls k = 0 ,

2n+1 nk k n+k


ω(n)
falls k ≥ 1 .
(1.70)
(1.71)
Beweis. Teil 1: k = 0. Für k = 0 folgt aus der Mittelwerteigenschaft
ˆ
1
|u|(x) ≤
|u| dLn .
(1.72)
ω(n)rn B(x,r)
Teil 2: k = 1. Sei i ∈ {1, . . . , n}. Die Funktion x 7→ Di u(x) ist ebenfalls
harmonisch (weil u ∈ C ∞ , und ∆Di u = Di ∆u). Aus der Mittelwertformel
und dem Satz von Gauß folgt
ˆ
ˆ
2n
2n
n
Di u(x) =
Di u dL =
uνi dHn−1 , (1.73)
ω(n)rn B(x,r/2)
ω(n)rn ∂B(x,r/2)
wobei ν die äußere Normale ist. Deshalb gilt:
|Di u|(x) ≤
2n
sup |u|(∂B(x, r/2)) .
r
(1.74)
Für alle y ∈ ∂B(x, r/2) können wir den Fall k = 0 auf B(y, r/2) ⊂ B(x, r) ⊂
Ω anwenden:
ˆ
ˆ
2n
2n
n
|u|(y) ≤
|u|dL ≤
|u|dLn .
(1.75)
ω(n)rn B(y,r/2)
ω(n)rn B(x,r)
Deshalb gilt:
|Di u|(x) ≤
2n 2n
r ω(n)rn
ˆ
|u|dLn .
(1.76)
B(x,r)
Teil 3: Beweis von (1.70) und (1.71) mit vollständiger Induktion. Wegen Teil
2 müssen wir nur den Induktionsschritt durchführen. Sei α ein Multiindex
mit kαk = k + 1 ≥ 1. Dann gibt es i ∈ {1, . . . , n} und ein Multiindex β mit
kβk = k, so dass
D α u = Di D β u .
(1.77)
Die Funktion Dβ u ist ebenfalls harmonisch. Analog zu (1.74) folgt für alle
ρ ∈ (0, r)
n
|Dα u|(x) ≤ sup |Dβ u|(∂B(x, ρ)) .
(1.78)
ρ
15
[24. Juli 2017]
Für y ∈ ∂B(x, ρ) folgt aus der Induktionsannahme, angewendet auf die
Kugel B(y, r − ρ) ⊂ B(x, ρ) ⊂ Ω
|Dβ u|(y) ≤
und somit
|Dα u|(x) ≤
Cn,k
kukL1 (B(x,r))
(r − ρ)n+k
(1.79)
Cn,k
n
kukL1 (B(x,r))
ρ (r − ρ)n+k
(1.80)
k
Man wählt ρ = r/(k + 1), so dass r − ρ = k+1
r. Damit folgt, dass (1.70)
gilt mit
k + 1 n+k
Cn,k
Cn,k+1 ≤ n(k + 1)
k
Mit der Induktionsannahme Cn,k ≤
Cn,k+1 ≤
2n+1
ω(n)
nk k n+k ergibt sich
2n+1 k+1 n+k+1
n k
.
ω(n)
Dies ist die gewünschte Abschätzung.
[28.4. 2017, Vorlesung 3]
[5.5. 2017, Vorlesung 4]
Wiederholung Taylorformel Wir betrachten zunächst den eindimensionalen Fall. Sei I ⊂ R ein offenes Intervall, sei g ∈ C ∞ (I) und seien a, b ∈ I.
Aus dem Haupsatz folgt
ˆ
b
g(b) − g(a) =
g 0 (t) dt.
a
Partielle Integration liefert
ˆ
ˆ
b
0
1 · g (t) dt =
a
(t −
b)g(t)|bt=a
= (b − a)g 0 (a) +
+
ˆ b
b
(b − t)g 00 (t) dt
a
(b − t)g 00 (t) dt.
a
Mit vollständiger Induktion erhält man die Taylorformel mit Restglied in
Integralform
g(b) −
k−1 (l)
X
g (a)
l=0
l!
ˆ
l
(b − a) =
a
16
b
(b − t)k−1 (k)
g (t) dt.
(k − 1)!
(1.81)
[24. Juli 2017]
Mit einer geeigneten Mittelwerteigenschaft des Integrals ergibt sich daraus
die Taylorformel mit Restglied an einer Zwischenstelle: es gibt ein θ ∈ [a, b]
(das von a, b und k abhängt, so dass
g(b) −
k−1 (l)
X
g (a)
l!
l=0
(b − a)l =
g (k) (θ)
(b − a)k
k!
(1.82)
Die höherdimensionale Taylorformel ergibt sich leicht aus der eindimensionalen. Sei B(x, r) ⊂ Rn , sei u ∈ C ∞ (B(x, r)) und y ∈ B(x, r). Definiere
g(t) = u(x + t(y − x)).
Dann gibt es ein offenes Interval I, so dass C ∞ (I) und I ⊃ [−1, 1]. Weiterhin
gilt u(y) = g(1). Aus der eindimensionalen Taylorformel folgt, dass es ein
θ ∈ [0, 1] gibt, so dass
g(1) −
k−1 (l)
X
g (0)
l=0
l!
=
g (k) (θ)
.
k!
(1.83)
Es bleibt noch, die Ableitungen von g durch die partiellen Ableitungen von
u auszudrücken. Nach der Kettenregel gilt
g 0 (t) =
n
X
(y − x)i ∂i u(x + t(y − x))
i=1
und
00
g (t) =
n X
n
X
(y − x)i (y − x)j ∂j ∂i u(x + t(y − x)).
i=1 j=1
Mit vollständiger Induktion folgt
g (l) (t) =
n
X
i1 =1
...
n
X
(y − x)i1 . . . (y − x)il ∂i1 . . . ∂il u(x + t(y − x)). (1.84)
il =1
n
Die rechte Seite läßt
Pn sich mit Hilfe von Multiindizes α = (α1 , . . . , αn ) ∈ N
der Ordnung l = i=1 αi umschreiben. Präziser enthält die l-fache Summe
l!
l!
= α!
auf der rechten Seite den Term (y −x)α Dα u(x+t(y −x)) genau α1 !...α
n!
mal. Daher gilt
X l!
g (l) (t) =
(y − x)α Dα u(x + t(y − x)).
(1.85)
α!
kαk=l
Einsetzen in (1.83) liefert die mehrdimensionale Taylorformel
X 1
1
u(y) −
Dα u(x) (y − x)α = g (k) (θ).
α!
k!
(1.86)
kαk<k
(mit der Konvention Dα u(x) = u(x) für α = 0).
17
[24. Juli 2017]
Definition 1.19. Sei Ω ⊂ Rn offen, f : Ω → R.
(i) Die Funktion f heißt analytisch im Punkt x ∈ Ω, falls ein r > 0
existiert, so dass die die Taylorreihe im Punkt x für alle y ∈ B(x, r)
konvergiert und mit f (y) übereinstimmt, d.h. falls
f (y) =
X 1
Dα f (x)(y − x)α
α!
n
(1.87)
α∈N
für alle y ∈ B(x, r) ⊂ Ω gilt.
(ii) Die Funktion f heißt analytisch in Ω (Notation: f ∈ C ω (Ω)), falls f
in jedem Punkt x ∈ Ω analytisch ist.
Satz 1.20. Sei Ω ⊂ Rn offen, u ∈ C 2 (Ω) harmonisch. Dann ist u ∈ C ω (Ω).
Beweis. Sei x ∈ Ω, r = dist (x, ∂Ω). Für alle y ∈ B(x, r/2) und α ∈ Nn mit
kαk = k folgt mit Satz (1.18)
|Dα u|(y) ≤ 2k M
nk k n+k
,
rk
(1.88)
wobei M = 2n+1 2n r−n kukL1 (B(x,r) /ωn .
Sei y ∈ B(x, r/2) und sei
g(t) := u(x + t(y − x)).
Damit ergibt sich die mehrdimensionale Taylorformel mit Restglied (1.86)
u(y) −
X 1
1
Dα u(x)(y − x)α = g (k) (θ) ,
α!
k!
(1.89)
kαk<k
Um das Restglied abzuschätzen benutzen wir die Formel (1.85) für g (k) (t)
und (1.88)
|g (k) (t)| ≤
n
X
!k
|(y − x)i |
M 2k
i=1
2k n+k |y − x|k
nk k n+k
kn k
≤
M
2
rk
rk
(1.90)
für alle t ∈ [0, 1]. Aus
ek =
X kj
j∈N
j!
≥
kk
k!
(1.91)
folgt k k ≤ ek k!; mit k n ≤ (2k )n = 2nk folgt
|Dk g|(t) ≤ M
2n+1 n2 e|y − x|
r
18
k
k! .
(1.92)
[24. Juli 2017]
Deshalb gilt:
k
n 2
X
1 α
2 n e |y − x|
α
u(y) −
D u(x)(y − x) ≤ M
.
α!
r
kαk<k
(1.93)
Für |y − x| < r/(2n+1 n2 e) ist die rechte Seite eine Nullfolge. Daher konvergiert die Taylorreihe in B(x, ρ), falls ρ < r/(2n+1 n2 e).
Satz 1.21. Sei Ω ⊂ Rn offen und zusammenhängend, f ∈ C ω (Ω). Es gebe
einen Punkt x ∈ Ω, so dass Dα f (x) = 0 für alle α ∈ Nn . Dann gilt f = 0
in Ω.
Bemerkung. Die Bedingung Dα f (x) = 0 für alle α ∈ Nn ist insbesondere
erfüllt, falls es ein r > 0 gibt, so dass f = 0 in B(x, r).
Beweis. Sei Vα = {x ∈ Ω : Dα f (x) = 0}, V = ∩α Vα . Die Menge V ist
abgeschlossen und nicht leer. Damit ist Ω \ V offen.
Wir zeigen jetzt, dass auch V offen ist. Sei x ∈ V . Dann gibt es ein r > 0,
so dass
X 1
f (y) =
Dα f (x)(y − x)α
(1.94)
α!
α
für alle y ∈ B(x, r) gilt. Aus x ∈ V folgt Dα f (x) = 0 für alle α und
somit f = 0 in B(x, r). Deshalb ist B(x, r) ⊂ V . Daher ist V offen. Da Ω
zusammenhängend ist, folgt V = Ω.
1.2
1.2.1
Explizite Lösung der Poissongleichung
Gauß-Green Formeln.
Definition 1.22. Sei Ω ⊂ Rn offen. Dann ist C 1 (Ω) die Menge der Funktionen u ∈ C 0 (Ω) ∩ C 1 (Ω), so dass ein v ∈ C 0 (Ω; Rn ) mit v = Du in Ω
existiert. In diesem Fall sagt man, dass Du stetig auf Ω fortsetztbar ist.
Man schreibt Du(x) = v(x) für alle x ∈ Ω.
Für k ≥ 1 bezeichnet C k (Ω) die Menge der Funktionen u ∈ C k (Ω) ∩
k−1
C
(Ω), so dass v ∈ C 0 (Ω, Rn × . . . × Rn ) mit v = Dk u in Ω existiert.
Analoges definiert man C k (Ω; Rm ).
Bemerkung. Die Fortsetzung von Du auf dem Abschluss Ω ist eindeutig.
Satz 1.23. Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes C 1 Gebiet und seien u, v ∈ C 2 (Ω)∩
C 1 (Ω). Sei ν die äußere Einheitsnormale von Ω. Dann gilt
ˆ
ˆ
n
(i)
∆u dL =
Dν u dHn−1 , falls ∆u ∈ L1 (Ω);
Ω
∂Ω
19
[24. Juli 2017]
ˆ
ˆ
ˆ
n
n
∇u · ∇v dL =
(ii)
Ω
vDν u dHn−1 ,
(−∆u)v dL +
Ω
∂Ω
falls v∆u ∈ L1 (Ω);
ˆ
ˆ
n
(u∆v − v∆u) dL =
(iii)
(uDν v − vDν u) dHn−1 ,
∂Ω
Ω
falls u∆v − u∆u ∈ L1 (Ω).
Notation: Dν u := ν · ∇u =
∂u
∂ν .
Bemerkung. Die Aussage gilt auch, falls Ω stückweise C 1 oder allgemeiner ein Lipschitzgebiet ist (vgl. Analysis 3)
Beweis. Anwendung es Satzes von Gauss (Divergenzsatz) mit w = ∇u, w =
v∇u, w = u∇v − v∇u.
[5.5. 2017, Vorlesung 4]
[8.5. 2017, Vorlesung 5]
1.2.2
Fundamentallösung, Laplacegleichung im Ganzraum
Definition 1.24 (Fundamentallösung). Man definiert Φ : Rn → R durch

