„Privatkopie und Pauschalvergütungssystem der §§ 53 Abs. 1, 54 ff. UrhG im Zeitalter der Digitalisierung. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung“ Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor iuris (Dr. iur.) vorgelegt dem Fakultätsrat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität, Jena von Florian Friedrich Prechtl, geboren am 9. September 1975 in München Die vorliegende Arbeit wurde am 6. September 2006 durch den Fakultätsrat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität zur Promotion angenommen. Ich möchte mich bei meiner geschätzten Doktermutter, Frau Prof.-Dr. Leisner-Egensperger, für die großzügig gewährte wissenschaftliche Freiheit und ie unkomplizierte und so freundlich gewährte Unterstützung recht herzlich bedanken. München, im Oktober 2006 II Inhaltsverzeichnis III Abkürzungsverzeichnis XII Literaturverzeichnis XVII Teil 1: Einführung und Fragestellung ............................................................ 1 A. Einführung ............................................................................................ 1 I. Die Entstehung des Urheberrechts..................................................... 2 1. Das Altertum .................................................................................. 2 2. Das Mittelalter ................................................................................ 3 3. Das Privilegienwesen ..................................................................... 4 4. Die nationale Gesetzgebung .......................................................... 6 5. Die Internationalisierung des Urheberrechts .................................. 7 6. Ergebnis ......................................................................................... 7 II. Theorienbildung zum Urheberrecht ................................................... 8 1. Die Theorie vom Verlagseigentum ................................................. 8 2. Die Theorie vom geistigen Eigentum ............................................. 9 3. Die Theorie vom Persönlichkeitsrecht .......................................... 11 4. Die Theorie vom Immaterialgüterrecht ......................................... 12 5. Die monistische Theorie .............................................................. 13 6. Ergebnis ....................................................................................... 14 III. Entwicklung der privaten Vervielfältigungsfreiheit im Urheberrecht ....................................................................................... 14 1. Die von der privaten Vervielfältigungsfreiheit betroffenen Interessen ........................................................................................ 15 a) Interessen der Urheber ............................................................ 15 b) Interessen der Werkmittler ....................................................... 16 c) Interessen der Allgemeinheit .................................................... 16 d) Interessen der Werknutzer ....................................................... 17 2. Entstehungsgeschichte des Instituts der Privatkopie nach § 53 Abs. 1 UrhG .................................................................................... 18 a) Die Entstehung des privaten Vervielfältigungsrechts in § 53 Abs. 1 UrhG 1965......................................................................... 19 b) Die Entwicklung des privaten Vervielfältigungsrechts bis heute21 III B. Fragestellung und Gang der Untersuchung ........................................ 23 I. Fragestellung .................................................................................... 23 1. Begriff und Auswirkungen der Digitalisierung für den Bereich privater Vervielfältigung ................................................................... 23 a) Begriff der Digitalisierung ......................................................... 23 b) Auswirkungen der Digitalisierung ............................................. 24 2. Herausforderungen an den Gesetzgeber angesichts der zunehmenden Digitalisierung im Bereich privater Vervielfältigung .. 26 3. Begriff der privaten Vervielfältigung ............................................. 27 II. Gang der Untersuchung .................................................................. 28 Teil 2: Der verfassungsrechtliche Schutz des Urhebers ............................. 30 A. Bedeutung des Verfassungsrechts für den Urheber im Überblick ...... 30 B. Der Schutz des Urhebers durch die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG .. 31 I. Besonderheit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs .......... 33 II. Verfassungsrechtliche Grenzen des Gesetzgebers......................... 35 1. Leistungsprinzip als Verfassungsprinzip ...................................... 35 2. Allgemeine rechtsstaatliche Schranken ....................................... 38 a) Institutsgarantie ........................................................................ 38 b) Wesensgehaltsgarantie ............................................................ 40 c) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .......................................... 41 d) Vertrauensschutzprinzip ........................................................... 43 e) Gleichheitssatz ......................................................................... 44 III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ................... 47 IV. Sozialbindung des Eigentums, Art. 14 Abs. 2 GG .......................... 49 C. Der Schutz des Urhebers durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG .................................... 51 I. Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ..................................................................... 51 II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten ........................ 53 D. Der Schutz des Urhebers durch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG ............................................................................... 55 I. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG ..................... 55 1. Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff ....................................... 56 IV 2. Der sachliche und personelle Schutzbereich der Kunstfreiheit .... 58 II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten ........................ 59 III. Der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG ..... 60 IV. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten....................... 61 E. Besondere Schrankenqualifikationen und ihre Auswirkungen auf verfassungsrechtlichen Vorgaben der Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit ......................................................................... 62 I. Betroffene Schutzbereiche ............................................................... 64 II. Bestimmung besonderer Schrankenqualifikationen......................... 65 1. Inhalts- und Schrankenbestimmung, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ....... 66 a) Voraussetzungen der Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung ................................................................. 66 b) Konsequenzen der Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung ................................................................. 69 aa) Allgemeine Schranken des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ............ 69 bb) „Zumutbarkeit“ als Abgrenzungsmerkmal für die Ausgleichspflichtigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung ............................................................. 70 (a) „Zumutbarkeit“ als Ausgleichspflicht auslösendes Moment ................................................................................. 71 (b) Inhalt des Zumutbarkeitskriteriums .................................. 72 (aa) Der Sonderopfergedanke ........................................... 72 (bb) Materielle Ergänzung anhand des Schutzzwecks ...... 73 2. Schranken der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG ............................ 74 F. Zusammenfassung ............................................................................. 75 Teil 3: Der Schutz des Urhebers durch Vorgaben des Völker- und Europarechts .............................................................................................. 79 A. Völkerrechtlicher Schutz des Urhebers............................................... 80 I. Einschlägigkeit einzelner Konventionen ........................................... 80 1. RBÜ ............................................................................................. 80 2. WUA ............................................................................................ 81 3. TRIPS .......................................................................................... 81 4. WCT............................................................................................. 82 V II. Bindungen des nationalen Gesetzgebers an Vorgaben des Völkerrechts ........................................................................................ 82 III. Inhalt des internationalen Urheberschutzes im Bereich privater Vervielfältigung .................................................................................... 84 1. Vorgaben der RBÜ....................................................................... 84 a) „Bestimmter Sonderfall“ ........................................................... 86 b) „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“ .......................... 87 c) „Unzumutbare Verletzung berechtigter Interessen“ .................. 88 d) Ergebnis ................................................................................... 92 2. Vorgaben des TRIPS – Abkommens ........................................... 92 3. Vorgaben des WCT ..................................................................... 94 IV. Zusammenfassung......................................................................... 96 B. Europarechtlicher Schutz des Urhebers ............................................. 98 I. Europarechtliche Bestimmungen zum Schutz des Urhebers im Bereich privater Vervielfältigung .......................................................... 98 II. Bindungswirkung europäischer Legislativakte für den deutschen Gesetzgeber ........................................................................................ 99 III. Inhalt des europäischen Urheberschutzes im Bereich privater Vervielfältigung .................................................................................. 102 1. Das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers ......... 102 2. Die Beschränkungen des ausschließlichen Verwertungsrechts des Urhebers ................................................................................. 103 a) Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL .................................................... 104 b) Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL .................................................... 105 c) Zum Begriff des „gerechten Ausgleichs“ ................................ 106 aa) „Gerechter Ausgleich“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 lit. a) und b) Info - RL ....................................................................... 106 bb) Sonderfall: „Gerechter Ausgleich“ im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL .............................................................. 107 d) Art. 5 Abs. 1 Info - RL ............................................................. 108 aa) Vervielfältigungsbegriff ..................................................... 109 bb) Insbesondere: „Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung“ ............................................................................. 110 e) Zum „Dreistufentest“, Art. 5 Abs. 5 Info - RL .......................... 111 VI IV. Zusammenfassung....................................................................... 111 Teil 4: Der verfassungsrechtliche Schutz der Schrankenbegünstigten ..... 114 A. Der Schutz der Schrankenbegünstigten durch die Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ............................................ 115 I. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit .................................... 115 1. Die Informationsquelle ............................................................... 116 2. Allgemeinzugänglichkeit ............................................................ 117 a) Informationsfreiheit als Abwehrrecht ...................................... 118 b) Informationsfreiheit als grundrechtliches Schutzgebot ........... 119 c) Ergebnis ................................................................................. 121 3. Geschütztes Verhalten ............................................................... 122 a) „Unterrichten“ ......................................................................... 122 b) „ungehindert“ .......................................................................... 123 II. Eingriff in und Schranken der Informationsfreiheit ......................... 124 1. Eingriff ........................................................................................ 124 2. Schranken .................................................................................. 124 III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ................. 125 1. Grundrechte als Schutzpflicht .................................................... 126 2. Ausgestaltung der Schutzpflicht ................................................. 128 a) Adressat einer Schutzpflicht ................................................... 129 b) Inhaltliche Anforderungen einer Schutzpflicht ........................ 129 3. Schutzpflicht des Gesetzgebers für den Fall privater Vervielfältigungstätigkeit? .............................................................. 131 a) Stellung der Informationsfreiheit im verfassungsrechtlichen Gesamtkontext ........................................................................... 132 aa) Bedeutungswandel der Informationsfreiheit...................... 133 bb) Verfassungsrechtliche Konsequenzen ............................. 134 b) Qualität der potentiellen Gefährdung der Informationsfreiheit 135 aa) Wesensgehaltsgarantie als Schutzpflicht auslösendes Moment ................................................................................... 136 (a) Gebot des neminem laedere als auslösendes Moment . 136 (b) Eigener Lösungsansatz ................................................. 136 VII bb) Drohender Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit? ............................................................... 138 (a) Wesensgehalt der Informationsfreiheit .......................... 138 (b) Gefährdung des Wesensgehalts der Informationsfreiheit ............................................................................................ 139 c) Abhilfemöglichkeiten der Werknutzer ..................................... 142 d) Ergebnis ................................................................................. 143 IV. Zusammenfassung....................................................................... 144 B. Der Schutz der Schrankenbegünstigten durch den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre ........................................................................ 145 I. Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre ................................. 147 1. Sachlicher Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ......................................................................... 147 2. Eingriff in und Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ......................................................................... 150 a) Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ...................................................................... 150 aa) Der Eingriffsbegriff ............................................................ 150 bb) DRM – Systeme als Eingriff .............................................. 151 b) Die Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ...................................................................... 154 II. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben .................. 156 1. Gefährdungspotenzial einer weltumspannenden Informationsgesellschaft ................................................................ 156 a) Entstehung individualisierter Datenspuren ............................. 157 b) Keine Gewähr ausreichender Datensicherheit ....................... 159 2. Grundrechtliche Schutzpflicht .................................................... 160 a) Stellung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im verfassungsrechtlichen Kontext.................................................. 161 b) Qualität der potentiellen Gefährdung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.............................................. 162 aa) Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung .................................................................. 163 (a) „Persönlichkeitsbild“ als Wesensgehalt?........................ 163 VIII (b) Eigener Ansatz .............................................................. 164 bb) Drohender Eingriff durch DRM – Technologien ................ 166 c) Abhilfemöglichkeiten des Werknutzers ................................... 168 aa) Möglichkeit des Grundrechtsverzichts .............................. 168 bb) Frage nach den Grenzen privatautonomer Gestaltungsfreiheit .................................................................. 170 cc) Schutz durch bestehende Datenschutzgesetzgebung ...... 171 III. Zusammenfassung ....................................................................... 174 C. Schutz der Schrankenbegünstigten durch andere grundrechtliche Bestimmungen ...................................................................................... 175 I. Die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG ....................... 176 II. Die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG ............................................... 177 III. Das Sozial- und Kulturstaatsprinzip .............................................. 178 1. Das Sozialstaatsprinzip .............................................................. 178 2. Das Kulturstaatsprinzip .............................................................. 180 3. Zusammenfassung .................................................................... 182 Teil 5: Der Schutz des Werknutzers durch Vorgaben des Völker- und Europarechts ............................................................................................ 184 A. Völkerrechtlicher Schutz des Werknutzers ....................................... 184 I. Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers durch Art. 10 EMRK ................................................................................................ 185 1. Schutzbereich des Art. 10 EMRK............................................... 185 2. Eingriffsverständnis des Art. 10 EMRK ...................................... 186 3. Schranken und Schranken – Schranken des Art. 10 EMRK ...... 186 4. Zusammenfassung .................................................................... 187 II. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers durch Art. 8 EMRK ................................................................................................ 188 B. Europarechtlicher Schutz des Werknutzers ......................................... 189 I. Schutz des Werknutzers durch die Info – RL 2001/29 EG ............. 189 II. Der Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers ................... 190 1. Auf Primärrechtsebene .............................................................. 191 2. Auf Sekundärrechtsebene ......................................................... 192 III. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers ............................. 192 IX 1. Auf Primärrechtsebene .............................................................. 192 2. Auf Sekundärrechtsebene ......................................................... 192 C. Zusammenfassung ........................................................................... 193 Teil 6: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlich geschützter Werke angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung - Versuch eines Regelungsmodells ................................... 194 A. Systematischer Ausgangspunkt ....................................................... 194 B. Die Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken als verfassungsrechtliche Notwendigkeit .................................................... 195 I. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Güterabwägung ................... 196 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben ............................................... 196 a) Schutz der Urheber und Werkmittler ...................................... 196 b) Schutz der Werknutzer ........................................................... 198 c) Schlussfolgerung .................................................................... 199 2. Rechtspolitische Erwägungen .................................................... 201 3. Internationale Vorgaben ............................................................. 202 a) Vorgaben des Völkerrechts .................................................... 202 b) Vorgaben des Europarechts................................................... 203 4. Ergebnis ..................................................................................... 204 II. Ausgestaltung ................................................................................ 205 1. Zum Begriff des „privaten Gebrauchs“ ....................................... 205 a) Begriff des „privaten Gebrauchs“ unter der Geltung des bisherigen § 53 Abs. 1 UrhG ...................................................... 205 b) Eigene Begriffsbestimmung ................................................... 206 2. Zur Person des Vervielfältigenden ............................................. 209 3. Zur zulässigen Anzahl der Vervielfältigungsexemplare .............. 210 4. Zum rechtlichen Schutz technischer Schutzmaßnahmen .......... 213 a) Verfassungsrechtlicher Rahmen ............................................ 213 b) Europarechtliche Vorgaben .................................................... 214 aa) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Info - RL.................................... 215 bb) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Info - RL.................................... 215 cc) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL .................................... 216 X (a) Verfassungsmäßigkeit des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL? ............................................................................ 218 (b) Verfassungskonforme Auslegung .................................. 219 c) Ergebnis ................................................................................. 221 C. Die Vergütung als verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich .......... 223 I. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage .......................................... 223 1. „Zumutbarkeit“ als ausgleichspflichtbegründendes Moment ...... 223 2. Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Zuordnung durch private Vervielfältigung................................................................... 225 II. Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein Vergütungssystem – Pauschal- oder Individualvergütung? ................................................ 227 1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage ........................................ 228 2. Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ............... 230 a) Geeignetheit ........................................................................... 232 b) Erforderlichkeit ....................................................................... 232 c) Angemessenheit..................................................................... 233 3. Konsequenzen für ein Vergütungsmodell .................................. 234 a) Ein „geeignetes“ Vergütungsmodell ....................................... 235 b) Ein „erforderliches“ Vergütungsmodell ................................... 235 c) Ein „angemessenes“ Vergütungsmodell ................................. 237 aa) Bisher gängige Individualvergütungsmodelle ................... 238 (a) Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Vervielfältigungsfreiheit ....................................................... 238 (b) Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ............................................................... 239 bb) Das geltende Pauschalvergütungsmodell......................... 240 cc) Eigenes alternatives Individualvergütungsmodell ............. 241 D. Ergebnisse der Untersuchung .......................................................... 244 XI Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a.a.O. am angegebenen Ort Abs. Absatz ABl. Amtsblatt EG AcP Archiv für civilistische Praxis Alt. Alternative Amtl. Amtliche, -er, -es AöR Archiv für öffentliches Recht Art. Artikel BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen BK Bonner Kommentar zum Grundgesetz BSGE Entscheidungen des Bundessozialgerichts bspw. beispielsweise BT Bundestag BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CD Compact Disc CR Computer und Recht ders. derselbe d.h. das heißt XII dies. dieselbe dmmv Deutscher Multimedia-Verband Doc. Document Dok. Dokument DÖV Die öffentliche Verwaltung DRM Digital Rights Management DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt DVD Digital Versatile Disc/Digital Video Disc Eds. Editors EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einl. Einleitung endg. endgültig EMRK Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Erg. Ergänzungs- etc. et cetera EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. folgende ff. fortfolgende Fn. Fußnote FS Festschrift GfK Gesellschaft für Konsumgüterforschung GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ggf. gegebenenfalls GRUR Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Int. Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht – Internationaler Teil h.M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber XIII i.d.F. in der Fassung i.d.R. in der Regel IFPI International Federation of the Phonograpfic Industry Info – RL EG – Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft insb. insbesondere IuKDG Informations- und Kommunikationsdienstegesetz i.V.m. in Verbindung mit i.S.d. im Sinne des i.S.v. im Sinne von i.V.m. in Verbindung mit JURA Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung K&R Kommunikation und Recht KUG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie lit. littera LUG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst m. E. meines Erachtens MMR Multimedia und Recht m.w.N. mit weiteren Nachweisen n.F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nr. Nummer RBÜ Revidierte Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst RG Reichsgericht XIV RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RL Richtlinie Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S. Seite sog. so genannte, -r, -s st. ständige, -r, -s str. strittig TRIPS Agreement on Trade – Related Aspects of Intellectual Property Rights u.a. unter anderem UFITA Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Unterabs. Unterabsatz UrhG Urheberrechtsgesetz VG Verwertungsgesellschaft vgl. vergleiche Vol. Volume VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer WahrnG Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten WCT WIPO Copyright Treaty WIPO World Intellectual Property Organisation WTO World Trade Organization WUA Welturheberrechtsabkommen www World Wide Web ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht ZgS Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Ziff. Ziffer zit. zitiert XV ZKDSG Zugangskontrolldiensteschutzgesetz ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht XVI Literaturverzeichnis Alexy, Robert: Theorie der Grundrechte, Frankfurt a. M., 1985 Allfeld, Philipp: Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst. Kommentar, München 1902 Ann, Christoph: Die idealistische Wurzel des Schutzes geistigen Eigentums, GRUR Int 2004, S. 597ff. 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Den rechtlichen Bindungen, denen sich der jeweilige Gesetzgeber hierbei seinerseits verpflichtet sah, waren freilich im Laufe der Jahrhunderte erheblichen Schwankungen unterworfen. Welche zwingenden rechtlichen Vorgaben der Gesetzgeber von heute bei der Ausgestaltung des Urheberrechts angesichts des technischen Fortschritts im Bereich privater Vervielfältigungsmöglichkeiten – geschaffen insbesondere durch die Möglichkeiten der Digitalisierung – urheberrechtlicher Werke unterworfen ist, soll Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein. Zunächst soll versucht werden die rechtshistorische Entwicklung des Urheberrechts in gebotener Kürze darzustellen. Die kulturhistorische Verwurzelung des Urheberrechts ist für die Interpretation der Vorgaben, denen sich der dem Grundgesetz unterworfene Gesetzgeber von heute angesichts der Digitalisierung ausgesetzt sieht, unentbehrlich, um die richtigen Antworten auf diese Fragen zu finden2. 1 Vgl. Fechner, S. 67; Krüger-Nieland, Urheberrechtsschutz, S. 173. Für die Notwendigkeit rechtshistorischer Fundierung auch Gieseke, S. XIVf.; Fechner, S. 18. 2 1 I. Die Entstehung des Urheberrechts3 Der gesetzliche Schutz von Werk und Urheber hat erst im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts Eingang in die meisten der weltweit geltenden Rechtsordnungen gefunden4. Einer früheren Kodifikation des Urheberrechts in einer Form, wie wir sie heute kennen, stand das damalige Rechtsbewusstsein entgegen. In Antike wie Mittelalter5 stand nicht die subjektive Individualität des jeweiligen Schöpfungsaktes im Vordergrund, vielmehr trat der Urheber völlig hinter seinem Werk zurück. Der Urheber galt nur als Medium der in ihm schöpferisch tätig werdenden, aber über ihm stehenden Macht6. Ein „Urheberselbstbewußtsein“ konnte sich auf dieser Basis nicht entwickeln7. Die Entwicklung einer Urheberrechtsdogmatik setzt indes ein entsprechendes Rechtsbewusstsein voraus. Die Entwicklung dogmatischer Reflexion hängt vom Bestand einer entsprechenden Rechtsintuition ab, oder mit anderen Worten: Wo kein moralisch fundiertes Rechtsempfinden, da kein positives Recht8. 1. Das Altertum9 Die Antike, insbesondere das Römische Reich, kannte bereits ein hoch entwickeltes Buch- und Verlagswesen. Die Vervielfältigung von Schriftstücken war weit verbreitet. Sie erfolgte durch Abschriften, die zur gewerbsmäßigen Betätigung von Verlegern und Buchhändlern führte10. Die wirtschaftliche Verwertung von Geisteswerken war demnach schon in der Antike anerkannt11, wenngleich von nur untergeordneter Bedeutung. 3 Zur Geschichte des Urheberrechts umfassend u.a. Bappert, Wege zum Urheberrecht; Vogel, Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht; Wadle, Geistiges Eigentum; Abhandlungen in UFITA 106 (1987), S. 17ff.. 4 Bappert, S. 1; Ulmer, S. 58f.. 5 Zum Gesamten Bappert, S. 13ff., 53ff.; Seifert, NJW 1992, S. 1270ff.. 6 Vgl. Bappert, S. 63f.; Fechner, S. 18f.. 7 Dazu Pohlmann, S. 19ff.; 35ff.; Hubmann, S. 28. 8 Bappert, S. 2f.. 9 Umfassend dazu Bappert, S. 11ff.; Visky, UFITA 106 (1987), S. 17ff.; Frohne, UFITA 106 (1987), S. 41ff.. 10 Ulmer, S. 50; Gieseke, S. 1f.; Seifert, NJW 1992, S. 1271f.; Bappert/Maunz/Schricker, S. 19. 11 Dies zeigen die vielfach in verschiedenen literarischen Quellen erwähnten Belege, denen zufolge der Verfasser eines Manuskripts von dem Buchhändler Entgelt bekam, vgl. Visky, S. 22 m.w.N.; Ulmer, S. 50; Seifert NJW 1992, S. 1271f. m.w.N.. 2 Indes gab es weder in der griechischen Antike noch im hoch entwickelten römischen Recht ein urheberrechtliches Schutzsystem, wie wir es heute kennen12. Die Inanspruchnahme fremder Werke fand schlimmstenfalls moralisch – literarische Verurteilung13, eine rechtliche Handhabe stand den Urhebern antiker Werke aber nicht zu14. Vielmehr war das Recht am Geisteswerk als solchem nicht anerkannt, jedenfalls nicht als Eigentum im Rechtssinne, d.h. als vermögensrechtlicher Gegenstand15. Das geistige Produkt war also kein selbständiger Gegenstand des Rechtsverkehrs, stattdessen fiel das rechtliche Schicksal des geistigen Produkts mit dem rechtlichen Schicksal seiner Verkörperung zusammen. Das Recht am Geisteswerk war an das Recht des verkörpernden Werkstücks (in der Regel das Manuskript) gebunden16. Eine Anerkennung als unabhängige, selbständige Rechtsobjekte blieb Geisteswerken verwehrt17. 2. Das Mittelalter18 Auch im Mittelalter hat sich ein Urheberrechtsschutz nicht entwickelt19. Mit dem Untergang der Antike brach das bereits verhältnismäßig hoch entwickelte Buch- und Verlagswesen zusammen. Insbesondere das nicht beliebig verfügbare Pergament machte die Vervielfältigungsarbeit zu einer 12 Delp, IV, Rn. 8; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 7. Am bekanntesten ist der Ausdruck des römischen Dichters Martial (ca. 40 – 102 n. Chr.), der einen Zeitgenossen namens Fidentinus, der Gedichte des ersteren als eigene ausgegeben hatte, als „plagiarus“, also als Menschenräuber, bezeichnete. Vgl. dazu Frohne, S. 42ff.; Seifert, NJW 1992, S. 1271. 14 Im römischen Recht wurde die Verwertung fremder Werke weder als „furtum“, also als Diebstahl im Rechtssinne, verstanden, noch stand dem Urheber bei Bekannt werden solcher Verletzungen ein Klagerecht, also eine „actio“, zu; vgl. Visky, S. 25f. m.w.N.; Gieseke, S. 3; Seifert, NJW 1992, S. 1272. 15 Visky, S. 18ff., 26ff. je m.w.N.; Gieseke, S. 3; Bappert/Maunz/Schricker, S. 20. 16 Visky, S. 18ff., 26f. je m.w.N.; Seifert, NJW 1992, S. 1272. 17 Die Ursache hierfür wird in der Unterscheidung der Römer zwischen Beschäftigungen, die einem freien römischen Bürger würdig waren, den sog. „artes liberales“ (u.a. die Rhetorik, die Grammatik und die Landvermessung) und solchen, die einem Freien nicht würdig waren, den sog. „artes illiberales“, gesehen. Für die ersteren konnte nach römischem Verständnis keine Gegenleistung verlangt werden, man verstand diese Dienste als unentgeltlichen Freundschaftsdienst ehrenhalber. Für Dienste wiederum, die von Sklaven verrichtet wurden, bestand in einer Sklavenhaltergesellschaft keine Veranlassung diese durch die institutionenmäßige Anerkennung eines selbständigen Autorenrechts zu fördern. Dazu Visky, S. 36ff. m.w.N.. 18 Umfassend dazu Bappert, S. 53ff.; Gieseke, S. 3ff.. 19 Rehbinder, § 3, Rn. 13; Bappert/Maunz/Schricker, S. 21; Ulmer, S. 21; Seifert, NJW 1992, S. 1272f., Troller, Immaterialgüterrecht, S. 16. 13 3 sehr kostspieligen Angelegenheit20. Neue Werke waren im Mittelalter zahlenmäßig von geringer Bedeutung, vervielfältigt wurden vor allem alte und geistliche Werke. Die Stellung der Urheber selbst war im Mittelalter eine wirtschaftlich wie gesellschaftlich untergeordnete. Auf Unterhalt des Hofes, Adels oder eines Klosters angewiesen21, trat die in die Ständeordnung eingebettete Persönlichkeit des Urhebers aus der Anonymität kaum hervor. Die Idee einer Urheberpersönlichkeit, welche ein entsprechendes Urheberrechtsbewusstsein hätte schaffen können, stand hinter der schon in der Antike verbreiteten Vorstellung vom Werkschöpfer als bloßen Mittler zwischen Gott und den Menschen zurück22. Die hohen Herstellungskosten, die geringe Aktualität der Werke und nicht zuletzt das mittelalterliche Bild von der Urheberpersönlichkeit waren die Ursache dafür, dass Fragen nach dem rechtlichen Schutz des Urhebers gar nicht erst aufgeworfen wurden23. 3. Das Privilegienwesen24 Erst mit der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg um 1440 und der damit einhergehenden Mechanisierung und Vergewerblichung des Vervielfältigungsvorgangs beginnt die Entwicklung des Urheberrechts. Das nun in den Druck von Werken investierte Kapital einerseits, welches für das erst seit dem 16. Jahrhundert übliche Autorenhonorar25 sowie zur Einrichtung der Maschinen und Betriebe benötigt wurde, die durch die neue Technik ermöglichte Leichtigkeit der Vervielfältigung von Werken in bisher unbekanntem Ausmaß andererseits, schufen das Bedürfnis nach rechtlichem Schutz von Geisteswerken. Denn das investierte Kapital konnte 20 So soll 1418 in Bautzen für eine Liviushandschrift ein ganzes Landgut zu bezahlen gewesen sein, vgl. Bappert/Maunz/Schricker, S. 21; Gieseke. S. 3f.; Seifert, NJW 1992, S. 1272. 21 Gieseke, S. 6ff.; Seifert, NJW 1992, S. 1272 m.w.N.. 22 Als eigentlicher Schöpfer galt nicht der Urheber, sondern Gott selbst; dazu Bappert, S. 67f.; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 68f.; Gieseke, S. 8ff.. 23 Bappert, S. 63ff.. 24 Umfassend dazu Vogel, Sp. 9ff.; Bappert, S: 178ff.; Vogel, S. 39ff.. 25 Bis dahin galt die Zahlung von Autorenhonoraren als unüblich wenn nicht unschicklich, vgl. Gieseke, S. 20f., 53. 4 sich nur amortisieren, wenn der Absatz der jeweiligen Geisteswerke durch Nachdruckverbote wenigstens rechtlich abgesichert war26. Die sog. Privilegien, die als Maßnahmen gegen den Nachdruck in der Folgezeit mehr als dreihundert Jahre im Gebiet des deutschen Reiches üblich sein sollten27, wurden von der jeweiligen Obrigkeit gewährt. Sie beinhalteten ein meist zwischen drei bis zehn (manchmal aber auch zwischen ein bis dreißig) Jahren andauerndes Verbot, eine bestimmte Schrift nachzudrucken oder nachgedruckte Exemplare in das jeweilige Herrschaftsgebiet einzuführen oder zu verkaufen und wurden häufig mit der Androhung einer Geldstrafe und Konfiskation für den Fall der Zuwiderhandlung bedacht28. Allerdings hatten die Privilegien des 16. und 17. Jahrhunderts keinen (im heutigen Sinne) urheberrechtlichen Charakter. Nicht der schöpferisch Tätige sollte in deren Schutz Interessengegensatz gelangen. zwischen Vielmehr ging Drucker/Verleger und es um seinen den (durch Nachdruck) konkurrierenden Kollegen. Der Gedanke des Privilegienwesens war also primär der des Gewerbeschutzes, nicht der des Urheberrechts29. 26 Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 69; Rehbinder, § 3, Rn.14; Ulmer, S. 52f.; Gieseke, S. 14ff.; Bappert, S. 126ff.; Vogel, Sp. 14ff.. 27 Privilegien kamen in vier verschiedenen Formen vor: Die sog. Druckprivilegien stellten ein oft befristetes Privileg zugunsten der Buchdrucker (nicht der Autoren) zur ausschließlichen Ausübung ihres Gewerbes in einem bestimmten Gebiet dar. Der hierdurch gewährte Schutz war also ein solcher des Gewerbes der Buchdruckerkunst und hatte nicht den Schutz geistiger Werke zum Gegenstand. Auch die sog. Bücherprivilegien, die Verlegern und Druckern zum Schutze einzelner Druckwerke erteilt wurden, sollten den Absatz der jeweiligen Druckauflage sichern und dienten bestenfalls mittelbar dem Schutz des Geisteswerkes selbst. Der mit Renaissance und Humanismus aufkommende Individualitätsgedanke mit der damit verbundenen Steigerung des Persönlichkeitsbewusstseins kam mit den sog. Autorenprivilegien erstmals zum Anklingen. Diese Privilegien waren als Belohnung für die geistige Schöpfung gedacht und wurden dem jeweiligen Urheber erteilt. Man kann die Autorenprivilegien daher als ideengeschichtlichen Ausgangspunkt der idealistischen Begründung des Urheberrechts betrachten. Schließlich sind noch die sog. Territorialprivilegien zu nennen. Diese hatten bereits gesetzlichen Charakter, die zugunsten bestimmter Personengruppen, also nicht einem einzelnen, allgemeine, d.h. nicht auf ein bestimmtes Werk begrenzte, Nachdruckverbote von begrenzter Dauer aussprachen. Zum Gesamten Vogel, Sp. 15ff.; Gieseke, S. 39ff.; Rehbinder, § 3, Rn. 15ff.. 28 Zahlreiche Beispiele solcher frühen Privilegien finden sich bei Gieseke, S. 41ff, ferner bei Bappert, S. 176. 29 So Gieseke, S. 71f.; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 69; Vogel, Sp. 33ff.; Ulmer, S. 52f..Diese Auffassung war Mitte der 60er Jahre nach einer Untersuchung Pohlmanns (vgl. GRUR 1962, S. 9ff.; ders., Frühgeschichte) umstritten, dürfte mittlerweile allerdings im Sinne der genannten Ansicht entschieden sein. Ausführlich dazu Gieseke, S. 67ff.; Vogel, Sp. 33ff.. 5 4. Die nationale Gesetzgebung30 In Deutschland erfolgte der Übergang vom Privilegienwesen zu einem Urheberrecht im Sinne eines gesetzlichen Schutzes geistiger Werke nur allmählich. Mit der Emanzipation der naturrechtlich begründeten Lehre vom geistigen Eigentum im 18. Jahrhundert wendete sich das Urheberrechtsempfinden. Wenn man zunächst den Nachdruck bestenfalls als Verstoß gegen die Moral ansah, so empfand man dies zunehmend als Rechtsverletzung. Es ging also um die Frage, ob der Nachdruck auch ohne Privilegien unstatthaft sei, dem schöpferischen Werk also schon kraft seiner Natur ein besonderer rechtlicher Status innewohne oder dieser erst durch den Hoheitsakt des Privilegs erteilt werde. Die von Rechtswissenschaft und Philosophie31 daraufhin entwickelte Lehre vom geistigen Eigentum führte mehr und mehr zu der Überzeugung, dass dem kreativen Schöpfer ein geistiges Eigentum an seinem Werk zustehe, das von der Erteilung von Privilegien unabhängig sei32. Die Durchsetzung dieser Überzeugung in der Praxis ließ freilich länger auf sich warten. Erst allmählich beginnt sich der Schutz durch Privilegien mit dem unmittelbaren gesetzlichen Schutz geistiger Werke zu vermischen 33, um schließlich ganz von ihm verdrängt zu werden. Erst mit Vollendung der staatlichen Einheit durch die Gründung des Deutschen Reiches 1871 war der Weg frei für eine reichseinheitliche Gesetzgebung34, die schließlich mit Erlass des heute gültigen Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) sowie des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (UrhWG) vom 9. September 1965 ihren vorläufigen Abschluss fand. 30 Vgl. dazu Hirsch, UFITA 36 (1962), S. 23ff.; umfassend Vogel, Sp. 75ff.; Gieseke, S. 83f., 150ff.,183ff.,203ff.. 31 Mit weiterführenden Hinweisen dazu, Ulmer, S. 57; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 70. 32 Vgl. Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 70. 33 Vgl. dazu bspw. das kursächsische Mandat von 1773, welches Bücher unabhängig davon vor dem Nachdruck schützte, ob sie ein Privileg erhalten hatten oder nicht. Dazu Gieseke, S. 85f.; Vogel, Sp. 78ff.. Weitere Beispiele für diesen frühen gesetzlichen Schutz bildet die Wahlkapitulation Leopolds II. (dazu Vogel, Sp. 83ff.) sowie das Verlagsrecht des preußischen allgemeinen Landrechts von 1794 (dazu Vogel, Sp. 89ff.). 34 Dazu Vogel, GRUR 1987, S. 877ff.; Ulmer, S. 59. 6 5. Die Internationalisierung des Urheberrechts35 Um den Urheberrechtsschutz über die nationalen Grenzen hinaus zu erweitern, schlossen sich bereits 1886 zehn Staaten, darunter auch Deutschland, durch die „Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst“ (seit der Revisionskonferenz von 1908 in Berlin spricht man von der Revidierten Berner Übereinkunft, kurz: RBÜ) zu einem Staatenverbund zusammen. Durch diese Konvention sicherte jeder Staat den Angehörigen der anderen Verbandsstaaten denselben Schutz zu, den seine Gesetze den eigenen Urhebern gewähren (Grundsatz der Inländerbehandlung). Da vor allem die amerikanischen Staaten der RBÜ auf lange Zeit ferngeblieben waren, wurde 1952 auf Betreiben der UNESCO das sog. Welturheberrechtsabkommen (WUA) geschaffen, um weltweite Universalität des Urheberrechtsschutzes zu gewährleisten. Vor allem mit dem Beitritt der USA zur RBÜ 1989 hat dieses aber keine größere Bedeutung mehr, da das Schutzniveau des WUA weitaus geringer ist. Mit Schaffung der World Trade Organization (WTO) 1994 wurde ferner ein besonderes Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum, einschließlich des Handels mit Nachahmungen und Fälschungen (Agreement on Trade-Realted Aspects of Intellectual Property Rights, Including Trade in Counterfeit Goods = TRIPS) geschlossen, das seit 1. Januar 1995 mit Wirkung für das Bundesgebiet in Kraft getreten ist. Den weitaus größten Einfluss auf den bundesdeutschen Gesetzgeber wird hingegen durch die Richtlinien der EU ausgeübt, die in nationales Recht überführt werden müssen36. Insbesondere auf die Vorgaben der Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22. Mai 2001, kurz: Info - RL 2001/29/EG (im Folgenden: Info – RL), wird noch näher einzugehen sein. 6. Ergebnis 35 36 Dazu Rehbinder, § 4; Ulmer, S. 60ff.; Vogel, GRUR 1987, S. 879ff. Überblick bei Rehbinder, § 3, Rn. 36. 7 Die aufgezeigte rechtshistorische Entwicklung des Urheberrechts zeigt, dass das deutsche Urheberrecht insbesondere im europäischen Vergleich 37 eine relativ späte Kodifizierung erhalten hat. Es war damit verstärkt in der Lage, die sich über die Jahrhunderte entwickelten verschiedenen Urheberrechtstheorien in sich aufzunehmen und eine entsprechend differenzierte gesetzliche Regelung zu finden38. II. Theorienbildung zum Urheberrecht Die Idee der ideellen und wirtschaftlichen Zuordnung des Schaffensergebnisses zu seinem Schöpfer, die durch das heutige Urheberrecht gewährleistet entsprechenden werden soll, setzt Urheberrechtsbewusstseins den Bestand voraus39. eines Die geistesgeschichtliche Entwicklung dieser Idee soll im Folgenden kurz nachgezeichnet werden. Denn die im Laufe der Jahrhunderte entwickelten Theorien zur Begründung des Urheberrechts sind nach wie vor als konstruktive Deutungen des geltenden Rechts, wie auch als theoretische Fundierung rechtspolitischer Fragestellungen bei der Fortentwicklung des Urheberrechts von Bedeutung40. 