1


falls n = 2
− ln |x|
2π
(1.95)
Φ(x) =
1
1


falls n ≥ 3

n(n − 2)ωn |x|n−2
und Φ(0) = 0, wobei ωn = Ln (B1 ).
Bemerkung.
Aus Aufgabe 2 von Blatt 1 folgt, dass
auf Rn \ {0} .
∆Φ = 0
(1.96)
Lemma 1.25. Für alle r > 0 gilt
ˆ
Dν Φ dHn−1 = −1 .
(1.97)
∂B(0,r)
Beweis. Man rechnet ∇|x| = x/|x|,
∇Φ(x) = −
und
ˆ
1
x
,
nω(n) |x|n
ˆ
Dν Φ dHn−1 = −
∂B(0,r)
∂B(0,r)
20
(1.98)
x
1
x
·
= −1 .
|x| nω(n) |x|n
(1.99)
[24. Juli 2017]
Satz 1.26. Sei n ≥ 2, f ∈ Cc2 (Rn ), u = f ∗ Φ, d.h.,
ˆ
Φ(x − y)f (y)dy .
u(x) =
(1.100)
Rn
Dann gilt u ∈ C 2 (Rn ) und
−∆u = f .
(1.101)
Bemerkung. (i) Sei 0 < α < 1. Dann ist die Hölderseminorm von f
definiert durch
|f (x) − f (y)|
[f ]α := sup
.
(1.102)
|x − y|α
x6=y
Man kann zeigen, dass für f ∈ Cc2 mit supp f ⊂ B(0, R) gilt
sup |D2 (f ∗ Φ)| ≤ Cn [f ]α Rα ,
(1.103)
Rn
wobei die Konstante Cn nur von der Raumdimension n abhängt. Daraus
folgt durch Approximation, dass Satz 1.26 auch für hölderstetige Funktionen
mit kompakten Träger gilt.
(ii) In (i) kann Hölderstetigkeit nicht durch Stetigkeit ersetzt werden. Es
gibt eine stetige Funktion f mit kompaktem Träger, für f ∗ Φ nicht in C 2
ist.
Definition 1.27. Sei Ω ⊂ Rn offen. Man bezeichnet mit L1,loc (Ω) die Menge
der messbaren Funktionen f : Ω → R, die auf jeder kompakten Menge K ⊂ Ω
integrierbar sind.
Gegeben sei eine Funktionenfolge f : N → L1,loc (Ω) und eine Funktion
f∗ ∈ L1,loc (Ω); man sagt dass fj → f∗ in L1,loc (Ω) wenn für jede kompakte
Menge K ⊂ Ω gilt:
ˆ
lim
j→∞ K
|fj − f∗ |dLn = 0 .
(1.104)
Bemerkung. f ∈ L1,loc (Rn ) genau dann, wenn f χB(0,R) ∈ L1 (Rn ) für alle
R > 0; fj → f∗ in L1,loc (Rn ) genau dann, wenn fj χB(0,R) → f∗ χB(0,R) in
L1 (Rn ) für alle R > 0.
Beispiele. L1 (Ω) ⊂ L1,loc (Ω) und C 0 (Ω) ⊂ L1,loc (Ω). Insbesondere ist für
jedes j ∈ N die Funktion fj : Rn → R, fj (x) = |x|2 /j, in L1,loc (Rn ); diese
Folge konvergiert gegen 0 in L1,loc (Rn ) (aber nicht in L1 !).
Bemerkung. Die in Def. 1.24 eingeführte Fundamentallösung erfüllt Φ ∈
L1,loc (Rn ).
21
[24. Juli 2017]
Lemma 1.28. Sei f ∈ L1 (Rn ) und f = 0 in Rn \B(0, R), sei g ∈ L1,loc (Rn ).
Dann existiert für fast jedes x ∈ Rn die Faltung
ˆ
f (x − y)g(y)dy ,
(1.105)
(f ∗ g)(x) =
Rn
und es gilt f ∗ g ∈ L1,loc (Rn ).
Falls f ∈ Cc1 (Rn ), dann gilt f ∗ g ∈ C 1 (Rn ) und D(f ∗ g) = (Df ) ∗ g.
Bemerkung. (i) Die erste Aussage wurde bereits in Analysis 3 bewiesen
(Bemerkung nach Satz 4.24 und Übungsblatt 11).
(ii) Für die erste Aussage reicht f ∈ L1 (Rn ) nicht. Beispiel: f (x) = 1/(x2 +
1), g(x) = x2 in einer Dimension.
Beweis. Sei x ∈ B(0, r). Sei g1 = gχB(0,r+R) , g2 = gχRn \B(0,r+R) . Dann
gilt g2 (x − y)f (y) = 0 für alle y ∈ Rn (für y ∈
/ B(0, R) ist f (y) = 0, für
y ∈ B(0, R) ist g2 (x − y) = 0). Es gilt g1 ∈ L1 (Rn ). Nach Analysis 3, Satz
4.24, ist y 7→ f (y)g1 (x−y) integrierbar für fast alle x und f ∗g1 ist in L1 (Rn ).
Daraus folgt, dass y 7→ f (y)g(x − y) für fast alle x ∈ B(0, r) integrierbar ist.
Außerdem gilt mit Analysis 3, Satz 4.24
ˆ
ˆ
|f ∗ g(x)| dx =
|f ∗ g1 (x)| dx
(1.106)
B(0,r)
B(0,r)
ˆ
=
|f ∗ g1 (x)| ≤ kf kL1 kg1 kL1
(1.107)
Rn
ˆ
≤ kf kL1
|g|dLn < ∞ .
(1.108)
B(0,r+R)
Daher ist f ∗ g in L1,loc (Rn ).
Sei jetzt f ∈ Cc1 (Rn ) und sei R > 0 so dass supp f ⊂ B(0, R). Nach
Analysis 3, Lemma 4.26 gilt D(f ∗ g1 ) = (Df ∗ g1 ). Für x ∈ B(0, r) gilt
f ∗ g1 = f ∗ g und Df ∗ g1 = Df ∗ g. Daraus folgt die Behauptung.
Beweis von Satz 1.26. Aus Lemma 1.28 folgt, dass das Integral existiert,
u ∈ C 1 und
Du = Φ ∗ Df .
(1.109)
Eine weitere Anwendung von Lemma 1.28 zeigt dass Du ∈ C 1 und
D2 u = Φ ∗ D2 f .
(1.110)
Deshalb gilt u ∈ C 2 (Rn ), mit ∆u = Φ ∗ ∆f .
22
[24. Juli 2017]
Sei x ∈ Rn und sei R so groß, dass R > |x| und supp f ∈ B(0, R). Wir
rechnen
ˆ
Φ(y)∆f (x − y)dy
(1.111)
∆u(x) =
n
ˆR
Φ(y)∆f (x − y)dy
(1.112)
=
B(x,R)
ˆ
Φ(y)∆f (x − y)dy .
(1.113)
= lim
ε→0 B(x,R)\B(0,ε)
Die letzte Gleichung gilt, weil y 7→ Φ(y)∆f (x − y) in L1 (B(x, R)) liegt, und
χB(0,ε) → 0 punktweise fast überall. Wir wenden jetzt den Satz von Gauß
in der Form von Satz 1.23(iii) an. Es gilt ∆Φ = 0 auf B(x, R) \ B(0, ε) und
∇y [f (x − y)] = −(∇f )(x − y),
∆y [f (x − y)] = (∆f )(x − y) .
(1.114)
Daher folgt für ε ∈ (0, R − |x|)
ˆ
Φ(y)∆f (x − y)dy
(1.115)
B(x,R)\B(0,ε)
ˆ
=
[Φ(y)∆y [f (x − y)] − ∆Φ(y)f (x − y)] dy
(1.116)
B(x,R)\B(0,ε)
ˆ
=
[−Φ(y) µ(y) · (∇f )(x − y) − f (x − y) µ(y) · ∇Φ(y)] dHn−1 (y) ,
∂(B(x,R)\B(0,ε))
(1.117)
wobei µ die äußere Einheitsnormale von ∂(B(x, R)\B(0, ε) ist. Auf ∂B(x, R)
gilt f = 0 und ∇f = 0. Auf ∂B(0, ε) ist die äußere Einheitsnormale µ
von B(x, R) \ B(0, ε) gerade die innere Einheitsnormale von B(0, ε). Sei
ν(y) = −µ(y) = y/|y| die äußere Einheitsnormale von B(0, ε). Dann ergibt
sich
ˆ
Φ(y)∆f (x − y)dy
(1.118)
B(x,R)\B(0,ε)
ˆ
[Φ(y) ν(y) · (∇f )(x − y) + f (x − y) ν(y) · ∇Φ(y)] dHn−1 (y) ,
∂B(0,ε)
(1.119)
Man sieht leicht, dass
ˆ
Φ(y) ν(y) · ∇f (x − y)dHn−1 (y) = 0
lim ε→0 ∂B(0,ε)
(die Funktion ∇f (x − y) ist beschränkt, und
23
´
(1.120)
∂B(0,ε) |Φ(y)|dH
n−1 (y)
= Cε).
[24. Juli 2017]
Deshalb gilt:
ˆ
∆u(x) = lim
ε→0 ∂B(0,ε)
ν(y) · ∇Φ(y) f (x − y)dHn−1 (y)
(1.121)
Dν Φ(y) f (x − y)dHn−1 (y) .
(1.122)
ˆ
= lim
ε→0 ∂B(0,ε)
Mit dem Variablenwechsel y = εz folgt
ˆ
Dν Φ(z) f (x − εz)dHn−1 (z) .
∆u(x) = lim
(1.123)
ε→0 ∂B(0,1)
Da f (x − εz) beschränkt ist und punktweise gegen f (x) konvergiert, folgt
mit dominierter Konvergenz und Lemma 1.25 dass
ˆ
(1.124)
∆u(x) = f (x)
Dν Φ(y)dHn−1 (y) = −f (x) .
∂B(0,1)
Damit ist der Beweis beendet.
1.2.3
Distributionen
Definition 1.29. Sei D = Cc∞ (Rn ). Eine Folge f : N → D konvergiert in
D gegen f∗ ∈ D falls folgendes gilt:
(i) Für jedes α ∈ Nn konvergiert Dα fj → Dα f∗ gleichmäßig in Rn .
(ii) Es gibt eine kompakte Menge K ⊂ Rn , so dass fj = 0 aus Rn \ K für
alle j ∈ N.
´
Beispiel. (i) Sei η ∈ C ∞ (B(0, 1)) mit η = 1 und ηr = r−n η(x/r), sei
ψ ∈ D und ϕk = η 1 ∗ ψ. Dann konvergiert ϕk in D gegen ψ.
k
(ii) Sei ψ ∈ D, a ∈ Rn und ϕk (x) = k1 ψ(x − ka). Dann konvergiert Dα ϕk
gleichmäßig gegen 0 für alle Multiindices α, aber ϕk konvergiert nicht in D,
da Bedingung (ii) in Definition 1.29 nicht erfüllt ist.
Definition 1.30. Eine Distribution ist eine lineare und stetige Abbildung
T : D → R, d.h., eine Abbildung T : D → R, so dass
(i) Aus fk → f in D folgt T (fk ) → T (f );
(ii) T (af + bg) = aT (f ) + bT (g) für alle a, b ∈ R, f, g ∈ D.
Man bezeichnet mit D0 (oder auch D0 (Rn )) die Menge der Distributionen.
Man sagt, dass eine Folge T : N → D0 gegen T∗ ∈ D0 (schwach-∗) in D0
konvergiert, wenn T gegen T∗ punktweise konvergiert, d.h., Tj (f ) → T∗ (f )
für alle f ∈ D.
24
[24. Juli 2017]
Lemma 1.31. Sei f ∈ L1,loc (Rn ). Dann definiert
ˆ
Λf (ϕ) =
f ϕ dLn
(1.125)
Rn
eine Distribution Λf ∈ D0 . Die Abbildung Λ : L1,loc (Rn ) → D0 ist linear und
stetig.
Beweis. Hausaufgabe.
Weiteres Beispiel: für das Diracmass δa ist Λδa ist eine Distribution mit
Λδa (ϕ) = ϕ(a). Man schreibt häufig δa statt Λδa für die Distribution.
[8.5. 2017, Vorlesung 5]
[12.5. 2017, Vorlesung 6]
Lemma 1.32. Seien f, g ∈ L1,loc (Rn ), so dass Λf (ϕ) = Λg (ϕ) für alle
ϕ ∈ D. Dann gilt f = g fast überall.
Beweis. Sei hr = (f − g) ∗ ηr . Dann gilt hr (x) = 0 für alle x (weil hr (x) =
Λf (ϕx,r ) − Λg (ϕx,r ), wobei ϕx,r (y) = ηr (y − x)). Aus Lemma 1.33 folgt, dass
hr → f − g in L1,loc . Deshalb gilt f − g = 0 fast überall.
Lemma 1.33. Sei ηr wie in Lemma 1.5 und 1.6, f ∈ L1,loc (Rn ), fr = f ∗ηr .
Dann gilt fr → f in L1,loc .
Beweis. Für f ∈ L1 (Rn ) ist dies gerade Lemma 4.28 (i) aus Analysis 3. Für
f ∈ L1,loc (Rn ) müssen wir zeigen, dass f ∗ ηr → f in L1 (B(0, R)) für alle
R > 0.
Sei R > 0, sei r < 1 und sei f1 = f χB(0,R+1) . Dann folgt wie im Beweis
von Lemma 1.28 die Aussage f ∗ηr = f1 ∗ηr in B(0, R). Weiterhin gilt f = f1
in B(0, R). Aus Analysis 3, Lemma 4.28 (i) folgt f1 ∗ ηr → f1 in L1 (Rn ), und
damit insbesondere in L1 (B(0, R)). Daraus ergibt sich die Behauptung.
Wir kommen jetzt zu einer zentralen Eigenschaft von Distributionen:
Distributionen lassen sich beliebig oft differenzieren, die Ableitung von Distributionen ist eine natürlich Erweiterung der Ableitung von differenzierbaren Funktionen und die schwach-* Konvergenz von Distributionen kommutiert mit der Ableitung.
Definition 1.34. Sei T ∈ D0 . Dann ist Dα T : D → R durch
(Dα T )(ϕ) = (−1)kαk T (Dα ϕ)
(1.126)
definiert.
25
[24. Juli 2017]
kαk
Lemma 1.35. (i) Sei f ∈ Cc (Rn ). Dann gilt Dα Λf = ΛDα f .
(ii) Sei T : N → D0 eine Folge, die schwach-∗ in D0 gegen T∗ ∈ D0 konvergiert
und sei α eine Multiindex. Dann konvergiert die Folge Dα T schwach-∗ gegen
Dα T∗ .
Beweis. (i): Wir betrachten zunächst |α| = 1. Für i = 1, . . . , n und ϕ ∈ D
ergibt sich mit partieller Integration
ˆ
ˆ
n
(Di f )ϕ dLn = ΛDi f (ϕ) .
f Di ϕ dL =
(Di Λf )(ϕ) = −Λf (Di ϕ) = −
Rn
Rn
(1.127)
Der allgemeine Fall folgt mit vollständiger Induktion.
(ii): Wir benutzen die Definition der distributionellen Ableitung, die Definition der schwach-∗ Konvergenz und wiederum die Definition der distributionellen Ableitung. Dies liefert
(Dα Tk )(ϕ) = (−1)|α| Tk (Dα ϕ) → (−1)|α| T∗ (Dα ϕ) = (Dα T∗ )(ϕ)
(1.128)
und somit die Behauptung.
Beispiel. (i) Sei n = 1, f (x) = |x|. Dann gilt DΛf = Λg , g(x) = 1 für
x > 0, g(x) = −1 für x < 0.
(ii) Sei n = 1, a < b, f = χ(a,b) . Dann gilt DΛf = Λδa − Λδb .
(iii) (nicht in der Vorlesung besprochen) Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt
mit C 1 Rand und sei f = χΩ . Dann ist
ˆ
ˆ
n
(Di f )(ϕ) = −f (Di ϕ) = − Di ϕ dL = −
ϕνi Hn−1 .
(1.129)
Ω
(iv) (nicht in der Vorlesung besprochen) Sei a
gilt (Di Λδa )(ϕ) = −Λδa (Di ϕ) = −Di ϕ(a).
∂Ω
∈ Rn ,
i ∈ {1, . . . , n}. Dann
Damit können wir die zentrale Aussage dieses Unterkapitels formulieren.
Satz 1.36. Sei Φ die Fundamentallösung des Laplace-Operators. Dann gilt
−∆ΛΦ = Λδ0 .
Notation: man schreibt häufig kürzer
−∆Φ = δ0 in D0 .
Beweis. Sei ϕ ∈ D. Dann gilt
(1.130)
ˆ
−∆ΛΦ (ϕ) = ΛΦ (−∆ϕ) = −
Φ(y)∆ϕ(y)dy
Rn
ˆ
=−
Φ(−y)∆ϕ(y)dy
(1.131)
(1.132)
Rn
= −(Φ ∗ ∆ϕ)(0) .
(1.133)
Nach Lemma 1.28 gilt −(Φ ∗ ∆ϕ)(0) = −∆(Φ ∗ ϕ)(0) und nach Satz 1.26 ist
der letzte Ausdruck gerade ϕ(0) = Λδ0 (ϕ).
26
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Das obige Argument zeigt, dass
ˆ
Φ(y)∆ϕ(y) dy = ϕ(0) ∀ϕ ∈ Cc2 (Rn )
(1.134)
Rn
und analog
ˆ
Φ(y − x)∆ϕ(y) dy = ϕ(x)
Rn
∀ϕ ∈ Cc2 (Rn ) .
(1.135)
Satz 1.37 (Weylsches Lemma). Sei u ∈ L1,loc (Rn ) und sei ∆Λu = 0 im
Sinne von Distributionen, d.h.
ˆ
u∆ϕ dLn = 0 ∀ϕ ∈ D .
(1.136)
Rn
Dann gibt es genau eine Funktion v ∈ C ∞ (Rn ) mit u = v fast überall und
es gilt ∆v = 0.
´
Beweis. Sei η ∈ Cc∞ (B(0, 1)) mit η = 1 und sei ηr (x) = r−n η(x/r). Sei
ur := ηr ∗ u. Nach Lemma 1.33 gilt ur → u in L1,loc für r → 0. Außerdem
gilt
ˆ
∆ur (x) = (u ∗ ∆ηr )(x) =
u(y)∆ηr (x − y) dy = 0 ,
(1.137)
Rn
wobei wir (1.136) mit ϕ(y) = ηr (x − y) angewandt haben.
Daher gilt ur ∈ C ∞ (Rn ) und ∆ur = 0. Sei ϕ ∈ Cc∞ (Rn ) radialsymmetrisch. Nach Satz 1.3 hat ur die sphärische Mittelwerteigenschaft, und aus
Lemma 1.6 folgt, dass ur = ϕ ∗ ur . Damit gilt ur = ϕ ∗ ur → ϕ ∗ u in
C ∞ (B(0, R)) für alle R > 0. Da ur → u in L1,loc , folgt u = ϕ ∗ u fast überall.
Sei v = ϕ ∗ u. Dann gilt v ∈ C ∞ (Rn ) und ur → v in C ∞ (B(0, R)) für r → 0.
Daraus folgt ∆v = 0.
Bemerkung. (i) Dieses Vorgehen ist typisch für die moderne Theorie der
partiellen Differentialgleichungen. Man definiert zunächst einen sehr schwachen Lösungsbegriff (hier durch Abwälzen der Ableitungen auf die Test”
funktion ϕ“). Dann zeigt man, dass die schwachen Lösungen in Wirklichkeit
weit bessere Eigenschaften haben und klassische Lösungen sind.
(ii) (nicht im Detail besprochen). Die Voraussetzung u ∈ L1,loc kann entfallen. Genauer kann man folgende Aussage zeigen. Sei T ∈ D0 und ∆T = 0 in
D0 (d.h. T (∆ϕ) = 0 für alle ϕ ∈ D). Dann gibt es u ∈ D mit ∆u = 0 und
T = Λu . Zum Beweis definiert man ur jetzt als Faltung von T und ηr , genauer ur (x) := T (ηr (x − ·)), d.h. ur (x) = T (ψx ), wobei (ψx )(y) := η(x − y).
Dann kann man im Wesentlichen wie zuvor argumentieren.
27
[24. Juli 2017]
1.2.4
Verhalten bei ∞, Multipolentwicklung
Exkurs Eine Interpretation der Laplacegleichung: elektrische Ladung und
elektrisches Potential
Sei ρ : R3 → R eine Ladungsdichte. Nach den statischen Maxwellgleichungen erfüllen das zugehörige elektrische Feld E : R3 → R3 und die elektrische Verschiebung D : R3 → R3 im Vakuum die Differentialgleichungen
div D = ρ
(1.138)
rot E = 0
(1.139)
D = 0 E
(1.140)
Die Konstante 0 heißt Influenzkonstante hat im SI Einheitensystem ungefähr den Wert 8.859 · 10−12 VAs
m.
Aus Analysis 2 wissen wir, dass (1.139) genau dann gilt, wenn es eine
Funktion u : R3 → R gibt, so dass
E = −∇u in Rn
(1.141)
(das Minuszeichen wurde hier eingefügt um mit der Notation der Physiker
konsistent zu sein). Die Funktion u heißt elektrisches Potential der Ladungsverteilung ρ.
Die Beziehung zwischen der elektrischen Ladungsdichte ρ und dem elektrischen Potential u ist damit gegeben durch
−∆u =
1
ρ.
0
(1.142)
Für ρ ∈ Cc2 (R3 ) ist eine Lösung dieser Gleichung gegeben durch
u=
1
Φ ∗ ρ.
0
(1.143)
Aus Lemma 1.39 unten folgt, dass dies die einzige (beschränkte) Lösung mit
limx→∞ u(x) = 0 ist.
Die Physiker sprechen häufig vom Potential einer Punktladung q1 . Mathematisch ist eine Punktladung q1 im Punkt y als die Distribution q1 δy zu
interpretieren. Damit ist das Potential einer Punktladung q1 im Nullpunkt
durch
q1
q1 1
uq1 (x) = Φ(x) =
(1.144)
0
4π0 |x|
gegeben.
Abschliessend stellen wir noch eine Beziehung zu dem Ausdruck für die
Kraft zwischen zwei Punktladungen her, den Sie vermutlich aus der Schule
kennen. Sei E das von der Ladungsverteilung ρ erzeugte elektrische Feld.
Dann übt E auf eine Punktladung q2 im Punkt x die Kraft q2 E(x) aus.
28
[24. Juli 2017]
Falls E das Feld einer Punktladung q1 im Nullpunkt ist, so ist die Kraft auf
eine Punktladung q2 im Punkt x gerade
F (x) = q2 E(x) = −q2 ∇uq1 (x) =
q1 q2 x
4π0 |x|3
(1.145)
Diese Kraft zeigt in radiale Richtung. Falls q1 q2 > 0, so zeigt die Kraft vom
Nullpunkt weg ( gleiche Ladungen stoßen sich ab“).
”
Analog kann man für eine Masseverteilung m : R3 → [0, ∞) ein Graviationspotential definieren. In diesem Fall ist das Vorzeichen umgekehrt, da
Massen sich anziehen und nicht abstoßen.
[12.5. 2017, Vorlesung 6]
[15.5. 2017, Vorlesung 7]
Satz 1.38. Sei n ≥ 2, f ∈ Cc2 (B(0, R)), u = Φ ∗ f . Dann gilt für alle k ∈ N
und alle x ∈ Rn \ B(0, 2R)
X
Rk+1
α
u(x) −
kf kL1 (Rn ) ,
(1.146)
f
D
Φ(x)
≤
C
α
k
|x|n+k−1
kαk≤k
wobei
fα =
(−1)kαk
α!
ˆ
f (y)y α dy .
(1.147)
Rn
Bemerkung. Durch eine kurze Rechnung und vollständige Induktion über
die Ordnung kαk kann man leicht zeigen, dass sich die partiellen Ableitungen
Dα Φ in der Form
x
Dα Φ(x) = |x|2−n Pα ( )
|x|
schreiben lassen, wobei Pα ein homogenes Polynom vom Grad kαk ist. Wir
werden später ein anderes Argument für diese Darstellung sehen, aus dem
sogar folgt, dass die Polynome Pα harmonisch sind.
Beweis. Die Idee ist, Φ in einer Taylor-Reihe zu entwickeln. Da DΦ (1 − n)–
homogen ist, gilt
Cα
|Dα Φ|(x) ≤
(1.148)
|x|n−2+kαk
für alle α ∈ Nn (mit α 6= 0 falls n = 2). Beweis von (1.148): Sei α ∈ Nn , Cα =
max |Dα Φ|(∂B(0, 1)). Für t > 0 sei Φt (x) = Φ(tx). Aus der Kettenregel folgt
(Dα Φt )(x) = (Dα Φ)(tx)tkαk .
(1.149)
Für n ≥ 3 folgt aus der Definition von Φ
Φt = t2−n Φ
29
(1.150)
[24. Juli 2017]
und daraus
Dα Φt = t2−n Dα Φ .
(1.151)
Dα Φ(x) = tn−2 Dα Φt (x) = (Dα Φ)(tx)tn−2+kαk
(1.152)
Deshalb gilt
für alle x ∈ Rn \ {0} und alle t ∈ (0, ∞). Mit t = 1/|x| folgt (1.148). Im Fall
n = 2 betrachtet man
DΦt = t2−n DΦ
(1.153)
statt (1.150), daraus folgt ebenfalls (1.151) für alle α 6= 0.
Seien x, y ∈ Rn mit |x| > 2R und |y| < R und
g(t) = g(x − ty).
Die eindimensionale Taylorformel (1.81) liefert (mit k + 1 anstelle von k)
ˆ 1
k
X
1 (l)
(1 − t)k (k+1)
g(1) =
g (0) +
g
(t) dt.
l!
k!
0
l=0
In Verbindung mit (1.85) und der Identität
Φ(x − y) =
1
k!
=
k+1
(k+1)!
folgt
X 1
(−y)α Dα Φ(x)
α!
kαk≤k
X k+1ˆ 1
+
Dα Φ(x − ty)(−y)α (1 − t)k dt
α!
0
(1.154)
(1.155)
kαk=k+1
Aus t ∈ [0, 1] folgt weiter |x − ty| ≥ |x|/2 und mit (1.148) ergibt sich
1
2n−2+kαk
≤
C
.
α
|x − ty|n−2+kαk
|x|n−2+kαk
P
Deshalb gilt, mit Ck = (k + 1)2n+k−1 kαk=k+1 Cα /α!,
k+1
X 1
α α
Φ(x − y) −
≤ Ck R
(−y)
D
Φ(x)
α!
|x|n+k−1
|Dα Φ(x − ty)| ≤ Cα
(1.156)
(1.157)
kαk≤k
und nach Multiplikation mit f (y) und Integration über y ergibt sich schließlich die Behauptung
ˆ
k+1
X 1
α
α
Φ ∗ f (x) −
≤ Ck R
D
Φ(x)
(−y)
f
(y)
dy
kf k1 .
α!
|x|n+k−1
Rn
kαk≤k
(1.158)
30
[24. Juli 2017]
Lemma 1.39. Sei n ≥ 3, f ∈ Cc2 (Rn ), u eine beschränkte Lösung von
−∆u = f in Rn . Dann gibt es ein u∞ ∈ R so dass gilt:
u = Φ ∗ f + u∞ .
(1.159)
Beweis. Sei v = Φ ∗ f . Dann gilt −∆v = f . Sei R > 0, so dass supp f ∈
B(0, R). Dann gilt
ˆ
|v(x)| ≤ max |f |
|Φ|(x − y)dy ≤ C .
(1.160)
B(0,R)
Für |x| > 2R gilt
ˆ
|Φ|(x − y)dy ≤ Ln (B(0, R))
sup
|Φ| ≤ CR2 .
Rn \B(0,R)
B(0,R)
Für |x| < 2R gilt
ˆ
ˆ
|Φ|(z)dz ≤ CR2 .
|Φ|(x − y)dy ≤
B(0,R)
B(0,3R)
Deshalb ist v beschränkt. Es folgt, dass u − v harmonisch und beschränkt
ist. Aus dem Satz von Liouville (Satz 1.16) folgt, dass u − v konstant ist.
Satz 1.40. Sei n ≥ 3, f ∈ Cc2 (B(0, R)), u eine beschränkte Lösung von
−∆u = f in Rn . Dann gilt für alle k ∈ N und alle x ∈ Rn \ B(0, 2R)
k+1
X
α
u(x) − u∞ −
≤ Ck R
f
D
Φ(x)
kf kL1 (Rn ) ,
(1.161)
α
|x|n+k−1
kαk≤k
wobei
(−1)kαk
fα =
α!
ˆ
f (y)y α dy
(1.162)
Rn
und u∞ ∈ R.
Beweis. Aus Lemma 1.39 folgt, dass u = Φ ∗ f + u∞ , d.h.,
ˆ
u(x) = u∞ +
f (y)Φ(x − y)dy .
(1.163)
B(0,R)
Die Aussage folgt dann aus Satz 1.38.
31
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Eine analoge Entwicklung kann man für beschränkte Funktionen u herleiten, die nur auf dem Außengebiet Rn \ B(0, R) definiert
sind und dort harmonisch. Man betrachtet einfach eine Abschneidefunktion
ϕ ∈ Cc∞ (B(0, 3R)) mit ϕ = 1 auf B(0, 2R) (zur Existenz solcher Funktionen
vgl. Analysis 3) und setzt v = (1−ϕ)u. Dann ist v = 0 in B(0, 2R)\B(0, R).
Wir können daher v als C 2 Funktion auf ganz Rn definieren, indem wir v = 0
auf B(0, R) setzen. Dann gilt f := ∆v = −u∆ϕ − 2∇u · ∇ϕ. Aus den Eigenschaften von ϕ folgt, dass supp f ⊂ B(0, 3R) \ B(0, 2R). Da u beschränkt
ist, ist auch v beschränkt und Satz 1.40 läßt sich auf v anwenden. Da v = u
in Rn \ B(0, 3R) folgen die Aussagen für u. Bei der Abschätzung der Koeffizienten fα und der Norm kf kL1 kann man benützen, dass man ϕ so wählen
kann, dass |∇ϕ| ≤ C/R und |∆ϕ| ≤ C/R2 .
Beispiel.
Für n = 3 erhält man nach leichten Umformungen:
q
x · p 1 x · Qx
1
−4
+
+
+
O(|x|
)
,
u(x) =
4π |x|
|x|3
2 |x|5
wobei
(1.164)
ˆ
q=
f (y)dy
(1.165)
yf (y)dy
(1.166)
(3y ⊗ y − |y|2 Id )f (y)dy .
(1.167)
B(0,R)
ˆ
p=
B(0,R)
ˆ
Q=
B(0,R)
q wird Monopolmoment, p Dipolmoment, Q Quadrupolmoment genannt.
Satz 1.41 (Newton). Sei n ≥ 2, f ∈ L1 (Rn ) radialsymmetrisch und supp f ⊂
B(0, R). Sei u = Φ ∗ f . Dann gilt
ˆ
u(x) = AΦ(x) für |x| > R,
A=
f dLn
(1.168)
Rn
Beweis. Übungsaufgabe.
Tip: Man sieht leicht, dass u(Rx) = u(x) für alle R ∈ SO(n), d.h. u ist
radialsymmetrisch. Dann kann man
ˆ
h(r) :=
Dν u dHn−1
(1.169)
∂B(0,r)
für r > R und den Limes r → ∞ betrachten.
Bemerkung. Aus dem Satz folgt, dass man für eine radialsymetrische
Ladungsverteilung f aus dem Feld u außerhalb der Ladungsverteilung nur
die Gesamtladung, aber keine weiteren Details von f bestimmen kann.
32
[24. Juli 2017]
Optimale Abschätzungen
Lemma 1.42. Sei u ∈ Cc2 (Rn ). Dann gilt:
ˆ
ˆ
2 2
|∆u|2 dx .
|D u| dx =
Notation: |D2 u|2 =
(1.170)
Rn
Rn
Pn
2
i,j=1 (∂i ∂j u) .
Bemerkung. Für A ∈ Rn×n gilt |Tr A|2 ≤ n|A|2 , und der Faktor n ist
notwendig (Beispiel: |Tr Id |2 = n2 , |Id |2 = n). Die Abschätzung (1.170) ist
nicht lokal, d.h., sie gilt nicht punktweise.
Beweis. Übungsaufgabe
Tip: Partielle Integration oder Fouriertransformation.
Satz 1.43. Sei f ∈ Cc2 (Rn ) und u = Φ ∗ f . Dann gilt
ˆ
ˆ
2 2
|D u| dx =
|f |2 dx .
Rn
(1.171)
Rn
Beweisidee. Man betrachtet zunächst f ∈ Cc3 (Rn ) und zeigt mit partieller
Integration, dass
ˆ
ˆ
ˆ
X
X
∂i ∂j u ∂i ∂j u =
∂i ∂i u ∂ j ∂j u +
...
B(0,r) i,j
B(0,r) i,j
∂B(0,r)
Aus den Abschätzungen für ∂i Φ und ∂i ∂j Φ folgen Abschätzungen für ∂i u
und ∂i ∂´j u auf ∂B(0, r) für große r. Damit sieht man leicht, dass das Randintegral ∂B(0,r) . . . im Limes r → ∞ verschwindet. Die Behauptung folgt für
f ∈ Cc3 (Rn ) mit dem Satz über monotone Konvergenz. Für´ f ∈ Cc2 (Rn )
betrachtet man zunächst fk = ηk ∗ f mit η ∈ Cc∞ (Rn ), η = 1 und
η´k (x) = k n η(kx) und
k := Φ ∗ fk = ηk ∗ u. Daraus folgert man
´ zeigt u
2 u |2 dx →
2 u|2 .
|D
|D
k
B(0,r)
B(0,r)
[15.5. 2017, Vorlesung 7]
[19.5. 2017, Vorlesung 8]
1.2.5
Greensche Funktion
Wir gehen nun der Frage nach, ob die Lösung von −∆u = f in einer beschränkten Menge Ω ⊂ Rn durch f und die Randwerte von u ausgedrückt
werden kann.
Allgemeine Bemerkung zu den Voraussetzungen in diesem Unterkapitel:
wir verwenden in diesem Unterkapitel häufig Satz von Gauss oder die daraus abgeleiteten Gauss-Green Formel (s. Satz 1.23). Dazu benutzen wir die
Voraussetzung
33
[24. Juli 2017]
• Ω ist beschränkt und hat C 1 Rand
Diese Voraussetzung kann durch schwächere Bedingungen ersetzt werden,
solange der Satz von Gauss gilt, z.B. durch die Bedingungen
• Ω ist beschränkt und hat stückweise C 1 Rand (Beispiele: Würfel, Halbkugel)
oder
• Ω ist ein beschränktes Lipschitzgebiet (Beispiel: abgeschnittener Kegel)
Lemma 1.44. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, mit C 1 Rand, u ∈ C 1 (Ω̄)∩
C 2 (Ω) und ∆u ∈ L1 (Ω). Dann gilt
ˆ
[Φ(y − x)Dν u(y) − u(y)Dν Φ(y − x)] dHn−1 (y)
u(x) =
∂Ω
ˆ
−
Φ(y − x)∆u(y) dy .
(1.172)
Ω
Bemerkung. Man kann sich die Formel gut merken, indem man formal
die Gauss-Green Formel (Satz 1.23 (iii)) hinschreibt, d.h.,
ˆ
ˆ
Φ(y−x)∆u(y)−u(y)∆Φ(y−x) dy =
Φ(y−x)Dν u−u(y)Dν Φ(y−x) dHn−1 (y)
Ω
∂Ω
(1.173)
´
und −∆Φ als Diracdistribution interpretiert, d.h. − Ω u(y)∆Φ(y − x) dy =
u(x). Der folgende Beweis gibt eine rigorose Rechtfertigung für dieses Vorgehen.
Bemerkung. Die rechte Seite der Formel (1.172) läßt sich wie folgt interpretieren. Der letzte Term ist das Potential der Ladungsverteilung f = −∆u
(in der elektrostatischen Interpretation setzen wir hier der Einfachheit halber
0 = 1). Man beachte, dass Φ(y − x) = Φ(x − y). Der erste Term ist das Potential der singulären Ladungsverteilung Dν uHn−1 ∧∂Ω. Diese Verteilung ist
keine L1 Funktion mehr, sondern ein Maß, dass auf der (n−1)-dimensionalen
Untermannigfaltigkeit ∂Ω konzentriert ist. Die Physiker und Ingenieure nennen dies ein Einschichtpotential (engl.: single-layer potential). Der mittlere
TermPkann schließlich interpretiert werden als das Potential der Distribution
νi Di (uHn−1 ∧ ∂Ω). Die Physiker stellen sich diese Distrubtion als
1
−
+
Limes von 2ε
(ρ+
ε − ρε ) vor, wobei ρε auf der Menge der Punkte y + εν(y),
y ∈ ∂Ω konzentriert ist und ρ−
ε auf der Menge der Punkte y − εν(y), y ∈ ∂Ω
konzentriert ist (Doppelschichtpotential; engl: double-layer potential).
Beweis. Sei B(x, r) ⊂ Ω , sei η ∈ Cc∞ (Ω) mit η(y) = 1 in B(x, r) und
ψ = 1 − η. Dann folgt aus der Bemerkung nach dem Beweis von Satz 1.36
34
[24. Juli 2017]
(s. (1.135))
ˆ
− ∆u(y)Φ(y − x) dy
ˆ
ˆ
∆(ψu)(y)Φ(y − x) dy
∆(ηu)(y)Φ(y − x) dy −
=−
Ω
Ω
ˆ
∆(ψu)(y)Φ(y − x) dy
= u(x) −
(1.174)
(1.175)
(1.176)
Ω\B(x,r)
Nun gilt ∆Φ = 0 in Rn \ {0} und ψ = 0, ∇ψ = 0 auf ∂B(x, r) sowie ψ = 1
und ∇ψ = 0 auf ∂Ω. Damit folgt aus Satz 1.23 (iii)
ˆ
∆(ψu)(y)Φ(y − x) dy
(1.177)
Ω\B(x,r)
ˆ
=
Φ(y − x)Dν (ψu)(y) − (ψu)(y)Dν Φ(y − x) dHn−1 (y)
(1.178)
∂Ω
ˆ
=
Φ(y − x)Dν u(y) − u(y)Dν Φ(y − x) dHn−1 (y)
(1.179)
∂Ω
Die Formel in Lemma 1.44 drückt u durch ∆u und die Randwerte von
u und Dν u aus. Wir wissen aber schon aus dem Maximumprinzip, dass die
Lösung von −∆u (wenn sie exisitert) schon eindeutig durch die Randwerte
von u gegeben ist. Um eine Formel zu gewinnen, welche nur die Randwerte
von u enthält, ersetzen wir die Fundamentallösung Φ(y − x) in (1.173) durch
eine Funktion G(x, y) mit G(x, y) = 0 für y ∈ ∂Ω. Dies führt auf den Begriff
der Greenschen Funktion.
Definition 1.45. Sei Ω ⊂ Rn eine offene Menge und sei D die Diagonale
in Ω × Ω, d.h. D = {(x, y) ∈ Ω × Ω : x 6= y}. Eine Funktion G : Ω × Ω \ D →
R heißt Greensche Funktion für das Gebiet Ω falls für jedes x ∈ Ω eine
Funktion ϕx ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) existiert, so dass
∆ϕx = 0 in Ω
(1.180)
ϕx (y) = Φ(y − x) für alle y ∈ ∂Ω ,
(1.181)
und G(x, y) = Φ(y − x) − ϕx (y).
Bemerkung. Das bedeutet, dass G(x, y) = 0 für alle (x, y) ∈ Ω × ∂Ω und
dass ∆(G(x, ·) − Φ(· − x)) = 0.
Sei f ∈ D, mit supp f ∈ Ω. Dann gilt für alle x ∈ Ω
−∆ΛG(x,·) (f ) = −∆ΛΦ(·−x) (f ) − ∆Λϕx (f ) = Λδx (f ) = f (x) .
(1.182)
Man schreibt auch
−∆y G(x, y) = δx in D0 , für alle x ∈ Ω fest
G(x, ·) = 0 auf ∂Ω
35
(1.183)
(1.184)
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Sei Ω beschränkt. Dann ist die Funktion ϕx eindeutig bestimmt, falls sie existiert (Maximumprinzip !). Deshalb ist auch G in diesem
Fall eindeutig.
Bemerkung. Für alle x ∈ Ω ist G(x, ·) ∈ C 2 (Ω \ {x}) ∩ C 1 (Ω \ {x}).
Notation Wir bezeichnen im folgenden mit Da G die Richtungsableitung
von G bezüglich des zweiten Arguments:
(Da G)(y) =
n
X
∂yi G(x, y)ai .
i=1
Satz 1.46 (Darstellungsformel). Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes C 1 -Gebiet
und G eine Greensche Funktion für Ω. Seien f ∈ Cc2 (Rn ), g ∈ C 0 (∂Ω) und
sei u ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) eine Lösung von
(
−∆u = f in Ω
(1.185)
u=g
auf ∂Ω .
Dann gilt für alle x ∈ Ω
ˆ
ˆ
u(x) = −
g(y)Dν G(x, y)dHn−1 (y) +
G(x, y)f (y)dy .
∂Ω
(1.186)
Ω
Beweisidee: Formale Anwendung der Gauß-Green Formel (Satz 1.23(iii))
liefert
ˆ
ˆ
(u∆G − G∆u) dLn =
(uDν G − GDν u)dHn−1 ,
(1.187)
Ω
∂Ω
wobei ∆G wiederum distributionell interpretiert werden sollte. Mit −∆G(x−
·) = δx und G = 0 auf dem Rand folgt die Aussage.
Beweis. Um diese Idee rigoros zu machen schreiben wir G(x, y) = Φ(y −x)−
ϕx (y) und benützen Lemma 1.44, um den Term mit Φ zu berechnen. Die
Funktion ϕx ist genügend regulär ,um die Gauss-Green Formel anzuwenden
und es ergibt sich.
ˆ
ˆ
ˆ
n−1
0 = − u∆ϕx dy =
ϕx Dν u − uDν ϕx dH
−
ϕx ∆u dy (1.188)
Ω
∂Ω
Ω
Die Behauptung folgt, indem wir diese Identität von (1.172) abziehen, da
G(x, y) = Φ(y − x) − ϕ(y) = 0 für y ∈ ∂Ω.
Lemma 1.47. Sei Ω ⊂ Rn , G eine Greensche Funktion für Ω, B(x, r) ⊂ Ω,
u ∈ C 2 (B(x, r)). Dann gilt
ˆ
[u(y)Dν G(x, y) − G(x, y)Dν u(y)] dHn−1 (y) = −u(x) . (1.189)
lim
ε→0 ∂B(x,ε)
36
[24. Juli 2017]
Beweis. Es gilt G(x, y) = Φ(y − x) − ϕx (y). Aus dem Beweis von Satz 1.26
folgt
ˆ
[u(y)Dν Φ(y − x) − Φ(y − x)Dν u(y)] dHn−1 (y) = −u(x) .
lim
ε→0 ∂B(x,ε)
(1.190)
Da ϕx ∈ C 1 (Ω) und u ∈ C 1 (B(x, r)) gilt
M :=
(|u(y)| + |∇u(y)| + |ϕx (y)| + |∇ϕ(y)|) < ∞
sup
y∈B(x,r/2)
Damit folgt für 0 < ε < r/2
ˆ
n−1
[u(y)Dν ϕx (y) − ϕx (y)Dν u(y)] dH
(y)
∂B(x,ε)
≤ 2M 2 Hn−1 (∂B(x, ε)) ≤ Cεn−1 .
Daher gilt
ˆ
lim
ε→0 ∂B(x,ε)
[u(y)Dν ϕx (y) − ϕx (y)Dν u(y)] dHn−1 (y) = 0
und die Behauptung folgt aus (1.190).
Satz 1.48 (Symmetrie der Greenschen Funktion). Sei Ω ⊂ Rn beschränkt
mit C 1 Rand. Dann gilt G(x, y) = G(y, x) für alle x, y ∈ Ω (mit x 6= y).
Beweis. Seien x, y ∈ Ω fest. Wir brauchen nur den Fall x 6= y zu betrachten.
Wir definieren zwei Funktionen v, w : Ω → R,
v(z) = G(x, z)
(1.191)
w(z) = G(y, z) .
(1.192)
Dann gilt ∆v = 0 in Ω \ {x}, und ∆w = 0 in Ω \ {y}. Ferner gilt v = w = 0
auf ∂Ω.
Sei ε > 0, so dass B(x, ε) ∪ B(y, ε) ⊂ Ω und B(x, ε) ∩ B(y, ε) = ∅. Sei
Vε = Ω \ B(x, ε) \ B(y, ε). Dann gilt
ˆ
ˆ
(w∆v − v∆w) dz =
(wDν v − vDν w) dHn−1
(1.193)
Vε
∂Vε
und deshalb
ˆ
(wDν v − vDν w) dHn−1
0=
(1.194)
∂B(x,ε)∪∂B(y,ε)
37
[24. Juli 2017]
Wir betrachten die Ränder der zwei Kugeln getrennt. Der erste ist
ˆ
(wDν v − vDν w) dHn−1
(1.195)
∂B(x,ε)
ˆ
(w(z)Dν G(x, z) − G(x, z)Dν w(z)) dHn−1 .
(1.196)
=
∂B(x,ε)
Da w ∈ C 2 (B(x, ε)), folgt aus Lemma 1.47
ˆ
(w(z)Dν G(x, z) − G(x, z)Dν w(z)) dHn−1 = −w(x) .
lim
(1.197)
Analog,
ˆ
lim
(1.198)
ε→0 ∂B(x,ε)
ε→0 ∂B(y,ε)
(wDν v − vDν w) dHn−1
ˆ
= lim
ε→0 ∂B(y,ε)
(G(y, z)Dν v(z) − v(z)Dν G(y, z)) dHn−1 = v(y) .
(1.199)
Deshalb gilt w(x) = v(y), und der Beweis ist beendet.
Korollar 1.49. Sei Ω beschränkt mit C 1 Rand. Sei z ∈ Ω. Dann ist die
Funktion x 7→ G(x, z) harmonisch in Ω \ {z}.
Beweis. Sei h(x) = G(x, z). Nach Satz 1.48 gilt: h(x) = G(z, x). Nach Definition von G ist h harmonisch in Ω \ {z}.
[19.5. 2017, Vorlesung 8]
[22.5. 2017, Vorlesung 9]
Bemerkung.
1.2.6
Spezielle Gebiete
Erinnerung: Aus Def. 1.24,

1


− ln |z|
2π
Φ(z) =
1
1



n(n − 2)ωn |z|n−2
falls n = 2
(1.200)
falls n ≥ 3 ,
folgt
DΦ(z) = −
1 z
.
nωn |z|n
38
(1.201)
[24. Juli 2017]
Halbraum
Lemma 1.50. Eine Greensche Funktion für den oberen Halbraum
Rn+ = {x ∈ Rn : xn > 0}
(1.202)
G(x, y) = Φ(y − x) − Φ(y − P x) ,
(1.203)
ist
wobei P x = (x1 , . . . , xn−1 , −xn ), d.h., P = Id − 2en ⊗ en .
Beweis. Für x ∈ Rn+ sei ϕx (y) := Φ(y − P x). Dann gilt ∆ϕx = 0 in Rn+ , da
P x 6 Rn+ . Für y ∈ ∂Rn+ gilt yn = 0 und somit y − P x = P (y − x). Daraus
folgt
ϕx = Φ(P (y − x)) = Φ(y − x) ∀y ∈ Rn+ .
Definition 1.51. Man nennt K : Rn+ × ∂Rn+ → R
K(x, y) = −(Dν G)(x, y) =
∂G(x, y)
2xn
1
=
∂yn
nωn |x − y|n
(1.204)
den Poissonkern des Halbraumes.
(i) Für alle x ∈ Rn+ ist K(x, ·) ∈ C 0 (∂Rn+ ) ∩ L1 (∂Rn+ ).
P
(ii) Für alle y ∈ ∂Rn+ gilt K(·, y) ∈ C ∞ (Rn+ ) und ∆K(·, y) = i ∂x2i K(x, y) =
0.
Lemma 1.52.
(iii) Für alle x ∈ Rn+ gilt
ˆ
K(x, y) = 1 .
(1.205)
∂Rn
+
Beweis. (i): Stetigkeit folgt aus |x − y| ≥ |xn − yn | = xn > 0. Integrabilität
folgt aus Stetigkeit und der Tatsache dass |K(x, y)| ≤ C/|y|n für alle y, die
groß genug sind (z.B. |y| ≥ 2|x|).
(ii): Folgt aus der Definition und ∆Φ = 0 auf Rn \ {0}.
(iii): Es reicht, den Fall x0 = (x1 , . . . , xn−1 ) = 0 zu behandeln (sonst
betrachtet man den Variablenwechsel z = y − x0 ). Für yn = 0 gilt
K(x, y) = 2
∂Φ(y − x)
.
∂yn
(1.206)
Da y →
7 Φ(y − x) in einer Umgebung von Rn− harmonisch und glatt ist, gilt
ˆ
ˆ
0=
∆Φ(y − x) dy =
Dν Φ(y − x) dHn−1 (y)
Rn
− ∩B(0,R)
ˆ
=
B(0,R)∩∂Rn
−
∂(Rn
− ∩B(0,R))
∂Φ(y − x)
dHn−1 (y) +
∂yn
ˆ
Rn
− ∩∂B(0,R)
(1.207)
Dν Φ(y − x) dHn−1 (y)
(1.208)
39
[24. Juli 2017]
Wir betrachten die Substitution y = Rz. Es gilt ∇Φ(Rz −x) = R1−n ∇Φ(z −
x/R) und ∇Φ(z − x/R) → ∇Φ(z) für R → ∞, gleichmäßig für z ∈ ∂B(0, 1).
Daraus folgt
ˆ
∂Φ(y − x)
− lim
dHn−1 (y)
(1.209)
R→∞ B(0,R)∩∂Rn
∂y
n
−
ˆ
Dν Φ(y − x) dHn−1 (y)
(1.210)
= lim
R→∞ Rn ∩∂B(0,R)
−
ˆ
= lim
R→∞ Rn ∩∂B(0,1)
−
Dν Φ(z − x/R) dHn−1 (z)
(1.211)
ˆ
=
1
Dν Φ(z) dHn−1 (z) = − ,
2
Rn
− ∩∂B(0,1)
(1.212)
da Dν Φ(z) = nω1 n für |z| = 1 und Hn−1 (∂B(0, 1)) = nωn . Mit (1.206) folgt
die Behauptung.
Satz 1.53. Sei g ∈ Cb0 (∂Rn+ ) (d.h. g ist beschränkt und stetig) und sei
(´
u(x) =
∂Rn
+
K(x, y)g(y)
falls x ∈ Rn+
falls x ∈ ∂Rn+ .
g(x)
(1.213)
Dann gilt u ∈ C ∞ (Rn+ ) ∩ Cb0 (Rn+ ), ∆u = 0 in Rn+ und u = g auf ∂Rn+ .
Bemerkung. Man kann zeigen, dass u die einzige harmonische und beschränkte Funktion ist, die mit g auf dem Rand übereinstimmt. Dazu reicht
zu zeigen, dass aus g = 0 und u beschränkt folgt, dass u = 0.
1. Beweis: Maximumprinzip/ Vergleich mit harmonischen Funktionen (Barrieren) der Form v(x) = δxn + ε(|x0 |2 − (n − 1)x2n ), wobei x0 = (x1 , . . . , xn−1 )
auf Zylindern C = B 0 (0, L) × (0, R). Mit ε = L−2 sup |u| und δR = sup |u| +
(n − 1)εR2 kann man mit dem Maximumprinzip folgern, dass u ≤ v in C
und die Limites L → ∞ und R → ∞ betrachten. 2. Beweis: die antisymmetrische Fortsetzung u(x0 , −xn ) = −u(x0 , xn ) ist harmonisch im Sinne von
Distributionen (dazu muss man zunächst ∇u ∈ L1 (B(0, R) ∩ Rn+ ) zeigen).
Damit ist die Fortsetzung C ∞ und harmonisch und die Aussage folgt aus
dem Satz von Liouville.
Beweis. Teil 1: wir zeigen u ∈ C 2 (Rn+ ) und ∆u = 0. Sei x∗ ∈ Rn+ fest,
ε = x∗n /2 > 0. Die Ableitungen DK, D2 K sind auf (x, y) ∈ B(x∗ , ε) × ∂Rn+
beschränkt und gleichmäßig in y integrierbar. Deshalb gilt u ∈ C 2 (B(x∗ , ε))
und
ˆ
∆u(x) =
∆K(x, y)g(y) = 0 .
(1.214)
∂Rn
+
40
[24. Juli 2017]
´
Teil 2: u ist beschränkt. Aus K ≥ 0 und Rn K(x, y) dy = 1 folgt
+
ˆ
|u(x)| ≤
K(x, y)|g(y)| dy ≤ sup |g|.
∂Rn
+
Teil 3: wir zeigen u ∈ C 0 (Rn+ ). Für x∗ ∈ ∂Rn+ und x ∈ Rn+ gilt
ˆ
u(x) − u(x∗ ) =
K(x, y)g(y) dHn−1 (y) − g(x∗ )
(1.215)
∂Rn
+
ˆ
=
∂Rn
+
K(x, y)(g(y) − g(x∗ )) dHn−1 (y) .
(1.216)
Sei ε > 0. Dann gibt es ein δ > 0, so dass
|g(y) − g(x∗ )| < ε ∀y ∈ B(x∗ , 2δ) ∩ ∂Rn+ .
(1.217)
Nun gilt
ˆ
K(x, y)(g(y) − g(x∗ ))dHn−1 (y)
∂Rn+ ∩B(x∗ ,2δ)
ˆ
≤ε
|K|(x, y)dHn−1 (y) = ε
(1.218)
(1.219)
∂Rn
+
und
ˆ
K(x, y)(g(y) − g(x∗ ))dHn−1 (y)
∂Rn+ \B(x∗ ,2δ)
ˆ
≤ 2 max |g|
|K|(x, y)dHn−1 (y) .
(1.220)
(1.221)
∗
∂Rn
+ \B(x ,2δ)
Für x ∈ B(x∗ , δ) gilt |x − y| ≥ |y − x∗ | − |x − x∗ | ≥ |y − x∗ | − δ, und
deshalb
1
1
≤
,
(1.222)
n
|y − x|
(|y − x∗ | − δ)n
wobei letzte Funktion auf Rn−1 \ B(x∗ , 2δ) integrierbar ist. Daraus folgt
ˆ
2xn
1
lim sup
dHn−1 (y)
(1.223)
n
∗
n
nω
|x
−
y|
∗
x→x
n
∂R+ \B(x ,2δ)
≤ lim sup xn Cδ = 0
(1.224)
x→x∗
Deshalb gibt es ein δ 0 < δ, so dass
|u(x) − u(x∗ )| ≤ 2ε ∀x ∈ B(x∗ , δ 0 ) ∩ Rn+
(1.225)
Da u(x) = g(x) für x ∈ ∂Rn+ folgt aus
|u(x) − u(x∗ )| ≤ ε ∀x ∈ B(x∗ , 2δ) ∩ ∂Rn+
(1.226)
Kombination von (1.225) und (1.226) liefert die Behauptung.
41
[24. Juli 2017]
Kugel
Lemma 1.54. Die Greensche Funktion für B(0, r) ist
(
|x|
r2
falls x 6= 0
Φ(y − x) − Φ r (y − |x|2 x)
G(x, y) =
Φ(y) − Φ(re1 )
falls x = 0 .
(1.227)
Beweis. Wir müssen zeigen: (i) G(x, y) = 0 für y ∈ ∂B(0, r), (ii) die Funktion ϕx = Φ(y − x) − G(x, y) ist harmonisch in B(0, r).
(i): Für y ∈ ∂B(0, r), x 6= 0 gilt
2
2
2
2
|x|
(y − r x) = |x| |y|2 − 2x · y + r |x|2 = |x|2 − 2x · y + r2 = |x − y|2 .
r
|x|2
r2
|x|2
(1.228)
Daraus folgt G(x, y) = 0 falls |y| = r, da Φ radialsymmetrisch ist. Man sieht
leicht, dass dies auch für x = 0 gilt.
r2
(y
−
x)
. Für x ∈ B(0, r) \ {0} ist
(ii): Für x 6= 0 ist ϕx (y) = Φ |x|
2
r
|x|
2
r
| |x|
2 x| > r und daher ist ϕx harmonisch in B(0, r). Für x = 0 ist ϕx konstant
und daher harmonisch.
Für |y| = r gilt
y
y |x|
Dν G(x, y) = DΦ(y − x) −
(DΦ)
r
r r
|x|
r
y−
x
r
|x|
=−
1 r2 − |x|2
.
nωn r|x − y|n
(1.229)
Definition 1.55. Der Poissonkern für die Kugel B(0, r) ist
KB(0,r) (x, y) =
1 r2 − |x|2
,
nωn r|x − y|n
(1.230)
und der Poissonkern für die Kugel B(x∗ , r) ist
KB(x∗ ,r) (x, y) =
1 r2 − |x − x∗ |2
.
nωn r|x − y|n
(1.231)
Satz 1.56. Sei g ∈ C 0 (∂B(z, r)) und sei u : B(z, r) → R durch
ˆ

K(x, y)g(y) dHn−1 (y) falls x ∈ B(z, r)
u(x) =
∂B(0,r)

g(x)
falls x ∈ ∂B(z, r)
(1.232)
definiert. Dann gilt u ∈ C 2 (B(z, r)) ∩ C 0 (B(z, r)) und ∆u = 0 in B(z, r).
[22.5. 2017, Vorlesung 9]
[26.5. 2017, Vorlesung 10]
42
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Wegen der Eindeutigkeit von Lösungen des Dirichletproblems (Satz 1.11) gilt daher für jede harmonische Funktion u ∈ C 2 (Ω) und
jede Kugel B(z, r) ⊂ Ω,
ˆ
u(x) =
K(x, y)u(y)dHn−1 (y)
(1.233)
∂B(z,r)
für alle x ∈ B(z, r). Daraus lässt sich unter anderem eine Taylorreihe für
u herleiten sowie die Analytizität von u beweisen. Dazu kann man z.B. in
einer Umgebung von x0 ∈ Ω den Poissonkern durch

−n/2
X
X
1
K(z, y) :=
(r2 −
zj2 )  (zj − yj )2 
nωn r
j
j
auf komplexe Werte z ∈ Cn ∩ B(x0 , δ) erweitern.
P
Beweis. Wir zeigen zunächst, dass ∆x K = i ∂x2i K = 0 für x ∈ B(0, r).
Wie in Satz 1.53 folgt daraus, dass u in B(0, r) harmonisch ist.
Wir definieren K̃(w) = K(w + y, y). Dann reicht es zu zeigen, dass K̃ in
Rn \ {0} harmonisch ist. Aus |y| = r folgt |w + y|2 − r2 = |w|2 + 2y · w und
!
n
X
1
1
wi
K̃(z) = −
+
yi n .
(1.234)
nωn |w|n−2
|w|
i=1
Sei zunächst n ≥ 3. Dann ist |w|1n−2 ein Vielfaches der Fundamentallösung Φ
wi
n
und |w|
n ist ein Vielfaches von ∂i Φ. Daher sind beide Funktionen in R \ {0}
harmonisch. Für n = 2 argumentiert man analog. Hier ist der erste Term
konstant und der zweite ein Vielfaches von ∂i Φ. Daraus folgt, dass K in
Rn \ {y} harmonisch ist.
Es bleibt zu zeigen, dass u´auf dem Rand stetig ist. Da u = 1 harmonisch
ist, folgt aus Satz 1.46, dass ∂B K(x, y) dHn−1 (y) = 1 für alle x ∈ B(0, r).
Der Rest des Beweises ist analog zu Teil 3 des Beweises von Satz (1.53) und
wurde in der Vorlesung nicht im Detail besprochen.
Sei x∗ ∈ ∂B(0, r), ε > 0. Dann gibt es ein δ > 0, so dass
1
|g(y) − g(x∗ )| ≤ ε
2
für alle y ∈ ∂B(0, r) ∩ B(x∗ , 2δ) .
(1.235)
Sei x ∈ B(0, r) ∩ B(x∗ , δ). Dann gilt:
ˆ
(1.236)
K(x, y)(g(y) − g(x∗ ))dHn−1 (y)
|u(x) − u(x∗ )| = ∂B(0,r)
ˆ
≤
K(x, y)|g(y) − g(x∗ )| dHn−1 (y)
(1.237)
∂B(0,r)
ˆ
ε
≤ + 2 max |g|
K(x, y) dHn−1 (y) . (1.238)
2
∂B(0,r)\B(x∗ ,2δ)
43
[24. Juli 2017]
Aus |y − x∗ | ≥ 2δ und |y − x| < δ folgt |x − y| ≥ δ, K(x, y) ≤ (r2 −
|x|2 )/(nωn δ n ) und
|u(x) − u(x∗ )| ≤
ε
2
r2 − |x|2
+
max |g|
.
2 nωn
δn
Deshalb gilt:
lim sup |u(x) − u(x∗ )| ≤
x→x∗
ε
2
(1.239)
(1.240)
für alle ε > 0. Da ε beliebig war ist die Aussage bewiesen.
Wir haben insbesondere folgendes bewiesen: Sei Ω ⊂ Rn offen, B(x, r) ⊂
Ω, u ∈ C 0 (Ω). Dann gibt es genau eine Funktion v ∈ C 0 (Ω), so dass gilt:
v = u in Ω \ B(x, r)
∆v = 0 in B(x, r) .
(1.241)
(1.242)
Die Funktion v wird harmonische Fortsetzung von u genannt und ist explizit
durch
(
u(x)
falls x ∈ Ω \ B(x, r)
v(x) = ´
n−1
(y) falls x ∈ B(x, r)
∂B(x,r) KB(x,r) (x, y)u(y)dH
(1.243)
gegeben.
1.2.7
Randintegralmethoden
Für allgemeine Gebiete läßt sich keine explizite Form der Greenschen Funktion angeben. Trotzdem ist die Darstellung der Lösung als Einschicht- oder
Doppelschichtpotential sehr nützlich, sowohl für abstrakte Existenzaussagen, als auch für die numerische Approximation von Lösungen. Hier wird
nur eine ganz kurze Einführung gegeben. Eine ausführlichere Darstellung
findet sich z.B. in dem Buch ’Introduction to partial differential equations’
von Gerald B. Folland, Princeton Univ. Press, 1995, im dem Kapitel ’layer
potentials’.
Als Beispiel betrachten wir das Dirichletproblem. Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Gebiet und sei g ∈ C 0 (∂Ω). Gesucht ist eine Funktion u ∈
C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω) mit
−∆u = 0
u=g
in Ω
(1.244)
auf ∂Ω
(1.245)
Wir machen den Ansatz u(x) = g(x) für x ∈ ∂Ω und
ˆ
u(x) =
−Dν Φ(y − x)h(y) dHn−1 (y) für x ∈ Ω
(1.246)
∂Ω
44
[24. Juli 2017]
mit h ∈ C 0 (∂Ω). Dann sieht man leicht, dass u ∈ C ∞ (Ω) und ∆u = 0 in
Ω. Unser Ziel ist, h so zu wählen, dass für jede Folge x : N → Ω, die gegen
einen Punkt x∗ ∈ ∂Ω konvergiert, gilt limk→∞ u(xk ) = g(x∗ ). Dann folgt,
dass u auf Ω stetig ist und somit eine Lösung des Dirichletproblems ist.
Satz 1.57. Sei Ω eine beschränkte offene Menge mit C 2 Rand, sei h ∈
C 0 (∂Ω), sei u in Ω durch (1.246) definiert und sei x : N → Ω eine Folge,
die gegen x∗ ∈ ∂Ω konvergiert. Dann existiert limk→∞ u(xk ) und es gilt
1
lim u(xk ) = h(x∗ ) + (Sh)(x∗ )
k→∞
2
(1.247)
ˆ
mit
−Dν Φ(y − x∗ )h(y) dHn−1 (y),
Sh(x∗ ) =
(1.248)
∂Ω
Anwendung von Satz 1.57: die Lösung des Dirichletproblems ist darauf
zurückgeführt, eine Funktion h zu finden, welche die Operatorgleichung
2g = h + 2Sh = (Id + 2S)h
(1.249)
löst. Der entscheidende Punkt ist, dass der Operator S als Abbildung von
C 0 (∂Ω) auf sich kompakt ist, d.h. falls hk eine beschränkte Folge in C 0 (∂Ω)
ist, so enthält die Folge Shk eine konvergente Teilfolge (zum Beweis nutzt
man aus, dass wegen Lemma 1.58 gilt |Dν Φ(y − x∗ )| ≤ C|y − x∗ |2−n für
y ∈ ∂Ω). Daher läßt sich auf (1.249) die Fredholmalternative anwenden, die
im wesentlichen besagt, dass es für alle g eine Lösung h gibt, falls es für
g = 0 nur die triviale Lösung h = 0 gibt (dies ist eine weitreichende Verallgemeinerung des entsprechenden Satzes ’injektiv impliziert surjektiv’ aus
der linearen Algebra für lineare Abbildungen eines endlich dimensionalen
Raums auf sich und wir werden dies systematisch in der Vorlesung Funktionalanalysis und PDG besprechen). Eindeutigkeit der Lösung folgt z.B. aus
dem Maximumprinzip.
Um die Gleichung (1.249) approximativ zu lösen kann man ∂Ω als Vereinigung von m disjunkten Mengen Ui schreiben, in jeder Menge Ui einen
Punkt xi wählen und das Integral in der Definition von S durch eine Riemannsche Summe ersetzten. Die führt auf das m × m Gleichungssystem
ˆ
m
X
1
g(xi ) = hi +
sij hj ,
2
−Dν Φ(y − xi ) dHn−1 (y) (1.250)
mit sij ≈
Uj
j=1
und die Lösungen hi sind Approximationen für h(xi ). Die Methode heißt
Kollokationsmethode. Alternativ
kann man die approximative Lösung als
P
eine Linearkombination
hi ϕi (x) von vorgebenen Basisfunktionen (’finite
Elemente’) ansetzen und ein Gleichungssystem für die hi herleiten, indem
man (1.249) mit ϕj multipliziert und über ∂Ω integriert. Diese Methode
45
[24. Juli 2017]
heißt Methode der finiten Elemente. In beiden Fällen ist der Vorteil von
(1.249) gegenüber der ursprünglichen partiellen Differentialgleichung, dass
es sich im ein Problem auf einer n − 1 dimensionalen Menge, statt einer n
dimensionalen Menge handelt.
Grobe Skizze des Beweises von Satz 1.57. Man schreibt
ˆ
−Dν Φ(y − xk )h(y) dHn−1 (y)
u(xk ) =
∂Ω∩B(x∗ ,δ)
ˆ
+
−Dν Φ(y − xk )h(y) dHn−1 (y) .
∂Ω\B(x∗ ,δ)
Der Limes k → ∞ im ersten Integral lässt sich so ähnlich behandeln wie
der Poissonkern im Halbraum. In dem zweiten Integral kann man leicht
zum Limes k → ∞ übergehen, da Φ(· − xk ) in Bδ (x∗ ) ∩ ∂Ω gleichmässig
gegen Φ(· − x∗ ) konvergiert. Um in dem zweiten Integral, den Limes δ → 0
zu bilden benutzen wir folgendes geometrische Lemma, das garantiert, dass
lokal der Ω in der Nähe des Randes einem Halbraum sehr ähnlich ist. Dies
führt dazu, dass die Singularität in −Dν (y, x∗ ) weniger stark ist, als man
zunächst vermuten würde.
Lemma 1.58. Sei Ω ⊂ Rn eine offene und beschränkte Menge mit C 2 Rand.
Dann gilt
|(y − x) · ν(y)| ≤ C|y − x|2 ∀x, y ∈ ∂Ω
(1.251)
und
(y − x) · ν(y) ≥ −C|y − x|2
1.2.8
∀x ∈ Ω, y ∈ ∂Ω
(1.252)
Beweis von Satz 1.57
Dies wurde in der Vorlesung nicht besprochen
Lemma 1.59. Sei K(x, y) = −Dν Φ(y − x) =
x∗ ∈ ∂Ω mit limk→∞ xk = x∗ . Dann gilt
(i)
1 (y−x)·ν(y)
nωn |y−x|n .
ˆ
lim lim
δ→0 k→∞ ∂Ω∩B(x∗ ,δ)
(ii)
K(xk , y) dHn−1 (y) =
1
2
ˆ
|K(xk , y)| dHn−1 (y) =
lim sup lim sup
δ→0
k→∞
∂Ω∩B(x∗ ,δ)
46
Seien xk ∈ Ω,
(1.253)
1
2
(1.254)
[24. Juli 2017]
Skizze. Der Beweis von (1.253) ist anlog zum Beweis der Aussage (iii) in
Lemma 1.52 für den Poissonkern des Halbraums. Die Funktion y 7→ Φ(y−xk )
ist harmonisch in Rn \Ω und insbesondere in B(x∗ , δ)∩(Rn \Ω). Anwendung
des Satzes von Gauss (mit sorgfältiger Unterscheidung zwischen inneren und
äußeren Normalen) liefert
ˆ
ˆ
n−1
−Dν Φ(y−xk ) dH
(y) =
−Dν Φ(y−xk ) dHn−1 (y) .
∂B(x∗ ,δ)∩(Rn \Ω)
∂Ω∩B(x∗ ,δ)
(1.255)
Die Folge k →
7 DΦ(y − xk ) konvergiert gleichmäßig für y ∈ ∂B(x∗ , δ) und
daher gilt
ˆ
ˆ
n−1
−Dν Φ(y−x∗ ) dHn−1 (y) .
−Dν Φ(y−xk ) dH
(y) =
lim
k→∞ ∂B(x∗ ,δ)∩(Rn \Ω)
∂B(x∗ ,δ)∩(Rn \Ω)
(1.256)
ˆ
Der Variablenwechsel y = x∗ + δz liefert
ˆ
n−1
−Dν Φ(y−x∗ ) dH
(y) =
∂B(x∗ ,δ)∩(Rn \Ω)
−Dν Φ(y−x∗ ) dHn−1 (z) ,
∂B(0,1)∩(Rn \Ωδ )
(1.257)
wobei Ωδ := {z ∈
: x∗ + δz ∈ Ω}. Da der Rand von Ω
ist, konvergiert
∂B(0,1) ∩ (Rn \ Ωδ ) gegen eine Halbsphäre und daher konvergiert das Integral
für δ → 0 gegen 12 .
Zum Beweis von (1.254) zerlegen wir K in seinen positiven und negativen
Anteil: K + (x, y) = max(K(x, y), 0), K − (x, y) = max(−K(x, y), 0). Dann
gilt |K| = K + +K − = K+2K − . Aus (1.252) folgt |K − (xk , y)| ≤ C|xk −y|2−n
und eine kurze Rechnung zeigt, dass
ˆ
K − (xk , y) dHn−1 (y) ≤ Cδ.
(1.258)
Rn
C1
∂Ω∩B(x∗ ,δ)
Daher folgt (1.254) aus (1.253).
Beweis von Satz 1.57. Wir schreiben
0
1
2
u(xk ) = Tk,δ
+ Tk,δ
+ Tk,δ
mit
(1.259)
ˆ
0
Tk,δ
=
−Dν Φ(y − xk )(h(y) − h(x∗ ) dHn−1 (y),
(1.260)
−Dν Φ(y − xk )h(x∗ ) dHn−1 (y),
(1.261)
−Dν Φ(y − xk )h(y) dHn−1 (y) .
(1.262)
∂Ω∩B(x∗ ,δ)
ˆ
1
Tk,δ
=
∂Ω∩B(x∗ ,δ)
ˆ
2
Tk,δ
=
∂Ω\B(x∗ ,δ)
47
[24. Juli 2017]
Aus (1.253) folgt
1
1
lim lim Tk,δ
= h(x∗ ) .
2
Wegen der Stetigkeit von h gilt
(1.263)
δ→0 k→∞
lim
sup
δ→0 y∈B(x∗ ,δ)∩∂Ω
|h(y) − h(x∗ )| = 0
(1.264)
und in Verbindung mit (1.254) folgt, dass
0
lim lim Tk,δ
= 0.
(1.265)
δ→0 k→∞
Außderdem gilt DΦ(y−xk ) → DΦ(y−x∗ ), gleichmäßig für y ∈ Rn \B(x∗ , δ).
Daraus folgt
ˆ
2
lim Tk,δ =
−Dν Φ(y − x∗ )h(y) dHn−1 (y) .
(1.266)
k→∞
∂Ω\B(x∗ ,δ)
Aus Lemma 1.58 folgt, dass | − Dν Φ(y − x∗ )| ≤ C|y − x∗ |2−n für alle
y ∈ ∂Ω. Da h beschränkt ist, ist insbesondere y 7→ −Dν Φ(y − x∗ )h(y)
auf ∂Ω integrierbar (bzgl. des (n − 1) dimensionalen Hausdorffmaßes). Da
limδ→0 Hn−1 (B(x∗ , δ) ∩ ∂Ω) = 0 folgt
ˆ
2
lim lim Tk,δ
=
−Dν Φ(y − x∗ )h(y) dHn−1 (y) = (Sh)(x∗ ) .
(1.267)
δ→0 k→∞
1.3
∂Ω
Existenz von Lösungen
Definition 1.60. Sei Ω ⊂ Rn offen, u ∈ C 0 (Ω). Die Funktion u heißt
subharmonisch, falls
u dHn−1
u(x) ≤
für alle Kugeln mit B(x, r) ⊂ Ω
(1.268)
für alle Kugeln mit B(x, r) ⊂ Ω.
(1.269)
∂B(x,r)
und superharmonisch, falls
u dHn−1
u(x) ≥
∂B(x,r)
Bemerkung. Man kann zeigen, dass u genau dann subharmonisch
ist,
´
wenn, im Sinne von Distributionen gilt −∆u ≤ 0, d.h. wenn Ω u(−∆ϕ)dLn ≤
0 für alle ϕ ∈ Cc∞ (Ω) mit ϕ ≥ 0. Man kann weiterhin zeigen, dass Distributionen T welche die Ungleichung T ≥ 0 erfüllen (d.h. T (ϕ) ≥ 0 für alle
ϕ ∈ D mit ϕ ≥ 0) durch Radonmaße gegeben sind (Satz von Riesz-Radon).
48
[24. Juli 2017]
Lemma 1.61. (i) Eine Funktion u ∈ C 2 (Ω) ist genau dann subharmonisch, wenn
−∆u ≤ 0
in Ω .
(1.270)
(ii) Eine Funktion u ∈ C 0 (Ω) ist genau dann subharmonisch, wenn −u
superharmonisch ist.
(iii) Eine Funktion u ∈ C 0 (Ω) ist genau dann harmonisch, wenn u sowohl
subharmonisch als auch superharmonisch ist.
Beweis. (i): in Satz 1.3(ii) (Mittelwertsatz) wurde gezeigt, dass −∆u ≤ 0
(1.268) impliziert. Die Gegenrichtung wird wie in Satz 1.4 bewiesen: Falls
ein x ∈ Ω mit −∆u(x) > 0 existieren würde, dann gäbe es ein r > 0, so dass
−∆u > 0 auf B(x, r) und B(x, r) ⊂ Ω. Dann würde aus 1.3(iii) folgen
u dLn ,
u(x) >
(1.271)
B(x,r)
gegen die Annahme.
(ii): es reicht, −u in der Definition einzusetzen.
(iii): eine harmonische Funktion erfüllt
u dHn−1
u(x) =
für alle Kugeln mit B(x, r) ⊂ Ω
(1.272)
∂B(x,r)
und ist damit sowohl subharmonisch als auch superharmonisch. Die Gegenrichtung wurde in Satz 1.8 bewiesen (für alle x∗ ∈ Ω gibt es ein r∗ > 0, so
dass B(x∗ , r∗ ) ⊂ Ω, dann u ∈ L1 (B(x∗ , r∗ )), und daraus folgt ∆u = 0 in x∗
– alternativ: der Beweis von Satz 1.8 benötigt nur L1,loc ).
Lemma 1.62. (i) Sei Ω ⊂ Rn offen, beschränkt und zusammenhängend,
u, v ∈ C 0 (Ω), u subharmonisch, v superharmonisch. Falls u ≤ v auf
∂Ω, dann gilt entweder u < v auf Ω oder u = v auf Ω.
(ii) Sei u ∈ C 0 (Ω) subharmonisch, B(x, r) ⊂ Ω, und sei v : Ω → R die
harmonische Fortsetzung von u auf B(x, r), nämlich,
(
u(y)
falls y ∈ Ω \ B(x, r)
v(y) = ´
n−1
(z) falls y ∈ B(x, r) .
∂B(x,r) KB(x,r) (y, z)u(z)dH
(1.273)
0
Dann gilt v ∈ C (Ω), v ist subharmonisch und u ≤ v.
(iii) Seien u1 , . . . , uK ∈ C 0 (Ω) subharmonisch. Dann ist u
max{u1 , . . . , uK } ebenfalls subharmonisch.
49
=
[24. Juli 2017]
Beweis. (i): Die Funktion u − v ist subharmonisch, und u − v ≤ 0 auf ∂Ω.
Die Aussage folgt aus dem starken Maximumprinzip, Satz 1.13.
(ii) (wurde in der Vorlesung vom 29.5. 2017 bewiesen): Aus v ∈ C 0 (B(x, r))
und u ∈ C 0 (Ω \ B(x, r)) mit u = v auf ∂B(x, r) folgt v ∈ C 0 (Ω).
Die Funktion v ist in B(x, r) harmonisch und auf ∂B(x, r) gilt u = v.
Aus (i) folgt, dass u ≤ v in B(x, r). Deshalb gilt u ≤ v auf Ω.
Sei B(y, R) ⊂ Ω. Falls y 6∈ B(x, r) dann gilt
u(z) dHn−1 (z) ≤
v(y) = u(y) ≤
∂B(y,R)
v(z) dHn−1 (z) .
(1.274)
∂B(y,R)
Falls y ∈ B(x, r), betrachten wir die Funktion w : Ω → R,
(
v(z)
falls z ∈ Ω \ B(y, R)
w(z) = ´
n−1
(t) falls z ∈ B(y, R) .
∂B(y,R) KB(y,R) (z, t)v(t) dH
(1.275)
Aus der Definition folgt
w(t)dHn−1 (t) =
w(y) =
∂B(y,R)
v(t)dHn−1 (t) .
(1.276)
∂B(y,R)
Falls
v(y) ≤ w(y)
(1.277)
dann ist der Beweis beendet.
Es bleibt, (1.277) zu beweisen.
Die Funktion u ist subharmonisch und w ist harmonisch in B(y, R), aus
u ≤ v = w auf ∂B(y, R) und dem Maximumprinzip folgt u ≤ w auf B(y, R).
Die Funktion v − w ist harmonisch in B(x, r) ∩ B(y, R), und v − w =
u − w ≤ 0 auf (∂B(x, r)) ∩ B(y, R) ⊂ B(y, R) und v − w = 0 auf ∂B(y, R).
Deshalb gilt v − w ≤ 0 auf ∂(B(x, r) ∩ B(y, R)) und damit auch in y ∈
B(x, r) ∩ B(y, R).
(iii): Sei u = maxj uj , B(x, r) ⊂ Ω, p ∈ {1, . . . , K}, so dass u(x) = up (x).
Aus up ≤ u folgt
up dHn−1 ≤
u(x) = up (x) ≤
∂B(x,r)
u dHn−1 .
(1.278)
∂B(x,r)
[26.5. 2017, Vorlesung 10]
[29.5. 2017, Vorlesung 11]
Definition 1.63. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, g ∈ C 0 (∂Ω). Wir
definieren
Sg = {v ∈ C 0 (Ω) : v subharmonisch und v ≤ g auf ∂Ω} .
50
(1.279)
[24. Juli 2017]
Satz 1.64. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, g ∈ C 0 (∂Ω), u : Ω → R durch
u(x) = sup{v(x) : v ∈ Sg }
(1.280)
definiert. Die Funktion u ist wohldefiniert und harmonisch (und damit insbesondere in C ∞ (Ω)).
Beweis. Die Menge Sg ist nicht leer, weil die konstante Funktion x 7→
min g(∂Ω) in Sg liegt.
Für alle x ∈ Ω ist sup{v(x) : v ∈ Sg } beschränkt, weil v(x) ≤ max g(∂Ω)
für alle v ∈ Sg . Deshalb ist u wohldefiniert.
Sei y ∈ Ω, v : N → Sg eine Folge, so dass vk (y) → u(y). Wir können ObdA annehmen, dass vk ≤ vk+1 (sonst betrachten wir die Folge max{v0 , v1 , . . . , vk }).
Sei B(y, r) ⊂ Ω und sei wk die harmonische Fortsetzung von vk auf B(y, r),
d.h.,
(
vk (z)
falls z ∈ Ω \ B(y, r)
wk (z) = ´
n−1
(t) falls z ∈ B(y, r) .
∂B(y,r) KB(y,r) (z, t)vk (t)dH
(1.281)
Aus Lemma 1.62(ii) folgt, dass wk subharmonisch ist und vk ≤ wk , insbesondere wk ∈ Sg . Deshalb gilt vk ≤ wk ≤ u, insbesondere konvergiert
wk (y) gegen u(y). Aus der Monotonie der Folge vk folgt mit (1.281) leicht
die Monotonie der Folge wk .
Daraus folgt, dass wk punktweise gegen eine Funktion U konvergiert.
Da minΩ v0 ≤ wk ≤ max∂Ω g und da wk in B(y, r) harmonisch ist, folgt,
dass ∇wk in B(y, r/2) gleichmäßig beschränkt ist. Daraus folgt, dass wk in
B(y, r/2) gleichmäßig gegen U konvergiert. Daher ist U in B(y, r/2) harmonisch (Satz 1.17 oder Mittelwerteigenschaft auf genügend kleinen Kugeln)
1
Es bleibt zu zeigen, dass U = u auf B(y, r/2) (dann folgt ∆u(y) =
∆U (y) = 0). Falls dies nicht gilt, dann gäbe es ein p ∈ B(y, r/2), so dass
U (p) < u(p). Dann gäbe es ein V ∈ Sg mit
U (p) < V (p) .
Sei ṽk = max{V, wk }, und - wie oben (
ṽk (z)
w̃k (z) = ´
n−1 (t)
∂B(y,r) KB(y,r) (z, t)ṽk (t)dH
(1.282)
falls z ∈ Ω \ B(y, r)
falls z ∈ B(y, r) .
(1.283)
1
Zwei alternative Argumente: (i) Aus dem Satz über monotone Konvergenz (B. Levi)
folgt, dass wk → U in L1 (B(y, r/2). Dann folgt aus Satz 1.17, dass U harmonisch ist; (ii)
Sei l > k. Dann liefert die Harnackungleichung für alle z ∈ B(y, r/2) die Abschätzung 0 ≤
wl (z) − wk (z) ≤ C(wl (y) − wk (y)). Für l → ∞ folgt 0 ≤ U (z) − wk (z) ≤ C(U (y) − wk (y)).
Daraus folgt wiederum, dass wk in B(y, r/2) gleichmäßig gegen U konvergiert.
51
[24. Juli 2017]
Die Folge w̃k ist monoton, und w̃k (y) → u(y). Deshalb konvergiert w̃k
gleichmäßig auf B(y, r/2) gegen eine harmonische Funktion Ũ . Aus wk ≤ w̃k
folgt U ≤ Ũ auf B(y, r/2), mit Ũ (y) = U (y) = u(y) folgt (starkes Maximumprinzip!) Ũ = U , unsbesondere V (p) ≤ Ũ (p) = U (p), ein Widerspruch
zu (1.282).
Wir wenden uns jetzt der Frage zu ob die Funktion u aus Satz 1.64 auf
Ω stetig ist und die Bedingungen u = g auf ∂Ω erfüllt. Dies gilt nicht für
alle offenen beschränkten Mengen Ω. Wir führen das Konzept der Barriere
ein, um eine hinreichende Bedingung zu gewinnen.
Definition 1.65. Sei Ω ⊂ Rn offen, x∗ ∈ ∂Ω. Eine Funktion w ∈ C 0 (Ω)
heißt Barriere in x∗ wenn:
(i) w(x∗ ) = 0 und w > 0 auf Ω \ {x∗ };
(ii) w ist superharmonisch in Ω, d.h. (1.269) gilt.
Ein Punkt x∗ ∈ ∂Ω heißt regulär, wenn eine Barriere in x∗ existiert.
Lemma 1.66. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, g ∈ C 0 (∂Ω), u : Ω → R
durch
u(x) = sup{v(x) : v ∈ Sg }
(1.284)
definiert. Sei x : N → Ω eine Folge, die gegen x∗ ∈ ∂Ω konvergiert. Falls x∗
regulär ist, so gilt
lim u(x) = u(x∗ ) = g(x∗ ) .
(1.285)
x→x∗
Beweis. Sei w eine Barriere für x∗ .
Sei ε > 0. Dann gibt es ein δ > 0 so dass gilt:
|g(x) − g(x∗ )| < ε
Sei
C=
für alle x ∈ B(x∗ , δ) ∩ ∂Ω .
2 max |g|(∂Ω)
.
min w(Ω \ B(x∗ , δ))
(1.286)
(1.287)
Dann gilt, für alle x ∈ ∂Ω,
|g(x) − g(x∗ )| ≤ ε + Cw(x) ,
(1.288)
und deshalb
g(x∗ ) − Cw(x) − ε ≤ g(x) ≤ g(x∗ ) + Cw(x) + ε für alle x ∈ ∂Ω . (1.289)
Die erste Funktion ist subharmonisch und deshalb in Sg enthalten. Daher
gilt
(1.290)
g(x∗ ) − Cw(x) − ε ≤ u(x)
für alle x ∈ Ω .
52
[24. Juli 2017]
Die Funktion x 7→ g(x∗ ) + Cw(x) + ε ist superharmonisch. Für alle v ∈ Sg
gilt
v(x) ≤ g(x) ≤ g(x∗ ) + Cw(x) + ε für alle x ∈ ∂Ω .
(1.291)
Mit Lemma 1.62(i) folgt
v(x) ≤ g(x∗ ) + Cw(x) + ε für alle x ∈ Ω
(1.292)
und aus der Definition von u folgt
u(x) = sup{v(x) : v ∈ Sg } ≤ g(x∗ ) + Cw(x) + ε für alle x ∈ Ω . (1.293)
Deshalb gilt:
lim sup |u(x) − g(x∗ )| ≤ ε + lim Cw(x) = ε
x→x∗
x→x∗
(1.294)
für alle ε > 0.
Satz 1.67. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Das Dirichletproblem
(
∆u = 0 in Ω
(1.295)
u=g
in ∂Ω
ist genau dann für beliebige g ∈ C 0 (∂Ω) lösbar, wenn alle Punkte x∗ ∈ ∂Ω
regulär sind.
Beweis. Falls alle x∗ ∈ ∂Ω regulär sind, wurde Existenz in Satz 1.64 und
Lemma 1.66 bewiesen.
Sei umgekehrt das Dirichletproblem für alle g ∈ C 0 (Ω) lösbar und seien
x∗ ∈ ∂Ω und w die Lösung für g(x) = |x − x∗ |. Dann ist w ein Barriere
in x∗ . Beweis: aus dem Maximumprinzip folgt w ≥ 0 in Ω. Zu zeigen ist
w > 0 in Ω. Falls Ω zusammenhängend ist, folgt dies aus dem starken
Maximumprinzip. Falls Ω nicht zusammenhängend ist, betrachten wir wie
im Beweis des starken Maximumprinzips die Menge
K := {x ∈ Ω : w(x) = 0}.
Dann ist K kompakt und wie im Beweis des starken Maximumprinzip sieht
man, dass jeder Punkt in y ∈ K ∩ Ω ein innerer Punkt von K ist. Daher
gilt ∂K ∩ Ω = ∅. Nach Wahl von g gilt ∂K ∩ ∂Ω = {x∗ }. Schließlich ist
∂K ∩ (Rn \ Ω) = ∅. Daher gilt ∂K = {x∗ }. Daraus folgt K = {x∗ } oder
K = Rn \ {x∗ }. Da K kompakt ist, kommt nur die erste Möglichkeit in
Betracht und es folgt, dass w > 0 in Ω \ {x∗ }.
Definition 1.68. Eine offene Menge Ω ⊂ Rn erfüllt die äußere Sphärenbedingung in x∗ ∈ ∂Ω wenn y ∈ Rn , r > 0 existieren, so dass
B(y, r) ∩ Ω = {x∗ } .
53
(1.296)
[24. Juli 2017]
Lemma 1.69. Falls die offene Menge Ω ⊂ Rn in x∗ ∈ ∂Ω die äußere
Sphärenbedingung erfüllt, dann ist x∗ ein regulärer Punkt.
Beweis. Sei
u(x) = Φ(x∗ − y) − Φ(x − y) .
(1.297)
Dann gilt u ≥ 0 auf Ω, und u ist auf Ω harmonisch.
Beispiel. Jede konvexe Menge erfüllt überall eine Sphärenbedingung, sowie jede Menge deren Rand C 2 -regulär ist (Details: Übungsblatt 7, Aufgabe
1)
[29.5. 2017, Vorlesung 11]
[2.6. 2017, Vorlesung 12]
Bemerkung. Die äußere Sphärenbedingung ist nicht notwendig. Ein Punkt
x∗ ∈ ∂Ω erfüllt eine äußere Kegelbedingung, wenn eine offene Kugel B(y, r)
existiert, so dass conv({x∗ } ∪ B(y, r)) ∩ Ω = {x∗ }. (für A ⊂ Rn ist conv A
die kleinste konvexe Menge, die A enthält). Die äußere Kegelbedingung ist
hinreichend für die Regularität von x∗ (s. Gilbarg-Trudinger, Elliptic partial
differential equations of second order, Springer, 1998, Exercise 2.12). Falls Ω
ein C 1 Gebiet ist (oder ein Lipschitz Gebiet) so erfüllt jeder Randpunkt die
äußere Kegelbedingung. Die äußere Kegelbedingung ist aber ebenfalls nicht
notwendig für Regularität.
Bemerkung. (i) Eine explizitere Konstruktion einer harmonischen Funktion aus einer Unterlösung ist die Methode des ’Auskehrens’ (frz. ’balayage’,
engl. ’sweeping out’), die auf Poincaré zurückgeht. Sei u0 ∈ C 0 (Ω) subharmonisch und u0 = g auf ∂Ω. Sei Bi = B(xi , ri ) Kugeln mit B i ⊂ Ω und
∪i∈N Bi = Ω. Sei Pi die harmonische Ersetzungoperator für Bi , d.h.
(
v(x)
falls x ∈ Ω \ Bi
(1.298)
Pi v(x) := ´
n−1
(y) falls y ∈ Bi .
∂Bi KBi (x, y)v(y)dH
Seien die Operatoren Tk definiert durch Tk := Pk . . . P1 und sei uk induktive
definiert durch uk+1 = Tk uk . Dann ist uk subharmonisch in Ω und stetig
in Ω und uk = g auf ∂Ω. Daraus folgt uk ≤ max∂Ω g (Maximumprinzip).
Außerdem folgt aus Lemma 1.62(ii) uk ≤ uk+1 . Daher konvergiert uk monoton gegen eine Funktion u. Die Funktion u ist harmonisch (Übungsblatt 7,
Aufgabe 3. Tip: Zeige zunächst uk ≤ Pj uk ≤ uk+1 für j ≤ k).
Die Bezeichnung ’Auskehren’ erklärt sich wie folgt. Nach der Bemerkung
nach Definition 1.60 ist µk := ∆uk ein Radonmaß (wobei die Gleichheit im
Sinne von Distributionen gilt). Man kann leicht sehen, dass die Gesamtmasse
µk (Ω) konstant ist. Beim Übergang wird uk auf Pj uk wird das Maß aus dem
Inneren von Bk an den Rand von Bj geschoben. Am einfachsten sieht man
54
[24. Juli 2017]
das für n = 1. In diesem Fall sind die Bj Intervalle und die Anwendung von
Pj produziert zwei Diracmassen an den Endpunkten aj und bj des Intervals
Bj .
(ii) Eine algorithmischer Variante ist das (multiplikative) Schwarzsche
Gebietszerlegungsverfahren. In der einfachsten Variante betrachtet man zwei
offene Teilmengen Ω1 ⊂ Ω und Ω2 ⊂ Ω mit Ω1 ∪Ω2 = Ω und definiert iterativ
1
uk+ 2 und uk+1 als Lösung von
1
−∆uk+ 2 = 0
k+ 21
u
k
=u
in Ω1 ,
(1.299)
auf ∂Ω1
(1.300)
und
−∆uk+1 = 0
k+ 12
uk+1 = u
in Ω2 ,
(1.301)
auf ∂Ω2 .
(1.302)
Wenn man mit einer subharmonischen Funktion u0 beginnt, erhält man
eine monoton wachsende Folge, die gegen eine harmonische Funktion konvergiert.
Eine Variante ist das sogenannte additive Schwarzsche Gebietszerlegungsverfahren, bei dem die Iteration durch
=0
−∆uk+1
1
in Ω1 ,
(1.303)
=u
auf ∂Ω1
(1.304)
=0
−∆uk+1
2
in Ω2 ,
(1.305)
auf ∂Ω2 .
(1.306)
uk+1
1
k
und
uk+1
2
k
=u
und
uk+1 = uk + Θ[(uk1 − uk )χΩ1 + (uk2 − uk )χΩ2 ]
(1.307)
gegeben ist. Hierbei ist Θ > 0 ein geeigneter Dämpfungsfaktor 2 . In diesem
Fall können das Problem auf Ω1 und Ω2 parallel gelöst werden. Analog kann
man Ω in sehr viele Teilgebiete zerlegen. Das resultierende System läßt sich
dann effizient auf großen Parallelrechnern lösen 3 .
In der Praxis löst man direkt das System für die Korrektur vi = uk+1
− uk . Dieses ist
i
k
durch −∆vi = ∆u in Ωi und vi = 0 auf ∂Ωi gegeben.
3
Für
eine
weitergehende
Diskussion
und
Analyse
der
Konvergenz
vgl.
z.B.
W.
Hackbusch,
Iterative
Lösung
großer
Gleichungssysteme,
http://www.mis.mpg.de/scicomp/Fulltext/ggl.ps
2
55
[24. Juli 2017]
Lemma 1.70. Ein Punkt x ∈ ∂Ω ist genau dann regulär, wenn er als Randpunkt von B(x, ρ) ∩ Ω regulär ist.
Beweis. Übungsaufgabe 2, Blatt 7.
Satz 1.71 (Hebbarkeit von Punktsingularitäten). Sei n ≥ 2 und sei u ∈
C 2 (B(0, r) \ {0}) ∩ C 0 (B(0, r) \ {0}) harmonisch in B(0, r) \ {0}. Sei Φ die
Fundamentallösung für den Laplaceoperator und es gelte
u(x)
= 0.
x→0 Φ(x)
lim
(1.308)
Dann gibt es eine harmonische Funktion w ∈ C ∞ (B(0, r)) ∩ C 0 (B(0, r)) mit
w = u in B(0, r) \ {0}.
Die Bedingung (1.308) läßt zunächst zu, dass u eine Singularität im
Nullpunkt hat (z.B. u(x) = |x|−α , α ∈ (0, 1) für n = 3). Die Aussage
des Satzes ist, dass eine solche Singularität aber nicht möglich ist. Man
sagt auch, dass die Singularität hebbar ist oder dass u harmonisch in Null
fortgesetzt werden kann.
Die Bedingung (1.308) ist optimal. Beispiel: die Fundamentallösung Φ(x)
ist harmonisch in Rn \ {0}, aber stimmt in keiner Kugel B(0, r) mit einer
C ∞ Funktion überein.
Beweis. Nach Voraussetzung ist u|∂B(0,r) stetig. Sei v die harmonische Fortsetzung auf B(0, r), d.h.
(´
n−1 (y) für x ∈ B(0, r) ,
∂B(0,r) K(x, y)u(y) dH
(1.309)
v(x) =
u(x)für x ∈ ∂B(0, r) ,
wobei K der Poissonkern für B(0, r) ist. Dann ist v ∈ C ∞ (B(0, r))∩C 0 (B(0, r))
und ∆v = 0 in B(0, r).
Es bleibt zu zeigen, dass
u=v
in B(0, r) \ {0}, .
(1.310)
Wir zeigen zunächst u ≤ v mit Hilfe des Maximumprinzips. Sei ε > 0. Sei
a := Φ(re1 ). Dann gilt ε(Φ(x)−a) = 0 auf ∂B(0, r) und somit u ≤ v+ε(Φ−a)
auf ∂B(0, r).
Da v beschränkt ist, folgt aus (1.308), dass es ein s ∈ (0, r) gibt, so dass
u(x) ≤ v + ε(Φ − a) auf B(0, s) \ {0}. Da v + ε(Φ − a) in B(0, r) \ B(0, s)
harmonisch ist folgt aus dem Maximumprinzip u ≤ v + ε(Φ − a) auf B(0, r) \
B(0, s) und somit u ≤ v + ε(Φ(x) − a) in B(0, r). Da ε > 0 beliebig war,
folgt u ≤ v in B(0, r/2) \ {0}. Zum Beweis der umgekehrten Ungleichung
betrachtet man v − ε(Φ − a).
56
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Sei Γ ⊂ B(0, r) eine abgeschlossene Ln Nullmenge. Man
kann fragen unter welchen Bedingungen an Γ eine beschränkte harmonische
Funktion u : B(0, r) \ Γ → R harmonisch auf B(0, r) fortgesetzt werden
kann. Eine Möglichkeit ist zu zeigen, dass die Fortsetzung von u durch Null
harmonisch im Sinne von Distributionen ist, d.h.
ˆ
u∆ϕ = 0 ∀ϕ ∈ Cc (B(0, r)) .
(1.311)
B(0,r)
Dann folgt, dass u fast überall mit einer glatten harmonischen Funktion v
auf B(0, r) übereinstimmt (vgl. Satz 1.37). Da u auf Ω \ Γ stetig ist folgt
insbesondere u = v in Ω \ Γ.
Um (1.311) zu zeigen, kann man eine Folge von Funktionen ηk ∈ Cc (B(0, r)
konstruieren, mit ηk = 1 in einer Umgebung von Γ und ηk → 0, ∇ηk → 0 und
∆ηk → 0 in L1 (B(0, r)). Dann betrachtet man zunächst (1 − ηk )ϕ in (1.311)
und geht dann zum Limes k → ∞ übrig (vgl. Übungsblatt 6, Aufgabe 1).
Durch geschickte Wahl von ηk kann man auf diese Weise zeigen, dass u
harmonisch fortgesetzt werden kann, falls Hn−2 (Γ) = 0. Eine allgemeinere
Charakterisierung ist mit Hilfe des Begriffs der Kapazität möglich.
Mithilfe des Hebbarkeitssatzes (Satz 1.71) läßt sich leicht zeigen, dass
das Dirichletproblem für Ω = B(0, 1) \ {0} im allgemeinen keine Lösung
hat.
Satz 1.72. Sei n ≥ 2, Ω = B(0, 1) \ {0} ⊂ Rn . Sei g :∈ C 0 (∂Ω) definiert
durch
(
0 für x ∈ ∂B(0, 1),
g(x) =
(1.312)
1 für x = 0.
Dann gibt es keine Funktion u ∈ C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω) mit
−∆u = 0
u=g
in Ω,
(1.313)
auf ∂Ω.
(1.314)
Bemerkung. Daraus folgt, dass der Punkt 0 ∈ ∂Ω nicht regulär ist (alle
anderen Randpunkte von Ω sind nämlich regulär, da sie eine äußere Sphärenbedingung erfüllen).
Beweis. Sei u eine solche Funktion. Dann ist insbesondere u harmonisch in
B(0, 1) \ {0} und es gilt 0 ≤ u ≤ 1 (Maximumprinzip). Aus Satz 1.71 folgt,
dass es eine harmonische Funktion v ∈ C ∞ (B(0, 1) ∩ C 0 (B(0, 1)) gibt mit
u = v in B(0, 1) \ {0}. Insbesondere ist v = 0 auf ∂B(0, 1) und aus dem
Maximumprinzip folgt v = 0 in B(0, 1). Da u(0) = g(0) = 1 folgt, dass u
nicht stetig sein kann. Aus diesem Widerspruch folgt die Behauptung.
HIer ist eine andere Anwendung des Hebbarkeitssatzes.
57
[24. Juli 2017]
Korollar 1.73. Sei n ≥ 3 und sei Φ die Fundamentallösung von −∆ in Rn .
Sei
x
Pα (x) := |x|2−n Dα Φ( 2 ).
|x|
Dann ist Pα ein harmonisches Polynom.
Sei umgekehrt P ein harmonisches Polynom der Ordnung k. Dann gibt
es Konstanten cα , so dass
X
cα Pα .
P =
kαk≤k
Bemerkung. Eine analoge Aussage gilt für n = 2. In diesem Fall kann
man, z.B. durch Transformation in Polarkoordinaten, direkt sehen, dass
die harmonischen Polynome Linearkombinationen der Polynome rk cos kϕ =
Re z k und rk sin kϕ = Im z k sind.
Beweis. Übungsblatt 7, Aufgabe 4.
Tip: Pα is die Kelvin Transformation der Funktion Dα Φ, die auf Rn \ {0}
harmonisch ist und daher selbst auf Rn \ {0} harmonisch (s. Übungsblatt
4). Zeigen Sie, dass Pα homogen vom Grad kαk ist und benutzen Sie den
Hebbarkeitssatz und die Tatsache, dass harmonische Funktionen mit polynomiales Wachstum schon Polynome sind (verallgemeinter Satz von Liouville,
vgl. Übungen).
Um zu zeigen, dass jedes harmonische Polynom P die angegebene Darstellung hat, kann man z.B. die Kelvin Transformation u(x) = |x|2−n P (x/|x|2 )
betrachten und Satz 1.40 und die auf den Satz folgende Bemerkung benutzen.
1.4
Energiemethoden
Definition 1.74. Sei Ω ⊂ Rn offen, u ∈ C 1 (Ω), mit u, ∇u ∈ L2 (Ω), f ∈
L2 (Ω). Dann definieren wir
ˆ
1
If [u] =
|∇u|2 − uf dLn .
(1.315)
2
Ω
Für Ω beschränkt und g ∈ C 0 (∂Ω) definieren wir
Ag = {w ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) : w = g auf ∂Ω} .
(1.316)
Eine Funktion u ∈ Ag heißt Minimale von If falls
If (u) ≤ If (v)
∀v ∈ Ag .
Satz 1.75. Sei Ω ⊂ Rn eine beschränkte offen Menge mit C 1 -Rand (oder
Lipschitz Rand), f ∈ C 0 (Ω), g ∈ C 0 (∂Ω). Eine Funktion u ∈ Ag ist eine
Minimale von If auf Ag genau dann, wenn −∆u = f in Ω.
58
[24. Juli 2017]
Beweis. Sei u ∈ Ag ein Minimierer, B(x, r) ⊂ Ω, ϕ ∈ Cc∞ (Ω). Aus
ˆ
ˆ
1
0 ≤ If [u + tϕ] − If [u] = t2
|∇ϕ|2 + t ∇ϕ · ∇u − f ϕ dLn (1.317)
Ω 2
Ω
für alle t folgt nach Division durch t und Betrachtung der Limites für t ↓ 0
und t ↑ 0
ˆ
ˆ
∇ϕ · ∇u − f ϕ dLn
(1.318)
∇ϕ · ∇u − f ϕ dLn =
0=
B(x,r)
Ω
ˆ
=
ϕ(−∆u − f ) dLn .
(1.319)
B(x,r)
Aus Lemma 1.32 folgt ∆u + f = 0 fast überall und da ∆u + f stetig ist,
gilt die Gleichheit für alle Punkte in Ω.
Sei umgekehrt u ∈ Ag eine Lösung von −∆u = f und sei v ∈ Ag . Aus
v = u + (v − u) folgt
ˆ
ˆ
1
If [v] = If [u] +
|∇v − ∇u|2 + (∇v − ∇u) · ∇u − f (v − u) dLn .
Ω 2
Ω
(1.320)
Mit partieller Integration folgt
ˆ
1
If [v] =If [u] +
|∇v − ∇u|2
2
Ω
ˆ
ˆ
n
+ (v − u)(−∆u − f ) dL +
Ω
(1.321)
(v − u)Dν u dHn−1 .
(1.322)
∂Ω
Da ∆u + f = 0 in Ω und v − u = 0 auf ∂Ω folgt If [v] ≥ If [u].
[2.6. 2017, Vorlesung 12]
[12.6. 2017, Vorlesung 13]
59
[24. Juli 2017]
2
2.1
Wärmeleitungsgleichung
Notation
Sei U ⊂ Rn+1 Für einen Punkt in p ∈ U definieren wir
x := (p1 , . . . , pn ),
t = pn+1
(2.1)
und wir betrachten die Differentialoperatoren
n
X
∂2
∆ := ∆x =
,
∂p2i
i=1
∂t :=
∂
.
∂pn+1
(2.2)
Sei U ⊂ Rn+1 offen und u : U → Rn . Die partielle Differentialgleichung
∂t u − ∆u = 0
(2.3)
heißt Wärmleitungsgleichung.
2.2
Motivation
Die Wärmeleitungsgleichung ist die einfachste Gleichung, welche die Ausbreitung von Stoffen durch Diffusion beschreibt. Sei Ω ⊂ R3 offen und beschränkt. Sei
u : Ω × (a, b) → R
(2.4)
die Massendichte eines Stoffes (d.h. u(x, t) ist die Dichte im Raumpunkt
x ∈ Ω zur Zeit t). Sei
j : Ω × (a, b) → R3
(2.5)
die Flußdichte des Stoffes, d.h. der Gesamtfluß
des Stoffes durch eine Hy´
perfläche A mit Normale ν ist durch A j · ν dHn−1 gegeben. Sei schließlich
f : Ω × (a, b) → R
(2.6)
die Produktionsrate des Stoffes.
Dann gilt für jede Kugel mit B(x, r) ⊂ Ω
ˆ
ˆ
ˆ
d
u dLn
=−
j · ν dHn−1 n +
f dLn
dt
B(x,r)
∂B(x,r)
B(x,r)
|
{z
}
|
{z
}
|
{z
}
Gesamtmasse in B(x,r)
Massenabfluß aus B(x,r) Massenproduktion in
(2.7)
Mit dem Satz von Gauss folgt
ˆ
ˆ
∂t u dLn =
(−div j + f ) dLn .
(2.8)
B(x,r)
B(x,r)
60
[24. Juli 2017]
.
B(x,r)
Da dies für alle Kugeln B(x, r) ⊂ Ω gilt, folgt (für u ∈ C 1 , j ∈ C 1 , f ∈ C 0 )
∂t u + div j − f = 0
∈ Ω × (a, b) .
(2.9)
Diese Gleichung heißt Bilanzgleichung oder Erhaltungssatz, weil sie die Erhaltung der Masse bzw. die Massebilanz beschreibt. Diese Bilanzgleichung
gilt unabhängig von dem konkreten Stoff, den wir betrachten.
Um eine Gleichung für u zu gewinnen, fehlt noch eine Beziehung zwischen
j und u (diese hängt von dem konkreten Stoff ab). Im einfachsten Fall ist j
zu ∇u proportional,
j = −D∇u .
(2.10)
Die Konstante D heißt Diffussionskoeffizient. Es gilt D > 0, da der Fluß von
Gebieten hoher Massedichte zu solchen niedriger Massedichte erfolgt. Setzt
man der Einfachheit halber D = 1 so ergibt sich die Gleichung
∂t u − ∆u = f
(2.11)
Falls die Stoffproduktion f Null ist so ergibt sich (2.3).
Die Lösungen der Gleichung −∆v = f , die wir im letzten Kapitel studiert
haben, entsprechen gerade stationären Masseverteilungen, d.h u(x, t) = v(x)
ist eine Lösung von (2.11).
Statt der Diffusion von Stoffen kann man auch die zeitliche Entwicklung
der Temperatur in einem Stoff betrachten. In diesem Fall ist u die Temperatur, j der Wärmefluß und
´ f die Wärmezufuhr. Die in der Kugel B(x, r)
gespeicherte Energie ist B(x,r) cu dLn , wobei die Konstante c die spezifische Wärmekapazität (Energie/ Temperatur x Volumen) des Stoffes ist. Die
zugehörige Bilanzgleichung ist
∂(cu) = −div j + f
(2.12)
und mit j = −D∇u und c = 1, D = 1 ergibt sich wieder (2.11) und, für
f = 0, (2.3). Deswegen heißt (2.3) Wärmeleitungsgleichung.
2.3
Symmetrien und spezielle Lösungen
Sei u eine Lösungen der Wärmeleitungsgleichung. Dann sind die folgenden
Funktionen ebenfalls Lösungen.
(i) uξ,0 (x, t) = u(x − ξ, t), u0,τ (x, t) = u(x, t − τ ) (Translation in t und x)
(ii) uR (x, t) = u(Rx, t) mit R ∈ SO(n) (Rotation)
(iii) uλ (x, t) = u(λx, λ2 t) (Skalierung, inhomogene Dilatation)
Falls das Definitionsgebiet und die Funktion u invariant unter der entsprechenden Operation sind, so ergeben sich Lösungen mit Symmetrien, die
eine einfache Differenrentialgleichung lösen.
61
[24. Juli 2017]
(i) Falls uτ,0 = u für alle τ ∈ R, so ist u konstant in t und daher harmonisch in x, d.h. u(x, t) = v(x) und ∆v = 0. Falls uξ,0 = u für alle ξ ∈ Rn
dann ist u konstant in x und wegen der Wärmeleitungsgleichung auch
konstant in t.
(ii) Falls uR = u für alle R ∈ SO(n), so gibt es eine Funktion f : V ⊂
[0, ∞) × R mit u(x, t) = f (|x|, t) und für r > 0 erfüllt f die Differentialgleichung
n−1
∂t f − (∂r2 f +
∂r f ) = 0 .
(2.13)
r
Außerdem ist die Funktion x 7→ u(t, x) nur dann bei x = 0 differenzierbar, falls
lim f 0 (r) = 0 .
(2.14)
r→0
Rn
(iii) Sei u auf
× (0, ∞) definiert und uλ = u für alle λ > 0. Sei v(x) =
u(x, 1). Dann gilt u(x, t) = v( √xt ) und
1
− y · ∇v(y) − (∆v)(y) = 0.
2
(2.15)
(iv) Sei u auf (Rn \ {0}) × (0, ∞) definiert und uλ = u für alle λ > 0 sowie
uR = u für alle R ∈ SO(n). Dann gibt es eine Funktion g : (0, ∞) → R,
|x|
) und es gilt
so dass u(x, t) = g( √
t
1
n−1 0
− sg 0 (s) − (g 00 (s) +
g (s)) = 0
2
s
für s ∈ (0, ∞)
(2.16)
Die Lösungen von (2.16) lassen sich leicht bestimmten. Sei h = g 0 . Solange h(s) 6= 0 gilt
1
n−1
h0 (s)
=− s+
(2.17)
h(s)
2
s
und somit
d
d
1
ln h(s) = (− s2 − (n − 1) ln s) .
(2.18)
ds
ds 4
Daraus folgt, dass es eine Konstante C gibt mit
1
ln h(s) = C − s2 − (n − 1) ln s
(2.19)
4
und die allgemeine Lösung ist
1 2
g 0 (s) = h(s) = As1−n e− 4 s
mit A ∈ R
(2.20)
Man sieht leicht, dass für A 6= 0 tatsächlich h(s) 6= 0 für alle s ∈ (0, ∞).
Aus der Eindeutigkeit der Lösung des Anfangswertproblems folgt, dass die
obige Formel auch alle Lösungen der gewöhnlichen Differentialgleichung für
h beschreibt. Insbesondere folgt, dass es mit Ausnahme der Nullfunktion
keine rotationssymmetrische und skalierungsinvariante Lösung der Wärmeleitungsgleichung auf Rn × (0, ∞) gibt, da die Bedingung limr→0 g 0 (r) = 0
für A 6= 0 nicht erfüllt ist.
62
[24. Juli 2017]
2.4
Fundamentallösung, homogene Gleichung im Ganzraum
Anfangswertproblem: Gegeben g ∈ C 0 (Rn ), suchen wir u ∈ C 2 (Rn ×(0, ∞))∩
C 0 (Rn × [0, ∞)) finden, so dass gilt:
(
∂t u − ∆u = 0
in Rn+1
+
(2.21)
u(x, 0) = g(x) für alle x ∈ Rn .
Idee: Fouriertransformation in x. Wir nehmen zusätzlich an, dass für
t die Funktionen x 7→ u(x, t), x 7→ ∂xj u(x, t), x 7→ ∂xk ∂xj u(x, t), und x 7→
∂t u(x, t) in L1 (Rn )∩L2 (Rn ) sind. Dann ist (partielle) Fouriertransformation
ˆ
(Fu)(ξ, t) :=
u(x, t)e−ix·ξ dx
(2.22)
Rn
definiert und es gilt
ˆ
∆u(x, t)e−ix·ξ dx ,
2
−|ξ| (Fu)(ξ, t) :=
ˆ
(2.23)
Rn
∂t u(x, t)e−ix·ξ dx .
∂t (Fu)(ξ, t) :=
(2.24)
Rn
Daraus folgt
∂t (Fu)(ξ, t) + |ξ|2 (Fu)(ξ, t) = 0 ∀ξ ∈ Rn , t > 0 .
(2.25)
Für jedes ξ ∈ Rn ist dies eine lineare gewöhnliche Differentialgleichung für
die Funktion t 7→ (Fu)(ξ, t). Falls die Anfangswerte
g im L1 Sinne ange´
nommen werden, d.h. falls g ∈ L1 und limt→0 Rn |u(x, t) − g(x)| dx = 0, so
folgt
lim Fu(ξ, t) = Fg(ξ) .
(2.26)
t→0
Aus (2.25) und (2.26) folgt
2
Fu(ξ, t) = e−t|ξ| Fg(ξ) .
Daraus folgt für t > 0
(2.27)
ˆ
u(x, t) = (ht ∗ g)(x) =
ht (x − y)g(y) dy ,
(2.28)
Rn
wobei
2
Fht (ξ) = e−t|ξ| .
(2.29)
Aus Analysis 3 folgt
ht (x) =
1
2
e−|x| /(4t) .
n/2
(4πt)
63
(2.30)
[24. Juli 2017]
Definition 2.1. Der Wärmeleitungskern ist die Funktion Φ : Rn+1 → R,