1. Die Theorie vom Verlagseigentum41 Zur Zeit des Privilegienwesens im 16. Jahrhundert entwickelte sich bei Verlegern und Druckern (nicht bei den Autoren selbst) die Idee vom sog. Verlagseigentum. Ausgehend von dem durch die steigenden Druck- und Verlagskosten bedingten unternehmerischen Risiko der Drucker und Verleger, versuchten diese jenseits der Überlegungen der damaligen Rechtswissenschaften einen generellen Schutz gegen den gefürchteten Nachdruck zu erreichen. Angesichts der Unzulänglichkeiten des Privilegienwesens sowie des Bestrebens um einen Schutz auch nicht privilegierter Werke, versuchte diese Gruppe einen grundsätzlichen, d.h. 37 Vgl. dazu Gieseke, S. 137ff. m.w.N.. Ulmer, S. 59; Leinemann, S. 23. 39 Vgl. Hubmann, ZUM 1988, S. 8; Fechner, S. 18f.. 40 Ulmer, S. 59. 41 Umfassend dazu Gieseke, S. 93ff.; Vogel, Sp. 31ff.; Bappert, S. 217ff.. 38 8 von der Erteilung eines entsprechenden Privilegs unabhängigen Schutz von Druckwerken zu etablieren42. Inhaltlich besagt die Theorie vom Verlagseigentum folgendes: Derjenige, der eigenen Arbeits- und Kostenaufwand betreibt, um ein vom Autor in redlicher Weise erstandenes Werk zu verlegen und zu drucken, dem gebühre ein eigentumsähnliches Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht43. Der Grundgedanke dieses Ansatzes war der des Gewerbeschutzes44. Der Gedanke vom Verlagseigentum stellt insofern den größten Schritt in der Entwicklung des Urheberrechts dar, als dieser eine Abkehr von dem bis dato allgemein anerkannten Grundsatz der Nachdruckfreiheit45 bedeutete. Durch Privilegien erteilte Nachdruckverbote wurden bislang als besonderes Vorrecht - eben als Privileg - betrachtet, welches die allgemeine Handlungsfreiheit einschränkte. Die allgemeine Handlungsfreiheit erlaubte hingegen den uneingeschränkten Nachdruck. Die Lehre vom Verlagseigentum stellt dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis auf den Kopf: Die dem Feudalgedanken einer absolutistischen Epoche folgende, mehr oder minder willkürliche Gewährung von Privilegien durch den jeweiligen Landesherren46 soll durch das Prinzip einer grundsätzlichen Schutzwürdigkeit - also einer solchen, die vom Bestand eines hoheitlichen „Gnadenaktes“ unabhängig ist - ersetzt werden47. 2. Die Theorie vom geistigen Eigentum48 Die Theorie vom geistigen Eigentum, die man bis heute als den ersten Bannerträger des vermögensrechtlichen Urheberrechtsanspruch betrachten muss49, fand ihren Ausgangspunkt in der Debatte über die Zulässigkeit des 42 Gieseke, S. 93; Bappert, S. 217f.. Gieseke, S. 93; Bappert, S. 218f.; Fechner, S. 32. 44 Vogel, Sp. 33; Gieseke, S. 93; vgl. auch Bappert, S. 223f, 225. Konstruktiv fand dies dadurch Ausdruck, dass das eigentumsähnliche Verlagsrecht nicht derivativ aus dem Manuskriptkauf erworben wurde, sondern originär den erbrachten Investitionen der Drucker und Verleger entstammen sollte, vgl. Bappert, GRUR 1961, S. 507. In nur wenigen Fällen ohne überörtliche Bedeutung fand diese Lehre Niederschlag in geltendem Recht 45 Hubmann, Urheberrecht, § 3 II 3. 46 Troller, Immaterialgüterrecht, S. 19f.. 47 Vgl. Gieseke, S. 93f.; Bappert, S. 218. 48 Umfassend dazu Gieseke, S. 115ff., 157ff.; Bappert, S. 254ff.; Vogel, Sp. 63ff.; Fechner, S. 40ff.. 49 So Bappert, S. 257; in diesem Sinne auch Ulmer, S. 106. 43 9 Nachdrucks, welcher im ausgehenden 18. Jahrhundert zu einem der meist diskutierten Rechtsprobleme seiner Zeit wurde. Inhaltlich geht die Theorie vom geistigen Eigentum zum ersten Mal von einem ausschließlichen Recht des Urhebers an seinem Werk aus und kennzeichnet damit den Beginn moderner urheberrechtlicher Vorstellungen50. Der bislang auf körperliche Gegenstände beschränkte Begriff des Eigentums wird nun auch auf nichtkörperliche Gegenstände erstreckt und soll somit die Herrschaft des Urhebers über sein Werk, sein diesbezügliches personenbezogenes Vollrecht umschreiben51. Somit wird zum ersten Mal dem Urheber als geistigem Schöpfer ein eigenes und ursprüngliches Nutzungsrecht an seinem Geisteswerk eingeräumt52. Das Werk gehört nicht der Allgemeinheit oder dem Verleger, sondern dem Urheber, dem es zu danken ist53. Die bislang nicht vollzogene Trennung zwischen Werk und Werkstück als zwei verschiedenen Objekten des Rechtsverkehrs wird anerkannt54. Anders als noch in der Theorie vom Verlagseigentum ist das Recht des Verlegers und Druckers nur ein vom Urheber abgeleitetes Recht. Das Nutzungsrecht an einem Geisteswerk wird also dank der Theorie vom geistigen Eigentum vom Verlegerrecht zum Recht des Urhebers55. Konzeptionell setzt die Theorie vom geistigen Eigentum damit juristisch um, was die christliche Naturrechtslehre des Mittelalters und die Arbeitstheorie von John Locke philosophisch begründeten: Thomas von Aquin zufolge steht dem Menschen für Güter, die er durch seine Arbeit geschaffen hat, ein Eigentumsrecht, ein Herrschafts- und Verfügungsrecht (ius proprietatis) zu. So wie Gott seine Herrschaft über die Welt durch deren Schöpfung begründe, so schaffe auch der Mensch durch seine Bearbeitung der Dinge eine persönliche Verbindung zwischen ihm und dem von ihm geschaffenen Gut und lege damit etwas Persönliches hinein, das die so entstandenen Güter zu einem von niemand verletzbaren 50 Gieseke, S. 115; Fechner, S. 40. Vgl. Dölemeyer/Klippel, S. 198f.; Fechner, S. 40; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 70. 52 Bappert, S. 254. 53 Ulmer, S. 105. 54 Ann, GRUR Int. 2004, S. 598; vgl. auch Fechner, S. 40. 55 Bappert, S. 256. 51 10 Eigen mache56. Diese Lehre findet ihre Vertiefung in der Arbeitstheorie von John Locke, der zufolge der Mensch das Ergebnis seiner zur Um- oder Neugestaltung einer ursprünglichen naturgegebenen Sache aufgewendeten Arbeit als Eigentum beanspruchen darf57. Diese Begründung des Eigentums hat bis heute seine Berechtigung auch für das Urheberrecht nicht verloren58. Die Theorie vom geistigen Eigentum brachte vor allem in zweifacher Hinsicht dogmatische Fortschritte. Zum einen wurde die Berechtigung des Urhebers an seinem Werk vorfindlich gestellt. Entgegen dem bis dato geltenden Grundsatz der Nachdruckfreiheit wurde also unabhängig vom Bestand eventueller Privilegien für jeden Nachdruck die Zustimmung des Verfassers erforderlich. Zum anderen wurde die Trennung zwischen Werk und dem dies verkörpernden Werkstück vollzogen. 3. Die Theorie vom Persönlichkeitsrecht59 Bei allen Fortschritten, die der Theorie vom geistigen Eigentum zur Entwicklung des Urheberrechts zugute gehalten werden müssen, ist sie doch infolge der Fixierung auf die Begriffe Eigentum und Arbeit zu sehr in körperlichen Vorstellungen gefangen. Die ideellen Interessen des Urhebers werden nicht ausreichend gewürdigt, auch eine Unterscheidung zwischen geistigem Gemeingut und individuellen Gut lässt sich dieser Lehre nicht entnehmen60. Ausgehend von der Schrift Immanuel Kants über die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks61, wurde vor allem von Otto von Gierke die Theorie vom Persönlichkeitsrecht entwickelt62. Dieser erklärt das Urheberrecht zum „besonderen Persönlichkeitsrecht“ und damit zu einem Ausdruck des von ihm propagierten allgemeinen 56 Vgl. Decker, S. 23f. m.w.N.. Vgl. Locke, in: Zwei Abhandlungen über die Regierung, S. 218. Anders als bei Aquin ergibt sich bei Locke dieses Prinzip aus der Verpflichtung des Menschen zur Selbsterhaltung, welcher er primär dadurch gerecht wird, dass er sein Leben durch Arbeit verwirklicht und demzufolge allein die menschliche Arbeit originärer und rechtmäßiger Erwerbsgrund für das Eigentum ist, vgl. Decker, S. 20f.. 58 Vgl. Fechner, S. 41; Decker, S. 15; Gieseke, S. 131f.. 59 Umfassend dazu Vogel, Sp. 69ff.. 60 Zur Kritik: Rehbinder, § 3, Rn. 26; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 71f.; Fechner, S. 48f.. 61 Nachdruck in UFITA 106 (1987), S. 137ff.. 62 Nachdruck in UFITA 125 (1994), S. 103ff.. 57 11 Persönlichkeitsrechts63. Die durch die Theorie vom geistigen Eigentum geschützten materiellen persönlichkeitsrechtlichen Interessen Komponente sollen des nur Folge Urheberrechts sein. der Der vermögensrechtliche Schutz geistiger Werke wird in einen Schutz der persönlichen Interessen des Urhebers umgewandelt64. Diese Verabsolutierung des Gedankens des Persönlichkeitsrechts trägt aber zum einen der Tatsache wenig Rechnung, dass für den Urheber geistiger Werke in der Regel finanzielle Interessen im Vordergrund stehen. Zum anderen löst sich trotz individueller Prägung das Werk allmählich von der Persönlichkeit des Schöpfers und wird mit Ablauf der Zeit zum selbständigen Geistesgut, das im Wirtschaftsverkehr eine eigenständige Rolle spielt. Das Urheberrecht muss aber gerade vor diesem Hintergrund für die Verkehrsfähigkeit und Nutzbarkeit des Werkes sorgen, weshalb ebenso wenig eine Überbetonung des persönlichkeitsrechtlichen Aspekts des Urheberrechts sachgerecht ist65. 4. Die Theorie vom Immaterialgüterrecht66 Aus der Einsicht, dass sich das Recht des Urhebers wohl weder als reines Vermögensrecht noch als reines Persönlichkeitsrecht begreifen lässt, entstand die Theorie vom Urheberrecht als Immaterialgüterrecht. Dieser Lehre zufolge ist das Urheberrecht „ein Recht an einem außerhalb des Menschen stehenden, aber nicht körperlichen, nicht fassbaren Rechtsgut“ 67. Ihrem Begründer Joseph Kohler zufolge ist zwischen dem ausschließlichem Urheberrecht an einem Geisteswerk als einem wirtschaftlich verwertbaren immateriellen Gut einerseits und dem Schutz der persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk andererseits zu unterscheiden. Werden die vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers zu seinem Werk gefährdet, so wird der Schutz durch die besondere vermögensrechtliche Kategorie des 63 Vgl. Gierke, UFITA 125 (1994), S. 116ff.. Vgl. Rehbinder, § 3, Rn.. 26; Fechner, S. 49. 65 In diesem Sinne übereinstimmend Rehbinder, § 3, Rn. 26; Leinemann, S. 20; Fechner, S. 49. 66 Umfassend dazu Kohler, Autorrecht; Bappert, S. 292ff.. 67 Kohler, Urheberrecht, S. 1. 64 12 Urheberrechts, das Immaterialgüterrecht, gewährleistet68. Werden hingegen die persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk gefährdet, so wird der Schutz durch Persönlichkeitsrecht, das sog. gewährt69. Individualrecht, Jedoch gehören ein allgemeines Immaterial- und Individualrecht verschiedenen Rechtsgebieten an, beide sind je vom Schicksal des anderen unabhängig und bestehen selbständig nebeneinander70. 5. Die monistische Theorie71 Die dualistische Theorie vom Immaterialgüterrecht mit ihrem Gegensatz zwischen Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrecht, blieb bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Grundlage der Rechsprechung72. Gegenüber dem dualistischen Ansatz Kohlers hat sich dann aber die sog. monistische Theorie entwickelt. Diese Lehre geht zwar weiterhin von einem persönlichkeitsrechtlichen und einem vermögensrechtlichen Element des Urheberrechts aus, sieht diese beiden Elemente aber als immanente Bestandteile eines einheitlichen Rechts. Beide wurzeln in einem einheitlichen Rechtsverhältnis, welches mit dem Gesamtnamen Urheberrecht bezeichnet wird73. Die praktischen Auswirkungen des monistischen Ansatzes sind erheblich. So ergibt sich aus Persönlichkeitsrechten der die grundsätzlichen zwingende Unübertragbarkeit Unübertragbarkeit von und Unverzichtbarkeit des jeweiligen Urheberrechts in seiner Gesamtheit 74. Der Urheber kann nur über seine Verwertungsrechte und Vergütungsansprüche, nicht über sein Urheberrecht in toto verfügen. 68 Kohler, Autorrecht, S. 2. Bappert, S. 299; Rehbinder, § 3, Rn. 27. 70 Bappert, S. 299; Ann, GRUR Int. 2004, S. 599; Leinemann, S. 21. 71 Überblick dazu bei Bappert, S. 301ff.. 72 Vgl. dazu RGZ 153, 1 (24): „Und zwar muß dabei [bei der Gesetzesauslegung] beachtet werden, daß dieses Gesetz dem Urheber kein einheitliches schlechthin umfassendes Recht, sondern nur eine Reihe bestimmter, ausdrücklich genannter Befugnisse zuerkennt.“ Vgl. auch RGZ 113, 413 (415); 123, 312 (319f.). 73 Bappert, S. 302 m.w.N.; Fechner, S. 51. Eugen Ulmer (Ulmer, S. 116) vergleicht die beiden Elemente des Urheberrechts mit den Wurzeln eines Baumes, dessen einheitlicher Stamm das Urheberrecht sei: Die urheberrechtlichen Befugnisse, welche die vermögenswie persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers schützen sollen, seien die Äste dieses Baumes, die ihre Kräfte bald aus beiden Wurzeln, bald aus einer von ihnen ziehen. 74 Ulmer, S. 116; Ann, GRUR Int. 2004, S. 599f.. 69 13 Dem heutigen Urheberrecht liegt die monistische Theorie zugrunde. Dies findet in § 11 UrhG seinen Ausdruck, demzufolge das Urheberrecht den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk wie auch in der Nutzung des Werks schützt75. Konsequenz dieser Ansicht ist, dass sich die verfassungsrechtliche Beurteilung des Urheberrechts anhand verschiedener Grundrechtsartikel nicht nur auf das jeweils eine Element des Urheberrechts Aspekte des bezieht, sondern Urheberrechts vielmehr als die Ausprägung verfassungsrechtlichen eines einheitlichen Schutzgedanken zu verstehen sind76. 6. Ergebnis Der kurze Überblick über die Entwicklung der geistesgeschichtlichen Grundlagen des modernen Urheberrechts zeigt, dass sich die Idee des Urheberrechts nicht auf eine einheitliche geistesgeschichtliche Entwicklung zurückführen lässt. Vielmehr zeigen sich darin differenzierte Ausprägungen verschiedener ethisch-moralischer Vorstellungen. Das gilt es bei der verfassungsrechtlichen Bewertung der Anforderungen an den Gesetzgeber angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung zu berücksichtigen. III. Entwicklung der privaten Vervielfältigungsfreiheit im Urheberrecht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind die verfassungsrechtlichen Herausforderungen, denen sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Instituts der Privatkopie angesichts der fortschreitenden Digitalisierung ausgesetzt sieht. Um die Vorgaben einer verfassungsgerechten gesetzlichen Regelung dieses Instituts zu finden, bedarf es einer Darlegung der zugrunde liegenden Interessenlagen. Ferner sind die wesentlichen rechtshistorischen Entwicklungsschritte dieses Instituts zu erläutern. Denn die wesentlichen Beweggründe, die für die Einführung der privaten Vervielfältigungsfreiheit in 75 76 Vgl. Schricker – Schricker, § 11, Rn. 2 m.w.N.. Fechner, S. 51. 14 das UrhG von 1965 maßgebend waren, können auch für die Beurteilung der heutigen verfassungsrechtlichen Vorgaben fruchtbar gemacht werden. 1. Die von der privaten Vervielfältigungsfreiheit betroffenen Interessen Das Vervielfältigungsrecht bedeutendstes des Urhebers Verwertungsrecht dar. stellt Durch von jeher dessen die fortschreitende Digitalisierung hat dies eine weitere Aufwertung erfahren, da die Übertragungs- und Rezeptionsvorgänge im digitalen Umfeld technisch nahezu perfekte Vervielfältigungen in bislang unbekanntem Ausmaß ermöglichen77. Die weitest reichende Einschränkung des Vervielfältigungsrechts des Urhebers erfährt dieses zum Zwecke des privaten Gebrauchs nach § 53 Abs. 1 UrhG78. Diese Vorschrift stellt einen Kristallisationspunkt der widerstreitenden Interessen dar, welche für das gesamte Urheberrecht von Bedeutung sind79. a) Interessen der Urheber Hier sind an erster Stelle die Interessen der Urheber an einem möglichst umfassenden gesetzlichen Schutz der materiellen und ideellen Verwertung ihrer Werke zu nennen. Diese sind in besonderem Maße auf Schutz durch das Urheberrecht angewiesen, da ihnen erst dieser ein Ausschließlichkeitsrecht und - mit der damit verbundenen Werkherrschaft die wirtschaftliche Verwertung ihres Werkes ermöglicht. Somit wird die ideelle, insbesondere aber die wirtschaftliche Verwertung ihres Werkes als Existenz sichernde Basis ihrer Lebensführung durch das Urheberrecht gewährleistet. Doch schon in der Figur des scheinbar so eindeutig positionierten Protagonisten des Urhebers zeigt sich die schillernde Wirkung des privaten Vervielfältigungsrechts: So wird es auch immer Urheber geben, die an einer Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 3; Wandtke/Bullinger – Lüft, § 53, Rn. 2. Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn 1.. 79 Überblick über die widerstreitenden Interessen im Urheberrecht bei Rehbinder, § 7, Rn. 62ff.; Schack, § 1, Rn. 9ff.; Hohagen, S. 23ff.. 77 78 15 möglichst weiten Verbreitung ihrer Werke aus verschiedensten Gründen sei es, um möglichst schnell den ersehnten Popularitätsgrad zu erreichen, sei es, um möglichst wirkungsvoll gesellschaftliche oder wissenschaftliche Diskussionen anzustoßen - interessiert sein dürften, ohne etwas von der wirtschaftlichen Verwertung wissen zu wollen80. b) Interessen der Werkmittler Eindeutiger auszumachen scheinen auf den ersten Blick die Interessen der Werkmittler. Die Einräumung eines privaten Vervielfältigungsrechts schmälert die Aussichten auf eine (Gewinn versprechende) Monopolstellung am jeweiligen Geisteswerk, welche diese zur Amortisation der oftmals nicht unbeträchtlichen Investitionen benötigen81. Zu berücksichtigen sind aber auch diejenigen, die gerade von der Vervielfältigungstätigkeit durch Private leben82. Jede Verschiebung der Grenzen der Privatkopie hat demnach auch eine Neuaufteilung dieses gemeinsam beherrschten Marktes zur Folge 83. Auch bei dieser Gruppe lässt sich also eine homogene Ausrichtung der durch sie vertretenen Interessen nicht ohne weiteres ausmachen. Jedoch müssen die Belange der Werkmittler, deren Einsatz oft erheblicher Investitionen84 das Fundament des kulturwirtschaftlichen Fortschritts unserer Informationsgesellschaft bildet, die in zunehmendem Maße den Wert von Immaterialgütern schätzt85, in ausreichendem Maße Berücksichtigung finden86. c) Interessen der Allgemeinheit Angedeutet bei Krüger – Nieland, Urheberrechtsschutz, S. 181; so sei das Beispiel von Tolstoi angeführt, der im Hinblick auf sein Gesamtwerk sein Urheberrecht aufgab, da er der Verbreitung seines Oeuvres freies Spiel lassen wollte (Zit. nach Hohagen, S. 38, Fn. 137 m.w.N.) 81 Schack, § 1, Rn. 14; Schricker - Schricker, Einleitung, Rn. 10. 82 So sei beispielsweise an Unterhaltungskonzerne wie Sony und Bertelsmann auf der einen, an Hersteller von Vervielfältigungshard- und –software oder Unternehmen wie Napster auf der anderen Seite erinnert. Unternehmen wie Apple vereinen beide hier angesprochenen Geschäftsfelder. 83 Dazu Schricker – Dreier, Informationsgesellschaft, S. 142. 84 Vgl. bspw. Oliver Burgard, in: Die ZEIT – Sonderbeilage Zeitchancen, Oktober 2005, S. 30: „In vier von fünf neue Künstler investieren die Major Labels mehr, als sie verdienen.“. 85 Vgl. dazu Schricker – Schricker, Einleitung, Rn. 13. 86 So auch Schack, § 1, Rn. 13f; Rehbinder, § 7, Rn. 68; Hohagen, S. 31f.. 80 16 Zum einen ist das Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst uneingeschränkten Urheberschutz nicht zu verkennen: Je umfassender der rechtliche Schutz von Geisteswerken, desto höher ist der Anreiz zur Schaffung kultureller Güter, was dem unbestreitbaren Interesse der Allgemeinheit an geistigem und kulturellen Fortschritt zupass kommt87. Andererseits ist auch das Interesse der Allgemeinheit an einem nicht zu weit gehenden Urheberrechtsschutz festzustellen. Da Geisteswerke den (identitätsstiftenden) Kulturbesitz einer Nation bilden, hat die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran, möglichst ungehinderten Zugang zu dessen Gütern zu haben und möglichst ungehindert diese Geisteswerke genießen zu können88. Zu diesem Genuss gehört auch die Möglichkeit der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch: Denn in einer Gesellschaft, deren wirtschaftliche Primärressource zunehmend die Information wird, reicht der rezeptive, einmalige Werkgenuss häufig nicht aus, um deren Inhalt geistig zu erfassen und so für eine anschließende Wertschöpfung mit derselben eine ausreichende Basis zu schaffen89. Bereits an dieser Stelle ist aber darauf hinzuweisen, dass das Interesse an einem ungehinderten Zugang nicht mit dem Interesse an einem unentgeltlichen Zugang verwechselt werden darf90. Denn das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostenfreien Versorgung mit Urhebergut kann kein rechtliches Argument sein91. d) Interessen der Werknutzer Das Interesse der Werknutzer an passiver Teilnahme am Geistesleben, um damit die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zu entfalten, ist unbestreitbar92. Die Verwirklichung dieses Interesses hängt auch von der Möglichkeit privater Vervielfältigung ab, da der einmalige rezeptive Werkgenuss oftmals nicht ausreicht, das gegenständliche Geisteswerk Vgl. Schricker, GRUR 1992, S. 242ff.; ders. – Schricker, Einleitung, Rn. 13f.; Rehbinder, § 7, Rn. 65. 88 Vgl. Hubmann, Urheberrecht, § 7 III; BVerfGE 49, 382 (394). 89 Vgl. Hohagen , S. 35 m.w.N.. 90 Hubmann, Urheberrecht, § 7 III. 91 Vgl. Schricker, GRUR 1992, S. 245f.. 92 Rehbinder, § 7, Rn. 67; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 121. 87 17 vollumfänglich geistig zu erfassen. Es geht hier also letztlich um die adäquate Sicherstellung der Benutzung geistigen Eigentums und weniger um den ungeschützten oder gar unentgeltlichen Zugang zu diesem93. Aber auch für die aktive Teilnahme am Geistesleben im Sinne eigener anknüpfender Werkschöpfung ist die Vervielfältigungsfreiheit von Bedeutung, da sich der Werknutzer und künftige Urheber (insbesondere wissenschaftlicher Werke) nicht sämtliche Werke, auf denen er sein eigenes späteres Geisteswerk später aufbauen will, selbst kaufen kann. Zur Verwirklichung der Freiheit des geistigen Schaffens, die sich aus dem im Kulturstaat aus Art. 5 Abs. I S. 1, Abs. III GG ableitbaren Anspruch auf Teilnahme am kulturellen Leben94 ergibt, ist demnach die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch gebührend zu berücksichtigen95. Schützenswerte Interessen der Werknutzer sind ferner diejenigen nach einem ausreichenden Schutz ihres räumlich abgegrenzten privaten Lebensbereichs. Dieser wäre bei einem Verbot der privaten Vervielfältigung im Zusammenhang mit den dann - jedenfalls im analogen wie im Offline-Bereich - erforderlichen Kontrollmaßnahmen gefährdet96. Im Bereich der hier besonders zu betrachtenden digitalen Online-Nutzung ist ferner das Interesse der Werknutzer am ausreichenden Schutz ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gebührend zu berücksichtigen. Im Rahmen von Digital Rights Management-Systemen können personenbezogene Daten über die individuelle Nutzung von Geisteswerken wie auch die Online-Aktivitäten der Nutzer nachvollzogen werden, weswegen eine Gefährdung dieser grundrechtlich verbürgten Positionen nicht von der Hand zu weisen97 ist. 2. Entstehungsgeschichte des Instituts der Privatkopie nach § 53 Abs. 1 UrhG 98 93 Vgl. Hohagen, S. 37f.. Benda/Maihofer/Vogel – Maihofer, § 25, Rn. 89ff. m.w.N.. 95 Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 122; Haberstumpf, Rn. 62. 