1
2

e−|x| /(4t) falls t > 0
n/2
(2.31)
Φ(x, t) = (4πt)

0
falls t ≤ 0 .
Lemma 2.2. Für alle t > 0 gilt
ˆ
ˆ
|Φ(x, t)|dx =
Rn
Φ(x, t)dx = 1 .
(2.32)
Rn
Für alle t > 0 gilt (∂t Φ − ∆Φ)(x, t) = 0.
Beweis. Die erste Aussage folgt aus Analysis 3, Lemma 3.54 und der Transformationsformel; die zweite ergibt sich aus einer leichten Rechnung.
Satz 2.3. Für g ∈ Cb0 (Rn ) (d.h g ist stetig und beschränkt) und (x, t) ∈
Rn × [0, ∞), sei
ˆ

Φ(x − y, t)g(y)dy falls t > 0
u(x, t) =
(2.33)
Rn

g(x)
falls t = 0 .
Dann gilt u ∈ C ∞ (Rn × (0, ∞)) ∩ C 0 (Rn × [0, ∞)) und
∂t u − ∆u = 0 in Rn × (0, ∞),
(2.34)
Beweis. Für alle (x, t) ∈ Rn × (0, ∞) und alle α ∈ Nn+1 gilt
ˆ
α
D u=
g(y)Dα Φ(x − y, t)dy
(2.35)
Rn
(Beweis: wie in Lemma 1.28). Es folgt, dass u ∈ C ∞ (Rn × (0, ∞)) und
ˆ
∂t u − ∆u =
g(y)(∂t − ∆)Φ(x − y, t)dy = 0 .
(2.36)
Rn
Es bleibt zu zeigen, dass u auf Rn × {0} stetig ist. Das wird wie in Satz
1.53 gemacht.
Seien x∗ ∈ Rn , ε > 0. Dann gibt es ein δ > 0 so dass
|g(y) − g(x∗ )| < ε
∀y ∈ B(x∗ , δ) .
(2.37)
Dann gilt:
ˆ
Φ(x − y, t)(g(y) − g(x∗ ))dy |u(x, t) − g(x∗ )| = n
ˆR
≤
Φ(x − y, t) |g(y) − g(x∗ )| dy
n
R
ˆ
ˆ
n
≤ε
Φ(x − y, t) + 2 sup |g|(R )
Rn
(2.38)
(2.39)
Φ(x − y, t)dy .
Rn \B(x∗ ,δ)
(2.40)
64
[24. Juli 2017]
Falls x ∈ B(x∗ , δ/2) und y ∈ Rn \ B(x∗ , δ) dann gilt |x − y| > δ/2.
folgt
ˆ
ˆ
Φ(z, t) dz
Φ(x − y, t) dy =
Rn \B(0,δ/2)
Rn \B(x∗ ,δ)
ˆ
1
2
=
e−|z| /(4t) dz
n/2
(4πt)
Rn \B(0,δ/2)
ˆ
1
−|ζ|2
= n/2
dζ
√ e
n
π
R \B(0,δ/ t)
Daraus
(2.41)
(2.42)
(2.43)
2
Da ζ 7→ e−ζ ∈ L1 (Rn ) folgt mit dominierter Konvergenz (oder monotoner
Konvergenz), dass
ˆ
lim
Φ(z, t) dz = 0 .
(2.44)
t→0 Rn \B(0,δ/2)
Deshalb gibt es ein δ 0 > 0, so dass für alle (x, t) ∈ B(x∗ , δ/2) × [0, δ 0 ) gilt
|u(x, t) − g(x∗ )| < 2ε .
(2.45)
[12.6. 2017, Vorlesung 13]
[16.6. 2017, Vorlesung 14]
Lemma 2.4. Sei Φt (x) = Φ(x, t) wie in Definition 2.1 definiert. Dann gilt
(i) Φt ∗ Φs = Φt+s für alle s, t > 0;
(ii) für k ∈ N, α ∈ Nn , q ∈ [1, ∞], t > 0
k∂tk ∂xα Φt kLq (Rn ) ≤ Ck,α t−k−
mit der Konvention
1
q
|α|
2
t
−n
(1− 1q )
2
(2.46)
= 0 für q = ∞.
Bemerkung. Die einfache Identität (i) hat zwei interessante Interpretationen.
(i) Sei u die in Satz 2.3 konstruierte Lösung des Anfangswertproblems
zum Anfangswert g. Dann ist u(·, s) = Φs ∗ g. Sei v die Lösung des
Anfangswertproblems zum Anfangswert h := u(·, s). Dann gilt v(·, t) =
Φt ∗h = (Φt ∗Φs )∗g. Aus Punkt (i) des Lemmas, folgt v(·, t) = u(·, t+s),
d.h. wenn man dass Anfangswertproblem für zuerst bis zur Zeit s löst
und dann mit dem Wert u(·, s) ein neues Anfangswertproblem bis zur
Zeit t löst bekommt man das gleiche Ergebnis, wie bei Lösung des
ursprünglichen Anfangswertproblems bis zur Zeit t + s (eine analoge
Aussage hatten wir für gewöhnliche Differentialgleichungen bewiesen)
65
[24. Juli 2017]
(ii) Betrachtet man den Anfangswert g = Φs , d.h. eine Gaussverteilung
mit Mittelwert Null und Varianz 2s Id , so ist die Lösung u für alle
Zeiten eine Gaussverteilung mit Mittelwert Null, deren Varianz linear
in t wächst. Daraus folgt, dass für große t eine anfängliche Gaussverteilung so verschmiert wird, dass sie (bis auf exponentiell kleine Terme)
√
im wesentlichen in eine Kugel konzentriert ist, deren Radius wie t
wächst (die Ausbreitungsgeschwindigkeit des größten Teils der Verteilung geht also gegen Null).
Der Limes s → 0 entspricht der Situation, dass die Anfangsverteilung
eine Diracmasse ist. In diesem Fall ist die Varianz zum Zeitpunkt t
gerade 2t Id .
Skizze; Details Übungsaufgabe. (i): Fouriertransformation (s. Analysis 3, Lemma 4.30 (iii) und Lemma 4.33) oder direkte Rechnung mit quadratischer
Ergänzung im Exponenten.
(ii): Es reicht, k = 0 zu betrachten, da ∂tk Φt = ∆k Φt . Sei zunächst t = 1.
2
Es gilt Φ1 (z) = (4π)−n/2 e−|z| /4 . Durch vollständige Induktion sieht man
2
leicht, dass ∂xα Φ1 von der Form Pα (z)e−|z| /4 ist, wobei Pα ein Polynom
vom Grad kleiner oder gleich |α| ist. Daraus folgt leicht die Behauptung
für t = 1. √Für den allgemeinen Fall kann man benutzen, dass Φt (x) =
t−n/2 Φ1 (x/ t).
Lemma 2.5. Sei p ∈ [1, ∞], g ∈ Lp (Rn ) und sei
ˆ

Φ(x − y, t)g(y)dy falls t > 0
u(x, t) =
Rn

g(x)
falls t = 0 .
(2.47)
Dann gilt
(i) ku(·, t)kLp (Rn ) ≤ kgkLp (Rn ) ;
(ii) limt→0 ku(·, t) − gkLp (Rn ) = 0 für alle p < ∞;
(iii) u ∈ C ∞ (Rn × (0, ∞)), ∂t − ∆u = 0 und
sup |∂tk ∂xα u(x, t)| ≤ Ck,α t−k−
x∈Rn
|α|
2
t
n
− 2p
kgkLp (Rn ) .
(2.48)
Skizze; Details: Übungsaufgabe. (i): Folgt aus (2.32) und der Lp Abschätzung
für die Faltung (Analysis 3, Satz 4.25).
(ii): Für g ∈ Cc (Rn ) folgt dies aus Satz 2.3 und dominierter Konvergenz.
Für g ∈ Lp benutzt man, dass Cc (Rn ) dicht in Lp (Rn ) ist (für p < ∞) und
(i).
(iii): Folgt aus Lemma 2.4 (i).
[Das folgende Lemma wird in der Vorlesung am 19.6. 2017 bewiesen]
66
[24. Juli 2017]
Lemma 2.6. Seien g, u wie oben. Dann gilt:
(i) (Monotonie) Falls a ≤ g(x) ≤ b für alle x, dann a ≤ u(x, t) ≤ b für
alle x, t.
(ii) (Masseerhaltung) Falls zusätzlich g ∈ L1 (Rn ), dann gilt für alle t:
u(·, t) ∈ L1 (Rn ) und
ˆ
ˆ
u(x, t)dx =
g(x)dx .
(2.49)
Rn
Rn
(iii) (unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit) Falls g ≥ 0, und ein x∗ ∈ Rn
existiert, so dass g(x∗ ) > 0, dann gilt u(x, z) > 0 für alle x und alle
t > 0.
Beweis. (i): Aus g ≤ b folgt:
ˆ
ˆ
u(x, t) =
Φ(x − y, t)g(y)dy ≤
Rn
Φ(x − y, t)bdy = b .
(2.50)
Rn
Analog wird die andere Aussage bewiesen.
(ii): Sei t > 0 fest. Da Φ(t, ·) ∈ L1 (Rn ) folgt aus Analysis 3, Lemma 3.40
(vgl. auch Satz 4.24), dass (x, y) 7→ Φ(x − y, t)g(y) ∈ L1 (R2n ) (betrachte
die Transformation (x, y) = (ξ + η, η) und wende die Transformationsformel
(Analyis 3, Satz 3.41) und Fubini (Analysis 3, Lemma 3.40) an; vgl. auch
die Aussagen zur Faltung, Analysis 3, Satz 4.24).
Mit Fubini folgt
ˆ
ˆ
n
u(x, t)dL (x) =
Φ(x − y, t)g(y)dL2n (x, y)
(2.51)
2n
Rn
R
ˆ
=
Φ(z, t)g(y)dL2n (z, y)
(2.52)
2n
R
ˆ
ˆ
=
Φ(z, t)dLn (z)
g(y)dLn (y)
(2.53)
n
n
R
R
ˆ
g(y)dLn (y) .
(2.54)
=
Rn
(iii): Falls ein (x, t) ∈ Rn × (0, ∞) existiert, so dass u(x, t) = 0, dann
folgt aus
ˆ
Φ(x − y, t)g(y)dy = 0
(2.55)
Rn
und Φ(x − y, t)g(y) ≥ 0, dass Φ(x − y, t)g(y) = 0 für fast alle y ∈ Rn . Da
Φ(x − y, t) > 0 für alle y, folgt g = 0 fast überall. Da g stetig ist, folgt g = 0
überall, gegen die Annahme.
67
[24. Juli 2017]
2.5
Inhomogene Gleichung im Ganzraum
Erinnerung: Sei A : Rn → Rn linear. Dann besitzt die homogene gewöhnliche
Differentialgleichung
d
y(t) − Ay(t) = 0,
dt
y(0) = y0
(2.56)
mit S(t) = etA .
(2.57)
die Lösung
y(t) = S(t)y0
Die inhomogene Differentialgleichung
d
y(t) − Ay(t) = f (t),
dt
hat die Lösung
ˆ
y(0) = 0
(2.58)
t
S(t − s)f (s) ds .
y(t) =
(2.59)
0
Wir versuchen, dies zunächst rein formal auf die Gleichung ∂t u−∆u = f
in Rn ×(0, ∞) zu übertragen, indem wir den Raum X = C ∞ (Rn ) betrachten
und u und f als Abbildung von (0, ∞) nach X betrachten, d.h. wir setzen
U (t) := u(t, ·),
F (t) := f (t, ·)
(2.60)
Der Laplaceoperator läßt sich formal als eine lineare Abbildung von C ∞ (Rn )
auf sich auffassen. Die Wärmeleitungsgleichung
∂t u − ∆u = 0
(2.61)
läßt sich dann als eine lineare gewöhnliche Differentialgleichung für Funktionen mit Werten in X auffassen, d.h.
d
U (t) − ∆U (t) = 0 .
dt
(2.62)
Wir wissen aus Satz 2.3, dass die Lösung für das Anfangwertproblem (d.h.
U(0) = g) durch
mit S(t)g = Φt ∗ g
U (t) = S(t)g
(2.63)
gegeben ist. Dies legt folgenden Ansatz für die Lösung der inhomogenen
Gleichung
∂t u − ∆u = f, u(x, 0) = 0
(2.64)
ˆ
nahe:
t
S(t − s)F (s) ds ,
U (t) =
(2.65)
0
68
[24. Juli 2017]
d.h.
ˆ
ˆ
t
Φ(x − y, t − s)f (y, s) dyds =
u(t, x) =
0
t
Φ(y, s)f (x − y, t − s) dyds,
0
(2.66)
wobei wir für die zweite Identität die Transformationen
= x − y und
s0 = t − s benutzt haben und anschliessend y 0 und s0 durch y und s ersetzt
haben. Im Beweis von Satz 2.8 zeigen wir von Hand“, dass dieser Ansatz
”
tatsächlich eine Lösung von (2.64) liefert4 .
y0
Wir definieren zunächst eine geeignete Funktionenklasse.
Definition 2.7. Sei Ω ⊂ Rn offen, I ⊂ R ein offenes Intervall. Dann gilt:
C12 (Ω×I) = {f ∈ C 1 (Ω×I) : ∂xi ∂xj f ∈ C 0 (Ω×I), i, j = 1, . . . , n} . (2.67)
Dabei ist insbesondere gefordert, dass die genannten partiellen Ableitungen
existieren.
Falls I nicht offen ist, und für C12 (Ω × I), fordert man wie in Def. 1.22,
dass die Ableitungen bis zum Rand stetig fortgesetzt werden können.
Satz 2.8. Sei f ∈ C12 (Rn × [0, ∞)), R > 0, so dass f (x, t) = 0 für alle
|x| > R und t ≥ 0, und
ˆ tˆ
u(x, t) =
Φ(y, s)f (x − y, t − s)dyds .
(2.68)
Rn
0
Dann gilt u ∈ C12 (Rn × (0, ∞)) und
∂t u − ∆u = f in Rn × (0, ∞)
(2.69)
n
lim
(x,t)→(x∗ ,0)
u(x, t) = 0 für alle x∗ ∈ R .
(2.70)
Beweis. Sei M = max |f |(Rn × [0, 1]). Dann gilt, für alle t ∈ (0, 1],
ˆ tˆ
|u|(x, t) ≤
Φ(y, s)M dyds = M t .
0
Das beweist (2.70).
Um (2.69) zu beweisen, rechnen wir
ˆ
∂t u(x, t) =
Φ(y, t)f (x − y, 0)dy
Rn
ˆ tˆ
Φ(y, s)∂t f (x − y, t − s)dyds
+
0
(2.71)
Rn
(2.72)
(2.73)
Rn
4
Alternativ lassen sich die skizzierten formalen Überlegungen zu einer reichen Theorie
ausbauen, der Theorie der C 0 Halbgruppen, vgl. Evans, Kapitel 7.4. Man beachte, dass
aus Lemma 2.4 (i) folgt, dass S(t)S(s) = S(t + s). Mit S(0) = 0 bildet die Menge der
Operatoren S(t) für t ≥ 0 daher eine Halbgruppe.
69
[24. Juli 2017]
und
ˆ tˆ
∂xi ∂xj u(x, t) =
Rn
0
Φ(y, s)∂xi ∂xj f (x − y, t − s)dyds .
Insbesondere gilt u ∈ C12 , und
ˆ
Φ(y, t)f (x − y, 0)dy
(∂t − ∆)u(x, t) =
Rn
ˆ tˆ
+
Φ(y, s)(∂t − ∆)f (x − y, t − s)dyds .
0
(2.74)
(2.75)
(2.76)
Rn
Sei ε ∈ (0, t). Aus
ˆ ε ˆ
Φ(y, s)(∂t − ∆)f (x − y, t − s)dyds
n
ˆ 0ε ˆ R
≤
Φ(y, s) |(∂t − ∆)f | (x − y, t − s)dyds
(2.77)
(2.78)
Rn
0
≤ε max | |(∂t − ∆)f | (Rn × [0, t/2])
(2.79)
folgt
ˆ
εˆ
Φ(y, s)(∂t − ∆)f (x − y, t − s)dyds = 0 .
lim
ε→0 0
(2.80)
Rn
Mit partieller Integration folgt, da f = 0 außerhalb B(0, R) und (∂t −∆)Φ =
0,
ˆ tˆ
Φ(y, s)(∂t − ∆x )f (x − y, t − s)dyds
(2.81)
ε
Rn
ˆ tˆ
=
Φ(y, s)(−∂s − ∆y )f (x − y, t − s)dyds
(2.82)
ε
B(x,R)
ε
B(x,R)
ˆ tˆ
(∂s − ∆y )Φ(y, s)f (x − y, t − s)dyds
(2.83)
[Φ(y, ε)f (x − y, t − ε) − Φ(y, t)f (x − y, 0)] dy
(2.84)
=
+
ˆ
ˆ
B(x,R)
[Φ(y, ε)f (x − y, t − ε) − Φ(y, t)f (x − y, 0)] dy .
=
(2.85)
B(x,R)
Mit (2.75) und (2.80) folgt
ˆ
(∂t − ∆)u(x, t) = lim
ε→0 Rn
Φ(y, ε)f (x − y, t − ε)dy .
70
(2.86)
[24. Juli 2017]
Sei δ > 0. Dann gibt es ein ρ > 0, so dass |f (x − y, t − ε) − f (x, t)| < δ für
alle ε ∈ (0, ρ) und alle y ∈ B(0, ρ). Dann gilt
ˆ
Φ(y, ε) [f (x − y, t − ε) − f (x, t)] dy
(2.87)
Rn ˆ
ˆ
Φ(y, ε) dy (2.88)
Φ(y, ε)dy + 2 max |f |(B(0, R) × [0, t])
≤ε
Rn \B(0,ρ)
Rn
und der Beweis wird wie in (2.40–2.45) beendet.
Bemerkung. (i) Sei F : R → R lipschitzstetig. Gesucht ist eine Lösung
der nichtlinearen partiellen Differentialgleichung
∂t u − ∆u = F (u)
u(x, 0) = u0 (x)
in Rn × (0, t0 )
n
für x ∈ R .
(2.89)
(2.90)
Um Existenz von Lösungen zu beweisen, formuliert man diese Gleichung
ähnlich wie bei gewöhnlichen Differentialgleichungen in eine Fixpunktproblem für eine Integralgleichung um. Genauer betrachtet man inspiriert durch
Satz 2.3 und Satz 2.8 das Fixpunktproblem
ˆ
ˆ tˆ
u(x, t) =
Φ(x − y, t)u0 (y) dy +
Φ(x − y, t − s)F (u(y, s)) dyds .
Rn
0
Rn
(2.91)
Man sieht leicht, dass die rechte Seite eine Kontraktion von Cb0 (Rn × [0, t0 ])
(mit der üblichen Norm kuk = sup{|u(x, t)| : x ∈ Rn , t ∈ [0, t0 ])}) auf sich
ist, wenn man t0 genügend klein wählt (Details: Übung). Daraus folgt die
Existenz einer Lösung von (2.91). Mit der folgenden Bemerkung sieht man,
dass der Fixpunkt u in C12 ist und die Gleichung (2.89) löst.
n
(ii) Sei u wie in Satz 2.8 definiert und f stetig in R
√ × [0, T ] und beschränkt.
Dann ist u in x differenzierbar und sup |∇x u| ≤ C T sup |f |. Falls zusätzlich
f in x differenzierbar ist und |∇f | beschränkt ist, so ist u ∈ C12 (Rn × [0, T ])
und ∂t − ∆u = f in Rn × (0, T ) (Detail: Übung: man benützt u.a. die
Abschätzung k∇Φt kL1 ≤ Ct−1/2 aus Lemma 2.4)
(iii) Ähnlich wie bei gewöhnlichen Differentialgleichungen das Existenzresultat auf Funktion F : R → R verallgemeinern, die lokal Lipschitzstetig sind und zeigen, dass es ein maximales Interval (0, Tmax ) gibt, so dass
∂t − ∆u = F (u) auf Rn × (0, Tmax ). Falls Tmax < ∞, so gilt
lim sup |u(x, t)| = ∞ .
t↑Tmax x∈Rn
(2.92)
[16.6. 2017, Vorlesung 14]
[19.6. 2017, Vorlesung 15]
71
[24. Juli 2017]
2.6
Maximumprinzip
Definition 2.9. Für Ω ⊂ Rn offen und T > 0 definiert man
ΩT = Ω × (0, T ] ⊂ Rn+1
(2.93)
ΓT = (Ω × {0}) ∪ (∂Ω × [0, T ]) = ΩT \ ΩT ⊂ ∂ΩT .
(2.94)
und
Man nennt ΓT den parabolischen Rand von ΩT .
Bemerkung. ΓT ist abgeschlossen, weil ΓT = (Ω × {0}) ∪ (∂Ω × [0, T ]).
Satz 2.10. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, u ∈ C12 (ΩT ) ∩ C 0 (ΩT ), so
dass
∂t u − ∆u ≤ 0
in ΩT .
(2.95)
Dann gilt
max u(ΩT ) = max u(ΓT ) .
(2.96)
Bemerkung. Falls (∂t − ∆)u = 0, dann folgt auch
min u(ΩT ) = min u(ΓT ) .
(2.97)
Beweis. Wie im Beweis von Satz 1.10 fangen wir mit dem Fall ∂t u − ∆u < 0
an.
Die Menge ΩT ist kompakt. Daher nimmt u sein Maximum auf ΩT an. Sei
M = u(x∗ , t∗ ) = max u(ΩT ). Falls (x∗ , t∗ ) ∈ ΩT , dann gilt x∗ ∈ Ω und t∗ >
0. Dann folgt ∇x u(x∗ , t∗ ) = 0, ∆u(x∗ , t∗ ) ≤ 0, ∂t u(x∗ , t∗ ) ≥ 0. Insbesondere
(∂t u − ∆u)(x∗ , t∗ ) ≥ 0, gegen die Annahme. Deshalb gilt (x∗ , t∗ ) ∈ ΓT .
Sei jetzt ∂t u − ∆u ≤ 0. Für ε > 0 betrachten wir vε (x, t) = u(x, t) − εt.
Mit ∂t vε − ∆vε < 0 und vε ≤ u ≤ vε + εT folgt
max u(ΩT ) ≤ εT + max vε (ΩT ) = εT + max vε (ΓT ) ≤ εT + max u(ΓT ) .
(2.98)
Da ε beliebig war, folgt hieraus die Aussage.
Lemma 2.11. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, g ∈ C 0 (ΓT ), f ∈ C 0 (ΩT ).
Dann gibt es höchstens eine Lösung u ∈ C12 (ΩT ) ∩ C 0 (ΩT ) von
(
∂t u − ∆u = f in ΩT
(2.99)
u=g
auf ΓT .
Beweis. Falls u, v zwei Lösungen sind, dann gilt (∂t − ∆)(u − v) = 0 in ΩT ,
deshalb max(u − v)(ΩT ) ≤ max(u − v)(ΓT ) = 0 und max(v − u)(ΩT ) ≤
max(v − u)(ΓT ) = 0. Es folgt, dass u − v = 0 überall.
72
[24. Juli 2017]
Satz 2.12. Sei u ∈ C12 (Rn × (0, T ]) ∩ C 0 (Rn × [0, T ]) eine Lösung von
(
∂t u − ∆u = 0 in Rn × (0, T ]
(2.100)
u=g
auf Rn × {0} .
wobei g ∈ C 0 (Rn ). Falls a, A > 0 existieren, so dass
u(x, t) ≤ Aea|x|
2
(2.101)
für alle x ∈ Rn , t ∈ [0, T ], dann gilt
sup u(Rn × [0, T ]) = sup g(Rn ) .
(2.102)
Die analoge Aussage gilt auch für T = ∞ (mit [0, ∞) statt [0, T ] und (0, ∞)
statt (0, T ]).
Beweis. Teil 1: wir betrachten den Fall 4aT < 1. Wir wählen ε > 0 so dass
a<
1
.
4(T + ε)
(2.103)
Für y ∈ Rn und δ > 0 definieren wir v : Rn × [0, ∞] → R durch
v(x, t) = u(x, t) −
δ
2
e|x−y| /(4(T +ε−t)) .
n/2
(T + ε − t)
(2.104)
Eine leichte Rechnung (ähnlich zur Rechnung in Lemma 2.2) zeigt, dass
(∂t − ∆)v = 0 in Rn × (0, T ] .
(2.105)
Für alle r > 0 folgt aus dem Maximumprinzip (Satz 2.10) angewendet auf
Ω = B(y, r), dass
(2.106)
max v(ΩT ) = max v(ΓT ) .
Für alle (x, t) ∈ B(y, r) × {0} gilt v(x, 0) ≤ u(x, 0) = g(x) ≤ sup g(Rn ).
Für alle (x, t) ∈ ∂B(y, r) × [0, T ] gilt |x − y| = r, und deshalb
r2
δ
4(T +ε−t)
e
(T + ε − t)n/2
r2
δ
2
4(T +ε−t) .
≤ Aea(|y|+r) −
e
(T + ε)n/2
v(x, t) = u(x, t) −
(2.107)
(2.108)
Aus (2.103) folgt
2
lim Aea(|y|+r) −
r→∞
r2
δ
4(T +ε−t) = −∞ .
e
(T + ε)n/2
(2.109)
Deshalb existiert ein r > 0, so dass
2
Aea(|y|+r) −
r2
δ
4(T +ε−t) ≤ sup g(Rn ) .
e
(T + ε)n/2
73
(2.110)
[24. Juli 2017]
Mit (2.107) folgt, dass
v(x, t) ≤ sup g(Rn ) für alle (x, t) ∈ ∂B(y, r) × [0, T ].
(2.111)
Dann folgt aus (2.106), dass
v(y, t) ≤ sup g(Rn )
(2.112)
und
u(y, t) ≤ v(y, t) +
δ
δ
≤ sup g(Rn ) +
n/2
(T + ε − t)
(T + ε − t)n/2
(2.113)
für alle y ∈ Rn , t ∈ [0, T ], δ > 0. Mit δ → 0 ist der Beweis von Teil 1
beendet.
Teil 2: Sei ϕ : [0, T ] → [0, ∞) durch
ϕ(t) = sup u(Rn , t) = sup{u(x, t) : x ∈ Rn }
(2.114)
definiert. Für alle t, t0 mit 0 ≤ t ≤ t0 ≤ T und t0 − t ≤ 1/(4a) folgt aus Teil
1, dass
ϕ(t) ≥ ϕ(t0 ) .
(2.115)
Deshalb ist ϕ monoton fallend, und ϕ(t) ≤ ϕ(0) = sup g(Rn ) für alle t.
Lemma 2.13. Sei g ∈ C(Rn ), f ∈ C 0 (Rn × [0, T ]). Dann gibt es höchstens
eine Lösung u ∈ C12 (Rn × (0, T ]) ∩ C 0 (Rn × [0, T ]) des Anfangswertproblems
(
∂t u − ∆u = f
in Rn × (0, ∞)
(2.116)
u(x, 0) = g(x) für alle x ∈ Rn .
die
|u(x, t)| ≤ Aea|x|
2
(2.117)
für irgendwelche a, A > 0 erfüllt.
Beweis. Folgt aus Satz 2.12.
Satz 2.14. Es gibt eine Funktion u ∈ C12 (Rn × R), so dass ∂t u − ∆u = 0,
u(x, 0) = 0 für alle x, aber u 6= 0.
Bemerkung. Es gibt sogar ein Beispiel mit u ∈ C ∞ (Rn+1 )
Beweisidee. Wir betrachten den Fall n = 1. Wir entwickeln u formal in eine
Potenzreihe in x (bzw. x2 )
u(x, t) =
∞
X
ak (t)
k=0
74
x2k
.
(2k)!
[24. Juli 2017]
Wenn die Reihen mit ak (t) und a0k (t) konvergiert so ergibt Koeffizientenvergleich, dass ∂t u − ∆u = 0 genau dann wenn
ak+1 (t) = a0k (t).
k
d
Mit Induktion folgt ak = dt
k g(t), wobei g(t) = a0 (t).
Für g ∈ C ∞ (R) betrachten wir also
∞
X
x2k dk
g(t) .
u(x, t) =
(2k)! dtk
(2.118)
k=0
Man kann z.B. wählen.
(
2
e−1/t
g(t) =
0
falls t > 0
falls t ≤ 0 ,
(2.119)
so dass u(x, t) = 0 für t ≤ 0. Schließlich zeigt man, dass die Reihe mit dieser
Wahl von g gleichmäßig auf kompakten Menge K ⊂ R2 konvergiert. Details
finden sich z.B. in dem Buch von F. John, Kapitel 7.
Skizze für den Konvergenzbeweis. Die Ableitung von g sind von der Form
2
Pk (t−1 )e−1/t wobei Pk ein Polynom ist und man kann Pk durch Induktion
definieren und die Ableitung abschätzen. Eleganter ist folgender Zugang zur
2
Abschätzung von g (k) (t0 ). Sei t0 > 0. Dann ist die Funktion z 7→ e−1/z
holomorph in der offenen Kreisscheibe B(t0 , t0 ). Insbesondere liefert die Anwendung der Cauchyschen Integralformel auf B(t0 , t0 /2) die Abschätzung
|g
(k)
(t0 )| ≤ C(t0 )k!
2
t0
k
2
mit C(t0 ) = max∂C(t0 ,t0 /2) e−1/z .
Damit gilt
X
u(x, t0 ) =
b2k x2k
k∈N
mit
|b2k | ≤ C(t0 )
k!
2k!
2
t0
k
≤ C(t0 )k −k
2
t0
k
und somit
2
→ 0 für k → ∞.
t0 k
Nach dem Wurzelkriterium ist der Konvergenzradius der Reihe daher ∞.
Analog zeigt man die Konvergenz der Reihe für (∂t u)(x, t0 ).
|b2k |1/2k ≤ C(t0 )1/2k
[19.6. 2017, Vorlesung 15]
[23.6. 2017, Vorlesung 16]
75
[24. Juli 2017]
2.7
Regularität
Satz 2.15. Sei ω ⊂ Rn × R offen, u ∈ C12 (ω), so dass ∂t − ∆u = 0. Dann
gilt u ∈ C ∞ (ω).
Bemerkung. Die gleiche Aussage, mit fast dem gleichen Beweis, gilt für
ω = ΩT , mit Ω ⊂ Rn offen.
Beweis. Es reicht zu zeigen, dass u ∈ C ∞ (B(0, r/4)) aus B(0, 2r) ⊂ ω
folgt. Sei B = B(0, r) ⊂ ω. Sei θ ∈ Cc∞ (B) eine Funktion mit θ = 1 auf
B 0 = B(0, r/2), wie im Beweis von Satz 1.43 (zB θ = χB(0,3r/4) ∗ ηr/4 ). Wir
definieren v : Rn+1 → R durch v = θu auf ω, v = 0 auf Rn+1 \ ω. Dann gilt
v ∈ C12 (Rn+1 ),
∂t v = ∂t (uθ) = θ∂t u + u∂t θ
(2.120)
und
∆v = ∆(uθ) = θ∆u + u∆θ + 2Du · Dθ .
(2.121)
Sei f = u∂t θ + u∆θ + 2DuDθ. Dann gilt
(∂t − ∆)v = θ(∂t − ∆)u + f = f .
(2.122)
Sei T < −r. Dann gilt v(·, T ) = 0. Ferner ist v beschränkt. Falls f ∈ C12 ,
dann folgt aus Satz 2.8 und Lemma 2.13, dass
ˆ t ˆ
v(x, t) =
Φ(x − y, t − s)f (y, s)dLn+1 (y, s) .
(2.123)
−T
Rn
Wir haben deshalb bewiesen, dass für alle w ∈ C ∞ (ω) mit ∂t w − ∆w = 0
ˆ
w(x, t) =
Φ(x−y, t−s)(w∂t θ+w∆θ+2DwDθ)(y, s)dLn+1 (y, s)
B\B 0 ∩(Rn ×(−T,t))
(2.124)
für alle y, s ∈ B 00 = B(0, r/4) gilt. Wir wenden diese Formel auf w = u ∗ ηρ
an. Dabei konvergieren w und Dw gleichmäßig gegen u und Du, deshalb
gilt:
ˆ
u(x, t) =
Φ(x−y, t−s)(u∂t θ+u∆θ+2DuDθ)(y, s)dLn+1 (y, s) .
B\B 0 ∩(Rn ×(−T,t))
(2.125)
Falls (x, t) ∈ B(0, r/4) und (y, t) ∈ B \
, dann gilt |(x, t) − (y, t)| ≥ r/2,
deshalb ist die rechte Seite in x und t beliebig oft stetig differenzierbar. Es
folgt, dass u ∈ C ∞ (B 00 ).
B0
Bemerkung. Es gibt auch eine Variante der Mittelwertformel für Lösungen der Wärmeleitungsgleichung, s. Evans, Kapitel 2.3.2.
76
[24. Juli 2017]
2.8
Energiemethoden, Langzeitverhalten
Satz 2.16. Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, ∂Ω regulär im Sinne von Def.
1.65, g ∈ C 0 (∂Ω). Für jede Lösung u ∈ C12 (Ω × (0, ∞)) ∩ C 0 (Ω ∩ [0, ∞)) von
(
∂t u − ∆u = 0 in Ω × (0, ∞)
(2.126)
u(x, t) = g(x) für (x, t) ∈ (∂Ω) × [0, ∞)
gilt
lim u(·, t) = v
(2.127)
t→∞
gleichmäßig in Ω, wobei v ∈ C 2 (Ω) ∩ C 0 (Ω) die Lösung von
(
∆v = 0 in Ω
v=g
auf ∂Ω
(2.128)
ist.
Notation: (2.127) bedeutet, dass
lim sup{|u(x, t) − v(x)| : x ∈ Ω} = 0 .
t→∞
(2.129)
Beweis. Für ε > 0, sei wε : Rn+1 → R durch
wε (x, t) = cos(εx1 )e−ε
2t
(2.130)
definiert. Dann (∂t −∆)wε = 0 auf Rn+1 , wε (x, 0) > 0 für alle x ∈ [−1/ε, 1/ε]n
und wε (·, t) → 0 gleichmäßig.
Wir wählen ε > 0 so, dass Ω ⊂ [−1/ε, 1/ε]n und definieren
M = max
|u(·, 0) − v|
(Ω).
|wε |
(2.131)
Aus
(∂t − ∆)(u − v − M wε ) = 0
(2.132)
und u − v − M wε ≤ 0 auf Γ∞ folgt mit dem Maximumprinzip (Satz 2.10),
dass
u ≤ v + M wε auf Ω∞ = Ω × (0, ∞) .
(2.133)
Analog folgt aus u − v + M wε ≥ 0 auf Γ∞ , dass
u ≥ v − M wε auf Ω∞ = Ω × (0, ∞) .
(2.134)
Deshalb |u − v| ≤ M wε und die Aussage ist bewiesen.
77
[24. Juli 2017]
Satz 2.17 (Eindeutigkeit). Sei Ω ⊂ Rn eine beschränkte offene Menge mit
C 1 Rand (oder mit Lipschitzrand) , T > 0, u, v ∈ C 2 (Ω × [0, T ]) zwei Lösungen von
(
∂t u − ∆u = 0 in Ω × (0, T )
(2.135)
u(x, t) = g(x) für x ∈ ∂Ω .
Falls ein t∗ ∈ [0, T ] existiert, so dass
u(x, t∗ ) = v(x, t∗ ) für alle x ∈ Ω
(2.136)
dann u = v überall.
Beweis. Wir definieren w = u − v und
ˆ
1
e(t) =
w2 (x, t)dx .
2 Ω
(2.137)
Dann w ∈ C 2 ([0, T ]) und w = 0 auf ∂Ω × [0, T ], deshalb
ˆ
ˆ
ˆ
d
e(t) =
w∂t w(x, t)dx =
w∆w(x, t)dx = − |Dw|2 (x, t)dx ≤ 0 .
dt
Ω
Ω
Ω
(2.138)
Aus e(t∗ ) = 0 folgt, dass ein e(t) = 0 für alle t ≥ t∗ .
Um die Zeiten t < t∗ zu behandeln, leiten wir noch einmal ab:
ˆ
d2
e(t) = −2 Dw · ∂t Dw(x, t)dx
(2.139)
dt2
ˆ Ω
(2.140)
= 2 ∆w · ∂t w(x, t)dx
ˆΩ
= 2 (∆w)2 (x, t)dx .
(2.141)
Ω
Mit partieller Integration und Hölder folgt
ˆ
ˆ
2
|Dw| (x, t)dx = − w∆w(x, t)dx
Ω
(2.142)
Ω
ˆ
1/2 ˆ
1/2
1
2
2
≤
w
2 (∆w)
.
2 Ω
Ω
(2.143)
Deshalb
(e0 (t))2 ≤ e(t)e00 (t) .
(2.144)
[23.6. 2017, Vorlesung 16]
[26.6. 2017, Vorlesung 17]
Falls e = 0 überall ist, dann ist den Beweis beendet. Sonst folgt aus der
Monotonie von e, dass ein tmax > 0 existiert, so dass e > 0 auf [0, tmax ) und
78
[24. Juli 2017]
e = 0 auf [tmax , T ] (möglicherweise tmax = t∗ ). Dann gilt limt→tmax e(t) = 0.
Wir definieren f : [0, tmax ) → R durch f = ln e. Dann
lim f (t) = −∞
t→tmax
und
f 00 = (e0 /e)0 =
e00 (e0 )2
− 2 ≥ 0.
e
e
(2.145)
(2.146)
Deshalb
f (t) ≥ f (0) + f 0 (0)t
(2.147)
für alle t, gegen (2.145). Deshalb gibt es kein solches tmax .
Bemerkung. Die Grundidee des Beweises ist, aus der partiellen Differentialgleichung für u − v eine gewöhnliche Differentialungleichung für eine geeignete Größe zu gewinnen. Diese gewöhnliche Differentialungleichung läßt
sich dann häufig mit explizten Lösungen einer entsprechenden gewöhnlichen
Differentialgleichung vergleichen.
79
[24. Juli 2017]
3
Wellengleichung
Anfangswertproblem: Gegeben g, h ∈ C 0 (Rn ), möchten wir u ∈ C 2 (Rn ×
(0, ∞)) ∩ C 1 (Rn × [0, ∞)) finden, so dass

2

in Rn+1
+
∂t u − ∆u = f
(3.1)
u(x, 0) = g(x)
für alle x ∈ Rn ,


n
∂t u(x, 0) = h(x) für alle x ∈ R .
3.1
Eine Raumdimension
Für n = 1 kann der Differentialoperator ∂t2 − ∆ faktorisiert werden:
(∂t2 − ∂x2 )u = (∂t − ∂x )(∂t + ∂x )u .
(3.2)
Für u ∈ C 2 (R2 ) definieren wir v ∈ C 2 (R2 ) durch
ξ+η ξ−η
,
.
v(ξ, η) = u
2
2
(3.3)
Eine leichte Rechnung zeigt, dass
4∂ξ ∂η v = (∂t2 − ∂x2 )u = 0 .
(3.4)
Deshalb gibt es F, G ∈ C 2 (R), so dass v = F (ξ) + G(η) und
u(x, t) = F (x + t) + G(x − t) .
(3.5)
Satz 3.1. Sei g ∈ C 2 (R), h ∈ C 1 (R),
u(x, t) =
1
1
[g(x + t) + g(x − t)] +
2
2
ˆ
x+t
h(y)dy .
(3.6)
x−t
Dann gilt:
(i) u ∈ C 2 (R × [0, ∞)),
(ii) ∂t2 u − ∂x2 u = 0 auf R × (0, ∞),
(iii) u(x, 0) = g(x), ∂t u(x, 0) = h(x) für alle x ∈ R.
Beweis. Ausrechnen.
Beispiel.
2
2
2
g(x) = e−x , h(x) = 0. Dann gilt u(x, t) = 21 e−(x−t) + 12 e−(x+t) .
80
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Die Lösung u ist, für allgemeine g, h, nur zweimal stetig
differenzierbar.
Lemma 3.2. Sei g ∈ C 2 ([0, ∞)), h ∈ C 1 ([0, ∞)), g(0) = g 00 (0) = h(0) = 0.
Dann ist
(
´ x+t
1
[g(x + t) + g(x − t)] + 12 x−t h(y)dy
falls 0 ≤ t ≤ x
2
´
u(x, t) = 1
(3.7)
1 x+t
falls 0 ≤ x ≤ t
2 [g(x + t) − g(t − x)] + 2 −x+t h(y)dy
eine Lösung von


∂t2 u − ∆u = 0



u(x, 0) = g(x)
∂t u(x, 0) = h(x)



u(0, t) = 0
in (0, ∞)2
für alle x > 0 ,
für alle x > 0 ,
für alle t ≥ 0 .
(3.8)
Beweis. Wir definieren g̃, h̃ : R → R durch
(
g(x)
falls x ≥ 0
g̃(x) =
−g(−x) falls x < 0
und
(
h(x)
h̃(x) =
−h(−x)
(3.9)
falls x ≥ 0
falls x < 0 ,
(3.10)
und wenden die Formel aus Satz 3.1 an. Man überprüft leicht, dass g̃ ∈ C 2 ,
h̃ ∈ C 1 , und u(0, t) = 0.
Bemerkung. Man kann leicht überprüfen, dass diese Lösungen eindeutig sind. Ein allgemeiner Beweis der Eindeutigkeit wird in Abschnitt 3.3
besprochen.
3.2
Höhere Dimension, insbesondere 3D und 2D
Lemma 3.3. Sei u ∈ C m (Rn × [0, ∞)), m ≥ 2, eine Lösung von

2

in Rn+1
+ ,
∂t u − ∆u = 0
u(x, 0) = g(x)
für alle x ∈ Rn ,


∂t u(x, 0) = h(x) für alle x ∈ Rn .
(3.11)
Für x ∈ Rn sei U : [0, ∞)2 → R durch
u(y, t) dHn−1 (y)
U (r, t) =
(3.12)
∂B(x,r)
81
[24. Juli 2017]
definiert. Dann gilt U ∈ C m ([0, ∞)2 ) und

n−1
2
2

∂t U − ∂r U − r ∂r U = 0
U (r, 0) = G(r)


∂t U (r, 0) = H(r)
in (0, ∞)2 ,
für alle r > 0 ,
für alle r > 0 ,
(3.13)
wobei
hd Hn−1 .
gd Hn−1 und H(r) =
G(r) =
(3.14)
∂B(x,r)
∂B(x,r)
Beweis. Aus
u(x + rz, t)dHn−1 (z)
U (r, t) =
(3.15)
∂B(0,1)
und u ∈ C m folgt, für alle a, b ∈ N, a + b ≤ m,
∂ a+b
U (r, t)
∂ a r∂ b t
n
X
=
∂B(0,1) i ,...,i =1
a
1
(3.16)
∂ a+b
u(x + rz, t)zi1 . . . zia dHn−1 (z)
∂xi1 . . . ∂xia ∂ b t
(3.17)
und deshalb U ∈ C m . Die Aussagen U (r, 0) = G(r) und ∂t U (r, 0) = H(r)
folgen direkt.
Zum Nachweis der Gleichung für U berechnen wir
ˆ
1
∂r U =
z · Du(x + rz, t)dy =
Dν u(y, t)dy (3.18)
nωn rn−1 ∂B(x,r)
∂B(0,1)
ˆ
1
∆u(y, t)dy .
(3.19)
=
nωn rn−1 B(x,r)
Deshalb gilt
∂r2 U
1−n
1
=
r nωn rn−1
ˆ
1
∆u(y, t)dy +
nωn rn−1
B(x,r)
ˆ
∆u(y, t)dy
∂B(x,r)
(3.20)
=
1−n
∂r U +
r
∆u(y, t)dy .
(3.21)
∂B(x,r)
Die Aussage folgt.
[26.6. 2017, Vorlesung 17]
[30.6. 2017, Vorlesung 18]
Lemma 3.4. Sei n = 3, u wie oben, Ũ = rU . Dann gilt
∂t2 Ũ − ∂r2 Ũ = 0
(3.22)
und Ũ (0, t) = 0 für alle t.
82
[24. Juli 2017]
Beweis. Ausrechnen.
Sei u ∈ C 2 (R3 ×[0, ∞)) eine Lösung der Wellengleichung (3.11) und seien
U , G, H wie oben definiert. Für ein festes x ∈ R3 sei G̃ = rG und H̃ = rH.
Dann gilt G̃00 = (rG)00 = 2G0 + rG00 , und mit der Definition von G kann man
nachprüfen, dass G0 (0) = 0 und G00 (0) existieren. Aus Lemma 3.2 folgt, dass
für alle 0 ≤ r ≤ t
i 1 ˆ t+r
1h
Ũ (r, t) =
G̃(t + r) − G̃(t − r) +
H̃(y)dy
(3.23)
2
2 t−r
gilt (hier wurde Eindeutigkeit benutzt. Man kann entweder Eindeutigkeit
für das eindimensionale Problem getrennt beweisen oder Satz 3.9 unten anwenden). Dann gilt
u(x, t) = lim U (r, t)
(3.24)
r→0
1
(t + r)G(t + r) − (t − r)G(t − r)
+
r→0
2r
2r
ˆ
t+r
yH(y)dy (3.25)
= lim
t−r
= G(t) + tG0 (t) + tH(t)
(3.26)
[g(y) + Dg(y)(y − x) + th(y)] dHn−1 (y) .
=
(3.27)
∂B(x,t)
Satz 3.5. Sei n = 3, g ∈ C 3 (R3 ), h ∈ C 2 (R3 ). Sei u : R3 × [0, ∞) durch
u(x, t) =

g(x)

falls t = 0,
[g(y) + Dg(y)(y − x) + th(y)] dH2 (y)
sonst.
∂B(x,t)
C 2 (R3
definiert, Dann gilt u ∈
u(·, 0) = g und ∂t u(·, 0) = h.
× [0, ∞)),
∂t2 u
− ∆u = 0 in
Rn
(3.28)
× (0, ∞),
Beweis. Teil 1: Wir betrachten den Fall g = 0.
Man schreibt, für alle t ≥ 0,
th(x + tz) dH2 (z) .
u(x, t) =
(3.29)
∂B(0,1)
Mit h ∈ C 2 (R3 ) folgt, dass u ∈ C 2 (R3 × [0, ∞)); insbesondere gilt
lim
u(x, t) = 0 .
(3.30)
(x,t)→(x∗ ,0)
Man rechnet auch leicht
t∆h(x + tz) dH2 (z) = t
∆u(x, t) =
∂B(0,1)
∆h dH2 .
(3.31)
∂B(x,t)
83
[24. Juli 2017]
(wobei die letzte Form nur für t > 0 gültig ist).
Wir berechnen jetzt die Zeitableitungen. Für t ≥ 0 gilt
[h(x + tz) + tDh(x + tz)z] dH2 (z) .
∂t u(x, t) =
(3.32)
∂B(0,1)
Insbesondere folgt
lim
(x,t)→(x∗ ,0)
∂t u(x, t) = ∂t (x∗ , 0) = h(x∗ ) .
(3.33)
Damit ist gezeigt, dass u die Anfangbedingungen erfüllt.
Es bleibt zu zeigen, dass ∂t2 u = ∆u in R3 × (0, ∞). Um ∂t2 u zu berechnen
schreiben wir
ˆ
ˆ
1
1
2
∂t u(x, t) =
h(x + tz) dH (z) +
Dν h dH2 (3.34)
4π ∂B(0,1)
4πt ∂B(x,t)
ˆ
ˆ
1
1
2
h(x + tz) dH (z) +
∆h dL3 ,
(3.35)
=
4π ∂B(0,1)
4πt B(x,t)
und
∂t2 u(x, t)
1
=
4π
ˆ
1
zDh(x + tz) dH (z) −
4πt2
∂B(0,1)
ˆ
1
+
∆h dH2 = ∆u(x, t) .
4πt ∂B(x,t)
ˆ
2
∆h dL3
(3.36)
B(x,t)
(3.37)
Teil 2: Wir betrachten den Fall h = 0. Sei v : R3 × [0, ∞) → R durch
tg(x + tz) dH2 (z)
v(x, t) =
(3.38)
∂B(0,1)
definiert, analog zu (3.29). Dann folgt wie in Teil 1 aus g ∈ C 3 (R3 ) dass
v ∈ C 3 (R3 × [0, ∞)). Aus Teil 1 folgt auch ∂t2 v = ∆v und
[g(y) + (y − x)Dg(y)] dH2 (y) = u(x, t)
∂t v(x, t) =
(3.39)
∂B(x,t)
für t > 0. Für t = 0 folgt aus der Definition dass
v(x, 0) = 0
und
∂t v(x, 0) = g(x) .
(3.40)
Da v die Wellengleichung erfüllt, folgt
∂t2 v(x, 0) = ∆v(x, 0) .
(3.41)
Aus v(x, 0) = 0 für alle x folgt ∆v(x, 0) = 0 für alle x und deshalb ∂t u(x, 0) =
0. Das beendet den Beweis.
84
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Um eine Lösung u ∈ C 2 zu erhalten, braucht man Anfangsdaten g ∈ C 3 (Regularitätsverlust).
Bemerkung. u(x, t) hängt nur von den Anfangsdaten (g, Dg, h) auf ∂B(x, t),
wie in einer Dimension.
Bemerkung. Für n ungerade gibt es eine analoge Formel mit g ∈ C (n+3)/2 ,
h ∈ C (n+1)/2 (Evans, Seite 77).
Satz 3.6. Sei n = 2, g ∈ C 3 (R2 ), h ∈ C 2 (R2 ). Dann erfüllt u : R2 × [0, ∞),


falls t = 0
g(x)
u(x, t) = 1
tg(y) + tDg(y)(y − x) + t2 h(y) 2

p
dL (y) sonst.
2
t2 − |y − x|2
B(x,t)
(3.42)
u ∈ C 2 (R3 × [0, ∞)), ∂t2 u − ∆u = 0, u(·, 0) = g und ∂t u(·, t) = h.
Beweis. (Abstieg in der Dimension). Wir benutzen die Formel für die dreidimensionale Lösung, um eine zweidimensionale Lösung zu konstruieren. Dazu
definieren wir g̃ ∈ C 3 (R3 ) und h̃ ∈ C 2 (R3 ) durch
g̃(x) = g(x1 , x2 )
h̃(x) = h(x1 , x2 ) ,
(3.43)
und ũ wie oben. Dann gilt ∂3 ũ = 0. Deshalb erfüllt u(x1 , x2 , t) = ũ(x1 , x2 , 0, t)
die Wellengleichung.
Um u direkt durch g und h zu schreiben, rechnen wir
ˆ
1
2
g(y1 , y2 ) dH (y) =
g(y1 , y2 ) dH2 (y)
(3.44)
2
4πt
(3)
(3)
∂B (x,t)
∂B (x,t)
ˆ
p
2
=
g(y) 1 + |Dϕ|2 (y) dL2 (y)
2
4πt B (2) (x,t)
(3.45)
t
g(y)
p
=
dL2 (y) . (3.46)
2
2 B (2) (x,t) t − (y − x)2
p
wobei ϕ(y1 , y2 ) =
t2 − |y − x|2 die Parametrisierung von ∂B (3) (x, t) ∩
{x3 > 0} über B (2) (x, t) ist.
Bemerkung. Die Lösung hängt von den Anfangsdaten in der ganzen
Kreisscheibe B(x, t).
Bemerkung. Für n gerade gibt es eine analoge Formel mit g ∈ C (n+4)/2 ,
h ∈ C (n+2)/2 (Evans, Seite 80).
85
[24. Juli 2017]
3.3
Energiemethoden, Eindeutigkeit
Satz 3.7. Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes C 1 -Gebiet (oder Lipschitzgebiet),
T > 0, u ∈ C 2 (Ω × [0, T ]) eine Lösung von
(
∂t2 u − ∆u = 0 in Ω × (0, T )
(3.47)
u(x, t) = 0
für x ∈ ∂Ω, t ∈ (0, T ) .
ˆ
1
e(t) =
(∂t u)2 + |Du|2 (x, t) dx .
2 Ω
Dann gilt, für alle t ∈ [0, T ],
Sei
(3.48)
e(t) = e(0) .
(3.49)
Bemerkung. Die Aussage gilt, mit weniger notationellen Änderungen und
dem gleichen Beweis, auch für T = ∞.
Beweis. Man rechnet
ˆ
ˆ
d
2
e(t) =
∂t u∂t u + Du · ∂t Du =
[∂t u∆u + Du · ∂t Du] = 0 . (3.50)
dt
Ω
Ω
[30.6. 2017, Vorlesung 18]
[3.7. 2017, Vorlesung 19]
Satz 3.8. Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes C 1 -Gebiet (oder Lipschitzgebiet),
T > 0, g ∈ C 0 (ΓT ), h ∈ C 1 (Ω), f ∈ C 0 (ΩT ). Dann gibt es höchstens eine
Lösung u ∈ C 2 (ΩT ) von