96 Vgl. die Amtl. Begründung des UrhG von 1965, BT – Drucksache IV/270, S. 71. 97 Diese Gefahr zeigt schon Erwägungsgrund (57) der Informationsrichtlinie RL 2001/29/EG in aller Deutlichkeit auf. Dazu ausführlich unten Teil 4. 98 Kursorisch dazu Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 1ff.; ausführlich zur Entwicklung ab 1870, Vogel, GRUR 1987, S. 873ff.;zur Entwicklung ab 1900, Collova, UFITA 125 (1994), S. 53ff.; zur Entstehung des UrhG von 1965 umfassend, Maracke, Urheberrechtsgesetz; zur Entstehung der Urheberrechtsnovelle 1985 umfassend, Möller, Urheberrechtsnovelle. 94 18 Im Folgenden sollen die Argumentationsstrukturen dargestellt werden, welche bei der Einführung des Instituts der privaten Vervielfältigungstätigkeit nach § 53 Abs. 1 UrhG maßgebend waren. Diese mögen auch heute noch für die Beurteilung des verfassungsrechtlichen Regelungsauftrags nutzbar gemacht werden. a) Die Entstehung des privaten Vervielfältigungsrechts in § 53 Abs. 1 UrhG 1965 Die Entstehungsgeschichte des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 196599 zeigt, wie uneinheitlich die Positionen in der Frage der Behandlung der privaten Vervielfältigung waren. Der Referentenentwurf von 1954 ließ in § 47 noch die Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch ohne weitere Einschränkung zu. Die Verfasser mochten dem damaligen Haupteinwand, die aufkommenden Magnettongeräte würden den Rückgang der Einnahmen der Urheber aus dem Verkauf von Schallplatten bewirken, nicht folgen. Vielmehr werde durch die Verbreitung der Magnettontechnik ein zusätzliches Musikbedürfnis geschaffen und befriedigt. Ferner könne ein alternativ zu schaffendes gesetzliches Verbot der Privatkopie in der Praxis nicht umgesetzt werden, ohne dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung des Art. 13 GG zu widersprechen100. Erst der Ministerialentwurf von 1959 sah in § 50 Ausnahmen für die Aufnahmen auf Bild- und Tonträgern vor. Zwar wurde am Grundsatz der privaten Vervielfältigung ohne Zustimmung des Urhebers festgehalten, die private Vervielfältigung auf Bild- oder Tonträger sollte indes grundsätzlich nicht gestattet sein101. Der Regierungsentwurf von 1961 sah schließlich in §§ 54, 55 im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung eines Verbotes der privaten Vervielfältigung wiederum die Erlaubnisfreiheit der Privatkopie vor, gewährte aber dem Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen 99 Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 605ff.. Zum gesamten, Maracke, S. 108, 475f. je m.w.N.. 101 Maracke, S. 487f. m.w.N.. 100 19 denjenigen, der die Vervielfältigung vornahm oder vornehmen ließ, nicht hingegen gegen die Hersteller von Vervielfältigungsgerätschaften102. Doch sah sich diese Regelung im Rechtsausschuss Bedenken ausgesetzt. Die Praktikabilität der Durchsetzung wurde in Frage gestellt, da die maßgeblichen Eingriffe in Urheberrechte stets im privaten Umfeld erfolgten und damit eine effektive Durchsetzung des Vergütungsanspruchs nur unter der Gefahr des Eindringens in die Privatsphäre der Besitzer von Vervielfältigungsgeräten erfolgen könne103. Die Regelungen der §§ 53, 54 des verabschiedeten UrhG vom 9. September 1965 sahen die grundsätzliche Zulässigkeit der Vervielfältigung zum persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch vor. In § 54 Abs. 5 UrhG war ein Anspruch gegen die Hersteller von Ton- und Bildaufzeichnungsgeräten, die zur privaten Vervielfältigung vorgesehen waren, begründet. Dieser Anspruch konnte nur von einer Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden104. Begründet wurde Vervielfältigung und die das grundsätzliche System der Zulässigkeit mittelbaren der privaten Erfassung des Endverbrauchers wie folgt: Zum einen könne ein Verbot der privaten Vervielfältigung in der Praxis nicht durchgesetzt werden, ohne dabei dem in Art. 13 GG verankerten Grundsatz von der Unverletzlichkeit der Wohnung zu widersprechen105. Zum zweiten, so die Begründung des Gesetzgebers, 102 Maracke, S. 492f. m.w.N.. Vgl. dazu BT – Drucksache IV/3401, S. 8f.. Es war der BGH, der den Weg aus dem erkanntermaßen unbefriedigenden Kompromiss eröffnete. War bei den Beratungen zum Ministerialentwurf eine Inanspruchnahme der Gerätehersteller mit dem Argument abgelehnt worden, ein solcher sei dogmatisch nicht begründbar, da die urheberrechtlich relevante Nutzung im Privatbereich erfolge, so wurde genau dieser Weg durch das Urteil des BGH vom 29. Mai 1964 (BGHZ 42, 118ff.) eröffnet. Dieser betonte in der zitierten Entscheidung die Verantwortlichkeit der Hersteller von Bild- bzw. Tonträgern für die Verletzung ausschließlicher Vervielfältigungsrechte des Urhebers durch den privaten Verbraucher als Störer nach § 1004 BGB analog und als Teilnehmer einer unerlaubten Handlung nach §§ 36 LUG, 823, 830 BGB (BGHZ 42, 118 (124ff.)). Damit war der Weg frei für die nun verfolgte Konzeption der mittelbaren Inanspruchnahme der Endverbraucher. 104 Von einer Vergütungspflicht für andere Techniken der privaten Vervielfältigung sah der Gesetzgeber seinerzeit ab, da jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt keine Beeinträchtigung des Absatzes urheberrechtlich geschützter Werke durch andere Geräte als jenen Tonbandaufzeichnungsgeräten erkannt wurde, wenngleich diese Gefahr freilich gesehen wurde, vgl. Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache IV/270, S. 72, Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 494. 105 Vgl. Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache IV/270, S. 71f., (Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 492f.). Doch wurde schon zum damaligen Zeitpunkt an dieser Anlehnung des Rechts an der Kraft des Faktischen Kritik geübt. Selbst wenn die These von der praktischen Undurchführbarkeit zuträfe, so sei dies kein Grund, um Unrecht zu legalisieren (so Hubmann, UFITA 19 (1955), S. 73f.). Das Bestehen eines 103 20 hätten die Urheber selbst zu erkennen gegeben, dass sie an einem Verbot der Privatvervielfältigung kein Interesse hätten, sie seien lediglich an einer angemessenen Vergütung hierfür interessiert106. Das hierfür entwickelte System der mittelbaren Erfassung der Endverbraucher enthalte zwar eine jeder Pauschalregelung innewohnende Unbilligkeit im Einzelfall, diese sei jedoch wegen der Unmöglichkeit einer zugleich praktikablen und vollkommen gerechten Lösung einer Rechtlosstellung der Urheber in diesem Bereich vorzuziehen107. Auch füge sich das System der mittelbaren Erfassung der Endverbraucher in das sonst im Urheberrecht herrschende System ein, nach dem der Verwerter, wie zum Beispiel der Verleger oder Konzertveranstalter, eine Vergütung an den Urheber zahle und diese dann im Rahmen seiner Preisgestaltung auf den privaten Endverbraucher abwälze108. b) Die Entwicklung des privaten Vervielfältigungsrechts bis heute Die weitere Entwicklung der Technik, insbesondere die raschen Fortschritte auf dem Gebiet der fotomechanischen Vervielfältigung wie auch die flächendeckenden Verbreitung der Leerkassette109 führten indes bald dazu, dass die Interessen der Urheber durch die 1965 getroffenen Regelungen nicht mehr ausreichend gewahrt waren110. Rechtsanspruchs könne nicht vom Grade seiner Durchsetzbarkeit abhängig gemacht werden (so Krüger – Nieland, GRUR 1957, S. 541), ferner dürfe die Wirkung eines gesetzlichen Verbotes auf den rechtlich denkenden Bürger nicht unterschätzt und für gering geachtet werden (so Froschmaier, UFITA 23 (1957), S. 66). 106 Vgl. Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache IV/270, S. 71f., Abdruck bei Schulze Materialien, Bd. 1, S. 493. 107 Vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drucksache IV/3401, S. 9f.. 108 Vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drucksache IV/3401, S. 8. 109 So lag beispielsweise die Anzahl der Fotokopien 1983 bei ca. 25 Milliarden Blatt, von denen rund 20 %, also ca. fünf Milliarden Blatt, von urheberrechtlich geschütztem Material hergestellt wurden, vgl. Nordemann, GRUR 1985, S. 841. Ähnlich dramatisch stellte sich die Entwicklung im Bereich der Vervielfältigung der Tonträger dar: Bereits 1975 ging die GEMA von ca. 100 Millionen verkauften Leerkassetten gegenüber 170 Millionen verkauften Schallplatten und 25 Millionen verkauften Musikkassetten aus (vgl. Dietz, GRUR 1978, S. 463 m.w.N.); erstaunlicherweise geht die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs vom 22.12.1983 nur von einer Verkaufszahl von 85 Millionen Stück für das Jahr 1981 aus (vgl. BT-Drucksache X/837, S. 10, Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 664f.). 110 Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 6; Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs vom 22.12.1983 in BT-Drucksache X/837, S. 10f.; Flechsig, NJW 1985, S. 1994. 21 Durch die Urheberrechtsnovelle vom 24. Juni 1985111 wurde das Vergütungssystem weiter ausgebaut und vor allem um eine kombinierte Geräte- und Leerkassettenabgabe für die Vervielfältigung im Ton-, Bildbereich sowie um eine kombinierte Geräte-/Großbetreiberabgabe für die fotomechanische Vervielfältigung ergänzt. Durch diese Einbeziehung von Bild- und Tonträgern in das Vergütungssystem sollte zweierlei erreicht werden: Zum einen sollte die tatsächliche Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke genauer erfasst werden, wofür der Verkauf der jeweiligen Speichermedien einen wirklichkeitsgerechteren Maßstab bildet, als das bloße Abstellen auf den Verkauf von hierzu geeigneten Geräten112. Zum anderen sollte weitestgehende Belastungsgerechtigkeit sowohl der Geräte- wie auch der Speichermedienhersteller hergestellt werden: Die Belastung alleine der Gerätehersteller wie bisher wurde nämlich dem Gedanken der Mitveranlassung von Urheberrechtsbeeinträchtigungen auch durch die Speichermedienhersteller nicht gerecht113. Der Grundsatz der privaten Vervielfältigungsfreiheit blieb hingegen erhalten114. Durch das 2. Urheberrechtsänderungsgesetz vom 9. Juni 1993115 wurde das bis dato geltende pauschale Vervielfältigungsverbot für Datenverarbeitungsprogramme in § 53 Abs. 4 S. 2 UrhG 1985 aufgehoben und durch die Vorschriften der §§ 69c ff. UrhG als leges speciales geregelt. Mit Erlass des Gesetzes zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 24. Juli 1995116 wurde der bisherige § 54 UrhG 1985 durch die Vorschriften der §§ 54 bis 54 h UrhG ersetzt. Diese Gesetzesänderung diente neben der Erleichterung des formalen Verständnisses der Regelungen auch der Anpassung des Urheberrechts an 111 Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 722; umfassend zum gesamten Thema, Möller. 112 Vgl. Möller, S. 31; Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs vom 22.12.1983 in BTDrucksache X/837, S.18. 113 Vgl. Möller, S. 31; Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs vom 22.12.1983 in BTDrucksache X/837, S. 17f.. 114 Dazu Überblick bei Möller, S. 26ff.; Flechsig, NJW 1985, S. 1994f.; zu den erneut stark divergierenden Positionen bei der Frage der grundsätzlichen Behandlung des privaten Vervielfältigungsrechts, vgl. Möller, S. 24ff.. Eine weitere Änderung des UrhG erfolgte durch das ProduktpiraterieG vom 7. März 1990, welches die Hinweispflicht in Rechnungen auf urheberrechtliche Vergütungen und eine doppelte Vergütungspflicht bei unrichtiger Auskunftserteilung einführte. 115 Abgedruckt bei Schulze, Materialien, Bd. 2, S. 856ff.. 116 Abgedruckt bei Schulze, Materialien, Bd. 2, S. 881ff.. 22 die veränderten Bedingungen des europäischen Binnenmarktes117. Durch das IuKDG vom 22. Juli 1997118 machte der bundesdeutsche Gesetzgeber von der Kann-Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 lit. a der Datenbankrichtlinie RL 96/9/EG vom 11. März 1996 Gebrauch und nahm in einem neuen Abs. 5 des § 53 UrhG lediglich elektronische Datenbanken von der Schrankenregelung zugunsten des privaten Gebrauchs aus. B. Fragestellung und Gang der Untersuchung I. Fragestellung Die Digitalisierung der Informationslandschaft stellt - ebenso wie die Erfindung des Buchdruckes Magnettonbandgeräten Urheberrecht, sich - eine den oder (weitere) veränderten die Verbreitung Herausforderung tatsächlichen an von das Verhältnissen anzupassen119. Nur wenn sich das Urheberrecht als flexibel genug erweist, mit der immer rascheren technischen Entwicklung adäquat Schritt zu halten, kann es seinem eigentlichen Auftrag - nämlich der Zuordnung von Geisteswerken an deren jeweilige Urheber den Gerechtigkeitsvorstellungen einer Gesellschaft entsprechend120 - gerecht werden. 1. Begriff und Auswirkungen der Digitalisierung für den Bereich privater Vervielfältigung a) Begriff der Digitalisierung 117 So wurde das bisherige, an das öffentlich-rechtliche Außenwirtschaftsrecht geknüpfte System der Einfuhrkontrollmeldungen durch eine Meldepflicht privatrechtlichen Charakters ersetzt; vgl. Diemar, S. 59; Schricker – Loewenheim, §. 53, Rn. 7. 118 BGBl. I S. 1870. 119 Vgl. dazu bspw. BT – Drucksache XIV/3972, S. 11: „Die Verbreitung von Digitaltechnologien stellt das Urheberrecht vor neue Herausforderungen.“. 120 Das BVerfG beschreibt die konstituierenden Merkmale des Urheberrechts als Eigentum im Sinne des Grundgesetzes mit dessen Funktion als „grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege der privatrechtlichen Normierung und seine [des Urhebers] Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können“, vgl. BVerfGE 31, 31 (240f.). Die ökonomische Notwendigkeit der Zuordnungsfunktion der „Idee“ vom (geistigen) Eigentum zeigt Lehmann, GRUR Int. 1983, S. 358ff.. 23 Unter dem Begriff der „Digitalisierung“ ist die Darstellung eines Geisteswerks in Form eines binären, d.h. aus Nullen und Einsen bestehenden Codes zu verstehen. Aus einem körperlichen Werk werden mit Hilfe der Digitalisierung technisch kompatible Informationen, die im Ergebnis mit Hilfe der digitalen Technik am jeweiligen Bestimmungsort erneut zu einem körperlich wahrnehmbaren Werkstück werden121. Die Digitalisierung betrifft also nur die äußere Erscheinung eines Werkes, das Werk als geistige Wesenheit wird hiervon nicht berührt 122 . Das für seine gravierenden Auswirkungen entscheidende Charakteristikum der Digitalisierung ist, dass jede denkbare Art von Geisteswerken in eine Vielzahl technisch völlig identischer Informationen – jenen aus Nullen und Einsen bestehenden „Bits“ – umgewandelt werden kann, deren technische Struktur völlig identisch ist. Diese Informationen sind dergestalt miteinander kompatibel, dass sie alle mit- und untereinander beliebig kombiniert, manipuliert und weitergeleitet werden können. Jede denkbare Art geistiger Werke kann damit auf ein und demselben materiellen Träger gespeichert und entsprechend bearbeitet Verteilerstruktur ohne werden und über ein Qualitätsverlust verbreitet und dieselbe werden123. Mittels Digitalisierung ist es möglich geworden von urheberrechtlich geschützten Werken ohne Qualitätsverlust und ohne besonderen Zeit- und Kostenaufwand digitale Vervielfältigungsexemplare herzustellen. Diese sind angesichts der zunehmenden weltweiten Vernetzung theoretisch in der Lage mit nur einem Vervielfältigungsexemplar die weltweite Nachfrage an dem betreffenden Werk zu befriedigen124. Noch nie war es so leicht möglich, ein von der Vorlage kaum mehr unterscheidbares Vervielfältigungsexemplar so kostengünstig und qualitativ hochwertig zu erstellen und dieses weltweit zu verbreiten. b) Auswirkungen der Digitalisierung 121 Zum Begriff umfassend, Lehmann, Internetrecht, S. 26f m.w.N.; Schricker, Informationsgesellschaft, S. 19; Maus, S. 31, 33. 122 Schricker, Informationsgesellschaft, S. 31. 123 Dazu Becker/Dreier, Digitale Technologie, S. 125f; Lehmann, Internetrecht, S. 26f.; BT – Drucksache XIV/3972, S. 12. 124 Vgl. Hohagen, S. 43 m.w.N.; Maus, S. 59ff.. 24 Dass diese Entwicklung nicht ohne Auswirkungen auf den Markt urheberrechtlich geschützter Werke bleibt, ist nicht weiter erstaunlich. Am Beispiel der besonders betroffenen Musikwirtschaft lässt sich dies eindrucksvoll illustrieren125: So wurden 2003 in Deutschland geschätzte 325 Millionen CD-Rohlinge mit Musik bespielt, was gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von ca. 26 % bedeutete. Von den insgesamt 21, 4 Millionen Personen, welche diese Vervielfältigungsstücke anfertigten, verfassten 12,7 Millionen auch für Nichtangehörige des eigenen Haushalts digitale Kopien, was einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um 59, 5 % entspricht. Im Bereich des Musikdownloads aus dem Internet zeichnet sich für das Jahr 2003 ein vergleichbares Bild ab. Aus ausschließlich illegalen Quellen wurden 602 Millionen Musikstücke herunter geladen. Die Zahl derjenigen, welche den Musikdownload via Internet betreiben, wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 14 % auf 7, 3 Millionen Nutzer an. 98,3 % dieser Personen benutzten bei ihrer Downloadaktivität keinen kostenpflichtigen Anbieter. Dass der mit dem flächendeckenden Einzug der Digitaltechnik zu verzeichnende Umsatzrückgang126 der genannten Branche mit der stetigen Zunahme der privaten digitalen Vervielfältigungspraxis in unmittelbaren Zusammenhang steht, wird von niemandem ernsthaft bestritten. Angesichts dieses Bedrohungspotentials versuchen die Rechteinhaber – getreu der Maxime Clarks: „ The answer to the machine is in the machine“127 – das Potenzial der Digitaltechnik zu ihren Gunsten zu nutzen. So greifen sie zur elektronischen Selbsthilfe und versuchen durch technische Schutzmaßnahmen eine private Vervielfältigung von vorneherein ganz auszuschließen (so im Wege von Kopierkontrollen) oder zumindest die private Nutzung (primär zum Zwecke der Sicherung einer Vgl. dazu die Brenner – Studie 2004, welche die GfK im Auftrag der deutschen Phonoverbände unter repräsentativer Befragung von 10 000 Teilnehmern erstellt hat. Darin wurden sowohl das private Kopieren von Musikwerken auf digitalen Speichermedien wie auch der Musikdownload aus dem Internet erfasst. Als PDF - Format zum Download unter www.ifpi.de (Stichwort: Brennerstudie 2004) erhältlich (abgerufen am 15. Dezember 2004). 126 So ging der Umsatz gemessen an Endverbraucherpreisen im Jahr 2003 um 19,8 % gegenüber dem Vorjahr zurück. Ein Trend, sich auch für die Jahre 2002 und 2001 feststellen lässt. Vgl. dazu die Absatzzahlen der Phonowirtschaft, abrufbar unter www.ifpi.de (Stichwort: Wirtschaft) (abgerufen am 15. Dezember 2004). 127 Hugenholtz, Digital Environment – Clark, S. 139ff.. 125 25 Nutzungsvergütung) im Wege von Digital Rights – Management Systemen128 (DRM – Systemen) möglichst umfassend zu kontrollieren129. Abstrakt formuliert, lässt sich die durch die Digitalisierung geschaffene Ausgangslage wie folgt umschreiben. Die Rechteinhaber fürchten angesichts der oben umrissenen Möglichkeiten der Digitaltechnik den weitgehenden Kontrollverlust im Hinblick auf die private Nutzung der geschützten Werke. Konsequent plädieren sie daher für eine Ausdehnung ihrer ausschließlichen Verwertungsbefugnisse bis hin zur Rückkehr eines Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers an seinem Werk im digitalen Bereich130. Anders auf Seiten der Werknutzer. Jene fürchten durch technische Zugangssperren und prohibitiv hohe Preise in einer wissensorientierten Informationsgesellschaft von verfügbaren Informationen ausgeschlossen zu werden. Sie treten daher für einen gesetzlichen Mindeststandard zur Gewährleistung von „Nutzerrechten“ ein, um die Bildung von Informationsmono- oder -oligopolen zu verhindern131. 2. Herausforderungen an den Gesetzgeber angesichts der zunehmenden Digitalisierung im Bereich privater Vervielfältigung Die Dichotomie zwischen dem durch die Digitalisierung geschaffenen Schutz sowie der Bedrohung von Urheberrechten auf der einen und den Allgemeininteressen auf der anderen Seite132 - so zeichnet die Digitalisierung ebenso für die erleichterte Piraterie urheberrechtlich relevanter Inhalte im Wege privater Vervielfältigung verantwortlich, wie auch für den Versuch der Rechteinhaber, die rechtmäßige Nutzung von Werken durch Private über Gebühr einzuschränken133 - stellt an den Gesetzgeber neue Herausforderungen. Wenn das geltende Urheberrecht einen angemessenen Ausgleich zwischen betroffenen Interessengruppen134 angesichts der veränderten tatsächlichen 128 Zum Begriff umfassend Bechtold, Informationsrecht, S. 2ff.. Vgl. Hohagen, S. 44f.; Schack, ZUM 2002, S. 497f.. 130 Vgl. Däubler-Gmelin, ZUM 1999, S. 770f.; Hohagen, S. 43. 131 Vgl. Däubler-Gmelin, ZUM 1999, S. 770f.; Hohagen, S. 43f.. 132 Vgl. dazu Becker/Dreier – Dreier, S. 123f.. 133 Vgl. Becker/Dreier – Dreier, S. 140f.; Dreier, CR 2000, S. 46f.. 134 Die private Vervielfältigungsfreiheit stellt sich als Ergebnis eines notwendigen Interessenausgleichs zwischen Urhebern, Werkvermittlern, Allgemeinheit und Werknutzern 129 26 Bedingungen privater Vervielfältigungstätigkeit indes nicht mehr wahren kann, so ist der Gesetzgeber zur Neujustierung dieses Interessensausgleichs berufen135. Den bindenden Vorgaben des Grundgesetzes, aber auch denjenigen des internationalen und europäischen Rechts, denen der Gesetzgeber bei Ausführung seines Vervielfältigungsrecht Regelungsauftrag unterworfen ist, betreffend bilden den das private Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Dabei ist dem stetigen Bedeutungszuwachs des Urheberrechts postindustriellen angemessen Wissens- und Rechnung zu tragen: In Informationsgesellschaft unserer werden unkörperliche Produkte und Dienstleistungen zunehmend zur Basis wirtschaftlicher Prosperität136 wie persönlicher Freiheitsentfaltung. Auch die steigende Nachfrage einer „Freizeitgesellschaft“, der stetig mehr Freizeit zur Verfügung steht, nach Information und Unterhaltung – klassische Domänen der „Urheberrechtsindustrie“ – wirkt an einer Zunahme der Bedeutung des Urheberrechts mit137. 3. Begriff der privaten Vervielfältigung Um die Reichweite verfassungsrechtlicher Vorgaben zur Reglung privater Vervielfältigungstätigkeit von urheberrechtlichen Werken beurteilen zu können, ist die begriffliche Klärung notwendig, was unter „privater Vervielfältigung“ überhaupt zu verstehen ist. Nur so können Eingriffe in verfassungsrechtliche Vervielfältigungstätigkeit, Positionen wie der Urheber auch durch private verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe, welche zugunsten der Vervielfältigungstätigkeit angeführt werden können, überhaupt beurteilt werden. Unter „privater Vervielfältigung“ urheberrechtlich geschützter Werke sollen in der vorliegenden Untersuchung nur solche Vervielfältigungshandlungen dar, vgl. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 1; Hohagen, S. 46; Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn.1. 135 Im Hinblick auf den Schutz geistigen Eigentums plädiert hierfür Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 37. Im Hinblick auf den Schutz der Interessen der Werknutzer plädiert hierfür Hohagen, S. 46. 136 Vgl. Schricker – Schricker, Einl., Rn.9; Dreier, CR 2000, S. 45. 137 Schricker – Schricker, Einl., Rn. 9. 27 fallen, welche unter Vervielfältigungsbegriff des derzeit gültigen § 53 Abs. 1 UrhG zu subsumieren sind. Unter § 53 Abs. 1 UrhG entfällt nur die Vervielfältigung - also die erstmalige Verkörperung eines Werkes oder die körperliche Vervielfachung eines bereits verkörperten Werkes - eines urheberrechtlichen Werkes „zum privaten Gebrauch“. „Privater Gebrauch“ im Sinne dieser Vorschrift ist der Gebrauch in Bedürfnisse der durch Privatsphäre die eigene zur Befriedigung Person, aber rein auch persönlicher zugunsten der Bedürfnisbefriedigung der mit ihr durch ein persönliches Band verbundenen Personen138. Eine Vervielfältigung zu jenem privilegierten Gebrauch liegt hingegen nicht mehr vor, wenn diese beruflichen oder erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient139. Vom Untersuchungsgegenstand ausgenommen ist die Vervielfältigung zum „sonstigen eigenen Gebrauch“ im Sinne des § 53 Abs. 2 UrhG sowie die Vervielfältigung zum „Unterrichts- und Prüfungsgebrauch“ im Sinne des § 53 Abs. 3 UrhG140. II. Gang der Untersuchung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sollen jene rechtlichen Vorgaben sein, nach denen sich der Gesetzgeber bei der Neugestaltung eines angemessenen Regelungsmodells der privaten Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlich geschützter Werke zu richten hat. Der nationale Gesetzgeber ist als Recht setzendes Organ grundsätzlich nur der Bindung an die Vorgaben des Grundgesetzes unterworfen 141. Konsequenterweise werden im Fortgang der Untersuchung diejenigen verfassungsrechtlichen Vorgaben herausgearbeitet, welche für die Vgl. Amtl. Begründung zur Novelle 1985, BT – Drucksache X/837, S. 9; BGH GRUR 1978, S. 474f.; Wandtke/Bullinger – Lüft, § 53, Rn. 14; Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 12 je m.w.N.. 139 Vgl. dazu soeben vorherige Fußnote. 140 Dazu bspw. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 17ff. und 35ff.; Wandke/Bullinger – Lüft, § 53, Rn. 15ff. und 28ff.. 141 Vgl. Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG. Dazu umfassend Kremser/Leisner, § 6, Rn. 61ff.; Ossenbühl, Rechtsquellen, Rn. 26ff.. 138 28 einfachgesetzliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlicher Werke von Bedeutung sind142. Daneben ist der Gesetzgeber auch zur Beachtung völkerrechtlicher und europarechtlicher Vorgaben verpflichtet143. Folglich sollen auch deren Anforderungen an die nationale Ausgestaltung eines urheberrechtlichen Privatvervielfältigungsinstituts Berücksichtigung finden144. Zuletzt sollen die so gefundenen Vorgaben an den nationalen Gesetzgeber in einer Gesamtbetrachtung zusammengeführt werden und so der verfassungsrechtliche Rahmen herausgearbeitet werden, nach dem sich der Gesetzgeber bei der Neugestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlicher Werke zu richten hat145. 142 Unten Teil 2 hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes der Urheber, Teil 4 hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes der Werknutzer. 143 Dazu Ossenbühl, Rechtsquellen, Rn. 64ff.. 144 Unten Teil 3 hinsichtlich des Schutzes der Urheber, Teil 5 hinsichtlich des Schutzes der Werknutzer. 145 Unten Teil 6. 29 Teil 2: Der verfassungsrechtliche Schutz des Urhebers Die Regelung der privaten Vervielfältigungsfreiheit in den §§ 53 Abs. 1, 54 ff. UrhG ist das Ergebnis eines Interessenausgleichs zwischen Urhebern, Werkmittlern, Allgemeinheit und Werknutzern146. Insbesondere angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung ist es Aufgabe des Gesetzgebers, dieses Interessenviereck erneut zu justieren und in einen angemessenen, verfassungsgerechten Ausgleich zu bringen147. Der Gesetzgeber ist bei der Findung dieses Ausgleichs an die Gesamtheit der grundgesetzlichen Normen, also insbesondere an die Grundrechte, gebunden148. Dies gilt auch für die Kodifizierung von Privatrechtsverhältnissen149, da die Grundrechte nicht nur als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert sind, sondern als objektive Wertordnung dem Gesetzgeber bei seiner Tätigkeit eine zu beachtende Richtlinie bilden 150. Das Verfassungsrecht gibt also den bindenden Rahmen für den Gesetzgeber vor, den dieser bei der Ausgestaltung der privaten Vervielfältigungsfreiheit zu beachten hat. A. Bedeutung des Verfassungsrechts für den Urheber im Überblick Das Grundgesetz kennt mit Ausnahme des Art. 79 Nr. 9 GG, der eine kompetenzrechtliche Frage betrifft, keine Vorschrift, die sich mit dem Schutz oder der Anerkennung des Urheberrechts ausdrücklich auseinandersetzt. Der verfassungsrechtliche Schutz geistiger Werke erfolgt vielmehr durch die Gewährleistung verschiedener Einzelgrundrechte der Urheber151. Die Zentralnorm zum Schutz von Urheberrechten im Grundgesetz ist die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Sie umfasst vornehmlich den Schutz der wirtschaftlichen Verwertung geistigen Eigentums. Dieser vermögensrechtliche Schutz wird durch den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, ergänzt. 146 Dazu oben Teil 1, A. III. 1.. Vgl. dazu BVerfGE 79, 1 (26) mit Verweis auf BVerfGE 31, 225 (265). 148 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Bd. 2, Art. 20, Rn. 240. 149 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Bd. 1, Art. 1, Rn. 192; BVerfGE 7, 198 (205). 150 Grundlegend BVerfGE 7, 198 (204f.); vgl. auch Riedel, S. 19; Metzger, S. 89ff.; Classen, S. 146, 148. 151 Maunz, GRUR 1973, S. 107; Fechner, S. 186; Hohagen, S. 269 je m.w.N.. 147 30 Weiterhin wird der Schutz geistiger Werke durch die Freiheit der Wissenschaft und Kunst, Art. 5 Abs. 3 GG, jedenfalls teilweise gewährt 152. Entgegen der bereits erwähnten monistischen Theorie, die dem UrhG zugrunde liegt und die vom Urheberrecht als einem einheitlichen Recht ausgeht153, wird hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes von Urheberrechten strikt zwischen persönlichkeitsrechtlichen und vermögensrechtlichen Bestandteilen unterschieden154. Auch angesichts der folgerichtigen155 Einordnung des Urheberrechts entsprechend der monistischen Theorie vermag diese spezifisch verfassungsrechtliche Sichtweise indes nicht recht zu überzeugen156. Denn genauso schwer, wie sich in urheberrechtlicher Hinsicht vermögens- von persönlichkeitsrechtlichen Aspekten des Rechts am Geisteswerk trennen lassen, ebenso schwer ist dies in verfassungsrechtlicher Hinsicht der Fall. Auch hier bedingen vermögensrechtliche und Aspekte beeinflussen des sich persönlich- verfassungsmäßigen und Schutzes urheberrechtlicher Werke wechselseitig. Vor einer isolierten Betrachtung des verfassungsrechtlichen Schutzes geistiger Werke ist daher zu warnen. Vielmehr ergibt sich der Schutz des Urhebers im Wege einer verfassungsrechtlichen Gesamtschau157. B. Der Schutz des Urhebers durch die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG Die wirtschaftlichen Verwertungsrechte eines Urhebers an seinem Werk, wie sie durch das Urheberrecht gewährleistet werden, sind nach einmütiger Auffassung der Urheberrechtslehre in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor allem158 durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG abgesichert159. Vgl. dazu Schricker – Schricker, Einl., Rn. 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Auch ist daran zu denken, angesichts der unterschiedlichen Behandlung von Sach- und geistigem Eigentum den Schutz des Urhebers durch den allgemeinen Gleichheitssatz zu untersuchen; dazu Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 31f., Fechner, S. 218f.. 153 Bestehend aus je Wechsel wirkenden vermögens- und persönlichkeitsrechtlichen Teilen. 154 Hohagen, S. 269; Fechner, S. 186. 155 Vgl. oben Teil 1, A. II. 5.. 156 Zur Kritik: Fechner, S. 256; Metzger, S. 74ff.. 157 In diesem Sinne auch Fechner, S. 256; Metzger, S.75; Weber, S. 12; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 84. 158 Noch einmal sei davor gewarnt, vermögens- und persönlichkeitsrechtliche Aspekte des Urheberrechts in seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung (künstlich) aufzuspalten. Es soll im Folgenden nur versucht werden, den ganzheitlich zu verstehenden konstitutionellen Schutz des Urheberrechts den unterschiedlichen Verfassungsnormen zuzuordnen. Ein 152 31 Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist seit seinem Beschluss vom 7. Juli 1971160 anerkannt, dass das Urheberrecht in seiner Eigenschaft als Nutzungsrecht Eigentum im Sinne des Art. 14 GG darstellt161. Als ausschließlich normativ geprägtes Grundrecht weist die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dabei allerdings ein spezifisches Problem auf, das es zu klären gilt, bevor der Frage nachgegangen werden kann, welche Folgen diese Zuordnung für die Qualität des durch Art. 14 GG gewährleistete Schutz von Urheberrechten haben mag162: Das Schutzobjekt der Garantie des Art. 14 GG - das Eigentum - ist, anders als beispielsweise die Schutzgüter „Leben“, „körperliche Unversehrtheit“ oder „Meinungsäußerung“, nicht der Tatsachenwelt entnommen, sondern wird ausschließlich normativ bestimmt163. Nämlich durch den Staat und seine Rechtsordnung. Der Begriff des Eigentums als der umfassendsten rechtlichen Herrschaft über das jeweilige Objekt des Eigentumsrechts setzt schon begrifflich den Bestand einer Rechtsordnung voraus, die diese Herrschaft anerkennt und gewährleistet. Erst eine vom Staat geschaffene Rechtsordnung vermag den abstrakten Begriff „Eigentum“ mit Inhalt zu füllen. Es ist die Rechtsordnung selbst, die definiert, was als „Eigentum“ zu gelten habe. Aus dieser Konstellation ergibt sich das zirkuläre Problem der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Wenn die Rechtsordnung bestimmt, was „Eigentum“ eigentlich ist (und in diesem Kontext über den Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG auch, was Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne ist), dann ist es der Gesetzgeber selbst, der darüber entscheidet, was als Eigentum zu gelten hat und was nicht. Allerdings sind Grundrechte dazu geschaffen, dem Schluss von der Methodik auf den Inhalt soll damit nicht verbunden sein. Vgl. dazu Fechner, S. 198; Metzger, S. 80f.. 159 Exemplarisch dazu beispielsweise Schricker – Schricker, Einl. Rn. 12, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 4f.; Weber, S. 12ff.; Engel, AöR 118 (1993), S. 186; Kreile, Sozialbindung, S. 252f.. 160 BVerfGE 31, 229ff.. 161 Vgl. dazu BVerfGE 31, 229; 49, 382; 79, 29; 81, 12. 162 Diese Frage werfen auch auf Söllner, S. 369f.; Fechner, S. 121ff., S. 198ff.; angedeutet bei Kröger, S. 113; Krüger-Nieland, S. 181; Badura, ZUM 1984, S. 555f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 35ff.; umfassend zur Problematik, Herzog, Grundrechte, S. 1416ff. 163 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Bd. 1, Art. 14, Rn. 29; Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 83f., spricht von „rechtsgeprägten Grundrechten“. 32 Gesetzgeber Schranken für seine Eingriffe in die Sphäre seiner Bürger zu ziehen und die Geltung der Grundrechte auch im Verhältnis der Bürger untereinander optimal zur Entfaltung zu bringen. Durch die normative Prägung des Eigentums reicht bei dieser Sichtweise der verfassungsrechtliche Schutz der Eigentumsgarantie indes nicht weiter als der vom Staat selbst festgelegte gesetzgeberische Schutz: Was der Gesetzgeber als „Eigentum“ in seiner Rechtsordnung ausweist, genießt den Schutz des Art. 14 GG, wo er dies unterlässt, bleibt auch für die Garantie des Art. 14 GG kein Raum. Um diesen (durch die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3 GG geschaffenen) systematischen und teleologischen Zirkel zu durchbrechen und dem Gesetzgeber damit kein freies Belieben bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums im Sinne des Art. 14 GG zu gewähren164 - was der Aushebelung des Art. 1 Abs. 3 GG gleichkäme und die Gefahr einer schleichenden Aushöhlung des Privateigentums mit sich brächte -, soll zunächst versucht werden, dieses grundrechtsdogmatische Problem zu lösen. I. Besonderheit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Das Dilemma des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs liegt in der Formulierung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG begründet, der den Gesetzgeber einerseits dazu ermächtigt, als unerwünscht betrachtete Formen der Eigentumsausübung zu unterbinden, ihm aber andererseits das Recht zur Seite stellt zu bestimmen, welche Güter überhaupt unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehen sollen. Wegen dieser gesetzgeberischen Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ist Kernfrage des grundrechtlichen Schutzes vermögensrechtlicher Urheberrechtspositionen, ob und welche Grenzen dem Gesetzgeber durch das Grundgesetz insoweit gezogen sind165. 164 Diese Gefahr sprechen in aller Deutlichkeit an, Söllner, S. 370; Schulte, GRUR 1985, S. 773f. und Herzog, Grundrechte, S. 1419f., S. 1422f.. Offengelassen dagegen bei Hohagen, S. 273; Leinemann, S. 25f.. 165 Vgl. Fechner, S. 200; Herzog, Grundrechte, S. 1421f.; Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 96; Baur, NJW 1982, S. 1734f.. 33 Zur Findung gesetzgeberischer Grenzen im Bereich des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs kann es nur zwei gedankliche Ausgangspunkte geben. Entweder man geht von einem vorgegebenen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff aus, oder aber man überlässt dem einfachen Gesetzgeber (auch) die Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs166. Das Bundesverfassungsgericht ist - entgegen vielfach geäußerter Kritik an seiner angeblich unklaren Haltung bei der Entwicklung und Beurteilung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs167 - stets von der Eigenständigkeit, also der Vorgegebenheit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs ausgegangen. So stellt es im „Naßauskiesungsbeschluß“ ausdrücklich fest, dass der „Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums […] aus der Verfassung selbst gewonnen werden [muss]. Aus Normen des einfachen Rechts, die im Range unter der Verfassung stehen, kann weder der Begriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn abgeleitet noch kann aus der privatrechtlichen Rechtsstellung der Umfang der Gewährleistung des konkreten Eigentums bestimmt werden“ 168. Kein logischer Bruch dieser Dogmatik ergibt sich dadurch, wenn das Gericht eben da fortfährt, dass sich Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes „aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze [ergeben], die den Inhalt des Eigentums bestimmen“169. Denn entscheidend für den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff sind nach diesem Diktum eben nur verfassungsmäßige Gesetze, die diesen Begriff ausfüllen. Als Maßstab für deren Verfassungsmäßigkeit kann nur ein solcher dienen, der eben nicht durch diese Gesetze selbst, sondern von „außerhalb“, also durch die Verfassung, bestimmt wird170. Auch aus einer teleologischen Betrachtung der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie heraus kann die legislative Definitionsbefugnis des 166 So auch Leisner, Eigentum, S. 1044f.; Engel, AöR 118 (1993), S. 193ff.. Nach Herzog wird dieses Problem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in „schattenhaften Umrissen“ erkennbar, vgl. Herzog, Grundrechte, S. 1420. Dieser Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stimmt Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 96 f. zu. Vgl. auch Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 38. 168 BVerfGE 58, 300 (335). 169 BVerfGE 58, 300 (336). 170 Leisner, Eigentum, S. 1050ff.; ders. DVBl. 1983, S. 64. 167 34 Gesetzgebers im Hinblick auf die inhaltliche Bestimmung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs nicht grenzenlos sein, soll die verfassungsrechtliche Garantie des Art. 14 GG überhaupt noch eine Wirkung entfalten171. Der Gesetzgeber stünde in diesem Fall nämlich nicht mehr der Grundentscheidung des Art. 1 Abs. 3 GG entsprechend unter, sondern vielmehr über der Verfassung172. Ein Gesetzgeber, der den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff Schutzbereichsdefinitionskompetenz selber qua bestimmen autonomer könnte, wäre letztlich nicht anders gebunden als ein solcher Gesetzgeber, der den Bindungen eines Art. 14 GG gar nicht unterworfen wäre173. Um Art. 14 GG also nicht als wertlose Hülse einer bloß fiktiven verfassungsrechtlichen Positionen erscheinen Garantie zu eigentumslassen, bzw. ist es urheberrechtlicher erforderlich, die verfassungsmäßigen Grenzen des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Inhalts der Eigentumsgarantie174 herauszuarbeiten. II. Verfassungsrechtliche Grenzen des Gesetzgebers An dieser Stelle sind also diejenigen Maßstäbe herauszuarbeiten, welche Art. 14 GG dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung urheberrechtlicher Positionen als Schutzgüter der Eigentumsgarantie auferlegt175. 1. Leistungsprinzip als Verfassungsprinzip Ausgehend vom Telos der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie176 lässt sich die Vorgegebenheit des verfassungsrechtlichen Begriffs vom 171 Übereinstimmend Fechner, S. 199; Herzog, Grundrechte, S. 1422f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 43; Leisner, Eigentum, S. 1032f.; Söllner, S. 370; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 39; für eine selbständige Begrifflichkeit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs plädieren auch Badura, AöR 98 (1973), S. 154f.; Nierhaus, AöR, 116 (1991), S. 100f.; BK – Kimminich, Art. 14, Rn. 28; Jähnich, S. 148f.; vgl. auch Weber, S. 21; Kreile, Sozialbindung, S. 256. 172 Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 43; Vom naturrechtlichen Standpunkt aus, Riedel, S. 16f.. 173 Leisner, Eigentum, S. 1051f.; in diesem Sinne auch Engel, S. 195f.. 174 Nach Dürig ZgS 109 (1953), S. 326ff. ist das Grundrecht der Eigentumsfreiheit ein Menschenrecht und als solches Ausdruck eines überstaatlichen Rechts, das mit der Menschennatur kraft Menschseins gegeben und dem Staat damit vorgegeben ist. 175 Fechner, S. 199. 35 (geistigen) Eigentum durch den verfassungsimmanenten Begriff der Leistung des Schöpfers geistigen Eigentums begründen177. Dem Eigentum kommt als Rechtsinstitut im Gefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen178. Insoweit ergänzt die Gewährleistung des Eigentums die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit179 des Einzelnen. Denn indem die Eigentumsgarantie dem Einzelnen einen bestimmten Bestand an den nur beschränkt vorhandenen Gütern dieser Welt zuerkennt, erweist sich das Eigentum als notwendige und unverzichtbare Ergänzung anderer grundrechtlicher Freiheiten180: Erst mit der durch die Eigentumsrechte garantierten, rechtlich anerkannten und damit durchsetzbaren Herrschaft über das jeweilige Eigentumsobjekt, vermag der Einzelne seine (wirtschaftliche) Existenz ausreichend zu sichern181. Nutzungsmöglichkeit des Darüber hinaus Eigentumsobjekts verschafft dem erst Einzelnen die einen wesentlichen Teil des Inhalts seiner persönlichen Freiheit182. Wenn nun aber die Eigentumsgarantie im Wesentlichen183 der Sicherung der materiellen Grundlagen der persönlichen Freiheit des Individuums dient184, dann liegt es nahe gerade den durch eigene Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern verfassungsrechtlich anzuerkennen und entsprechend zu sichern. Denn nur die, durch die individuelle Freiheitsbetätigung erlangten Früchte des Einzelnen - sprich: die Materialisierung oder Leistung seiner Arbeit - können die materielle (und existenzielle) Basis seiner persönlichen Freiheit darstellen. Der Schutz 176 Für diese methodische Vorgehensweise plädieren auch Wendt, S. 75ff.; Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn. 121. 177 Vgl. Engel, AöR 118 (1993), S. 200; Fechner, S. 202 ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Deppenheuer, Art. 14, Rn. 13; Leisner, Eigentum, S. 1055ff.; Badura, ZUM 1984, S. 557; Söllner, S. 371; Herzog, Grundrechte, S. 1426f.. 178 BVerfGE 24, 367 (389). 179 BVerfGE 14, 288 (293). 180 Vgl. BVerfGE 30, 292 (334); Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn. 28; in diesem Sinne auch Herzog, Grundrechte, S. 1427f.. 181 Dazu umfassend Leisner, Eigentum, S. 1057ff.. 182 Vgl. Wendt, S. 106f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 11 m.w.N.; Badura, Eigentum, Rn. 6. 183 Vgl. Fechner, S. 205; Badura, ZUM 1984, S. 558; weitergehende Funktionen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes zeigt Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 21f.. 184 Vgl. BK – Kimminich, Art. 14 GG, Rn. 18ff. m.w.N.. 36 dieser materiellen Basis kann aber nicht alleine durch den Schutz der Ausübung der individuellen Freiheit erlangt werden. Denn die Ausübung persönlicher Freiheit verlangt stets deren materielle Absicherung185. Der Schutz der Ausübung von Grundfreiheiten, das „Leben“ von Freiheit, bleibt aber anderen Grundrechten vorbehalten. Insofern ist es konsequent, das Leistungsprinzip zum wesentlichen Fundament der Begründung der Schutzwürdigkeit verfassungsrechtlich geschützter Eigentumspositionen zu machen186. Nach dem Leistungsprinzip ist das wirtschaftliche Ergebnis privater Betätigung, die „Leistung“ des Individuums, ganz allgemein demjenigen zuzuordnen, der dieses Ergebnis kraft eigener Bemühung erzielt hat187. Vor der Fundierung der Eigentumsgarantie im Leistungsprinzip wird dabei deutlich, dass mit dem Grad der „personalen Qualität“ der Leistung auch der Grad der Schutzwürdigkeit des erzielten Ergebnisses steigt188: Je mehr an persönlicher Freiheitsbetätigung in das Leistungsergebnis hineingelegt worden ist, um so stärker muss der durch die Eigentumsgarantie gewährleistete Schutz sein und umgekehrt. Wenn nach dem Gesagten der Grad der Schutzwürdigkeit einer persönlichen Leistung von deren „personalem Substrat“ abhängt, dann ist dies für das Urheberrecht als geistigem Eigentum in zweierlei Hinsicht von Bedeutung189. Zum einen ist die personale Qualität einer geistigen Leistung höher anzusiedeln als beispielsweise die Nutzung unternehmerischen Eigentums oder die Nutzung von Grundeigentum, da bei ersterem sehr viel mehr an persönlicher Freiheit entfaltet wird. Zum anderen ist auch der verstärkte soziale Bezug von Geisteswerken zu berücksichtigen: Anders als das Sacheigentum erlangt geistiges Eigentum seine Geltung erst mit seiner Entäußerung in den gesellschaftlichen Raum190, erfährt erst hierdurch im Erinnert sei an das Christuswort „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Dies impliziert, dass er zunächst einmal auf das Brot zum leben angewiesen ist. 186 So das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 30, 292 (334f.); 41, 125 (150); 42, 64 (76f.); 46, 325 (334); 49, 220 (226); 50, 290 (340f.); 51, 193 (218); so auch Fechner, S. 202ff.; Leisner, Eigentum, S. 1055ff.; Maunz, GRUR 1973, S. 114; Söllner, S. 371; Wendt, S. 113ff.; Schulte, GRUR 1985, S. 774. 