2

∂t u − ∆u = f in ΩT ,
(3.51)
u=g
in ΓT ,


∂t u = h
in Ω × {0} .
Beweis. Seien u, v zwei Lösungen. Man wendet Satz 3.7 auf u − v an.
Satz 3.9. Sei
C(x∗ , t∗ ) = {(x, t) ∈ Rn × (0, ∞) : |x − x∗ | < t∗ − t}.
Falls u ∈ C 2 (C(x∗ , t∗ )),
∂t2 u − ∆u = 0
in C(x∗ , t∗ )
und
u(y, 0) = ∂t u(y, 0) = 0
für alle y ∈ B(x∗ , t∗ ) ⊂ Rn ,
dann
u = 0 auf C(x∗ , t∗ ).
86
[24. Juli 2017]
Beweis. Sei e : [0, t∗ ) → R durch
ˆ
1
e(t) =
(∂t u)2 + |Du|2 (y, t) dy
2 B(x∗ ,t∗ −t)
(3.52)
definiert. Dann gilt
d
e(t) =
dt
ˆ
B(x∗ ,t∗ −t)
1
−
2
∂t u ∂t2 u + Du · ∂t Du dy
(3.53)
ˆ
(∂t u)2 + |Du|2 dy .
(3.54)
∂B(x∗ ,t∗ −t)
Mit ∂t2 u − ∆u = 0 folgt nach partieller Integration
ˆ
ˆ
2
∂t u ∆u dy
∂t u ∂t u dy =
B(x∗ ,t∗ −t)
B(x∗ ,t∗ −t)
ˆ
ˆ
=
∂t u Dν u dHn−1 (y) −
∂B(x∗ ,t∗ −t)
(3.55)
∂t Du · Du dy .
B(x∗ ,t∗ −t)
(3.56)
Deshalb
d
e(t) =
dt
Aus
ˆ
1
1
2
2
∂t u Dν u − (∂t u) − |Du| dHn−1 (y) .
2
2
∂B(x∗ ,t∗ −t)
1
1
|∂t u Dν u| ≤ |∂t u| |Du| ≤ (∂t u)2 + |Du|2
2
2
(3.57)
(3.58)
folgt
d
e(t) ≤ 0 .
(3.59)
dt
Aus der Anfangswerte folgt, dass e(0) = 0, und deshalb e(t) = 0 für alle
t.
Satz 3.10. Seien g, h ∈ C 0 (Rn ). Dann gibt es höchstens eine Lösung u ∈
C 2 (Rn × [0, ∞)) von

2
n

∂t u − ∆u = 0 in R × (0, ∞),
(3.60)
u(·, 0) = g,


∂t u(·, 0) = h .
Beweis. Seien v, w zwei Lösungen. Aus Satz 3.9 folgt, dass v − w = 0 auf
C(x∗ , t∗ ) für alle x∗ , t∗ . Deshalb gilt v = w.
87
[24. Juli 2017]
Satz 3.11. Sei u ∈ C 2 (Rn × [0, ∞)) eine Lösung von ∂t2 u − ∆u = 0 und sei
e : [0, ∞) → [0, ∞] durch
ˆ
e(t) =
|∂t u|2 (x, t) + |Du|2 (x, t)dLn (x)
(3.61)
Rn
definiert. Dann gilt
e(t) = e(0)
(3.62)
für alle t > 0.
Beweis. Sei T > 0 und fT : (0, T ) → R durch
ˆ
|∂t u|2 + |Du|2 (x, t) dLn
fT (t) =
(3.63)
B(0,T −t)
definiert. Wie im Beweis von Satz 3.9 folgt, dass
fT (t) ≤ fT (0) ≤ e(0)
(3.64)
für alle t und T gilt. Insbesondere gilt
ˆ
|∂t u|2 (x, t) + |Du|2 (x, t) dLn = fR+t (t) ≤ e(0)
(3.65)
B(0,R)
für alle R > 0, und mit monotoner Konvergenz folgt e(t) ≤ e(0).
Um die andere Ungleichung zu beweisen, betrachtet man
ˆ
gT (t) =
|∂t u|2 + |Du|2 (x, t) dLn .
(3.66)
B(0,T +t)
Dann folgt, mit einer ähnlichen Rechnung, dass
d
gT (t) ≥ 0
dt
und deshalb
ˆ
ˆ
2
2
n
|∂t u| + |Du| (x, t) dL = lim
Rn
R→∞ B(0,R+t)
(3.67)
|∂t u|2 + |Du|2 (x, t) dLn
(3.68)
= lim gR (t) ≥ lim sup gR (0)
R→∞
R→∞
ˆ
=
|∂t u|2 + |Du|2 (x, 0) dLn .
(3.69)
(3.70)
Rn
88
[24. Juli 2017]
3.4
Fourier- und Eigenwertmethoden
Definition 3.12. Sei Ω ⊂ Rn offen. Eine Funktion f ∈ C 2 (Ω) ist eine
Eigenfunktion des (negativen) Laplace-Operator zum Eigenwert λ ∈ R falls
f 6= 0 und
−∆f = λf in Ω .
(3.71)
Bemerkung. Alle harmonische Funktionen sind Eigenfunktion zum Eigenwert 0. Der Begriff der Eigenfunktion verallgemeinert den Begriff des
Eigenvektors aus der linearen Algebra. Man kann Eigenfunktionen auch als
Eigenvektoren in einem unendlichdimensionalem Raum auffassen.
Lemma 3.13. Falls Ω eine beschränktes offene Menge mit C 1 -Rand (oder
Lipschitz-Rand) ist, falls f ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) und λ ∈ R wie in Def. 3.12
sind und f = 0 auf ∂Ω, dann gilt λ > 0.
ˆ
Beweis.
ˆ
2
f dx = −
λ
Ω
ˆ
|∇f |2 dx ≥ 0 .
f ∆f dx =
Ω
(3.72)
Ω
Daraus folgt λ ≥ 0. Falls λ = 0 so folgt ∇f = 0 und in Verbindung mit
f = 0 auf ∂Ω folgt f = 0. Dies widerspricht der Definition der Eigenfunktion.
Daher gilt λ > 0.
Satz 3.14. Sei Ω ⊂ Rn offen, und seien fj ∈ C 2 (Ω), λj ∈ R Eigenfunktionen und Eigenwerte des Laplace-Operators mit fj (x) = 0 für x ∈ ∂Ω. Seien
g, h ∈ C 0 (Ω), so dass
X
X
g=
cj fj ,
h=
dj fj
(3.73)
j∈N
j∈N
für zwei Folgen c, d : N → R. Falls
"
#
X
p
p
dj
u(x, t) =
cj cos( λj t)fj (x) + p sin( λj t)fj (x)
λj
j∈N
in C 2 (Ω × [0, T ]) konvergiert, dann ist u


∂t2 u − ∆u = 0



u(x, 0) = g(x)

∂t u(x, 0) = h(x)



u(x, t) = 0
(3.74)
die eindeutige Lösung von
in ΩT
in Ω
in Ω
für x ∈ ∂Ω .
(3.75)
Bemerkung. Eine Folge von zweimal differenzierbare Funktionen a : N →
C 2 (ω) konvergiert in C 2 (ω) wenn a, Da und D2 a gleichmäßig konvergieren.
89
[24. Juli 2017]
Bemerkung.
Der folgende
Beweis läßt sich auch anwenden, falls die ReiP
P
hen j∈N |cj fj | und j∈N √1 |dj fj | gleichmäßig auf Ω konvergieren und
λj
die Reihen
X
|cj ||∇fj |,
j∈N
X
|cj ||∇2 fj |,
j∈N
1
p |dj ||∇fj |,
λj
j∈N
X
und
1
p |dj ||∇2 fj |
λj
j∈N
X
(3.76)
gleichmäßig auf jeder kompakten Teilmenge von Ω konvergieren.
Beweis. Aus der Konvergenz der Reihe folgt, dass u ∈ C 2 . Aus
p
p
p
(∂t2 − ∆) cos( λj t)fj (x) = −λj cos( λj t)fj (x) − cos( λj t)∆fj (x) = 0
(3.77)
2
folgt, dass (∂t − ∆)u = 0. Eine leichte Rechnung zeigt, dass u die richtigen
Anfang- und Randwerte annimmt.
Beispiel. Dieses Beispiel wurde in der Vorlesung nicht besprochen.
Sei g ∈ C 4 (R), 2π-periodisch. Dann hat

2

∂t u − ∆u = 0 in R × (0, ∞)
(3.78)
u(x, 0) = g(x) in R


∂t u(x, 0) = 0
in R
in der Klasse der 2π-periodischen Funktionen eine eindeutige Lösung u ∈
C 2 (R × [0, ∞)). Die Lösung ist
X
u(x, t) =
ck eikx cos(kt)
(3.79)
k∈Z
wobei
2π
ck =
e−ikx g(x)dx
(3.80)
0
die Fourierkoeffizienten von g sind.
Beweis. Durch viermalige
partielle Integration folgt, dass |ck | ≤ C|k|−4 für
P
2
k 6= 0 und somit k∈Z |k |ck < ∞. Daraus folgt die Konvergenz der Reihe
P
ikx cos(kt) in C 2 .
k∈Z ck e
Analog kann man für n = 1 dass Dirichletproblem behandeln. Falls g ∈
C 3 ([0, π]) und g(0) = g(π) = 0, so kann eine periodische Funktion g̃ durch
antisymmetrische Fortsetzung und Periodisierung definieren, d.h. g̃(−x) =
−g(x) für x ∈ [−π, 0] und g̃(x + 2πk) = g(x) für x ∈ [−π, π]. Dann ist
g̃ : R → R 2π-periodisch und g̃ ∈ C 1 (R) und g̃ ∈ C 3 ((−π, π) \ {0}). Daher
konvergiert die Fourierreihe für g̃ gleichmäßig auf [−π, π] (Analysis 1, Satz
6.43) und die Reihen für g 0 und g 00 konvergieren gleichmäßig auf kompakten
Teilmengen von (0, π). Wählt man u wie oben, so sieht man leicht, dass u
antisymmetrisch in x ist, genauer ist u(−x, t) = −u(x, t) und u(π − x, t) =
−u(x − π) = −u(x + π). Daher gilt u(0, t) = 0 und u(π, t) = 0.
90
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Für beschränkte offene Mengen mit C 2 Rand werden wir in
der Funktionalanalysis beweisen, dass es eine abzählbare L2 Orthonormalbasis von Eigenfunktionen von −∆ gibt. Genauer gibt es fj ∈ C 2 (Ω)∩C 0 (Ω)
mit
−∆fk = λk fk
in Ω
(3.81)
fk = 0
auf ∂Ω,
ˆ
fk fj dLn = δjk
(3.82)
(3.83)
Ω
und für jede Funktion g ∈ L2 (Ω) gilt
ˆ
g=
X
ck fk
gfk dLn ,
mit ck =
(3.84)
Ω
k∈N
wobei die Reihe in L2 (Ω) konvergiert.
3.5
Inhomogene Wellengleichung
Wir möchten jetzt eine Lösung u von

2

∂t u − ∆u = f
u(x, 0) = 0


∂t u(x, 0) = 0 .
(3.85)
finden. Ähnlich wie bei der Wärmeleitungsgleichung läßt sich die Lösung
durch eine formale Anwendung der Methode der ’Variation der Konstanten’
finden, wobei man zunächst die Gleichung in ein System von zwei Gleichungen erster Ordnung in t umschreibt.
Wir definieren für t 6= 0 und eine Funktion h : Rn → R
 ffl x+t

h(y)dy
falls n = 1
t

 x−t ffl
h(y)
2
[S(t)h](x) = sgnt t B(x,t) √t2 −|x−y|2 dy falls n = 2
(3.86)


t ffl
falls n = 3 .
∂B(x,t) h(y)dy
und setzen S(0)h = 0. Für n = 1 gilt S(t) : C 1 (R) → C 2 (R), für n = 2, 3
gilt S(t) : C 2 (Rn ) → C 2 (Rn ).
Sei
v(x, t) = [S(t)h](x) .
(3.87)
Dann gilt
∂t2 v − ∆v = 0
v(x, 0) = 0,
in Rn × R
∂t v(x, 0) = h(x)
91
(3.88)
(3.89)
[24. Juli 2017]
Satz 3.15. Sei f ∈ C 2 (Rn × [0, ∞)), n ∈ {1, 2, 3}. Sei
ˆ
t
[S(t − s)f (s)](x)ds .
u(x, t) =
(3.90)
0
Dann gilt u ∈ C 2 (Rn × [0, ∞)), ∂t2 − ∆u = f , u(·, 0) = ∂t u(·, 0) = 0.
Hierbei bezeichnet f (s) die Funktion in C 2 (Rn ), die durch f (s)(x) =
f (x, s) gegeben ist.
Beweis. Der Beweis wurde in der Vorlesung nicht besprochen
Sei w(x, t, s) = [S(t − s)f (s)](x). Dann gilt w(x, τ, τ ) = [S(0)f (τ )](x) = 0.
Aus (3.87)–(3.89) mit h = f (τ ) folgt, dass v(x, t) = w(x, t + τ, τ ) und
∂t w(x, τ, τ ) = ∂t v(x, 0) = f (x, τ ). Aus u(·, ·, s) ∈ C 2 (Rn+1 ) folgt u ∈
C 2 (Rn+1 ).
Damit gilt
ˆ t
ˆ t
∂t u = ∂t
w(x, t, s)ds = w(x, t, t) +
∂t w(x, t, s)ds
(3.91)
| {z }
0
0
=0
und
ˆ t
∂t2 u = (∂t w)(x, t, t) +
(∂t2 w)(x, t, s)ds
0
ˆ t
= f (x, t) +
(∂t2 w)(x, t, s)ds .
(3.92)
(3.93)
0
Außerdem gilt
ˆ
∆u =
t
∆w(x, t, s)ds
(3.94)
0
und aus (3.87)–(3.89) (mit h = f (s)) folgt ∂t2 w − ∆w = 0 und somit ∂t2 u −
∆u = f . Aus der Definition von u folgt u(x, 0) = 0 und aus (3.91) folgt
∂t (x, 0) = 0.
[3.7. 2017, Vorlesung 19]
[7.7. 2017, Vorlesung 20]
92
[24. Juli 2017]
4
Quasilineare PDG erster Ordnung
4.1
4.1.1
Charakteristiken
Einführung
Eine generische (skalare) PDG erster Ordnung ist von der Form
F (Du(x), u(x), x) = 0 für x ∈ Ω ,
(4.1)
wobei Ω ⊂ Rn eine offene Menge und F ∈ C 1 (Rn × R × Ω) ist. Gesucht
ist eine Funktion u ∈ C 1 (Ω), welche der Gleichung genügt und geeignete
Randbedingungen erfüllt.
Die Gleichung heißt quasilinear, falls F im ersten Argument affin ist,
also wenn die Gleichung in der Form
b(x, u(x)) · Du(x) = c(x, u(x)) für x ∈ Ω
(4.2)
geschrieben werden kann, mit b ∈ C 1 (Ω × R; Rn ) und c ∈ C 1 (Ω × R).
4.1.2
Die Richtung b ist konstant
Wir nehmen zuerst an, dass b ∈ Rn fest ist. Nach Variablenwechsel können
wir oBdA annehmen, dass b = e1 .
Wir beginnen mit dem Fall c = 0. Dann ist die Gleichung
zu
e1 · Du = 0
(4.3)
∂
u(x) = 0
∂x1
(4.4)
äquivalent. Die Lösungen (in Rn ) sind genau die Funktionen, die
u(x1 , x2 , . . . , xn ) = u(0, x2 , . . . , xn )
(4.5)
erfüllen.
Satz 4.1. Seien b, ν ∈ Rn \{0}, b·ν 6= 0. Sei Γν = ν ⊥ = {x ∈ Rn : x·ν = 0},
g ∈ C 1 (Γ). Dann hat
(
b · Du = 0 in Rn
(4.6)
u=g
auf Γ
eine eindeutige Lösung u ∈ C 1 (Rn ).
93
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Die Bedingung b · ν 6= 0 ist wichtig. Beispiel: b = e1 , ν = e2 ,
n = 2. Dann gibt es für g konstant unendlich viele Lösungen, für g nicht
konstant keine.
Beweis. Eine Lösung ist
x·ν u(x) = g x −
b .
b·ν
(4.7)
Man rechnet nämlich leicht nach, dass u(x + tb) = u(x) und daraus folgt b ·
d
u(x+tb) = 0. Sei umgekehrt u eine Lösung. Dann
=
∇u(x) = dt
gilt u(x+tb)
x·ν
x·ν
x·ν
u(x) für alle t ∈ R. Mit t = − b·ν folgt u(x) = u x − b·ν b = g x − b·ν b ,
da x − x·ν
b·ν b ∈ Γν .
Falls c 6= 0, dann hat man man die gewöhnliche Differentialgleichung
∂1 u(x) = c(x, u(x))
(4.8)
zu lösen. Um u ∈ C 1 zu erhalten ist es wichtig, dass die Lösung in den
Parametern x2 , . . . , xn differenzierbar ist.
Dazu benötigt man zusätzliche Aussagen über gewöhnlichen Differentialgleichungen.
Satz 4.2. Seien Ω ⊂ Rn offen, b, ν ∈ Rn \ {0}, b · ν 6= 0, c ∈ C 1 (Ω × R; R).
Sei Γν = ν ⊥ = {x ∈ Rn : x · ν = 0}, g ∈ C 1 (Γ). Für jedes x∗ ∈ Γ ∩ Ω gibt es
eine offene Menge ω ⊂ Ω so dass x∗ ∈ ω und
(
b · Du(x) = c(x, u(x)) in Rn
(4.9)
u=g
auf Γ
eine eindeutige Lösung u ∈ C 1 (ω) hat.
Beweis. Sei z ∈ Γν , s ∈ R. Wir betrachten den Variablenwechsel L(s, z) =
z + sb. Die lineare Abbildung L ist invertierbar, da b · ν 6= 0. Wir setzen
v(s, z) = u(z + sb). Dann gilt
∂s v(s, z) = b·∇u(z+sb) = c(z+sb, u(z+sb)) = c(z+sb, v(s, x)) = c̃(s, z, v(s, z)) .
(4.10)
Damit folgt die Behauptung aus Satz 4.6 unten.
4.1.3
Parameterabhängige gewöhnliche Differentialgleichungen
Erinnerung 1:
Satz 4.3 (Analysis 2). Sei I = [a, b] ⊂ R ein nichtleeres, kompaktes Intervall, x0 ∈ I, f ∈ C 0 (I × Rn ; Rn ), in der zweiten Variablen Lipschitz-stetig.
Das bedeutet, dass es ein M > 0 gibt, so dass
|f (x, y) − f (x, y 0 )| ≤ M |y − y 0 |
94
(4.11)
[24. Juli 2017]
für alle x ∈ I, y, y 0 ∈ Rn . Dann hat für jedes y0 ∈ Rn das Anfangswertproblem
(
y 0 (x) = f (x, y(x))
(4.12)
y(x0 ) = y0
eine eindeutige Lösung ϕ ∈ C 1 (I; Rn ).
Bemerkung. Falls f in der zweiten Variable nur lokal Lipschitz ist, so gibt
es ein offenes Interval I, das x0 enthält, so dass eine Lösung auf I existiert.
Satz 4.4. Sei I = [x0 , x1 ] ⊂ R, f ∈ C 0 (I × Rn × Rm ; Rn ), M, L ∈ R so dass
|f (x, y, z) − f (x, ȳ, z̄)| ≤ L|y − ȳ| + M |z − z̄|
(4.13)
für alle x, y, z gilt. Seien y0 , ȳ0 ∈ Rn , z0 , z 0 ∈ Rm , und ϕ, ϕ̄ ∈ C 1 (I; Rn ),
so dass gilt:
(
(
ϕ0 (x) = f (x, ϕ(x), z0 )
ϕ̄0 (x) = f (x, ϕ̄(x), z 0 )
(4.14)
und
ϕ̄(x0 ) = ȳ0 .
ϕ(x0 ) = y0
Dann gilt:
|ϕ(x) − ϕ̄(x)| ≤ [|y0 − ȳ0 | + M |z0 − z 0 | (x1 − x0 )] eL(x−x0 ) .
Beweisidee. ObdA sei x0 = 0. Aus (4.14) folgt
ˆ x
ϕ(x) = y0 +
f (ξ, ϕ(ξ), z0 ) dξ .
(4.15)
(4.16)
0
Eine analoge Gleichung gilt für ϕ̄ und Subtraktion der beiden Gleichungen
und Anwendung der Lipschitzbedingung an f liefert
ˆ x
|ϕ̄(x) − ϕ(x)| ≤ |ȳ0 − y0 | + xM |z̄0 − z0 | +
L|ϕ̄(ξ) − ϕ(ξ)| dξ . (4.17)
0
Da xM ≤ x1 M folgt die Behauptung aus der Gronwallschen Ungleichung
(Analysis 2, s. auch Lemma 4.5 unten).
Lemma 4.5 (Gronwallsche Ungleichung). Sei g ∈ C 0 ([0, T ]) mit g ≥ 0 und
seien A, B ≥ 0 so dass
ˆ t
g(t) ≤
Ag(s) ds + B ∀t ∈ [0, T ].
(4.18)
0
Dann gilt
g(t) ≤ BeAt .
95
(4.19)
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Die behauptete Abschätzung ergibt sich leicht, wenn in der
Voraussetzung Gleichheit annimmt. In diesem Fall gilt (4.19) mit Gleichheit. Der Beweis zeigt, dass Gleichheit in (4.18) tatsächlich der schlechtest
mögliche Fall ist.
Beweis. Es reicht zu zeigen
g(t) ≤ M eAt
∀t ∈ [0, T ]
∀M > B.
(4.20)
Wenn dies nicht gilt, so gibt es ein M > B und ein t̄ ∈ [0, T ] mit g(t̄) ≥ M eAt̄ .
Fixiere dieses M und definiere
t∗ = inf{t ∈ [0, T ] : g(t) ≥ M eAt }.
Aus der Stetigkeit von g folgt, dass
g(t∗ ) = M eAt∗ .
(4.21)
Damit gilt t∗ > 0, da nach Voraussetzung g(0) ≤ B < M . Nach Definition
von t∗ gilt g(t) < M eAt für alle t ∈ [0, t∗ ]. Daraus folgt mit der Voraussetzung
ˆ
g(t∗ ) ≤
t∗
M eAt dt + B ≤ M eAt∗ − M + B < M eAt∗ ,
0
da M > B. Dies widerspricht (4.21)
Satz 4.6. Sei I ⊂ R ein offenes Intervall, f ∈ C 1 (I × Rn × Rm ; Rn ), s∗ ∈ I,
z∗ ∈ Rm , g ∈ C 1 (Rm ; Rn ). Dann gibt es eine offene Umgebung ω ⊂ I × Rm
von (s∗ , z∗ ) und ϕ ∈ C 1 (ω; Rn ), so dass
(
∂s ϕ(s, z) = f (s, ϕ(s, z), z)
(4.22)
ϕ(s∗ , z) = g(z) .
Ferner erfüllen die Ableitungen
ζi (s, z) =
∂
ϕ(s, z)
∂zi
(4.23)
die linearen Differentialgleichungen

∂s ζi (s, z) = Dy f (s, ϕ(s, z), z)ζi (s, z) + Dz f (s, ϕ(s, z), z)ei
∂
ζi (s∗ , z) =
g(z) .
∂zi
(4.24)
Notation: wir schreiben f (s, y, z), und bezeichnen mit ∂s f , Dy f , Dz f
das Differential von f bezüglich der drei Argumente.
96
[24. Juli 2017]
Beweis. Wir nehmen zusätzlich an, dass I beschränkt ist und f ∈ C 1 (I ×
Rn × Rm ; Rn ) Lipschitz-stetig ist (sonst ersetzt man I durch ein kleineres
Intervall). Sei oBdA s∗ = 0.
Aus Satz 4.3 folgt, dass für alle z ∈ Rm eine Funktion ϕ(·, z) ∈ C 1 (I; Rn )
existiert, die (4.22) erfüllt. Aus Satz 4.4 folgt, dass ϕ in z Lipschitz-stetig
ist. Analog folgt die Existenz von Funktionen ζi welches die linearen Differentialgleichungen (4.24) lösen.
Es bleibt zu zeigen, dass ϕ ∈ C 1 und
∂ϕ
= ζi .
∂zi
(4.25)
Teil 1: Gleichung für die Differenzenquotienten
Wir betrachten die Differenzenquotienten
ϕ(s, z + hei ) − ϕ(s, z)
,
h
ζh (s, z) =
(4.26)
wobei h ∈ R \ {0}, i ∈ {1, . . . , m}. Da ϕ Lipschitz-stetig ist, folgt
kζh k∞ ≤ M
(4.27)
für ein M ∈ R (d.h., sup |ζh |(I × Rm ) ≤ M ). Ferner gilt
hζh (s, z) =ϕ(s, z + hei ) − ϕ(s, z)
(4.28)
=g(z + hei ) − g(z)
ˆ s
[f (t, ϕ(t, z + hei ), z + hei ) − f (t, ϕ(t, z), z)] dt .
+
(4.29)
(4.30)
0
Das Integrand kann wie folgt umgeschrieben werden:
f (t, ϕ(t, z + hei ), z + hei ) − f (t, ϕ(t, z), z)
(4.31)
= f (t, ϕ + hζh , z + hei ) − f (t, ϕ, z)
(4.32)
= f (t, ϕ + hζh , z + hei ) − f (t, ϕ, z + hei ) + f (t, ϕ, z + hei ) − f (t, ϕ, z)
(4.33)
= hDy f (t)ζh + hDz f (t)ei ,
(4.34)
wobei ζh = ζh (t, z), ϕ = ϕ(t, z),
ˆ
1
Dy f (t) =
Dy f (t, ϕ + λhζh , z + hei ) dλ ,
(4.35)
0
und
ˆ
Dz f (t) =
1
Dz f (t, ϕ, z + λhei ) dλ .
(4.36)
0
97
[24. Juli 2017]
Deshalb gilt
hζh (s, z) =ϕ(s, z + hei ) − ϕ(s, z)
ˆ
=g(z + hei ) − g(z) + h
(4.37)
s
Dy f (t)ζh + Dz f (t)ei dt .
(4.38)
0
Da ζh beschränkt ist, folgt
lim Dy f (t) = Dy f (t, ϕ, z) und lim Dz f (t) = Dz f (t, ϕ, z)
h→0
h→0
(4.39)
gleichmäßig auf I.
[7.7. 2017, Vorlesung 20]
[10.7. 2017, Vorlesung 21]
Teil 2: Konvergenz (in der Vorlesung nur skizziert)
Aus (4.24) folgt
ˆ s
ζi (s, z) = Dg(z)ei +
[Dy f (t, ϕ, z)ζi (t, z) + Dz f (t, ϕ, z)ei ] dt
(4.40)
0
und damit (der Übersichtlichkeit halber werden die Argumente s, z, t, ϕ weggelassen!)
ζh − ζ =
g(z + hei ) − g(z)
− Dg(z)ei
ˆ s h
+
Dy f ζh − Dy f ζi + Dz f ei − Dz f ei dt
(4.41)
(4.42)
0
=
g(z + hei ) − g(z)
− Dg(z)ei
(4.43)
ˆ s h
+
(Dy f − Dy f )ζh + Dy f (ζh − ζi ) + (Dz f − Dz f )ei dt .
0
(4.44)
Wir schätzen jetzt die Supremumnorm von ζh − ζ auf der Menge I × B1 (z∗ )
ab. Mit (4.27) erhalten wir
g(z + hei ) − g(z)
kζh − ζk∞ ≤ − Dg(z)ei + |I| kDy f − Dy f k∞ M
h
∞
(4.45)
+ |I| kDy f k∞ kζh − ζk∞ + |I| kDz f − Dz f k∞ ,
(4.46)
wobei |I| die Länge des Intervalls I ist. Da Dg auf kompakten Mengen
gleichmäßig stetig ist, konvergiert der erste Term rechts gegen 0 für h → 0.
Aus (4.39) folgt, dass der zweite und der vierte Term auch gegen 0 konvergieren. Um den dritten Term zu behandeln, ersetzt man I durch ein kleineres
Intervall, so dass
1
|I|kDy f k∞ ≤ .
(4.47)
2
98
[24. Juli 2017]
Dann kann der dritte Term auf die linke Seite gebracht werden und man
erhält
g(z + hei ) − g(z)
1
kζh − ζk∞ ≤ − Dg(z)ei (4.48)
2
h
∞
+ |I|kDy f − Dy f k∞ M + |I|kDz f − Dz f k .
(4.49)
Deshalb gilt
lim kζh − ζk∞ = 0 .
h→0
(4.50)
Teil 3 (nicht besprochen): Falls f nicht Lipschitz ist kann man wie folgt
vorgehen. Sei R = |z∗ | + |g(z∗ )| + 1. Sei θR ∈ Cc∞ (Rn × Rm ) eine Funktion
mit θR = 1 auf BR (0). Sei fR ∈ C 1 (I × Rn × Rm ; Rn ) durch
fR (s, y, z) = f (x, y, z)θR (y, z)
(4.51)
definiert. Dann fR ist Lipschitz. Deshalb gibt es ω und ϕ ∈ C 1 wie in Teil 1.
Da ϕ stetig ist, und |ϕ|(s∗ , z∗ )+|z∗ | = R−1, gibt es eine offene Menge ω 0 ⊂ ω
so dass |ϕ|(s, z) + |z| < R auf ω 0 . Dann gilt fR (s, ϕ(s, z), z) = f (s, ϕ(s, z), z)
für alle (s, z) ∈ ω 0 , und der Satz ist bewiesen.
Alternativer Beweis mit Hilfe des Satzes über implizite Funktionen. Dieser Beweis wurde in der Vorlesung nicht besprochen.
Sei J ein Interval, das s∗ enthält. Sei X = C 0 (J; Rn ) und sei
F : X × Rm → X
definiert durch
ˆ
(4.52)
s
F (η, z)(s) := η(s) − g(z) −
f (t, η(t), z) dt .
(4.53)
s∗
Sei U ⊂ Rm offen. Dann ist ϕ eine Lösung von (4.22) (mit ω = J × U ), falls
F (ϕ(·, z), z) = 0 ∀z ∈ U .
(4.54)
Wir zeigen die Existenz einer solchen Lösung mit Hilfe das Satzes über
implizite Funktionen. Aus dem Existenzsatz für gewöhnliche Differentialgleichungen (Satz 4.3) folgt, dass es ein offenes Interval J∗ , das s∗ enthält,
und eine Funktion ηz∗ ∈ C 1 (J∗ ; Rn ) gibt mit
F (ηz∗ , z∗ ) = 0 .
(4.55)
Wir werden zeigen, dass für alle kompakten Teilintervalle J ⊂ J∗ gilt
F ∈ C 1 (X × Rm ; X)
99
(4.56)
[24. Juli 2017]
und
ˆ
s
[Dη F (η, z)ζ](s) = ζ(s) −
Dy f (t, η(t), z)ζ(t) dt,
ˆ s
Dz f (t, η(t), z)a dt .
Dz F (η, z)a = Dg(z)a −
(4.57)
s∗
(4.58)
s∗
Außerdem zeigen wir, dass für genügend kleine kompakte Intervalle J ⊂ J∗
gilt
(4.59)
Dη F (ηz∗ , z∗ ) : X → X ist invertierbar.
Zum Beweis von (4.56)–(4.58) benützen wir für η, ζ ∈ X und z, a ∈ Rm
die Identität
ˆ 1
d
f (t, η(t) + ζ(t), z + a) − f (t, η(t), a) =
f (t, η(t) + λψ(t), z + λa) dλ .
dλ
0
(4.60)
Daraus folgt
f (t, η(t) + ζ(t), z + a) − f (t, η(t), a) − (Dy f )(t, η(t), z)ζ(t) − (Dz f )(t, η(t), z)a
ˆ
=
(4.61)
1
[(Dy f )(t, η(t) + λζ(t), z + λa) − Dy f (t, η(t), z)]ζ(t) dλ
ˆ 1
+
[(Dz f )(t, η(t) + λζ(t), z + λa) − Dz f (t, η(t), z)]a dλ .
(4.62)
0
(4.63)
0
Da Dy f und Dz f auf kompakten Mengen gleichmäßig stetig sind gilt
∀η ∈ X, z ∈ Rm , ε > 0 ∃δ > 0
ψ ∈ X, a ∈ Rm , kψk ≤ δ, |a| ≤ δ
=⇒
|f (t, η(t) + ζ(t), z + a) − f (t, η(t), a) − (Dy f )(t, η(t), z)ζ(t) − (Dz f )(t, η(t), z)a|
≤ ε(kψk + |a|) .
(4.64)
Daraus folgen unmittelbar (4.56)–(4.58).
Zum Beweis von (4.59) betrachten wir die (lineare) Abbilidung
ˆ s
[T ζ](s) :=
Dy f (t, ηz∗ (t), z∗)ζ(t) dt .
(4.65)
s∗
Es reicht zu zeigen, dass kT ζkC 0 (J) ≤ 21 kζkC 0 (J) für alle ζ. Nach dem Banachschen Fixpunktsatz gibt es dann für jedes ζ̃ ∈ X genau ein ζ ∈ X, so
dass
ζ = T ζ + ζ̃ .
(4.66)
Außerdem gilt kζk ≤ 2kζ̃k. Dies liefert gerade (4.59). Zum Beweis der
Abschätzung für T benutzen wir, dass die Abbildung t 7→ |Dy f (t, ηz∗ (t), z∗ )|
100
[24. Juli 2017]
stetig ist und daher auf der kompakten Menge J ihr Maximum annimmt.
Sei M := maxt∈J |Dy f (t, ηz∗ , z∗ )|. Dann folgt kT ζk ≤ M |J|kζk wobei |J|
die Länge des Intervalls J ist. Für |J| ≤ 1/(2M ) folgt die gewünschte
Abschätzung für T .
Aus (4.56)–(4.59) und dem Satz über implizite Funktionen folgt, dass es
eine Umgebung U von z∗ und eine Abbildung ψ ∈ C 1 (U ; X) gibt, so dass
F (ψ(z), z) = 0 ∀z ∈ U .
(4.67)
Mit ϕ(s, z) := [ψ(z)](s) folgt, dass ϕ (4.22) erfüllt. Die partiellen Ableitungen nach z sind stetig, da ψ ∈ C 1 (U ; X) und X = C 0 (J, Rm ). Die Stetigkeit
der partiellen Ableitung nach s folgt aus der gewöhnlichen Differentialgleichung (4.22). Daher gilt ϕ ∈ C 1 (ω; Rm ) mit ω = J × U .
Aus dem Satz über implizite Funktionen folgt weiterhin, dass
(Dη F )(ψ(z), z)
∂
ψ(z) + (Dz F )(ψ(z), z)ei = 0
∂zi
(4.68)
und in Verbindung mit (4.57) und (4.58) folgt die Differentialgleichung (4.24)
für ζi = ∂z∂ i ϕ.
4.1.4
Die Richtung b hängt von x ab
Sei jetzt b : Ω → Rn lokal lipschitzstetig. Wir suchen u, so dass
b(x) · ∇u(x) = c(u(x), x) .
(4.69)
Sei I ⊂ R ein offenes Interval und γ ∈ C 1 (I; Ω) eine Kurve. Dann gilt
d
u(γ(s)) = γ 0 (s) · ∇u(γ(s)) .
ds
(4.70)
γ 0 (s) = b(γ(s)) ,
(4.71)
Falls
dann reduziert sich die PDG auf eine gewöhnliche Differentialgleichung für
u◦γ
d
u(γ(s)) = c(u(γ(s), γ(s)) .
(4.72)
ds
Damit haben wir die partielle Differentialgleichung (4.69) in die zwei gewöhnliche Differentialgleichungen (4.71) und (4.72) umgewandelt. Die Kurve γ
nennt man charakteristische Kurve oder kurz Charakteristik.
Beispiel. Sei Ω = R2 , b(x) = (−x2 , x1 ). Für jedes r > 0 ist γ ∈ C ∞ (R),
γ(s) = (r cos s, r sin s) eine Lösung von (4.71). Deshalb gilt
d
u(γ(s)) = c(u(γ(s), γ(s)) .
ds
101
(4.73)
[24. Juli 2017]
Falls c = 0, ist das zu
u(x) = φ(|x|)
(4.74)
äquivalent. Für c(z, x) = 1 oder c(z, x) = z ist es leicht zu sehen, dass keine
Lösung in R2 existiert. Für alle x∗ 6= 0 existiert aber eine Lösung in einer
Umgebung von x∗ .
4.1.5
Die Richtung b hängt von x und u(x) ab
Betrachten wir jetzt
b(u(x), x) · ∇u(x) = c(u(x), x) .
(4.75)
Um γ 0 (s) wie in (4.71) zu bestimmen, benötigen wir nicht nur γ(s), sondern auch u(γ(s)). Deshalb wird die Kurve erweitert. Wir suchen Γ ∈
C 1 (I; Rn+1 ), so dass
Γ(s) = (u(γ(s)), γ(s)) .
(4.76)
Wir bezeichnen die erste Komponente mit Γ0 , die restlichen mit Γi = γi ,
i = 1, . . . , n, d.h., Γ = (Γ0 , γ). Dann muss gelten
d
γ(s) = b(u(γ(s), γ(s)) = b(Γ(s)),
(4.77)
ds
d
Γ0 (s) = γ 0 (s) · ∇u(γ(s)) = b(Γ(s)) · ∇u(γ(s)) = c(u(γ(s)), γ(s)) = c(Γ(s)),
ds
(4.78)
d.h. Γ muss die gewöhnliche Differentialgleichung
d
c(Γ(s))
Γ(s) =
b(Γ(s))
ds
(4.79)
erfüllen. Falls u(x∗ ) = u∗ dann liefert Γ(0) = (x∗ , u∗ ) die Anfangbedingung
für die gewöhnliche Differentialgleichung.
In Satz 4.8 zeigen wir, dass sich auf diese Weise tatsächlich lokal eine
Lösung der quasilinearen PDG konstruieren läßt. Zunächst zeigen wir Eindeutigkeit.
Lemma 4.7. Sei Ω ⊂ Rn offen, b ∈ C 1 (R × Ω; Rn ), c ∈ C 1 (R × Ω), x∗ ∈ Ω,
u∗ ∈ R. Sei Γ ∈ C 1 ((−δ, δ); R × Ω) eine Lösung von
!


c(Γ(s))
d
 Γ(s) =
,
ds
(4.80)
b(Γ(s))


Γ(0) = (x∗ , u∗ )
und
Γ0 (s)
Γ(s) =
.
γ(s)
102
[24. Juli 2017]
Sei u ∈ C 1 (Ω) eine Lösung von (4.75), mit u(x∗ ) = u∗ . Dann gilt
u(γ(s)) = Γ0 (s)
(4.81)
für alle s ∈ (−δ, δ).
Beweis. Sei ϕ(s) = u(γ(s)) − Γ0 (s). Dann gilt ϕ(0) = 0. Wir zeigen, dass ϕ
eine gewöhnliche Differentialgleichung erfüllt, welche die Lösung ϕ = 0 besitzt. Dann folgt die Aussage aus der Eindeutigkeit von Lösungen gewöhnlicher Differentialgleichungen. Es gilt (der Übersichtlichkeit halber lassen wir
das Argument s weg)
ϕ0 = γ 0 · (∇u ◦ γ) − c ◦ Γ
(4.82)
= b(Γ0 , γ) · (∇u ◦ γ) − c(Γ0 , γ)
(4.83)
= [b(Γ0 , γ) − b(u ◦ γ, γ)] · ∇u ◦ γ + b(u ◦ γ, γ) · (∇u ◦ γ) − c(Γ0 , γ)
(4.84)
= [b(Γ0 , γ) − b(u ◦ γ, γ)] · (∇u ◦ γ) + c(u ◦ γ, γ) − c(Γ0 , γ) .
Deshalb erfüllt ϕ ∈ C 1 die ODE
(
ϕ0 (s) = G(s, ϕ(s))
ϕ(0) = 0 ,
(4.85)
(4.86)
mit
G(s, y) = [b(Γ0 (s), γ(s)) − b(Γ0 (s) + y, γ(s))] · ∇u(γ(s))
+ c(Γ0 (s) + y, γ(s)) − c(Γ0 (s), γ(s))
(4.87)
(4.88)
Es gilt G(s, 0) = 0. Daher ist die Nullfunktion eine Lösung der gewöhnlichen
Differentialgleichung. Außerdem ist G(s, y) ist lokal lipschitzstetig in y. Daraus folgt wegen der Eindeutigkeit von Lösungen des Anfangswertproblems
ϕ = 0.
[10.7. 2017, Vorlesung 21]
[14.7. 2017, Vorlesung 22]
Satz 4.8. Seien Ω ⊂ Rn , J ⊂ R offen, b ∈ C 1 (J × Ω; Rn ), c ∈ C 1 (J ×
Ω), x∗ ∈ Ω, g ∈ C 1 (Ω), g(x∗ ) ∈ J, bn (g(x∗ ), x∗ ) 6= 0. Dann gibt es eine
Umgebung ω von x∗ , so dass das Anfangswertproblem
(
b(u(x), x) · Du(x) = c(u(x), x) in ω
(4.89)
u(x) = g(x)
für x ∈ ω ∩ {xn = x∗n }
eine eindeutige Lösung u ∈ C 1 (ω) besitzt.
103
[24. Juli 2017]
Beweis. Für z ∈ Rn−1 , |z| klein genug, sei Γ(z, ·) : (−δ, δ) → Rn+1 die
eindeutige Lösung von
(
∂s Γ(s) = (c, b)(Γ(s))
(4.90)
Γ(0) = (g(x∗ + z), x∗ + z) .
Dabei wird z ∈ Rn−1 mit (z, 0) ∈ Rn identifiziert. Wir betrachten γ(z, s) =
(Γ(z, s))1,...,n . Da γ(z, 0) = x∗ + (z, 0) und ∂s γ(z, 0) = b(g(x∗ + z), x∗ + z),
folgt det Dγ(0) 6= 0. Deshalb ist γ in einer Umgebung von 0 invertierbar.
Sei ψ die Umkehrabbildung.
Wir setzen
u(x) = Γ0 (ψ(x)) .
(4.91)
Dann gilt u ∈ C 1 , und
u(γ(y)) = Γ0 (y)
mit y = (z1 , . . . , zn−1 , s) .
(4.92)
Ableiten nach s = yn ergibt
∂s [u(γ(z, s))] = ∂s γ(z, s) · ∇u(γ(z, s)) = b(Γ0 (y), γ(y)) · ∇u(γ(y)) (4.93)
= b(u(γ(y)), γ(y)) · ∇u(γ(y))
(4.94)
und
∂s Γ0 (z, s) = c(Γ0 (y), γ(y)) = c(u(γ(y)), γ(y)) .
(4.95)
b(u(γ(y)), γ(y)) · ∇u(γ(s)) = c(u(γ(y)), γ(y)) .
(4.96)
Deshalb folgt
4.2
Voll nichtlineare PDG erster Ordnung
Die obigen Überlegungen lassen sich im Wesentlichen auch auf voll nichtlineare Gleichungen
F (∇u(x), u(x), x) = 0 für x ∈ Ω ,
(4.97)
übertragen. Wir skizzieren hier nur die Hauptideen. Für eine detaillierte
Darstellung, vgl. Evans, Kapitel 3. In obiger Gleichung ist Ω ⊂ Rn eine
offene Menge, F : Rn × R × Ω ist eine C 2 Funktion und gesucht ist eine
Lösung u : Ω → R, die zusätzlich geeignete Randbedingungen erfüllt.
Die Argumente von F werden mit (p, z, x) bezeichnet und wir schreiben
Dp F , Dz F und Dx F sowie Dpj F = ∂p∂ j F für die entsprechenden partiellen
Ableitungen.
104
[24. Juli 2017]
Ein wesentlicher Punkt ist, dass (4.97) zu einer quasilinearen Gleichung
für die Ableitungen von u wird. Genauer sei u ∈ C 2 (Ω) eine Lösung von
(4.97). Dann folgt durch Ableiten der Gleichung nach xi
n
X
Dpj F (∇u(x), u(x), x)∂i ∂j u(x)+Dz F (∇u(x), u(x), x)∂i u(x)+Dxi F (∇u(x), u(x), x) = 0 ,
j=1
(4.98)
d.h. die Ableitungen ∂i u erfüllen das System quasilinearer Gleichungen
b(∇u(x), u(x), x) · ∂i u(x) = ci (∇u(x), u(x), x)
(4.99)
mit
ci (p, z, x) = −Du F (p, z, x)pi − Dxi F (p, z, x) .
(4.100)
Man beachte, dass b nicht von i abhängt.
Die Resultate im quasilinearen Fall legen nahe, nach erweiterten Charakteristiken der Form s 7→ (π(s), Γ0 (s), γ(s)) = (π(s), Γ(s)) zu suchen mit
γ 0 (s) = b(π(s), Γ(s)) und π(s) = ∇u(γ(s)) sowie Γ0 (s) = u(γ(s)). Daraus
folgt
bj (x, z, p) = Dpj F (p, z, x),
d
Γ0 (s) = γ 0 (s) · (∇u)(γ(s)) = b(π(s), Γ(s)) · π(γ(s))
ds
(4.101)
und mit (4.99) folgt
d
πi (s) = γ 0 (s)·(∇∂i u)(γ(s)) = b(π(s), Γ(s))·(∇∂i u)(γ(s)) = ci (π(s), Γ(s)) .
ds
(4.102)
Insgesamt erhalten wir das folgende System gewöhnlicher Differentialgleichungen
d
γj (s) = Dpj F (π(s), Γ(s)),
ds
n
X
d
Γ0 (s) =
Dpj F (π(s), Γ(s))πj (γ(s)),
ds
(4.103)
(4.104)
j=1
d
πi (s) = −Du F (π(s), Γ(s))πi (s) − Dxi F (π(s), Γ(s)) .
ds
(4.105)
Dieses System wird häufig in folgender kompakter Notation geschrieben:
ẋ = Dp F (p, z, x),
(4.106)
ż = Dp F (p, z, x) · p,
(4.107)
ṗ = −Du F (p, z, x)p − Dx F (p, z, x) .
(4.108)
Die Frage der Anfangsbedingungen ist etwas subtiler. Seien der Einfachheit halber die Anfangbedingungen auf der Hyperebene H := {x :∈ Rn :
105
[24. Juli 2017]
xn = 0} gegeben (durch Verkettung mit einem C 1 Diffeomorphismus kann
man lokal sich immer auf diese Situation zurückziehen, solange die Anfangsdaten auf einer C 1 Untermannigfaltigkeit gegeben sind, vgl. Evans). Gegeben
sei eine C 2 Funktion g : H → R. Gesucht sind (lokale) Lösungen von (4.97)
mit
u(x) = g(x) auf H .
(4.109)
Sei x∗ ∈ H. Wie zuvor ergeben sich dann folgende Anfangsbedingungen für
die gewöhnliche Differentialgleichung für (π, Γ0 , γ):
γ(0) = x∗ ,
Γ0 (0) = g(x∗ ) .
(4.110)
Es fehlen noch die Anfangsbedingungen für π. Für die Komponenten parallel
zu H ergeben sich diese, indem man (4.109) nach xi differenziert, für i =
1, . . . , n − 1:
πi (0) = (∂i g)(x∗ ) für i = 1, . . . , n − 1 .
(4.111)
Es fehlt noch die Anfangsbedingung für πn . Diese ergibt sich aus der Gleichung (4.97), die sich mit den schon gefundenen Randbedingungen auf folgende Gleichung reduziert
F (∇0 g(x∗ ), πn (0), g(x∗ ), x∗ ) = 0,
mit ∇0 g = (∂1 g, . . . , ∂n−1 g) .
(4.112)
Dies ist eine nichtlineare Gleichung für eine Unbekannte πn (0). Diese kann
eine, keine oder mehrere Lösung haben. Wir nehmen an, dass es mindestens
eine Lösung gibt:
∃a ∈ R F (∇0 g(x∗ ), a, g(x∗ ), x∗ ) = 0 .
(4.113)
Um ähnlich wie in Satz 4.8 die Existenz einer lokalen Lösung von (4.97)
und (4.109) zu zeigen, benötigen wir eine Lösung von F (∇0 g(x), a, g(x), x)
auch für Punkte x ∈ H, die nahe bei x∗ liegen. Nach dem Satz für implizite
Funktionen reicht es dafür, dass
(Dpn F )(∇0 g(x∗ ), a, g(x∗ ), x∗ ) 6= 0 .
(4.114)
Der folgende Satz und die Beweisidee wurden in der Vorlesung nur sehr
kurz angesprochen.
Satz 4.9. Sei x∗ ∈ H, sei Ω ⊂ Rn eine offene Menge, die x∗ enthält. Sei
F ∈ C 2 (Rn × R × Ω) und g ∈ C 2 (H) und es gelten (4.113) und (4.114).
Dann gibt es eine offene Menge ω ⊂ Ω, die x∗ enthält, und eine Funktion
u ∈ C 2 (ω) so dass
F (∇u(x), u(x), x) = 0
in ω,
u(x) = g(x)
106
in H ∩ ω .
(4.115)
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Falls (4.114) erfüllt ist, sagt man, dass der Randpunkt x∗
nichtcharakteristisch ist. Für quasilineare Gleichungen gilt F (p, z, x) = b(z, x)·
p − c(z, x). In diesem Fall reduziert sich diese Bedingung auf die Bedingung
bn (g(x∗ ), x∗ ) 6= 0, die in Satz 4.8 gestellt wurde. Im quasilinearen Fall folgt
aus dieser Bedingung gleichzeitig (4.113).
Bemerkung. Analog zum quasilinearen Fall kann man auch Eindeutigkeit
zeigen.
Beweisidee, Details s. Evans. Die Beweisidee wurde in der Vorlesung nicht
besprochen
Aus dem Satz über implizite Funktionen folgt, dass es eine offenen Menge
U ⊂ H und eine Funktion A ∈ C 1 (U ) gibt, so dass
F (∇0 g(z), A(z), g(z), z) = 0
für z ∈ U ⊂ H
(4.116)
und A(x∗ ) = a. Nach evtl. Verkleinerung von U können wir zusätzlich annehmen, dass
(Dpn )F (∇0 g(z), A(z), g(z), z) 6= 0
für z ∈ U .
(4.117)
Für z ∈ U betrachten wir jetzt Lösungen des Systems (4.103)– (4.105)
gewöhnlicher Differentialgleichungen mit Anfangswerten
γ(0) = z,
Γ0 (0) = g(z),
π(0) = (∇0 g(z), A(z)) .
(4.118)
Die Lösungen zum Zeitpunkt s werde mit π(s, z), Γ0 (s, z), γ(s, z) bezeichnet. Nach Satz 4.6 gibt es eine offene Menge ω ⊂ Rn , die x∗ enthält, so
dass die Funktionen π, Γ0 , γ in C 1 (ω) liegen. Schliesslich behaupten wir,
dass die Abbildung (s, z) 7→ γ(s, z) nach evtl. Verkleinerung einen Diffeomorphismus definiert. Dazu reicht es zu zeigen, dass das Differential
∂s γ(0, x∗), ∇0 γ(0, x∗ ) invertierbar ist. Dies folgt wie im Beweis von Satz 4.8
daraus, dass ∂s γn (0, x∗ ) = Dpn F (∇0 g(x∗ ), a, g(x∗ ), x∗ ) 6= 0.
Man zeigt dann zunächst, dass F (π(s, z), Γ(s, z)) = 0, indem man diesen Ausdruck nach s differenziert und die gewöhnlichen Differentialgleichungen (4.103)– (4.105) benutzt. Dann definiert man wie im quasilinearen Fall
u(γ(s, z)) = Γ0 (s, z) und zeigt, dass π(s, z) = ∇u(s, z). Dazu reicht es zu
zeigen, dass ∂s Γ(s, z) = π · ∂s γ(s, z) und ∂zi Γ(s, z) = π · ∂zi γ(s, z). Die erste
Identität folgt direkt aus (4.103) und (4.104) benutzt. Zum Beweis der zweiten Identität argumentiert man ähnlich wie im Beweis von Lemma 4.7 und
leitet eine gewöhnliche Differentialgleichung für die Differenz der rechten
und linken Seite her.
107
[24. Juli 2017]
d
Beispiel. Sei F (p, z, x) = H(p, x). Dann ist die Gleichung für ds
Γ0 (s) von
den übrigen Gleichungen entkoppelt und es reicht, das reduzierte System
d
γ(s) = Dp H(π(s), γ(s)),
ds
d
π(s) = Dx H(π(s), γ(s))
ds
(4.119)
zu lösen. In kompakter Notation lautet dieses System
ẋ = Dp H(p, x),
ṗ = −Dx H(p, x) .
(4.120)
Dies sind gerade die Hamilton-Gleichungen der klassischen Physik. Für ein
2
Punktteilchen mit Masse m in einem Potential V gilt H(p, x) = |p|
2m − V (x)
und die Gleichungen reduzieren sich auf
ẋ =
p
,
m
ṗ = −∇V (x) .
(4.121)
Differenziert man die erste Gleichung und setzt ṗ aus der zweiten Gleichung
ein, so ergeben sich die Newtonschen Bewegungsgleichungen
mẍ = −∇V (x) .
(4.122)
Bemerkung. Diese Bemerkung wurde in der Vorlesung nicht besprochen.
Falls p 7→ H(p, x) (gleichmäßig) konvex ist gibt es eine allgemeine Beziehung
zwischen der Hamilton-Gleichung (4.120) und der Euler-Lagrange Gleichung
(4.122) die im allgemeinen Fall die Form
−
d
d
d
[Dv L( x, x)] + Dx L(( x, x) = 0
dt
dt
dt
(4.123)
annimmt, wobei L die Fencheltransformierte von H ist (und umgekehrt),
d.h.
L(v, x) = sup p · v − H(p, x),
H(p, x) = sup p · v − L(v, x)
p∈Rn
(4.124)
v∈Rn
(vgl. Übungsblatt 11, Aufgabe 3). Das Wechselspiel von Hamilton Gleichung
und Euler-Lagrange Gleichung spielt u.a. eine wichtige Rolle in der klassischen Mechanik.
Bemerkung. Die Gleichung |∇u(x)|2 − V (x) = 0 hat zahlreiche weitere
Anwendungen, z.B. beim Fermatschen Prinzip in der Optik oder bei der optimalen Routenplanung5 . Die Gleichung für V = 1 heißt Eikonalgleichung.
Es gibt eine enge Beziehung zwischen Optimierungsproblemen und partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung, vgl. Evans, Kapitel 3 oder J.A.
Sethian, Level set methods and fast marching methods, Cambridge Univ.
Press, 2nd ed., 1999.
5
Eine Animation findet sich auf der Webseite http://math.berkeley.edu/∼sethian/ unter ’robotic navigation’
108
[24. Juli 2017]
Bemerkung. Dieses Kapitel zeigt, dass er sehr enge Beziehungen zwischen partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung und gewöhnlichen
Differentialgleichungen gibt. Wir haben hauptsächlich die Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen genutzt, um etwas über partielle Differentialgleichungen zu lernen. In modernen Entwicklung wird aber auch die umgekehrte Richtung genutzt. Mit Methoden für partielle Differentialgleichungen,
die erlauben auch für Funktionen, die nicht C 1 sind, einen Lösungsbegriff zu
definieren, werden neue Aussagen über gewöhnliche Differentialgleichungen
bewiesen (z.B. Eindeutigkeit von Lösungen für ’fast alle’ Anfangsdaten, in
Fällen in denen die rechte Seite nicht lipschitzstetig in der gesuchten Funktion ist).
[14.7. 2017, Vorlesung 22]
[17.7. 2017, Vorlesung 23]
4.3
Burgersgleichung
Hier n = 2, und y = (x, t) ∈ R2 . Wir betrachten die Gleichung

u2

∂t u + ∂x
= 0 R × (0, ∞)
2
u(x, 0) = g(x)
x ∈ R.
(4.125)
Deshalb b(u(y), y) = (u(y), 1), c = 0. Für I ⊂ R lösen die Charakteristiken
Γ : I → R3 die Gleichung




g(x∗ )
0
d
(4.126)
Γ(s) = Γ0 (s) , Γ(0) =  x∗  .
ds
1
0
Dann


g(x∗ )
Γ(s) = x∗ + g(x∗ )s .
s
Beispiel 4.10. Wir betrachten


1
g(x) = 1 − x


0
Dann liefert u(γ(s)) = Γ0 (s)


1

1 − x
u(x, t) =

1−t


0
falls x ≤ 0
falls x ∈ (0, 1)
falls x ≥ 1 .
(4.127)
(4.128)
falls x ≤ t, t ∈ [0, 1)
falls 0 ≤ t ≤ x < 1
(4.129)
falls x ≥ 1, t ∈ [0, 1) .
109
[24. Juli 2017]
Für t ≥ 1 liefert die Methode keine Lösung, weil die Charasteristiken sich
schneiden.
Definition 4.11. Sei F ∈ C 1 (R), g ∈ L∞ (R), u ∈ L∞ (R × (0, ∞)). Die
Funktion u ist eine schwache Lösung der Gleichung
(
∂t u + ∂x F (u) = 0
(4.130)
u(x, 0) = g(x)
falls für alle v ∈ Cc∞ (R × [0, ∞))
ˆ
ˆ
2
(u ∂t v + F ◦ u ∂x v) dL +
gv(·, 0) dL1 = 0
R×[0,∞)
(4.131)
R
gilt.
Man sieht leicht, dass jede C 1 Lösung der Gleichung ∂t u + ∂x F (u) mit
Anfangswerten u(x, 0) = g(x) auch eine schwache Lösung ist. Wir zeigen
jetzt, dass eine schwache Lösung, die lokal C 1 ist, die Gleichung auch im
klassischen Sinn erfüllt.
Satz 4.12. Sei u ∈ L∞ (R × (0, ∞)) eine schwache Lösung von (4.130).
Falls ω ⊂ R × (0, ∞) offen ist und u ∈ C 1 (ω), dann gilt
∂t u + ∂x F (u) = 0
in ω .
(4.132)
Beweis. Wir können annehmen, dass ω eine Kugel ist. Für alle θ ∈ Cc∞ (ω)
gilt
ˆ
ˆ
2
0 = (u, F (u)) · Dθ dL = (∂t u + ∂x F (u))θ dL2 .
(4.133)
ω
ω
Da ∂t u + ∂x F (u) stetig ist, folgt die Aussage (für Details vgl. Beweis von
Lemma 1.33).
Satz 4.13. Sei u ∈ L∞ (R × (0, ∞)) eine schwache Lösung von (4.130). Sei
ω ⊂ R × (0, ∞) offen, Ω ⊂ R × (0, ∞) eine offene Menge mit C 1 -Rand.
Falls zwei Funktionen v1 ∈ C 1 (ω ∩ Ω) und v2 ∈ C 1 (ω \ Ω) existieren, so
dass u = v1 auf ω ∩ Ω und u = v2 auf ω \ Ω, dann gilt
F (v1 ) − F (v2 )
·ν =0
(4.134)
v1 − v2
auf ∂Ω ∩ ω.
Falls umgekehrt v1 ∈ C 1 (ω ∩ Ω) und v2 ∈ C 1 (ω \ Ω) existieren, so dass
u = v1 auf ω ∩ Ω und u = v2 auf ω \ Ω und ∂t u + ∂x F (u) = 0 in ω ∩ Ω und
ω \ Ω sowie (4.134) gilt, dann ist u eine schwache Lösung in ω, d.h. (4.131)
gilt für alle θ ∈ Cc∞ (ω).
110
[24. Juli 2017]
Beweis. Für alle θ ∈ Cc∞ (ω) gilt
ˆ
2
(F (u), u) · ∇θ dL =
0=
ω
2 ˆ
X
j=1
(F (vj ), vj ) · ∇θ dL2 ,
(4.135)
ωj
mit ω1 = ω ∩ Ω, ω2 = ω \ Ω. Nun gilt ∂(ω ∩ Ω) ⊂ (∂ω) ∪ (ω ∩ ∂Ω) und deshalb
ˆ
ˆ
θ(F (v1 ), v1 ) · νdH1 ,
(4.136)
(F (v1 ), v1 ) · ∇θ =
ω∩∂Ω
ω1
wobei ν die äußere Normale zu Ω ist. Ferner,
ˆ
ˆ
θ(F (v2 ), v2 ) · νdH1
(F (v2 ), v2 ) · ∇θ = −
(4.137)
ω∩∂Ω
ω2
weil −ν die äußere Normale zu R2 \ Ω ist. Deshalb
ˆ
θ(F (v2 ) − F (v1 ), v2 − v1 ) · νdH1 = 0
(4.138)
ω∩∂Ω
für alle θ ∈ Cc∞ (ω). Die Aussage folgt mit θ(x) = ηr (x − x∗ ) und r → 0.
Die Umkehrung folgt mit der gleichen Rechnung.
Beispiel 4.14. Wir betrachten
(
1
g(x) =
0
falls x ≤ 0
falls x > 0 .
(4.139)
Für alle a ∈ (0, 1) sei
(
1
ua (x, t) =
0
falls x ≤ at
falls x > at
(4.140)
Wir wenden Satz 4.13 mit
√ Ω = {(x, t) : x < at}, v1 = 1 und v2 = 0 an. Die
Normale ist ν = (1, −a)/ 1 + a2 . Deshalb liefert (4.134)
1/2
1
·
= 0.
(4.141)
1
−a
Deshalb ist ua nur für a = 1/2 eine schwache Lösung.
Beispiel 4.15. Wir betrachten
(
0
g(x) =
1
falls x ≤ 0
falls x > 0 .
111
(4.142)
[24. Juli 2017]
Für alle a ∈ (0, 1) sei
(
0
ua (x, t) =
1
falls x ≤ at
falls x > at
(4.143)
√
Sei Ω = {(x, t) : x < at}, u1 = 0, u2 = 1. Die Normale ist ν = (1, −a)/ 1 + a2 .
Deshalb (4.134) liefert
−1/2
1
·
= 0.
(4.144)
−1
−a
Deshalb ist ua nur für a = 1/2 eine schwache Lösung.
Wir definieren jetzt


falls x ≤ 0
0
u∗ (x, t) = x/t falls 0 < x < t


1
falls x ≥ t .
(4.145)
Die Funktion u∗ ist stetig und daher ist (4.134) ebenfalls erfüllt. Außerdem
rechnet man leicht nach, dass ∂t + u∂x u in U = {(x, t) : 0 < x < t}.
Deshalb sind u1/2 und u∗ zwei schwache Lösungen. Das zeigt, dass schwache
Lösungen nicht eindeutig sind.
5
5.1
’Allgemeine’ Theorie partieller Differentialgleichungen
Quasilineare PDG höherer Ordnung und der Satz von
Cauchy-Kowalevskaya
Sei
S = {x ∈ Rn : xn = 0} = Rn−1 × {0} .
(5.1)
Wir hatten gesehen, dass das Anfangswertproblem für eine quasilineare PDG
erster Ordnung
(P
n
i=1 bi (u(x), x)∂i u(x) = c(u(x), x)
(5.2)
u(z, 0) = g(z) .
eine Lösung in der Umgebung eines Punktes x∗ ∈ S hat, falls bn (x∗ , g(x∗ )) 6=
0.
Wir betrachten jetzt das analoge Problem für Gleichungen k-ter Ordnung. Sei zunächst k = 2. Die allgemeine Form einer quasilinearen Gleichung
zweiter Ordnung ist
n
X
bij (∇u(x), u(x), x)∂i ∂j u(x) = c(∇u(x), u(x), x)
(5.3)
i,j=1
112
[24. Juli 2017]
und die natürlichen Anfangsbedingungen sind
u(z, 0) = g0 (z),
∂n u(z, 0) = g1 (z)
auf S
(5.4)
Durch diese Anfangsbedingungen sind auf S alle zweiten partiellen Ableitungen von u bestimmt, mit Ausnahme der Ableitung ∂n2 u. Daher kann es
im allgemeinen nur dann (lokale) Lösungen des Anfangswertproblems (5.3),
(5.4) geben, wenn
bnn (∇u(x∗ ), u(x∗ ), x∗ ) 6= 0.
(5.5)
Man beachte, dass u(x∗ ) und die tangentialen Ableitungen von u durch g0
bestimmt sind und dass ∂n u(x∗ ) = g1 (x∗ ).
Seien nun g0 , g1 und b unendlich oft differenzierbar. Falls (5.5) erfüllt ist,
so kann man leicht sehen, dass für jede C ∞ Funktion u, die (5.3) und (5.4)
erfüllt, alle Ableitungen im Punkt x∗ eindeutig durch g0 und g1 in einer Umgebung von x∗ und b in einer Umgebung von X∗ := (∇0 g0 (x∗ ), g1 (x∗ ), g0 (x∗ ), x∗ )
bestimmt sind.
Zunächst sind alle Ableitungen der Form ∂ α u mit αn = 0, d.h. alle
tangentialen Ableitungen durch g0 bestimmt. Analog sind die Ableitungen
∂ α ∂n u durch g1 bestimmt. Aus (5.5) folgt, dass