187 Wendt, S. 258f.. 188 Badura, ZUM 1984, S. 558f.; Maunz, GRUR 1973, S. 114; angedeutet bei Fechner, S. 202, Fn. 62. 189 Dazu Badura, ZUM 1984, S. 558. 190 So ist die bloße Idee als solche nicht schutzfähiger Bestandteil eines Urheberrechts und damit ebenso wenig des verfassungsrechtlichen Schutzes. Die Werkschöpfung muss 185 37 Wesentlichen die Bestimmung seiner Wertigkeit. Schließlich ist auch bei der Entstehung von Geisteswerken, die regelmäßig mehr oder minder auf einer gesellschaftlich gewachsenen kulturellen oder wissenschaftlichen Tradition aufbauen, ein stärkerer sozialer Bezug zu erkennen als bei anderen Eigentumsformen191. Bei der konkreten Bestimmung verfassungsrechtlicher Vorgaben an die Ausgestaltung urheberrechtlicher Regelungen sind also die verstärkte personale Qualität wie auch der starke soziale Bezug von Geisteswerken gleichermaßen zu berücksichtigen192. Zusammenfassend lässt sich das Leistungsprinzip wie folgt für den unabdingbaren Kern der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG festlegen: Wer eine Leistung in Form einer immateriellen Schöpfung erbringt, der soll hinsichtlich der Nutzungen, die aus seiner Hervorbringung gezogen werden, den Schutz der Eigentumsgarantie genießen193. 2. Allgemeine rechtsstaatliche Schranken Durch die Vorgaben des Leistungsprinzips ist entschieden, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Ausgestaltung des Urheberrechts als geistiges Eigentum im Sinne das Art. 14 GG an weit mehr gebunden ist, als an bloß allgemeine rechtsstaatliche Schranken. Eigentum ist mehr als bloße Rechtsstaatlichkeit194. Indes sind die allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken ebenso von Bedeutung und geben der Definitionskompetenz des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Institute einen weiteren zwingenden Rahmen vor195. a) Institutsgarantie zumindest eine der durch menschliche Sinne wahrnehmbare Form angenommen haben, in irgendeiner Weise also in den gesellschaftlichen Raum eingedrungen sein, vgl. Schricker – Loewenheim, §. 2, Rn. 20 m.w.N.; vgl. auch Roeber, S. 25. 191 Vgl. BK – Kimminich, Art. 14, Rn. 36; Roeber, S. 25. 192 Vgl. Badura, ZUM 1984, S. 559f.. 193 Fechner, S. 209. 194 So das Diktum von Leisner, Eigentum, S. 1052. 195 Vgl. allgemein dazu Leisner, Eigentum, S. 1052ff.; Fechner, S. 210ff. 38 Eine Schranke der gesetzgeberischen Inhaltsbestimmung bei der Ausgestaltung geistigen Eigentums ergibt sich aus der Institutsgarantie des Art. 14 GG. Der Schutz des Art. 14 GG ist nicht nur im Sinne einer Individualrechtsgarantie, also als subjektiv öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch in der Hand der einzelnen Eigentümers zu verstehen, sondern auch im Sinne der Gewährleistung des Eigentums als Rechtsinstitut196. Der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge verbietet es die Gewährleistung des Privateigentums als Rechtsinstituts, solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung zu entziehen, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören. Der durch Art. 14 GG gesicherte Freiheitsbereich dürfe nicht völlig aufgehoben oder wesentlich geschmälert werden. Vielmehr sichere die Institutsgarantie einen Grundtatbestand an Normen, die das Eigentum im Sinne des Art. 14 GG umschreiben197. Nun ersetzt diese mehr verwirrende denn erhellende Terminologie des Bundesverfassungsgerichts den Begriff der „Institutsgarantie“ durch die wenig aussagekräftigeren Begriffe wie „elementarer Bestand“, „der durch Art. 14 GG gesicherte Freiheitsbereich“ und den „Grundtatbestand an Normen“198, ohne dass damit inhaltlich etwas gewonnen wäre. Richtigerweise bildet die Institutsgarantie nichts anderes als die äußerste Grenze, die der Gesetzgeber bei der Bestimmung und Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Institute zu beachten hat199. Als solche ist sie bislang rechtspraktisch noch nie erheblich geworden200. Den Mindeststandard an freiheitssichernden Vermögensrechten, der durch die Institutsgarantie zwingend gewährleistet werden soll, bestimmt sich am grundsätzlichen Bestand der Privatnützigkeit, der Verfügungsfähigkeit über und der Gewährleistung des Bestandes von Eigentumsobjekten201. 196 Vgl. BVerfGE 20, 351 (355); 24, 367 (389); 58, 300 (339), st. Rspr.. Zum gesamten vgl. BVerfGE 26, 215 (222); 52, 1 (31); 58, 300 (339) 198 Zur Kritik am Begriff der Institutsgarantie Leisner, Eigentum, S. 1030. 199 Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 228; Leisner, Eigentum, S. 1030f.. 200 Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, a.a.O.. 201 Übereinstimmend BVerfGE 24, 367 (389f.); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 79, 283 (290); 83, 201 (209); Fechner, S. 214; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 228; Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn. 49f.. 197 39 Darüber, dass die Institutsgarantie des Art. 14 GG auch das geistige Eigentum und damit urheberrechtliche Positionen umfasst, herrscht Einigkeit202. Denn es ist schlechterdings kein Grund erkennbar, der eine abweichende Behandlung geistigen Eigentums von anderen Eigentumsformen rechtfertigen könnte203. Für die bei der Ausgestaltung des Urheberrechts zu beachtenden Vorgaben der Institutsgarantie bedeutet dies, dass der Gesetzgeber das Vorhandensein privatrechtlicher Normen zu gewährleisten hat, die dem Urheber grundsätzlich das vermögenswerte Ergebnis seiner schöpferischen Leistung zuordnen und ihm prinzipiell die freie Verfügungsbefugnis hierüber einräumen204. Entspricht eine gesetzliche Regelung diesen Anforderungen infolge ihrer Überholung durch die tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr, so ist der Gesetzgeber aus der Institutsgarantie gegebenenfalls zur entsprechenden Nachbesserung verpflichtet205. b) Wesensgehaltsgarantie Die Anwendung der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ist umstritten. In der Literatur wird teilweise vertreten, die Wesensgehaltsgarantie weise auch für die Eigentumsfreiheit Gültigkeit auf206. Bei genauerer Betrachtung dieser Ansicht ist allerdings festzustellen, dass der Erklärungsversuch, was denn nun den zu gewährleistenden „Wesensgehalt“ des Eigentums ausmache, bescheiden ausfällt. So soll die Wesensgehaltsgarantie einen absoluten, substantiellen Wesenskern des Eigentumsgrundrechts und der Eigentumsinstitutsgarantie schützen, wobei dieser Wesenskern mit den zwei prägenden Begriffen der „Privatnützigkeit“ des Eigentums und der grundsätzlichen „Verfügungsfreiheit“ über den Eigentumsgegenstand bezeichnet wird207. Schon anhand dieser Terminologie wird deutlich, dass 202 So schon Maunz, GRUR 1973, S. 108; Badura, ZUM 1983, S. 552; Fechner, S. 211. Maunz, a.a.O.. 204 Vgl. BVerfGE 31, 229 (240f.); Arnold, S. 44f.. 205 Engel, AöR 118 (1993), S. 198; Fechner, S. 216 m.w.N.. 206 So Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 332ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 237f., Herzog, Grundrechte, S. 1424; Söllner, S. 367. 207 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 333f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 237. Sofern die genannten auch das Bundesverfassungsgericht zur Stützung ihrer 203 40 es sich hierbei gerade um die Umschreibung desjenigen Bereichs handelt, der die Institutsgarantie des Art. 14 bezeichnet (vgl. oben unter a)). Diese doppelte Verwendung wesentlicher Begrifflichkeiten in der Terminologie zeigt bereits, dass der Gegenansicht zu folgen ist. Dieser zufolge findet die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG auf den Bereich des Eigentums keine Anwendung208. Begründet wird diese Ansicht wie folgt: Die dem Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung gezogenen Grenzen ergeben sich unmittelbar aus der Instituts- und Bestandsgarantie des Art. 14 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Werden diese beiden Grundsätze beachtet, kann von vorneherein kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG vorliegen. Angesichts der Schwierigkeiten der erstgenannten Ansicht, sich begrifflich vom Schutzbereich der Institutsgarantie des Art. 14 GG abzusetzen, hat diese Sichtweise das systematische Argument auf ihrer Seite, die Institutsgarantie des Art. 14 GG bilde die speziellere Form des Grundrechtsschutzes und gehe damit dem Art. 19 Abs. 2 GG vor209. Da sich die Mittel zum Schutz der Eigentumsgewährleistung - nämlich den Schutz des „Wesensgehalts“ der Eigentumsgarantie – auch im Ergebnis gleichen210, erscheint es aus systematischen Gründen sinnvoller, die Anwendung der Wesensgehaltsgarantie auf Art. 14 GG auszuschließen. Auch das Bundesverfassungsgericht geht ausdrücklich von der Unanwendbarkeit des Art. 19 GG auf Art. 14 GG aus211. c) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ansicht bemühen (vgl. die Fundstellen BVerfGE 42, 263 (294); 31, 229 (240);37, 132 (140); 50, 290 (339); 101, 54 (75) bei Maunz/Dürig – Papier, a.a.O.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, a.a.O.) so ist dem entgegenzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht an keiner der genannten Stellen eine Einordnung dieser Wesenmerkmale zur Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG vornimmt, sondern diese Begriffe vielmehr der Institutsgarantie des Art. 14 GG zuordnet. 208 So BK – Kimminich, Art. 14, Rn. 147; Arnold, S. 46ff. m.w.N.. 209 So auch Fechner, S. 218. 210 Thormann, S. 127. 211 BVerfGE 58, 300 (348): „Die dem Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung gezogenen Grenzen ergeben sich unmittelbar aus der Instituts- und Bestandgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Werden diese Grenzen eingehalten, kann kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG vorliegen.“. 41 Weiter unterliegt der Ausgestaltungsbefugnis Gesetzgeber von im Rahmen Eigentumspositionen seiner dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz212, der als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips jedenfalls dann Geltung verlangt, wenn durch eine Neuregelung der Schutzbereich eines oder mehrerer Grundrechte berührt wird. Was allerdings der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in diesem Kontext konkret bedeutet, ist an dieser Stelle zu klären, um aus einer schlagwortartigen Verkürzung rechtsstaatlicher Anforderungen ein klar konturiertes Anforderungsprofil für den hieran gebundenen Gesetzgeber abzuleiten213. Allgemein gesprochen verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen verfassungslegitimen Grund für den gesetzgeberischen Eingriff, die Eignung des gewählten Eingriffsmittels, seine Erforderlichkeit im Sinne der Wahl des schonendsten Mittels sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Eingriffsschwere und Eingriffsnutzen, also eine gewisse Proportionalität in der Zweck – Mittel – Relation214. Insbesondere anhand der vierten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird deutlich, dass dieser Grundsatz keine materiellen Wertungen enthält, sondern lediglich ein rechtsstaatlich legitimes Verfahren bezeichnet. Wie die einzelnen Interessen zu gewichten sind, die durch den Eingriff in eigentumsrechtlich Verwirklichung der geschützte Eingriff Positionen nutzen soll, betroffen darüber und sagt deren der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nichts aus215. Wertungskategorien für die letzte Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung lassen sich nicht finden. Es ist letztlich politische Aufgabe des Gesetzgebers, die mit der angestrebten Für geistiges Eigentum Söllner, S. 372; Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 9; Hohagen, S 279f.. Für Eigentum allgemein Leisner, Eigentum, S. 1079f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 315ff.;exemplarisch BVerfGE 50, 290 (340). Von manchen Autoren wird die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des Art. 14 GG mit dem Argument verneint, dass sich die Maßstäbe für eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erst aus der Gesamtheit eigentumsrechtlicher Vorschriften, also aus dem verfassungsrechtlichen positivistischen Eigentumsbegriff ergeben, jene dann aber nicht in der Lage sein könnten, eine Position, die sie selbst erst konstituieren, zu beschränken, vgl. Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 118; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 231f.. Doch geht diese Ansicht von der Prämisse aus, dass der Eigentumsbegriff der ausschließlichen Definitionskompetenz des Gesetzgebers unterstehe. In diesem Sinne auch Münch/Kunig - Bryde, Art. 14, Rn. 63a. Ferner übersieht diese Ansicht, dass sich Maßstäbe für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung auch aus grundrechtlich geschützten Positionen außerhalb des Schutzbereichs des Art. 14 GG ergeben können. 213 Für diese Notwendigkeit deutlich Leisner, Eigentum, S. 1080f.. Angedeutet auch bei Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 231. 214 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 315; vgl. dazu auch BVerfGE 70, 278 (286). 215 Leisner, Eigentum, S. 1080. 212 42 Regelung verfolgten Ziele festzulegen216, wobei freilich diese Ziele unter dem Primat der Grundrechte stehen217. Auch erscheint es angesichts der pluralistischen Ausbildung unserer demokratischen Konsensgesellschaft weder wahrscheinlich noch wünschenswert, vorgegebene materielle Kriterien für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu finden218. d) Vertrauensschutzprinzip Bei der Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Befugnisse hat der Gesetzgeber weiterhin das Prinzip des Vertrauensschutzes zu beachten 219. Es besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass das Prinzip des Vertrauensschutzes in Art. 14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat und somit einen integralen Bestandteil der Eigentumsgarantie selbst bildet220. So gebietet die Beachtung des Gebots des Vertrauensschutzes jedenfalls die Beachtung des Rückwirkungsverbots, je in seinen verschiedenen Ausprägungen als grundsätzliches Verbot echter und unechter Rückwirkung221. Vor dem Hintergrund der Funktion der Eigentumsgarantie, die Sicherung des Freiheitsraumes des Individuums im vermögensrechtlichen Bereich zu gewährleisten, stellt sich allerdings die Frage nach einer besonderen Bedeutung des spezifisch eigentumsrechtlichen Vertrauensschutzprinzips222. Gerade dem Immaterialgüterrecht scheint ein (reduziertes) Verständnis des Vertrauensschutzprinzips als bloße Grundlage eines verfassungsrechtlich garantierten Bestandsschutzes – das Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 322f.; Hohagen, S. 281. In diesem Sinne auch Wendt, S. 282f.. 218 Leisner, Eigentum, S. 1080f.. 219 Für den Bereich geistigen Eigentums Fechner, S. 229; Söllner, S. 273; BVerfGE 79, 29 (45f.); Leisner, Eigentum, Rn. 95; ferner Münch/Kunig – Bryde, Art. 14, Rn. 64; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 233ff.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 327. 220 BVerfGE 36, 281 (293f.); 42, 263 (294); 45, 142 (168); 53, 257 (309); 58, 81 (120f.); 64, 87 (104); 70, 101 (114); 83, 201 (212); speziell für den Bereich des geistigen Eigentums BVerfGE 58, 81 (121); 79, 29 (45f.); Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 122; Münch/Kunig – Bryde, Art. 14, Rn. 64; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 233ff.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 327; Maurer, Kontinuitätsgewähr, Rn. 45; in diesem Sinne wohl auch Badura, Eigentum, Rn. 69; offen gelassen dagegen bei Fechner, S. 229. 221 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 327 m.w.N.; Umbach/Clemens - Berkemann, Art. 14. Rn. 340f.. 222 Bejaht durch BVerfGE 31, 275 (293); 58, 81 (121). Diese Frage wirft ausdrücklich auf Leisner, Eigentum, Rn. 94f.; auch Maurer, Kontinuitätsgarantie, Rn. 46; angedeutet bei Münch/Kunig – Bryde, Art. 14, Rn. 64. 216 217 43 Rückwirkungsverbot stellt letztlich nichts anderes als eine Bestandsschutzregelung dar223 – nicht gerecht zu werden. Denn im Gegensatz zu Sacheigentum, dessen Schutzobjekte physikalisch erschöpfend bestimmt und nur begrenzt vorhanden sind, ist das geistige Eigentum stets neuen Schutzobjekten zugänglich 224. Der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber ist bei Rechtsinstituten, die das Sacheigentum betreffen, zumindest das Bezugsobjekt vorgegeben. Die damit korrespondierende stärkere „normative Abhängigkeit“ geistigen Eigentums von kodifikatorischer Anerkennung bedingt aber eine andere Ausrichtung des Vertrauensschutzprinzips: So muss als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie aus dem Vertrauensgrundsatz heraus schon all dieses in Betracht kommen, auf Grundrechtsberechtigte Eigentumsgarantie dessen aus verlassen der wesentlichen Bestand freiheitssichernden durfte225. Die bloße sich der Funktion der Vorhersehbarkeit gesetzgeberischer Tätigkeit genügt nämlich im Bereich des stärker normativ bestimmten Immaterialgüterrechts nicht als einzig vertrauensbegründende Ursache, wie dies im Bereich des Sacheigentums eher des Fall sein mag. Eine gesetzliche Neuregelung hat sich also auch dann an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes zu orientieren, wenn dabei neue geistige Eigentumspositionen Betrachtung im begründet Wege des werden, sich eine Vertrauenschutzprinzips rückschauende mangels zuvor gesetzlich anerkannter Rechtsposition also ausschließt. e) Gleichheitssatz Bei der Ausgestaltung des Inhalts eigentumsrechtlicher Institute hat der Gesetzgeber den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu genügen226. 223 Vgl. dazu bspw. Arnold, S. 45. So denke man nur an die Neufassung des § 4 UrhG durch die Datenbankrichtlinie RL 96/9/EG. Erst durch diese gesetzliche Kodifizierung konnten die bis dato aufgetretenen Schutzdefizite elektronischer Datenbanken beseitigt werden. Überblick bei Schricker – Loewenheim, § 4, Rn. 2. 225 Gegen eine statische Betrachtung der denkbaren Schutzobjekte der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie spricht sich angesichts der freiheitssichernden Funktion des Art. 14 GG auch Wendt, S. 259f., aus. 226 Vgl. Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 121; Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn. 342, 369; Münch/Kunig, Art. 14, Rn. 64a; Fechner, S. 218ff.; BVerfGE 14, 263 (277f.); 21, 224 44 Jedes Freiheitsrecht enthält eine Freiheitsgarantie, die seinen Inhabern grundsätzlich jeweils das gleiche Maß an Freiheit bietet227. Praktisch erfordert der Gleichheitssatz vom Gesetzgeber, gleiche Gruppen von Eigentümern auch gleich zu behandeln. Eine besondere, d.h. abweichende Behandlung bestimmter Inhaber von Eigentumsrechten kann nur dann den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügen, wenn zwischen den Vergleichsgruppen der Inhaber eigentumsrechtlicher Positionen Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können228. Der Funktion des Art. 14 GG folgend, verlangt die Beachtung des Gleichheitssatzes hier eine Zuteilung von Rechten an die Inhaber geistigen Eigentums in dem Maße, wie sie der zu berücksichtigenden Leistung des Schaffenden entspricht229. Der Vergleich der Behandlung geistigen Eigentums mit dem Sacheigentum offenbart dabei folgende Feststellung: Die gesetzliche Statuierung privater Vervielfältigungsfreiheit im Urheberrecht gewährt dem Werknutzer ein Maß an zustimmungsfreier Nutzungsfreiheit, wie sie für das Sacheigentum so grundsätzlich nicht eingeräumt wird230. Der Schöpfer wird hierdurch der Herrschaft über sein Geistesgut kraft Gesetz beraubt, wie es im Bereich des Sacheigentums so ohne weiteres nicht praktiziert wird. Die infolge des Gleichheitssatzes zu beachtenden Parallelen zwischen der Eigentumsordnung für das Sacheigentum und der Eigentumsordnung für das geistige Eigentum verlangen, dem geistigen Eigentümer dort kein Opfer zugunsten bestimmter Nutzerinteressen aufzuerlegen, wo dies vom Sacheigentümer auch nicht gefordert wird. Es sei denn, die Notwendigkeit dieser Beschränkung der Rechte geistiger Eigentümer ergibt sich aus der unterschiedlichen Natur von geistigem und Sacheigentum, ist also sachlich gerechtfertigt im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes231. Unter Beachtung der Funktion der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, nämlich der Gewährleistung der materiellen Basis 73 (84); 34, 139 (146); 37, 132 (143); 72, 66 (78); 87, 238 (139); speziell für den Bereich des Urheberrechts als geistiges Eigentum BVerfGE 31, 248 (253). 227 Vgl. dazu umfassend Kirchhof, Gleichheitssatz, Rn. 167ff.. 228 BVerfGE 55, 72 (88); Münch/Kunig – Gubelt, Art. 3, Rn. 11 m.w.N.. 229 Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 6f.; Fechner, S. 219. 230 Vgl. dazu beispielhaft Jähnich, S. 231. 231 Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 61. 45 individueller Freiheitsbetätigung, verbietet die Beachtung des Gleichheitssatzes die Einräumung jedenfalls einer vergütungspflichtigen Privatvervielfältigungsfreiheit nicht. Denn die Zuteilung von Rechten an den Inhaber folgt auch bei vergütungspflichtiger privater Vervielfältigungsfreiheit dem gleichheitsrechtlich geforderten Grundsatz einer leistungsgerechten Zuteilung dieser Rechte: Wie oben bereits festgestellt, ist die eigene Leistung des Schaffenden der wesentliche übergesetzliche Grund für den Erwerb von Eigentum. Wie die bloße Existenz des Institut des Erbrechts - ebenso Bestandteil der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie232 - aber zeigt, ist das Leistungsprinzip nur Erwerbsgrund, garantiert hingegen keinen Grund für das Fortbestehen oder Behalten einer eigentumsrechtlich relevanten Vermögensposition233. Die Gewährung vergütungspflichtiger privater Vervielfältigungsrechte hindert indes den Erwerb eigentumsrechtlicher Positionen nicht, solange das Interesse des Schöpfers an einer wirtschaftlichen Verwertung seiner Eigentumsposition ausreichend befriedigt wird. Dies freilich muss der Gesetzgeber im Rahmen des Vergütungssystems berücksichtigen. Die verfassungsrechtlich gebotene Zuordnung von Eigentumsrechten zum Zwecke der Sicherung der materiellen Basis der individuellen Freiheitsbetätigung bleibt damit erhalten. Denn die bloße Nutzung immaterieller Güter hat unter der Prämisse, dass diese eine wirtschaftliche Vergütung erfährt - im Gegensatz zur Nutzung materieller Eigentumsobjekte - keinen die Eigentumsfunktion aushöhlenden Charakter234: Materielle Güter schließen infolge ihrer Körperlichkeit ihre gleichzeitige Benutzung durch die Allgemeinheit aus, wodurch Interessenkonflikte denkbar werden. Anders Immaterialgüter, die eine (zeitgleiche) Nutzung durch Jedermann zulassen, da die Nutzung eines urheberrechtlichen Werkes nicht zum Ausschluss anderer Nutzungswilliger führt235. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Beachtung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Eigentumsgarantie verlangt, den Inhaber Vgl. Münch/Kunig – Bryde, Art. 14, Rn. 45. Reinhardt, S. 38. 234 Vgl. Fechner, S. 220; Reinhardt, S. 39; Roeber, S. 26 . 235 Vgl. Reinhardt, S. 39; Kuhlen, S. 115. 232 233 46 von geistigem Eigentum nicht grundsätzlich schlechter zu stellen, als den Inhaber von Sacheigentum236. Dennoch lässt der Gleichheitssatz Eingriffe in das Verfügungsrecht am Gegenstand geistigen Eigentums eher zu, als solche, welche auch das wirtschaftliche Verwertungsrecht hieran beeinträchtigen, da der funktionellen Bedeutung der Eigentumsgarantie durch die Wahrung des „wirtschaftlichen Kerns“ des geistigen Eigentums genüge getan ist237. III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben Ihrer funktionalen Bestimmung folgend, hat die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG die materielle Basis der individuellen Freiheitsbetätigung als notwendige Ergänzung anderweitig gewährleisteter grundrechtlicher Freiheiten zu schaffen und zu sichern. Dies setzt in jedem Falle voraus, dass dem Schöpfer die vermögensrechtliche Zuordnung und wirtschaftliche Verwertung seiner geistigen Leistung, dem Objekt seines geistigen Eigentums, vorbehalten bleibt238. Nur auf diese Weise wird die notwendige materielle Basis der schöpferischen Möglichkeit persönlicher Persönlichkeitsentfaltung der Ausübung Freiheit im und anderweitig schöpferischen damit überhaupt grundrechtlich Bereich die geschützter eröffnet und gewährleistet239. Differenzierter ist die Frage nach der Verfügungsfreiheit240 des Schöpfers über das Objekt seines geistigen Eigentums zu beantworten. Grundsätzlich gebietet die funktionale Herleitung der Eigentumsgarantie, dem Inhaber eigentumsrechtlicher Positionen ein prinzipiell uneingeschränktes Verfügungsrecht im Sinne eines absoluten Ausschließlichkeitsrechts über das Eigentumsobjekt zuzuordnen. Nur auf diese Weise kann die Sicherung der materiell-wirtschaftlichen Basis durch Nutzung des Eigentumsobjekts 236 Fechner, S. 225, 227; Kreile, Sozialbindung, S. 255f.. In diesem Sinne differenziert auch BVerfG GRUR 1989, 193 (196). 238 So im Ergebnis auch BVerfGE 31, 229 (240f.); 49, 382 (394); Kreile, Sozialbindung, S. 256f.. 239 Vgl. Wendt, S. 255f.. 240 Auch das Bundesverfassungsrecht differenziert zwischen Beschränkungen des Verwertungsrechts und Eingriffen in das Verfügungsrecht, vgl. BVerfGE 79, 29 (40). 237 47 gewährleistet werden. Diese Überlegung gilt aber für den Bereich der Immaterialgüter nicht uneingeschränkt: Die Bedrohung des vermögenswerten Ergebnisses der Nutzung eines Eigentumsobjekts resultiert im Bereich des Sacheigentums aus der natürlichen Begrenztheit materieller Güter. Die Nutzung eines Gutes hat in diesem Falle immer den Ausschluss eines weiteren potenziell Nutzungswilligen zur Folge. Die wirtschaftliche Verwertbarkeit eines Gutes wird also durch die unmittelbare tatsächliche Sachherrschaft bestimmt. Im Falle von Immatrialgütern ist dies so nicht der Fall. Die Nutzung geistigen Eigentums durch den einen beeinträchtigt die Nutzung desselben Gegenstands geistigen Eigentums durch den anderen aufgrund der (infolge seiner Unkörperlichkeit) beliebigen Replizierbarkeit des Eigentumsobjekts nicht241. Ein sachherrschaftsgewährendes Ausschließlichkeitsrecht ist demnach nicht erforderlich (und in der Regel auch nicht geeignet242), um den vermögenswerten Nutzen geistigen Eigentums seinem Inhaber dauerhaft zu gewährleisten. Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass mit der Nutzung durch andere die Möglichkeit der vermögensrechtlichen Verwertung des Eigentumsobjekts durch seinen Inhaber beeinträchtigt werden kann243. Doch kann dieser Bedrohung des vermögensrechtlichen Verwertungspotentials anders als durch die Einräumung eines absoluten Ausschließlichkeitsrechts beigekommen werden244 – nämlich im Wege der wirtschaftlichen Kompensation der Nutzung245. 241 Aus ökonomischer Perspektive, Bauckhage, S. 235. Vgl. aus ökonomischer Sicht, Bauckhage, a.a.O. 243 Im Falle der konkret zu untersuchenden Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke ergibt sich dies daraus, dass jedes Vervielfältigungsexemplar das potentielle Bedürfnis nach einem (weiteren) Originalexemplar befriedigt. Da damit aber die Notwendigkeit der vermögenswerten Partizipierung des Urhebers am Erwerb des (vervielfältigten) Werkes entfällt, wird dessen, der Eigentumsgarantie innewohnende wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit beschränkt. 244 Gegen die Qualifizierung von Urheberrechten als absoluten Ausschließlichkeitsrechten sprechen sich auch aus Kraßer, § 3, III, 4; letztlich auch Fechner, S. 235; Hohagen, S. 275f.; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 38f.; anders hingegen Schricker – Schricker, Einl., Rn. 18, der dabei die Fragwürdigkeit seines Standpunktes durchaus formuliert. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht m. E. ebenfalls davon aus, dass die Privatnützigkeit der Eigentumsgarantie nicht die zwingende Einräumung von absoluten Ausschließlichkeitsrechten verlange. Ausgangspunkt bildet insoweit BVerfGE 31, 229 (239ff.). Hier überprüft das Bundesverfassungsgericht die Beeinträchtigung der Nutzungsrechte des Urhebers durch § 46 UrhG, der die Vervielfältigung zum Unterrichts und Schulgebrauch zuließ. Darin führt es aus (a.a.O.): „Im Vordergrund steht die wirtschaftliche Verwertung der geistigen Leistung. […] Dieser [der Eigentumsgarantie] kommt im Gesamtgefüge der Verfassung zunächst die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts durch Zubilligung und Sicherung von Herrschafts-, Nutzungs- und 242 48 IV. Sozialbindung des Eigentums, Art. 14 Abs. 2 GG Bei Erfüllung des ihm durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zugewiesenen Auftrags, Inhalt und Schranken des geistigen Eigentums einer gesetzlichen Ausgestaltung zuzuführen, steht der Gesetzgeber246 vor der Aufgabe, nach Art. 14 Abs. 2 GG nicht nur die Individualbelange des Urhebers zu sichern, sondern auch diese mit den berechtigten Interessen des Allgemeinwohls in verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Die Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG bildet eine verbindliche Richtschnur für den Gesetzgeber, „ein Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Verfügungsrechten einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu gewährleisten und ihm damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen; […] Diese sichernde und abwehrende Bedeutung der Eigentumsgarantie gebietet, die vermögenswerten Befugnisse des Urhebers an seinem Werk als „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 GG anzusehen und seinem Schutzbereich zu unterstellen. […] Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehört die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung und seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können.“ Da das Gericht an keiner Stelle von der notwendigen Gewähr absoluter Rechte spricht, ebenso wenig den Begriff des Ausschließlichkeitsrechts verwendet, und darüber hinaus auch nur die vermögenswerten Befugnisse bzw. Ergebnisse des Urhebers dem Schutz des Art. 14 GG unterstellen möchte, ist es m. E. nicht zwingend, insoweit dem Bundesverfassungsgericht die Forderung nach der positivrechtlichen Ausgestaltung subjektiver Urheberrechte als absolute Ausschließlichkeitsrechte angedeihen zu lassen (so Hohagen, S. 276, Fn. 43). Bestätigung findet die hier vertretene Ansicht auch durch BVerfGE 49, 382, wo das Gericht (a.a.O., S. 392) zunächst unter Berufung auf BVerfGE 31, 229 (238ff.) festhält, dass die Eigentumsgarantie die Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber verlangt. Es fährt fort (a.a.O., S. 403): „Die Verfassung fordert nicht, daß dem Urheber für jede öffentliche Werkwiedergabe ein Ausschließungsrecht eingeräumt sein muss.“ Wenn man aber unterstellt, das Bundesverfassungsgericht gehe davon aus, dass es kraft Art. 14 GG der positivrechtlichen Ausgestaltung subjektiver Urheberrechte als absoluter Ausschließlichkeitsrechte bedürfe, dann wäre dieses Diktum nicht denkbar. 245 Vgl. bereits Kirchhof, Geistiges Eigentum, S. 1654: „Das Urheberrecht gibt dem Urheber die ausschließlichen Verwertungsrechte an seinem Werk, weniger um die Nutzung durch Dritte zu verhindern, sondern um dem Urheber die wirtschaftliche Nutzung seines Rechts zu sichern.“. 246 Zur Frage, ob und wieweit die Sozialbindung des Art. 14 GG neben seiner – unstreitigen – Bindungswirkung für den Gesetzgeber auch eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung des Eigentümers selbst bewirkt, soll hier keine Stellung genommen werden. Denn die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die verfassungsrechtlichen Pflichten alleine des Gesetzgebers bei Ausgestaltung des Instituts privater Vervielfältigungsfreiheit. Vgl. dazu aber Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 305f.; umfassend zu diesem Komplex Wendt, S. 295ff.. 49 Abs. 1 S. 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben“247. Inhaltlich besagt die Sozialbindung, dass der Gesetzgeber die Eigentumsfreiheit des einzelnen ebenso wenig unverhältnismäßig kürzen darf wie er auch das Gebot der Sozialbindung nicht über Gebühr vernachlässigen darf. Die gesetzgeberische Befugnis, Inhalt und Schranken geistigen Eigentums zu bestimmen, wird vielmehr durch das Gebot gerechter Abwägung im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung begrenzt248. Dieser letztlich nur formelle Implikationen zeitigende Aspekt der Sozialbindung führt im Rahmen des Art. 14 GG zu einem abgestuften Grundrechtsschutz249: Die Eigentumsgarantie soll die materielle Basis individueller Freiheitsbetätigung gewähren und sichern, wobei die eigene Leistung des Grundrechtsinhabers für die Begründung eigentumsrechtlicher Positionen von vorkonstitutionell wesentlicher Bedeutung ist250. Je stärker demnach das „personale Substrat“ der eigentumsbegründenden Leistung des Grundrechtsinhabers ist, desto eher muss dies im Sinne einer verstärkten Betonung der Individualrechtsgarantie gegenüber der Sozialpflichtigkeit berücksichtigt werden251. Je intensiver hingegen der allgemeine oder soziale Bezug des Objekts der Eigentumsgarantie ist, desto stärker muss auch dieser Aspekt im Rahmen der verhältnismäßigen Ausgestaltung des Eigentums zwischen Privatnützigkeit und Sozialbindung Berücksichtigung finden252. Die Sozialbindung hat also im Bereich geistigen Eigentums die Aufgabe, das Individualinteresse des Eigentümers mit den berechtigten 247 So BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29); vgl. auch BVerfGE 31, 229 (242). Zum gesamten Fechner, S. 239; Hohagen, S. 276f.; Wendt, S. 299f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 308. 248 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310; Fechner, S. 240; Wendt, S. 315. 249 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 311f.; vgl. auch Thormann, S. 155, 162; BVerfGE 50, 290 (340f.); 70, 191 (201); 79, 292 (302); 84, 382 (385). 250 Vgl. dazu oben II. 1.. 251 Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 81; Fechner, S. 240; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 311; BVerfGE 24, 220 (226); 31, 229 (240f.); 50, 290 (340); in diesem Sinne auch Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 75f.. 252 Dreier – Wieland, a.a.O.; Fechner, S. 240f.; Hohagen, S. 277; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 312. 50 Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst unbeeinträchtigten Nutzung geistigen Eigentums einem angemessenen Ausgleich zuzuführen253. Angesichts der besonderen „personalen Qualität“ geistigen Eigentums infolge der engen mental-geistigen und/oder intellektuellen Verbindung mit seinem Hervorbringer wie auch angesichts des starken Sozialbezug geistigen Eigentums, das erst durch das Betreten des „sozialen Raumes“ seine Geltung und Wertigkeit erfährt, sind diese beiden Faktoren als materielle Vorgaben der Sozialbindung des Urhebers in besondere Weise zu berücksichtigen254. C. Der Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG Darüber, dass der Urheber im Rahmen seiner schöpferischen Tätigkeit unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG fällt, herrscht weitestgehend Einigkeit255. Wie sich dieser Schutz allerdings konkret auswirkt, soll an dieser Stelle geklärt werden256. I. Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Der Schutzzweck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts257 wird in der Gewährleistung der engeren persönlichen Lebenssphäre, der privaten 253 Vgl. Maunz, GRUR 1973, S. 108; Hohagen, S. 281. In diesem Sinne auch Kreile, Sozialbindung, S. 257f., mit Verweis auf BVerfGE 49, 392 (394). 255 Vgl. dazu beispielsweise Schricker – Schricker, Einl., Rn. 12; Rehbinder, Rn. 106; Fechner, S. 256ff.; Engel GRUR 1982, S. 710f.; Krüger – Nieland, Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 224; Troller, Immaterialgüterrecht, S. 88f.; Hohagen, S. 269f.; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 33; Geerlings, GRUR 2004, S. 208f.; Geiger, Beschränkungen, S. 146; Arnold, S. 71ff.; offengelassen dagegen bei BVerfGE 31, 229 (238). 256 Zur Abgrenzung des zivil- bzw. urheberrechtlichen Persönlichkeitsrecht vom verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht, vgl. Krüger – Nieland, Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 215ff.; Fechner, S. 259ff.; Engel, GRUR 1982, S. 710f.. 257 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 13, 334ff.; 24, 72ff.; 26, 349ff.; 27, 284ff.; 35, 363ff.; 39, 124ff.) und die Rechtslehre zunächst punktuell entwickelt und schließlich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der allgemeinen Handlungsfreiheit in Verbindung mit der Menschenwürde als eigenständiges (str., vgl. 254 51 Sphäre als Handlungssphäre gesehen - zu Selbstzwecken, aber auch und vor allem zum Schutz des sozialen Geltungsanspruchs des einzelnen in der Öffentlichkeit. Der Geltungsanspruch des Menschen in einer sozialen Welt, die ihn prägt und die durch ihn – insbesondere im Falle des Hervorbringens geistigen Eigentums – geprägt wird, verlangt, dass der Einzelne kraft seines Sein und Handeln von eben dieser anerkannt und respektiert wird 258. Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privat- und Persönlichkeitssphäre stellt sachlich einen grundrechtlich geschützten Bereich freier Entfaltung dar, ein Refugium, in dem eine herrschaftsfreie Entfaltung der Persönlichkeit, in dem die Wahrnehmung der allgemeinen individuellen Handlungsfreiheit gewährleistet werden soll259. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich demnach auch als Schutz des Individuums in und gegenüber dem Kollektiv bezeichnen260. Seine Aufgabe ist es, die engere persönliche Lebenssphäre zu gewährleisten, soweit diese nicht durch speziellere Freiheitsgarantien geschützt ist261. Schon die verwendeten Begrifflichkeiten machen deutlich, wie schwer die exakte positive Abgrenzung eines Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fällt262. Angesichts der kasuistischen Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts263 erscheint es angebracht, sich bei der Beschreibung des Schutzbereichs weiterhin dieser Methodik zu bedienen, auch um die für die Umschreibung dieses weiten Begriffs erforderliche Flexibilität zu gewährleisten264. So kann als sachlicher Schutzbereich zwischen dem Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre als Privat- und Intimsphäre, dem Schutz der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit einschließlich des Schutzes der persönlichen Ehre, dem sonstigen Autonomieschutz und schließlich dem Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2, Rn. 128 m.w.N. einerseits und BVerfGE 54, 148 (153); 67, 157 (171) andererseits. Von der Eigenständigkeit gehen auch aus, Arnauld, ZUM 1996, S. 292; Arnold, S. 71; eine vermittelnde Ansicht vertritt Münch/Kunig – Kunig, Art. 2, Rn. 30) Grundrecht entwickelt worden. 258 Vgl. Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2, Rn. 127; Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 32. 259 Vgl. Degenhart, JuS 1990, S. 361; vgl. auch Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 98f.. 260 So Fechner, S. 260. 261 Fechner, S. 260. 262 Zu diesem Versuch Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 10ff.. 263 Münch/Kunig - Kunig, Art. 2, Rn. 31, vgl. dazu auch Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 175ff.. 264 So auch Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 16. Zur dogmatischen Struktur des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vgl. umfassend Arnauld, ZUM 1996, S. 286ff.. 52 Schutz der Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung unterschieden werden265. Hinsichtlich des Schutzes der Persönlichkeitsentfaltung und entwicklung muss gesagt werden, dass insoweit nur von einem passiven Recht auf Respektierung eines näher zu definierenden quasiräumlichen Bereichs der Persönlichkeitsentfaltung die Rede ist, nicht hingegen vom Schutz des aktiven Entfaltens der eigenen Persönlichkeit. Angesichts der dieser Untersuchung zugrunde liegenden Thematik, stellt sich insbesondere die Frage der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, wie auch diejenige nach dem Schutz der Privatsphäre als besonders relevant dar. So folgt aus Entscheidungsfreiheit dem des allgemeinen einzelnen, Persönlichkeitsrecht grundsätzlich selbst die darüber entscheiden zu können, wie und ob er mit eigenen Äußerungen – also mit seinen geistigen – Schöpfungen der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung treten will. Die Entscheidung darüber, ob der Schöpfer sein geistiges Werk aus seiner Persönlichkeitssphäre entlassen und einem Kreis Dritter preisgeben will, ist ureigenster Bestandteil des grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts266. II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten Angesichts dieser nur vagen Umschreibbarkeit des sachlichen Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, stellt sich die Frage, ob das hier im Raum stehende Recht des Urhebers, auch über private Vervielfältigungshandlungen seiner Werke durch Dritte bestimmen zu können, überhaupt von dessen sachlichem Schutzbereich umfasst ist. Das Hervorbringen geistiger Schöpfungen stellt eine Manifestation freier Persönlichkeitsentfaltung und Betätigung der allgemeinen persönlichen Handlungsfreiheit dar. Der (körperliche) Hervorbringungsakt, das schöpferische Tun untersteht demnach unzweifelhaft dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Sinne einer passiven Gewährleistung jenes Raumes, der zur Verwirklichung dieser Persönlichkeits- und Freiheitsentfaltung von Nöten ist. Daraus lässt sich folgern, dass dem Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2, Rn. 148; Mangoldt/Klein – Starck, Art. 2, Rn. 83; Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 33ff.. 266 Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 33; vgl. auch BVerfGE 54, 148 (155). 265 53 Resultat dieser Persönlichkeits- und Freiheitsentfaltung - nämlich das urheberrechtlich geschützte Werk - jedenfalls indirekt grundrechtliche Schutzwürdigkeit im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zukommt. Denn hierin zeigt sich mehr oder weniger deutlich die Persönlichkeit ihres Schöpfers, dieser lässt in sein Werk einen (wesentlichen) Teil seiner Persönlichkeit einfließen267. Die private Vervielfältigung eines bereits veröffentlichten Werkes berührt jedoch diesen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht268. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Schöpfer selbst vor der Verletzung seiner Persönlichkeitssphäre269, der Schutz seiner Werke kann sich bestenfalls als Rechtsreflex dieses verfassungsrechtlichen Schutzes ergeben. Eine Verletzung dieser durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Freiheits- und Persönlichkeitssphäre steht aber als Folge privater Vervielfältigungstätigkeit nicht zu befürchten. Denn zum einen hat bereits der Urheber selbst darüber entschieden, dass das zu vervielfältigende Werkstück der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollte. Die Freiheit des „Ob“ einer Entäußerung geistiger Schöpfungen in den öffentlichen Raum wird durch private Vervielfältigung also nicht berührt. Zum anderen hat gerade die Privatheit der Vervielfältigung zur Folge, dass es zu einer Zugänglichmachung des Werkes über den bereits vom Urheber befürworteten Kreis von Werknutzern hinaus nicht kommt. Vielmehr bleibt das Werk nur demjenigen bekannt, der mit Willen und Zustimmung des Urhebers ein Werkexemplar erworben hat, nur eben in mehrfacher Ausführung. Diese Folge der privaten Vervielfältigung lässt aber den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unberührt. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse des Schöpfers geistigen vermögensrechtlichen Eigentums Schutzes eine geistigen wichtige Ergänzung Eigentums durch des das Grundgesetz darstellen. So ist der Urheber hierdurch insbesondere davor geschützt, dass seine Entscheidung darüber, ob und wie sein Werk der 267 So Fechner, S. 275; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 33; Tretter, S. 114. So im Ergebnis Hohagen, S. 269f.; Fechner, S. 270. 