X
1
−
∂n2 u(x) =
bij (∇u(x), u(x), x)∂i ∂j u(x) + c(∇u(x), u(x), x) .
bnn (∇u(x), u(x), x)
(i,j)6=(n,n)
(5.6)
Auf der rechten Seite treten nur Ableitungen auf, in den höchstens eine
partielle Ableitung nach xn vorkommt, d.h. alle Ableitungen, die auf der
rechten Seite auftreten sind durch g0 und g1 bestimmt. Durch Differentiation
von (5.6) nach xi , i = 1, . . . , n − 1 folgt, dass auch alle Ableitungen der
Form ∂ α ∂n2 u mit αn = 0 eindeutig durch g0 , g1 und b bestimmt sind. Die
Behauptung folgt durch sukzessive Differentiation von (5.6) nach xn und
vollständige Induktion.
Analog kann man für quasilineare Gleichungen höherer Ordnung argumentieren. Dies führt auf folgende Aussage.
Proposition 5.1. Sei U ⊂ Rn offen und Γ eine Hyperebene mit Normale
ν. Sei u glatte Lösung des Cauchy-Problems für die allgemeine quasilineare
PDG k-ter Ordnung
X
aα (Dk−1 u(x), . . . , u(x), x)Dα u(x)
|α|=k
+ a0 (Dk−1 u(x), . . . , u(x), x) = 0 in U, (5.7)
∂
∂ k−1
u = g1 , . . . ,
u = gk−1
∂ν
∂ν k−1
mit glatten Daten aα , a0 , g, gi .
u = g,
113
auf Γ ∩ U
(5.8)
[24. Juli 2017]
(i) Dann lässt sich Dα u(x) für alle x ∈ Γ und |α| ≤ k − 1 aus den Daten
bestimmen.
(ii) Sei Γ ⊂ Rn−1 × {0} und es gelte
a(0,...,0,k) 6= 0 auf Γ
für alle Argumente von a(0,...,k) . Dann lässt sich Dα u(x) für alle x ∈ Γ
und alle Multiindizes α aus den Daten bestimmen.
[17.7. 2017, Vorlesung 23]
[21.7. 2017, Vorlesung 24]
Definition 5.2. Ein Hyperfäche Γ mit Normale ν heißt nichtcharakteristisch für (5.7), (5.8) im Punkt x∗ falls
X
bα (∇k−1 u(x∗ ), . . . , u(x∗ ), x∗ )ν α 6= 0
(5.9)
|α|=k
Satz 5.3. Sei Γ nichtcharakteristisch für (5.7), (5.8) und sei u eine glatte
Lösung von (5.7), (5.8) zu glatten Daten. Dann sind alle partiellen Ableitungen von u auf Γ eindeutig durch die Daten (d.h die Funktionen g0 , . . . , gk−1 ,bα
und b0 sowie die Hyperebene Γ) bestimmt.
Beweis. Sei oBdA 0 ∈ Γ. Sei A : Rn → Rn eine invertierbare lineare Abbildung mit A(Γ) = Γ̃ := {x ∈ Rn : xn = 0}. Sei τ ∈ Rn ein beliebiger Vektor
der senkrecht auf ν steht. Dann gilt
(τ, AT en ) = (Aτ, en ) = 0
Daraus folgt dass es λ 6= 0 gibt mit AT en = λν, also
Ani = λνi .
(5.10)
Sei v(y) := u(A−1 y). Dann gilt u(x) = v(Ax) und ∂i u(x) =
Daraus folgt, dass v eine quasilineare PDG der Form
X
Pn
j=1 (∂j v)(Ax)Aji .
b̃α (Dk−1 v(y), . . . , v(y), y)Dα v(y)
|α|=k
+ b̃0 (Dk−1 v(y), . . . , v(y), y) = 0 in U, (5.11)
löst und b̃(0,...,k) =
6 0 dann wenn
aus Proposition 5.1
P
|α|=k bα ν
114
α
6= 0. Damit folgt dies Aussage
[24. Juli 2017]
Details für k = 2:
Es ist einfacher, die Summen nicht in der Multiindexnotation zu
Pschreiben,α
sondern über alle Indices explizit zu summieren. Damit wird aus |α|=2 bα D u
P
der Ausdruck ki1 ,i2 =1 Bi1 i2 ∂i1 ∂i2 u und es gilt
k
X
Bi1 i2 (. . .) ∂i1 ∂i2 u + b0 (. . .) = 0
i1 ,i2 =1
und somit
k
X
k
X
Bi1 i2 Aj1 i1 Aj2 i2 ∂j1 ∂j2 v + b0 (. . .) = 0.
i1 ,i2 =1 j1 ,j2 =1
Mit der Wahl b̃j1 j2 (. . .) =
k
X
Pk
i1 ,i2 =1 Bi1 i2 Aj1 i1 Aj2 i2 (. . .)
folgt
B̃j1 j2 (. . .) ∂j1 ∂j2 v + b0 (. . .) = 0
j1 ,j2 =1
und
B̃nn =
k
X
Bi1 i2 Ani1 Ani2 = λ2
i1 ,i2 =1
X
Bi1 i2 νi1 νi2 =
X
bα ν α .
|α|=2
Der Fall k > 2 ist analog.
Satz 5.4 (Cauchy-Kowalevskaya). Seien alle Daten analytisch, Γ nichtcharakteristisch für (5.7), (5.8) und x∗ ∈ Γ. Dann existiert ein r > 0 und eine
eindeutig bestimmte analytische Funktion u auf B(x∗ , r), so dass (5.7), (5.8)
in U ∩ B(x∗ , r) bzw. Γ ∩ B(x∗ , r) gelten.
Beweis. Evans, Kapitel 4.6. Man reduziert die Situation zunächst auf ein
System von partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung in dem man
die Ableitungen Dα u mit 1 ≤ |α| ≤ m − 1 als neue unabhängige Variablen einführt, und wendet dann die Methode der Majoranten an, um die
Konvergenz der entstehenden Potenzreihe zu zeigen.
Beispiel. Für die eindimensionale Wellengleichung ∂t2 u−∂x2 u = 0 sind alle
Hyperbenenen, mit Ausnahmen der Ebenen x = ±t + const nichtcharakteristisch.
115
[24. Juli 2017]
Beispiel. Für die Laplacegleichung ∆u = 0 sind alle Hyperebenen nichtcharakteristisch. Daher hat für analytische Daten das Cauchyproblem lokal
immer eine analytische Lösung. Allerdings ...
... ist das Problem ist nicht wohlgestellt in dem Sinne, dass kleine Störungen der Daten kleine Abweichungen der Lösung implizieren. Dazu kann man
das Beispiel Γ = R ⊗ {0} betrachten mit
uk =
1 kx2
e cos kx1 ,
k2
gk0 (x1 ) =
1
cos kx1 ,
k2
gk1 =
1 kx2
e cos kx1 . (5.12)
k
Dann konvergieren gk0 und gk1 gleichmäßig gegen Null für k → ∞, aber es
gilt uk (x1 , x2 ) → ∞, falls x2 > 0 und cos kx1 6= 0.
5.2
Klassifikation linearer PDG zweiter Ordnung
Definition 5.5. Sei A ∈ Rn×n mit AT = A und
L :=
n
X
Aij ∂i ∂j .
i,j=1
(i) Der Operator L heißt elliptisch, falls alle Eigenwerte von A oder von
-A strikt positiv sind.
(ii) Der Operator L heißt hyperbolisch, falls für A oder -A gilt, dass ein
Eigenwert strikt negativ und n − 1 Eigenwerte strikt positiv sind.
P
(iii) Der Operator ∂n − n−1
i,j=1 Aij ∂i ∂j heißt parabolisch, falls alle Eigenwerte von A strikt positiv sind.
Bemerkung. Falls L elliptisch ist läßt sich die Gleichung Lu = f durch
eine lineare Koordinatentransformation in die Gleichung −∆v = g oder
∆v = g transformieren. Falls L hyperbolisch ist, läßt sich die Gleichung in
die Wellengleichung tranformieren.
5.3
Elliptische PDG höherer Ordnung
Dieses Unterkapitel wurde nur sehr kurz besprochen.
Wir betrachten jetzt eine Klasse von partiellen Differentialoperatoren für,
die sich recht einfach eine allgemeine Theorie entwickeln läßt.6
6
Dieses Unterkapitel gibt einen ersten Einblick in Fouriermethoden für allgemeine lineare partielle Differentialoperatoren. Eine ausführliche Darstellung findet u.a. in den
folgenden Büchern: L. Hörmander, Linear partial differential operators, Springer und L.
Hörmander, The analysis of linear partial differential operators I - IV, Springer. Die Darstellung hier folgt teilweise Rudin, Functional analysis, Kapitel 8, Abschnitt ’Elliptic equations’
116
[24. Juli 2017]
Notation: Wir betrachten in diesem Kapitel Funktionen mit Werten in
C und führen für dieses Unterkapitel die Notation
Dj := (−i)∂j
(5.13)
Dj eξ = ξj eξ .
(5.14)
ein. Dann gilt für eξ (x) := eiξ·x
Erinnerung: Für u ∈ L1 (Rn ; C) ist die Fouriertransformation definiert
durch
ˆ
(Fu)(ξ) :=
e−iξ·x u(x) dx
(5.15)
Rn
und wir definieren
1
(F̃v)(x) :=
(2π)n
ˆ
eiξ·x v(ξ) dξ
(5.16)
Rn
Dann lassen sich F und F̃ zu beschränkten linearen Abbildungen von L2 (Rn , C)
auf sich fortsetzen und es gilt
(F)−1 = F̃,
(F̃v)(x) =
1
(Fv)(−x).
(2π)n
und der Satz von Plancherel
ˆ
ˆ
1
n
f g dL =
Ff Fg dLn
(2π)n Rn
Rn
(5.17)
∀f, g ∈ L2 .
(5.18)
Definition 5.6. Sei P : Rn → C ein Polynom m-ten Grades, d.h.
X
P (ξ) =
aα ξ α
|α|≤m
mit aα ∈ C. Dann definieren wir den Differentialoperator
X
X
P (D) :=
aα D α =
aα (−i)|α| ∂ α .
|α|≤m
|α|≤m
Zu jedem linearen Differentialoperator m-ter Ordnung gibt es genau ein Polynom P m-ten Grades mit L = P (D). P heißt das Symbol von L. Der
Operator
X
Pm (D) =
aα D α
|α|=m
heißt Hauptteil von P (D).
117
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Lemma 5.7. Sei m ∈ N \ {0}, ϕ ∈ Ccm (Rn ), sei ψ ∈ L2 (Rn ) und habe
kompakte Träger. Dann gilt:
(i) F(∂ α ϕ)(ξ) = i|α| ξ α (Fϕ)(ξ) für |α| ≤ m;
(ii) F(P (D)ϕ)(ξ) = P (ξ)Fϕ(ξ);
(iii) F −1 ψ ∈ C ∞ (Rn ) und falls ψα (ξ) := i|α| ξ α ψ(ξ), so ist F −1 (ψα ) =
∂ α (F −1 ψ). Außerdem gilt ∂ α (F −1 ψ) ∈ L2 (Rn ).
Beweis. (i): Für Ableitungen erster Ordnung (|α| = 1) ist dies gerade Lemma 4.33 (v) aus Analysis 3. Der allgemeine Fall folgt durch Induktion.
(ii): Dies folgt unmittelbar aus (i) und der Definition von P (D).
(iii): Da ψ kompakten Träger hat liegen ψ und ψα in L1 ∩ L2 . Die Aussage
F −1 ψ ∈ C 1 und die Formel für ∂ α ψ folgen für |α| = 1 aus Lemma 4.33
(iv) aus Analysis 3 (mit mit F̃ statt F). Damit folgt (iii) mit vollständiger
Induktion und dem Satz von Plancherel.
Definition 5.8. Der Operator P (D) heißt elliptisch, falls für den Hauptteil
Pm gilt
Pm (ξ) 6= 0 für alle ξ ∈ Rn \{0}.
Bemerkung. Ein Differentialoperator (mit konstanten Koeffizienten) ist
also genau dann elliptisch, wenn jede Hyperebene nichtcharakteristisch ist.
P
Beispiel. (i) Laplace Operator: P (D) = ∆, P (ξ) = −|ξ|2 = − nj=1 ξj2 .
(ii) Bilaplace Operator P (D) = ∆2 , P (ξ) = |ξ|4
(iii) Cauchy-Riemann Operator P (D) = ∂1 + i∂2 , P (ξ) = iξ1 − ξ2
(iv) Der Operator ∂2 − ∂12 ist nicht elliptisch. Es gilt P (ξ) = iξ2 + ξ12 . Der
Haupteil ist P2 (ξ) = ξ12 und es gilt P2 (ξ) = 0 für ξ = (0, 1).
(v) Der Operator ∂22 − ∂12 ist nicht elliptisch.
Proposition 5.9. Folgende Aussagen sind äquivalent:
(i) P (D) ist elliptisch.
(ii) Es gibt ein c > 0, so dass |Pm (ξ)| ≥ c für alle ξ ∈ S n−1 .
(iii) Es gibt ein c > 0, so dass |Pm (ξ)| ≥ c|ξ|m für alle ξ ∈ Rn .
Beweis. (i) =⇒ (ii): Die Funktion ξ 7→ |P (ξ)| ist stetig und nimmt daher
ihr Minimum auf der kompakten Menge S n−1 an. Nach (i) gilt P (ξ) 6= 0 für
alle ξ ∈ S n−1 . Daraus folgt (ii).
(ii) =⇒ (iii): Pm ist positiv homogen von der Ordnung m, d.h. Pm (λξ) =
λm P (ξ) für alle λ ≥ 0. Daraus folgt die Behauptung.
(iii) =⇒ (i): Dies folgt unmittelbar aus der Definition der Elliptizität.
118
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Proposition 5.10. Sei P (D) elliptisch und seien die Koeffizienten bα =
im aα für alle α mit |α| = m reell. Dann ist m = 2k für ein k ∈ N.
P
Beweis. Sei m ungerade und sei Qm (ξ) = |α|=m bα ξ α . Dann nimmt Qm
Werte in R an und es gilt Pm = (−i)m Qm . Daher reicht es zu zeigen, dass
Qm eine Nullstelle auf S n−1 hat. Dies folgt aus der Eigenschaft Qm (−ξ) =
−Qm (ξ) und dem Zwischenwertsatz (betrachte eine Kurve in S n−1 , die ξ ∈
S n−1 und −ξ verbindet.
Proposition 5.11. Sei P (D) = Pm (D) elliptisch. Dann gibt es ein C > 0,
so dass
X
k∂ α ukL2 ≤ CkP (D)ukL2 ∀u ∈ Ccm .
|α|=m
Beweis. Sei |α| = m. Mit Eigenschaft (iii) in Proposition 5.9 gilt
|F(∂ α u)|(ξ) = |ξ α Fu(ξ)| ≤ |ξ|m |Fu(ξ)| ≤ C|P (ξ)Fu(ξ)| = C|F(P (D)u)(ξ)|.
(5.19)
Die Aussage folgt mit dem Satz von Plancherel.
Definition 5.12.
n
o
H l := u ∈ L2 (Rn ) : |ξ|l u
b(ξ) ∈ L2 (Rn ) ,
ˆ
1 1
l 2
2
2
b 2 =
(1 + |ξ|2l )|b
u|2 dLn .
kukH l := kukL2 +
ξ u
(2π)n
(2π)n Rn
L
Proposition 5.13. Sei l ∈ N \ {0}. Dann gilt:
(i) Eine Funktion u ist in H l genau dann wenn u ∈ L2 und wenn alle
distributionellen Ableitungen ∂ α u von u mit |α| ≤ l in L2 sind. Falls
u ∈ H l so gilt für die distributionellen Ableitungen
∂ α u = F −1 hα ,
mit hα (ξ) = iα ξ α Fu(ξ)
für |α| ≤ l.
(5.20)
Weiterhin existieren c, C > 0, so dass
X
X
c
k∂ α uk2L2 ≤ kuk2H l ≤ C
k∂ α uk2L2
|α|≤l
|α|≤l
für alle u ∈ H l
(ii) Für u ∈ H l und ϕ ∈ Cc∞ ist ϕu ∈ H l und es gilt
kϕukH l ≤ CkϕkC l kukH l .
119
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(iii) Sei u ∈ H l und sei ∂j u die distributionelle Ableitung. Dann gilt
∂j u ∈ H l−1 .
(iv) Cc∞ ∩ H l ist dicht in H l .
Bemerkung. Falls u ∈ C l in (i) bzw. u ∈ C 1 in (iii), so können die distributionellen Ableitungen durch gewöhnliche Ableitungen ersetzt werden.
Beweis. (i): Es reicht, reelwertige u zu betrachten (sonst kann man Real- und
Imaginärteil separat betrachten). Sei zunächst u ∈ H l und |α| ≤ l. Sei Tu die
durch u gegebene Distribution, sei ϕ ∈ Cc∞ und sei hα (x) = i|α| ξ α Fu(ξ). Da
u ∈ H l , ist hα ∈ L2 . Mit der Definition der distributionellen Ableitung, dem
Satz von Plancherel, Lemma 5.7 und nochmaliger Anwendung des Satzes
von Plancherel
ˆ
α
|α|
α
|α|
∂ Tu (ϕ) = (−1) Tu (∂ ϕ) = (−1)
u∂ α ϕ dx
(5.21)
Rn
ˆ
1
= (−1)|α|
FuF∂ α ϕ dξ
(5.22)
(2π)n Rn
ˆ
1
=
Fu(ξ)i|α| ξ α Fϕ(ξ) dξ
(5.23)
(2π)n Rn
ˆ
=
(F −1 hα )(x)ϕ(x) dx.
(5.24)
Rn
Daraus folgt, dass die distributielle Ableitung ∂ α Tu durch die Distribution
TF −1 hα gegeben ist und wegen des Satzes von Plancherel ist F −1 hα ∈ L2 .
Die Abschätzung der Norm von u in H l folgt aus dem Satz von Plancherel
und der elementaren Abschätzung
X
X
c0
|ξ α |2 ≤ 1 + |ξ|2l ≤ C 0
|ξ α |2 .
(5.25)
|α|≤l
|α|≤l
Seien nun umgekehrt die distributionellen Ableitungen von u bis zur
Ordnung l in L2 , d.h. es gebe gα ∈ L2 so dass
ˆ
ˆ
|α|
α
(−1)
u∂ ϕ dx =
gα ϕ dx
(5.26)
Rn
Rn
für alle ϕ in Cc∞ . Wir bemerken zunächst, dass diese Identität auch für
Funktionen ϕ ∈ C ∞ gilt, für die alle partiellen Ableitungen in L2 sind. Dazu
reicht es, zunächst die Identität mit ηk ϕ anzuwenden, mit ηk = η(x/k) und
η ∈ Cc∞ (B(0, 1), η|B(0,1/2) = 1, und dann den Limes k → ∞ zu betrachten.
120
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Sei ψ ∈ L2 mit kompakten Träger und ϕ = F −1 ψ. Nach Lemma 5.7 ist
ϕ ∈ C ∞ alle Ableitungen von ϕ sind in L2 . Aus (5.26) folgt mit dem Satz
von Plancherel
ˆ
ˆ
(Fgα )(ξ)ψ(ξ) dξ ∀ψ ∈ Cc∞ (Rn ; C). (5.27)
(Fu)(ξ)i|α| ξ α ψ(ξ) dξ =
Rn
Rn
Nach Voraussetzung ist u ∈ L2 und somit gilt Fu ∈ L2 . Setzt man h =
(Fu)(ξ)i|α| ξ α − Fgα , so ist h in L2,loc und mit ψ = hχB(0,k) , folgt h = 0 fast
überall in B(0, k) und somit h = 0 fast überall in Rn . Mit (5.25) und dem
Satz von Plancherel folgt die Behauptung.
(ii): Für ϕ ∈ Cc∞ und eine Distribution T ist die Distribution ϕT definiert
durch (ϕT )(η) = T (ϕη) für alle η ∈ Cc∞ . Dann gilt für die distributionelle
Ableitung
(∂j (ϕT ))(η) = −(ϕT )(∂j η) = −T (ϕ∂j η) = −T (∂j (ϕη) − (∂j ϕ)η)
(5.28)
und somit ∂j (ϕT ) = ϕ(∂j T ) + (∂j ϕ)T . Damit folgt die Behauptung mit (i)
und vollständiger Induktion.
(iii): Dies folgt unmittelbar aus (i).
(iv): Wir zeigen zunächst, dass C ∞ ∩ H l dicht in H l ist. Dazu betrachten
wir die Gausskerne
a n/2 k 2
1
2
hk (x) :=
(5.29)
e− 2 |x| , Hk (ξ) := e− 2k |ξ| .
2π
Es gilt Fhk = Hk (Analysis 3, Lemma 4.36). Sei u ∈ H l und uk := hk ∗ u.
Dann gilt uk ∈ C ∞ und Fuk = Hk Fu. Daraus folgt uk ∈ H l und mit dem
Satz über dominierte Konvergenz folgt, dass uk → u in H l .
Es bleibt zu zeigen, dass es für u ∈ H l ∩ C ∞ Funktionen vk ∈ Cc∞ gibt
mit vk → u in H l . Sei η ∈ Cc∞ (B(0, 1)) mit η = 1 auf B(0, 1/2), sei
ηk (x) = η(x/k) und sei vk = ηk u. Dann konvergieren alle Ableitungen von
ηk gleichmässig gegen Null. Außerdem folgt mit dominierter Konvergenz
(1 − ηk )w → 0 in L2 für jede L2 Funktion w. Damit folgt aus der Produktregel und (i), dass vk → u in H l .
Satz 5.14 (Sobolev-Einbettung). Sei j ∈ N, u ∈ H l und j ∈ N0 mit l >
n
j
2 + j. Dann gibt es eine Funktion ũ ∈ C mit ũ = u fast überall und
sup ∇j ũ ≤ CkukH l .
Bemerkung.
Man unterscheidet häufig nicht zwischen u und ũ.
121
[24. Juli 2017]
Beweis. Sei zunächst j = 0 und l > n/2. Es reicht zu zeigen, dass Fu ∈ L1 .
Dann folgt die Aussage aus der Identität u = F̃(Fu) fast überall und Lemma
4.33 (i) in Analysis 3 (mit F̃ statt F). Wir schreiben
Fu(ξ) =
1
[(1 + |ξ|2l )1/2 Fu(ξ)].
(1 + |ξ|2l )1/2
(5.30)
Der zweite Faktor ist in L2 nach Definition von H l . Der erste Faktor ist in
L2 , da l > n/2. Daher ist Fu in L1 .
Für j ≥ 1 folgt analog, dass ξ 7→ |ξ|k Fu(ξ) für k ≤ j eine L1 -Funktion
ist. Dann folgt die Behauptung durch mehrfache Anwendung von Lemma
4.33 (iv) aus Analysis 3 (mit F̃ statt F).
Satz 5.15. Sei U ⊂ Rn offen, P (D) elliptisch, f ∈ C ∞ (U ) und u ∈ C m (U )
mit
P (D)u = f in U.
Dann ist u ∈ C ∞ (U ).
Beweis. Um die Notation zu vereinfachen, betrachten wir nur den Fall P =
Pm und f = 0. Sei x ∈ U und B(x, r) ⊂ U . Sei ϕ ∈ Cc∞ (B(x, r)), sei v =
ϕu. Wir werden zunächst zeigen, dass v ∈ H m+1 . Ein Iterationsargument
liefert dann beliebig hohe Sobolevregularität und mit dem Sobolevschen
Einbettungssatz folgt u ∈ C ∞ (B(x, r/2). Nach der Produktregel gilt
X
X
P (D)v = P (D)(ϕu) =
cα,β,γ ∂ β ϕ ∂ γ u := w. (5.31)
|α|=m β,γ, β+γ=α,|β|≥1
Mit Fouriertransformation folgt
P (ξ)Fv(ξ) = Fw(ξ).
(5.32)
und mit der Elliptizität von P (D) ergibt sich
|Fv(ξ)| ≤
C
|Fw(ξ)|.
|ξ|m
(5.33)
Aus Proposition 5.13 (ii) und (iii) folgt, dass w ∈ H 1 , da in der Definition
von w höchstens m − 1 Ableitungen von u auftreten. In Verbindung mit
(5.33) folgt, dass v ∈ H m+1 .
Um höhere Regularität zu zeigen, betrachten wir eine absteigende Folge
von Kugeln Bi = B(x, ri ) mit r1 = r, ri+1 < ri und ri > r/2 und Abschneidefunktionen ϕi ∈ Cc∞ (Bi ) mit ϕi = 1 auf Bi+1 und definieren vi = ϕi u.
Behauptung: vi ∈ H m+i .
122
[24. Juli 2017]
Für i = 1 wurde dies bereits gezeigt. Für den allgemeinen Fall verwenden
wir vollständige Induktion. Sei die Behauptung für i gezeigt. Dann gilt wie
oben
P (D)vi+1 = wi+1
X
wi+1 =
(5.34)
X
cα,β,γ ∂ β ϕi+1 ∂ γ u
(5.35)
cα,β,γ ∂ β ϕi+1 ∂ γ vi .
(5.36)
|α|=m β,γ, β+γ=α,|β|≥1
=
X
X
|α|=m β,γ, β+γ=α,|β|≥1
Dabei haben wir im letzten Schritt ausgenutzt, dass ϕi = 1 und somit vi = u
auf Bi+1 und ϕi+1 = 0 auf Rn \ Bi+1 . Nach Induktionsvoraussetzung gilt
vi ∈ H m+i und (m − 1)-malige Anwendung von Proposition 5.13 (iii) liefert
wi+1 ∈ H 1+i . In Verbindung mit der Elliptizitätsabschätzung (5.33) (mit
vi+1 und wi+1 anstelle von v und w) folgt vi+1 ∈ H m+i+1 .
Aus dem Sobolevschen Einbettungssatz folgt, dass vi ∈ C k falls m + i >
k + n/2. Da vi = u in B(x, r/2), gilt u ∈ C k (B(x, r/2) für alle k und somit
u ∈ C ∞ (B(x, r/2)).
Satz 5.16. Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
(i) Jede Lösung von P (D)u = 0 ist analytisch.
(ii) P (D) ist elliptisch.
Die Implikation (ii) =⇒ (i) wurde 1939 von I.G. Petrowsky bewiesen7 ,
auch für quasilineare und voll nichtlineare Gleichungen und für Systeme
partieller Differentialgleichungen (s. unten). Es gibt insbesondere drei Beweisstrategien:
• Quantitative Abschätzung der höheren Ableitungen (analog zum Beweis von Satz .....), z.B. indem man die Normen in den obigen H m
Abschätzungen iterativ kontrolliert und die Soboleveinbettung benutzt8
• Fortsetzung der Gleichung auf komplexe Argumente xi (s. Petrowsky)
• Quantitative Abschätzung des Abfall der Fouriertransformierten von
abgeschnittenen Funktionen9 ϕN u
7
Petrowsky, I. G. Sur l’analyticité des solutions des systèmes d’équations différentielles,
Rec. Math. N. S. [Mat. Sbornik] 5 (47), (1939). 3–70. Für n = 2 wurde das Resultat von
S. Bernstein 1904 in der Arbeit ’Sur la nature analytique des solutions des équations aux
dérivées partielles du second ordre’, Math. Annalen 59 (1904), 20–76, bewiesen.
8
zur Illustration der Methode siehe z.B. Kapitel 5.7 in C.B. Morrey, Multiple integrals
in the calculus of variations, Springer 1966
9
s. Thm. 8.6.1 in L. Hörmander, The analysis of partial differential operators I, 2nd
ed., Springer, 1990. Der analytische Fall entspricht der Wahl LN = N + 1 in (8.4.5) und
für elliptische Operatoren ist Char P = ∅
123
[24. Juli 2017]
Der Beweis (i) =⇒ (ii) ist einfach, falls P = Pm , also wenn es keine
Terme niedrigerer Ordnung gibt. Falls nämlich Pm (ξ) = 0 für ξ ∈ Rn \ {0},
dann ist u = h(x · ξ) für alle h ∈ C m (R) eine Lösung von Pm (D)u = 0.
Insbesondere gibt es Lösungen, die nicht analytisch sind. Für allgemeine P
ist der Beweis wesentlich subtiler. Man kann zeigen, dass es eine Lösung in
C ∞ (Rn ) gibt, die nicht identisch Null ist, aber in dem Halbraum {x : x · ξ >
0} verschwindet10 . Ein solche Funktion kann nicht analytisch sein.
Bemerkung. Ähnliche Aussagen gelten für Systeme von k partiellen Differentialgleichungen für k Funktionen u1 , . . . , uk . In diesem Fall ist P ein
Polynom, dessen Koeffizienten komplexe k × k Matrizen sind und Pm (ξ) ist
eine komplexe k × k Matrix. Der Operator P (D) heißt elliptisch, falls gilt:
Pm (ξ)
ist invertierbar für alle ξ ∈ Rn \ {0} .
(5.37)
In diesem Fall ist die Abbildung ξ 7→ Pm (ξ)−1 stetig und damit sieht man
leicht, dass die Bedingung (5.37) äquivalent ist zu
|Pm (ξ)−1 | ≤
C
|ξ|m
für alle ξ ∈ Rn \ {0} .
(5.38)
Damit lassen sich Satz 5.15 und Satz 5.16 auf elliptische Systeme übertragen.
[21.7. 2017, Vorlesung 24]
[24.7. 2017, Vorlesung 25]
10
s. Thm. 8.6.7 in L. Hörmander, The analysis of partial differential operators I, 2nd
ed., Springer, 1990
124
[24. Juli 2017]
6
Rückblick und Ausblick
6.1
Wohlgestellte Probleme
Definition 6.1. Ein Problem heißt wohlgestellt, falls gilt:
(i) Für alle Daten gibt es eine Lösung.
(ii) Die Lösung ist eindeutig.
(iii) Die Lösung hängt stetig von den Daten ab.
Beispiel: U ⊂ Rn offen, beschränkt, mit Barriereeigenschaft.
Daten: g ∈ C(∂U ).
Gesucht: u ∈ C 2 (U ) ∩ C 0 U , so dass
−∆u = 0
in U,
u=g
auf ∂U .
(i) Existenz: Perron-Methode.
(ii) Eindeutigkeit: Maximumprinzip.
(iii) Stetige Abhängigkeit: ku1 − u2 kC 0 ≤ kg1 − g2 kC 0 (Maximumprinzip).
6.2
Lösungsmethoden für partielle Differentialgleichungen
(i) Separation der Variablen
Beispiele:
u(x) = u1 (x1 ) · · · un (xn )
u(x) = f (r)g(ϕ)
iωt
u(x, t) = e
v(x)
(Polarkoordinaten, Übungsblatt 1)
(Schwingungen, Satz 3.14, Übungsblatt 10)
Häufig benutzt in Verbindung mit Superposition, z.B.
u(x) =
X
fk (r)gr (ϕ)
(vgl. Multipolentwicklung, Sätze 1.38, 1.40)
(ii) Entwicklung in eine Potenzreihe
(Satz von Cauchy-Kowalewskaya, Satz 5.4)
125
[24. Juli 2017]
(iii) Reduktion auf gewöhnliche Differentialgleichungen (GDG) durch Symmetrien und Selbstähnlichkeit
Beispiele:
u(x) = v(|x|)
(Laplacegleichung)
2
u(x, t) = v
|x|
t
!
(Wärmeleitungsgleichung)
(iv) Charakteristiken (Kapitel 4.1)
Einfachste Variante: Bestimme eine Schar von Kurven als Lösung einer
GDG. Löse dann GDG entlang jeder Kurve.
Beispiel:
∂t u + u ∂x u = 0
(Burgersgleichung)
(v) Darstellungsformel, Fundamentallösung, Greensche Funktion
Idee: Falls LN = δ0 in Rn , so löst u := N ∗ f
Lu = f in Rn .
Beispiel: Laplacegleichung (Satz 1.26), ähnliche Lösungsformel für Wärmeleitungsgleichung (Satz 2.8) und Wellengleichung (Satz 3.15).
Greensche Funktion für Randwertprobleme (Satz 1.46)
−∆y G(x, y) = δx
in U ,
für y ∈ ∂U .
ˆ
∂G
n−1
(x, y)g(y) dH
(y) +
G(x, y)f (y) dLn (y)
∂ν
U
G(x, y) = 0
ˆ
⇒ u(x) = −
∂U
löst
−∆u = f
in U ,
u=g
auf ∂U .
(vi) Fouriertransformation
P (−i∇)u = f
⇐⇒ P (ξ)b
u(ξ) = fb(ξ)
Reeller Raum
Fourierraum
Differenzieren
Multiplizieren
Lösung PDG
Division.
(vii) Existenz durch a priori Abschätzungen und Kompaktheit
Beispiel: Perronmethode.
126
[24. Juli 2017]
(viii) Fixpunktargument
Beispiel: nichtlineare Wärmeleitungsgleichung
∂t u − ∆u = F (u)
u(x, 0) = u0 (x)
in Rn × (0, t0 )
für x ∈ Rn .
Lösung als Fixpunkt des Integraloperators T , wobei
ˆ tˆ
ˆ
Φ(x−y, t−s)F (u(y, s)) dyds ,
Φ(x−y, t)u0 (y) dy+
(T u)(x, t) =
Rn
0
Rn
siehe Bemerkung am Ende von Kapitel 2.5.
(ix) Variationsmethoden
Beispiel: Satz 1.75. Falls u ∈ C 2 (U )
ˆ
1
I(u) =
|∇u|2 − f u dLn
2
U
minimiert, so gilt
−∆u = f
in U .
[24.7. 2017, Vorlesung 25]
[28.7. 2017, Vorlesung 26]
6.3
6.3.1
Wichtige Eigenschaften partieller Differentialgleichungen
−∆u = f ”elliptisch“
• (Starkes) Maximumsprinzip (Satz 1.13)
Harnackungleichung
Perron Methode
• Regularität (Sätze 1.7, 1.15, 1.18), analytische Fortsetzung.
• Variationsformulierung (Satz 1.75).
• Liouville (”Regularität bei ∞“).
(∆u = 0, |u| ≤ Polynom ⇒ u ist Polynom.)
• Darstellungsformel/Greensche Funktion (Satz 1.46)
• Mittelwerteigenschaft (Satz 1.3)
Wohlgestellt: Randwertproblem (Maximumsprinzip + Perron).
Nicht wohlgestellt: Cauchy-Problem:
−∆u = 0 in Rn+ .
u = g, ∂n u = h, auf ∂Rn+ .
127
[24. Juli 2017]
• Global überbestimmt. Schon eindeutige Lösung u ∈ L∞ (Rn+ ) für g ∈
C(Rn−1 ) ∩ L∞ (Rn−1 ) (Idee: Fortsetzung durch Spiegelung und Liouville).
• Lokal lösbar, aber keine stetige Abhängigkeit:
uk =
1
1
cosh(kx2 ) sin(kx1 ), gk = sin(kx1 ), hk = 0,
k
k
Dann gilt
kgk kC 0 → 0, für k → ∞,
aber nicht
kuk kC 0 → 0.
Siehe die Diskussion am Ende von Kapitel 5.1.
6.3.2
∂t u − ∆u = f ”parabolisch“
• Darstellungsformel für Rn × (0, ∞) (Satz 2.3).
• Duhamelsches Prinzip/Variation der Konstanten (Satz 2.8).
• Unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit (Satz 2.6).
• Maximumsprinzip (Satz 2.10).
• Regularität: Skalierung in t und x. ∂t =
ˆ ∂x2 .
Sofortige Glättung für t > 0.
C
k
∇ u(·, t) ≤ k/2 ku0 k∗ ,
∗
t
siehe Lemma 2.5.
• Energiemethoden, Eindeutigkeit (Sätze 2.16, 2.17)
• Nichtlineare Gleichungen
∂t u − ∆u = N (u)
(Bemerkung am Ende von Kapitel 2.5)
Wohlgestellt: Cauchy-Problem.
Nicht wohlgestellt: Rückwärts in der Zeit, Anfangs- und Endbedingungen.
128
[24. Juli 2017]
6.3.3
∂t2 u − ∆u = f ”hyperbolisch“
• Darstellungsformel (Sätze 3.5, 3.6)
• Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit. Ausbreitung am Rand/im Innern des Lichtkegels (ungerade/gerade Dimension).
• Transport von Oszillationen.
• Verlust von C k -Regularität in höheren Dimensionen (“Fokussierung”).
• Energiemethoden/Energiegleichung (Satz 3.11).
• Schwingungen und Eigenfunktionen (Satz 3.14).
Wohlgestellt: Cauchyproblem.
Nicht wohlgestellt: Randwertproblem.
6.3.4
Quasilineare Gleichungen erster Ordnung
• Charakteristiken (Kapitel 4.1).
• Beispiel: Burgersgleichung (Glg. (4.125)), Nichtexistenz glatter Lösungen, schwache Lösungen, Nichteindeutigkeit
• Voll nichtlineare Gleichungen, Hamilton-Jacobi Gleichungen, Beispiel:
|∇u| = 1 (Sandhaufenmodell, Optik, optimale Routenplanung)
6.3.5
”Allgemeine“ PDG
• Nichtcharakteristische Hyperebenen (Definition 5.2).
• Cauchy-Kowalevskaja (Satz 5.4).
• Elliptizität (Definitionen 5.5 und 5.8, Regularität: Satz 5.15 und Satz
5.16)
• P (D) elliptisch ⇔ die Gleichung Pm (D)u = 0 hat keine Lösungen der
Form u(x) = eiξ·x mit ξ ∈ Rn \ {0}
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[24. Juli 2017]
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