269 So bereits Neumann-Duesberg, NJW 1971, S. 1640f.. 268 54 Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, ihm selbst zur autonomen Entscheidung vorbehalten bleibt270. Dieser Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird durch die Freiheit der privaten Vervielfältigung urheberrechtlicher Werke aber nicht berührt, so dass sich insoweit keine Implikationen für den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts ergeben. D. Der Schutz des Urhebers durch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG Über den Befund, dass der schöpferisch tätige Mensch den Schutzbereich der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit im Rahmen seiner künstlerischen bzw. wissenschaftlichen Tätigkeit - deren Resultat geistiges Eigentum darstellt zumindest berührt, herrscht Einigkeit271. Welche konkreten verfassungsrechtlichen Vorgaben sich an den Gesetzgeber hieraus allerdings im Rahmen der Ausgestaltung des Instituts der Privatvervielfältigung ergeben, gilt es im Anschluss zu klären. I. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG Eine Festlegung des Schutzbereichs eines Grundrechts bedarf zunächst einer Definition des Schutzgutes, welchem der grundrechtliche Schutz zu Gute kommen soll. Dabei darf nicht verkannt werden, dass sich mit der Definition des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs schon ein wesentlicher Teil des Umfangs des verfassungsrechtlichen Schutzes der Kunstfreiheit ergibt272. 270 Fechner, S. 287. Vgl. dazu bspw. Delp, Informationsgesellschaft, Rn. 155, 162; Rehbinder, Rn. 111; Schricker – Schricker, Einl., Rn. 12; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 60f.; Hohagen, S. 270; Fechner, S. 288; Maunz, GRUR 1973, S. 107. 272 Insofern ist die Problematik eines „Grundrechts aus der Hand des Gesetzgebers“ identisch mit der oben unter B. I. beschriebenen Eigentumsdogmatik. Vgl. dazu Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 86ff.. Da es im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 GG allerdings an einem dem Art. 14 Abs. 2 GG vergleichbaren gesetzgeberischen Regelungsauftrag fehlt, kommt es im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 GG nicht zu dem oben angesprochenen Kompetenzzirkelschluss. 271 55 Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff ist (nach wie vor) höchst umstritten, teilweise wird eine Definition sogar für unmöglich gehalten273. Allerdings vermag ein Grundrecht, dessen Schutzgegenstand nicht bestimmbar ist, keinen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Wo kein Gegenstand grundrechtlichen Schutzes bestimmt ist, kann auch nichts diesem Schutz unterliegen. Zu Recht wird daher davon ausgegangen, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Kunstfreiheit ein Definitionsgebot enthalten muss. Andernfalls wäre die Teilhabe der Kunstfreiheit an der unmittelbaren Geltung der Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG blanke Illusion274. 1. Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff Das Bundesverfassungsgericht geht seit seinem ersten Versuch einer Definition des Kunstbegriffs in der sog. „Mephistoentscheidung“275 von drei verschiedenen Kunstbegriffen aus276. Dabei werden alle drei Begriffe zur Begründung, ob „Kunst“ im verfassungsrechtlichen Sinne vorliegt, kumulativ verwendet. Dem materiellen Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichts zufolge, soll als Wesensmerkmal der künstlerischen Betätigung die freie schöpferische Gestaltung gelten, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit sei ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen seien. Beim künstlerischen Schaffen wirkten Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen, dieses sei primär nicht Mitteilung, sondern unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit277. Da sich dieser Definitionsversuch dem Vorwurf der Ideologieanfälligkeit278 wie auch seiner begrifflichen Enge279 ausgesetzt sieht, gelangt das Gericht 273 Grundlegend dazu Knies, S. 214ff.; BVerfGE 67, 213 (225). So die ganz h.M.: vgl. dazu Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 275; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 25 je m.w.N.; auch Denninger, Kunst, Rn. 2, geht letztlich von einem Definitionsgebot aus. Anders nur Knies, S. 217ff.. 275 BVerfGE 30, 173 (188f.). 276 Vgl. bspw. BVerfGE 67, 213 (226); 83, 130 (138). 277 BVerfGE 67, 213 (226) unter Verweis auf BVerfGE 30, 173 (189). 278 Vgl. Henschel, NJW 1990, S. 1939. 274 56 weiter zum sog. formalen Kunstbegriff280. Das Wesenselement eines Kunstwerks liegt demzufolge darin, dass bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt sind. Der Kunstbegriff knüpft also an die Tätigkeiten und Ergebnisse etwa des Malens, Bildhauens oder Dichtens an. Doch auch diesem Begriff haftet der Vorwurf begrifflicher Enge an, da diese Definition nicht für andere Werktypen offen ist, denn diese müssten sich a priori an bestimmten Gattungsanforderungen messen lassen281. Schließlich gelangt das Gericht zum sog. offenen Kunstbegriff282. Diesem zufolge sei das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin zu erblicken, dass sie wegen der Mannigfaltigkeit ihrer Aussage ständig neue weiterreichende Interpretationen zulässt. Damit ergebe sich praktisch eine unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung. Auch dieser Begriff sieht sich Kritik ausgesetzt. Er lege jedenfalls indirekt Qualitätsmaßstäbe an und führe so zu einer wertenden Verengung des Kunstbegriffs, der „einfachere“ Werke, deren Informationsgehalt nicht unerschöpflich sei, aus dem verfassungsrechtlichen Kunstbegriff ausschließe283. An der kumulativen Verwendung mehrerer Definitionsversuche durch das Bundesverfassungsgericht wird deutlich, dass es schon in der Natur der Sache begründet ist, dem Grundgesetz einen von vorne herein differenzierten Kunstbegriff zugrunde zu legen284. Denn es ist ein wesentliches Charakteristikum der Kunst, stets neue Ausdrucksformen zu suchen und folglich einer starren oder einseitigen terminologischen Fixierung aus sich selbst heraus nicht zugänglich zu sein. Dennoch werden in der Literatur Versuche gemacht, dem Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 GG bestimmten Begrifflichkeiten zuzuordnen285. Doch erweisen sich auch diese Bestimmungsversuche insofern als ungeeignet, als auch diese sich darauf beschränken, maßgebliche Kriterien des Dazu Denninger, Kunst, Rn. 8; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 279 . BVerfGE 67, 213 (226f.). 281 Mangold/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 279. 282 BVerfGE 67, 213 (227). 283 Zur Kritik: Henschel, NJW 1990, S. 1939; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 279. 284 So auch Häberle, AöR 110 (1985), S. 600; Lerche, BayVBl. 1974, S. 178. 285 Vgl. bspw. Häberle, AöR 110 (1985), S. 601f.; Denninger, Kunst, Rn. 11ff.; Delp, Informationsgesellschaft, Rn. 150ff.. 279 280 57 verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs zu finden, ohne dabei den Anspruch zu erheben, eine abschließende, absolut gültige Definition des Kunstbegriffs zu liefern286. Einen hinreichend bestimmten Kunstbegriff zu finden und sich dabei nicht auf eine Lösung im topischen Verfahren zu beschränken, ist angesichts der per definitionem vorgegebenen Wandlungs- und Entwicklungsmöglichkeit des Lebensbereichs der Kunst aber nicht möglich, der Schutzbereich ist damit a priori nicht vollumfänglich festgelegt287. In Anbetracht des Untersuchungsgegenstandes ist dies auch nicht zwingend erforderlich. Denn geschützte Werke im Sinne des Urheberrechts können, müssen aber nicht zwingend unter den verfassungsrechtlichen Kunstbegriff fallen288. Solange aber der Regelungsgegenstand der Gesetzgebung – also das urheberrechtlich zu schützende Werk – im Rahmen der Ausgestaltung des Instituts der privaten Vervielfältigungsfreiheit jedenfalls zum Teil unter den verfassungsrechtlichen Kunstbegriff fällt, solange hat der Gesetzgeber den sich hieraus ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben Folge zu leisten und seiner aus dieser objektivrechtlichen Seite der Kunstfreiheit 289 folgenden Pflicht zur angemessenen Ausgestaltung des Urheberrechts zu genügen290. 2. Der sachliche und personelle Schutzbereich der Kunstfreiheit Hier werden einerseits der sog. „Werkbereich“ unterschieden, welcher den schöpferischen Prozess, das Hervorbringen des Kunstwerkes, aber auch dessen Ergebnis - das Kunstwerk selbst - umfasst. Diesem als unlösbare Einheit zugeordnet wird der sog. „Wirkbereich“. Dieser umfasst die 286 In diesem Sinne Häberle, AöR 110 (1985), S. 601; Fechner, S. 290; Zöbeley, NJW 1985, S. 255. 287 Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5, Abs. 3, Rn. 15; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 90; Häberle, AöR 110 (1985), S. 600. 288 Schricker – Loewenheim, § 2, Rn. 2, 132; Fechner, S. 290. 289 Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 4ff.; Denninger, Kunst, Rn. 24; Dreier – Pernice, Art. 5 Abs. III, Rn. 43f.. 290 Häberle, AöR 110 (1985), S. 607, 609. 58 Darbietung und Verbreitung des Kunstwerkes, jede Form seiner kommunikativen Vermittlung an Dritte291. In personeller Hinsicht schützt die Kunstfreiheit einerseits den schöpferisch Tätigen, andererseits auch diejenigen, welche für die Verbreitung und Vermittlung von Gewährleistung Kunstwerken des erforderlich Wirkbereichs sind, also „unentbehrliche eine für die Mittlerfunktion“292 erfüllen293. II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten Die private Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke betrifft allein die Frage der wirtschaftlichen Verwertbarkeit eines Kunstwerkes, da durch die bloße Replizierung eines urheberrechtlichen Werkes weder Werk- noch Wirkbereich unmittelbar beeinträchtigt werden. Damit ist die Frage gestellt, ob die Kunstfreiheit in ihrem sachlichen Schutzbereich auch die wirtschaftliche Verwertung eines Kunstwerkes umfasst294. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage bislang nicht eindeutig Stellung bezogen. Es lässt allerdings erkennen, dass die wirtschaftliche Verwertung jedenfalls dann vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG umfasst sein mag, wenn die wirtschaftliche Verwertung eines Werkes derart beschränkt werde, dass eine freie künstlerische Betätigung faktisch nicht mehr möglich sei295. Damit setzt das Gericht voraus, was schon an anderer Stelle in der Literatur vertreten wird: Nämlich dass der Schutz durch die Kunstfreiheit unvollkommen wäre, wollte man die vermögenswirksame Verwertung von Kunstwerken generell vom Schutz der Kunstfreiheit ausnehmen296. Denn zum einen würde die Herausnahme der wirtschaftlichen Verwertung aus 291 Für diese Differenzierung grundlegend BVerfGE 30, 173 (189); 67, 213 (224); Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 282ff., Denninger, Kunst, Rn. 18ff., Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 93; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 17. 292 So BVerfGE 30, 173 (191); 36, 321 (331). 293 Dreier – Pernice, Art. 5 Abs. III, Rn. 27; Denninger, Kunst, Rn. 20ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 297; differenzierend dagegen Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 13. 294 Dazu Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 60ff.; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. III, Rn. 18; Leisner, UFITA 48 (1966), S. 47ff.; offen gelassen bei Hohagen, S. 270. 295 BVerfGE 31, 229 (240). 296 Maunz, GRUR 1973, S. 114; Fechner, S. 288f.; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 61; Leisner, UFITA 48 (1966), S. 48f.. 59 dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG der materiellen Basis künstlerischer Betätigung den Boden entziehen, was der objektiven Wertentscheidung des Grundgesetzes zum Schutze der Kunstfreiheit widerspräche297. Zum anderen könnte der Staat die wirtschaftliche Auswertung schöpferischer Regelungen einengen Leistungen und durch manipulieren, was verwertungsrechtliche einen staatlichen Kunstdirigismus ermöglichte298. Dies liefe indes dem in Art. 5 Abs. 3 GG niedergelegten Strukturmerkmal des grundgesetzlichen Kulturstaates 299 zuwider. Zusammenfassend lassen sich demnach die Vorgaben der Kunstfreiheit an den Gesetzgeber wie folgt umschreiben: Die verfassungsrechtliche Garantie der Kunstfreiheit stellt an den Gesetzgeber den Auftrag, die geeigneten Rahmenbedingungen für die Entfaltung und Bewahrung dieser Freiheit zu schaffen. Im Rahmen des Urheberrechts gehört dazu auch, dem Schöpfer die wirtschaftliche Verwertung seines Schaffensergebnisses grundsätzlich zu ermöglichen300. III. Der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG Der Begriff der Wissenschaft stößt auf ähnliche Definitionsschwierigkeiten wie der Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 GG301. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet als Wissenschaft „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen“ sei, was - so das Gericht weiter - „unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis“ folge302. Das Bundesverwaltungsgericht hingegen verwendet den Ausdruck, Wissenschaft sei „das ernsthafte Bemühen, das Gewusste mit dem Wißbaren in Übereinstimmung zu bringen“303. Eine exakte Bestimmung des verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriffs ist aber auch an dieser Stelle Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; Fechner, S. 288f.. Leisner, UFITA 48 (1966), S. 49; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 61. 299 Dazu Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 8. 300 Fechner, S. 296; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 61. 301 Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. III, Rn. 85f.; Münch/Kunig – Wendt, Rn. 100; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 322. 302 BVerfGE 5, 83 (146f.); 35, 79 (112f.). 303 BVerwGE 23, 112 (120). 297 298 60 entbehrlich. Denn auch hier gilt, dass der Gesetzgeber - solange der Regelungsgegenstand der Gesetzgebung jedenfalls zum Teil unter den verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff fällt - an die sich hieraus ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden ist und seiner aus der objektivrechtlichen Seite der Wissenschaftsfreiheit304 folgenden Pflicht zur angemessenen Ausgestaltung dieses freiheitsrechtlich garantierten Lebenssachverhalt zu genügen hat305. In sachlicher Hinsicht umfasst der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit die Vorgänge der Gewinnung gesicherter Erkenntnisse (= Forschung) und ihrer Verkündung (= Lehre)306. IV. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten Für den Bereich der Wissenschaftsfreiheit stellt sich die Frage, inwieweit die private Vervielfältigung wissenschaftlicher Erkenntnisse den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit überhaupt berühren kann. Analog zu den Überlegungen zur Kunstfreiheit307 gilt auch hier, dass die private Vervielfältigung Verwertung lediglich wissenschaftlicher grundgesetzlich geschützten den Bereich Erkenntnisse Forschungsfreiheit der als wirtschaftlichen Ergebnis (als Unterfall der der Wissenschaftsfreiheit) berühren kann. Denn die Forschungstätigkeit als solche wird hierdurch nicht unmittelbar beeinträchtigt, da die Vervielfältigung bereits ein Forschungsergebnis und damit den (jedenfalls partiellen) Abschluss der Forschungstätigkeit – gewissermaßen der „Wirkbereich“ der Forschungsfreiheit – selbst voraussetzt. Hieran knüpft sich die Frage an, ob auch die wirtschaftliche Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse bzw. wissenschaftlicher Forschungsergebnisse unter den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit fällt. Entsprechend den zur Kunstfreiheit gemachten Überlegungen dürfte dies jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn durch die Entziehung der 304 Welche den Staat positiv zu Schutz und Pflege der Wissenschaft verpflichtet, vgl. dazu Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 81ff.. 305 Oppermann, Forschung, Rn. 18, 21; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 133ff.. 306 Umfassend dazu Oppermann, Forschung, Rn. 37ff.. 307 Vgl. oben I. und II.. 61 wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit zugleich der wissenschaftlichen Betätigung der (wirtschaftliche) Boden entzogen würde308. Indes kommt es auf diese Frage in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Werke - und nur um diese geht es im Rahmen der Ausgestaltung der privaten Vervielfältigungsfreiheit nach §§ 53ff. UrhG - nicht an. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass wissenschaftliche Erkenntnisse keinem urheberrechtlichen Schutz unterliegen309. Aber nur das Ergebnis wissenschaftlicher Betätigung, also die wissenschaftliche Erkenntnis, kann Gegenstand privater Vervielfältigungstätigkeit sein. Wenn aber das maßgebliche verfassungsrechtliche Schutzobjekt nicht Gegenstand der urheberrechtlichen Regelungen der §§ 53ff. UrhG ist, dann kann sich auch keine Kollision verfassungsrechtlicher Anforderungen, wie sie aus der Wissenschaftsfreiheit hergeleitet werden mögen, mit der Ausgestaltung des privaten Vervielfältigungsrechts ergeben. Kurz: Wenn das Urheberrecht keine wissenschaftlichen Erkenntnisse schützt, welche wirtschaftlich verwertbar sind, dann spielen diese für die Ausgestaltung der privaten Vervielfältigungsfreiheit in ihrer verfassungsrechtlichen Verwurzelung keine Rolle. Die Eingangs unter IV. aufgestellte, von der Literatur vertretene These, das Urheberrecht berühre auch die Wissenschaftsfreiheit muss jedenfalls für den Bereich privater Vervielfältigung aufgegeben werden. E. Besondere Schrankenqualifikationen und ihre Auswirkungen auf verfassungsrechtlichen Vorgaben der Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit So nur Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 84, 18; offen gelassen bei Fechner, S. 330ff.. 309 Vgl. grundlegend BT – Drucksache IV/270, S. 37, wo der Gesetzgeber ausdrücklich eine sachliche Erweiterung des Urheberrechtsschutzes auf den wissenschaftliche Ideen und Erkenntnisse ablehnt. „Nur die persönliche Formgebung wissenschaftlicher Werke unterliegt dem Urheberrechtsschutz, der Gedankeninhalt bleibt frei“. Ebenso Fechner, S. 325ff. m.w.N.; Schricker – Loewenheim, § 2, Rn. 61ff. m.w.N.; Loewenheim – Loewenheim, § 7, Rn. 11ff.. Anders hingegen Krüger-Nieland, UFITA 85 (1979), S. 108 a.E.: Diese wendet ein, auch die schützenswerte individuelle Formgebung eines wissenschaftlichen Werkes werde ja mit vervielfältigt und sei damit jedenfalls in dieser Hinsicht vom urheberrechtlichen Schutz umfasst. Allerdings kann der individuellen Formgebung eines wissenschaftlichen Werkes kaum wirtschaftlich verwertbare Substanz zugesprochen werden. 308 62 Die einfachgesetzliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit von urheberrechtlich geschützten verfassungsrechtlich Werken gebotenen stellt das Ergebnis Interessenausgleichs zwischen eines den Interessen des Urhebers auf der einen, sowie den Interessen der Schrankenbegünstigten auf der anderen Seite dar310. Das Ergebnis dieses Interessenausgleichs - dessen Feststellung Ziel der vorliegenden Untersuchung sein soll - kann folglich nur gefunden werden, wenn die Interessen aller Beteiligten erfasst und einer entsprechenden Abwägung unterzogen werden. Die pauschale Formel, der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung grundrechtlich verbürgter Freiheiten einen angemessenen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen zu finden, greift an dieser Stelle aber zu kurz. Denn die systematische Struktur mancher Grundrechte zwingt insoweit zu einer jeweils besonderen, gleichsam individuellen Ausgleichsfindung311. Dabei begnügt sich das Grundgesetz nicht damit, diesen Ausgleich im Rahmen einer „einfachen“ Abwägung zu erzielen, vielmehr gibt es weitere Abwägungsleitlinien vor, welche dem stets gebotenen „verfassungsrechtlichen Ausgleich“ ein individuelles Gepräge verleihen312. Folglich kann die bloße Darstellung der verschiedenen, durch die private Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlich geschützter Werke betroffenen und verfassungsrechtlich beachtlichen Interessen alleine noch nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen. Stattdessen gilt es im Folgenden, die Vgl. Loewenheim – Götting, § 30, Rn. 1f.; Wandtke/Bullinger – Lüft, § 45, Rn. 1 je m.w.N.; Schippan, ZUM 2001, S. 117. 311 Vgl. grundlegend zur Problematik Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 20ff.. Ein Beispiel hierfür mag die Regelung des Art. 5 Abs. 2 GG bieten, welche die Freiheitsrechte des Art. 5 Abs. 1 GG den Schranken der „allgemeinen Gesetze“ unterwirft. Auch diese Schrankenregelung dient der Sicherung des verfassungsrechtlich angestrebten Ausgleichs zwischen den widerstreitenden, verfassungsrechtlich geschützten Interessen, vgl. dazu BVerfGE 7, 198 (209f.). 312 Unabhängig davon, welchen Schutzgütern/Interessen eine Beschränkung bspw. der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG konkret dienen soll, erfordert die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG (die in den Begriff der „allgemeinen Gesetze“ gleichsam eingebettet ist), dass sich bspw. das allgemeine Gesetz, d.h. die Schrankenregelung, nicht gegen Rechtsgüter des Art. 5 Abs. 1 GG selbst und als solche richte. Darüber hinaus wird auch verlangt, dass im Wege der Wechselwirkungslehre das Gut, dessen Schutz mit der Schranke des „allgemeinen Gesetzes“ angestrebt wird, „aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts [des Art. 5 Abs. 1 GG] […] ausgelegt und so in [seiner] […] das Grundrecht [des Art. 5 Abs. 1 GG] begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden [müsse]“, vgl. BVerfGE 7, 198 (209). Zum gesamten Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 21. 310 63 individuellen Anforderungen der betroffenen Grundrechtsnormen, die über das Erfordernis eines „verhältnismäßigen Ausgleichs“ zwischen den beteiligten Interessengruppen hinausgehen, also deren besonderen Schrankenqualifikationen herauszuarbeiten und die Konsequenzen hieraus für die konkrete Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit fruchtbar zu machen. I. Betroffene Schutzbereiche Der Schöpfer urheberrechtlicher Werke fällt hinsichtlich seiner Nutzungsmöglichkeiten unter den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Qualität und Maß dieses Schutzes hängen im Wesentlichen von der Dialektik des starken personalen Substrats geistigen Eigentums einerseits und dessen starken sozialen Bezugs andererseits313 ab. Jedenfalls das vermögenswerte Ergebnis der schöpferischen Leistung muss danach dem geistigen Eigentümer vorbehalten bleiben. Auch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG stellt an den Gesetzgeber die Aufgabe, die wirtschaftliche Verwertung des Ergebnisses künstlerischer Betätigung grundsätzlich zu ermöglichen und zu sichern. Auf Seiten des Urhebers streiten demnach im Falle privater Vervielfältigungstätigkeit die Grundrechte der Eigentums- sowie der Kunstfreiheit. Die Frage Grundrechtskonkurrenz314 läuft nach auf die der Frage somit nach bestehenden der, für die verfassungsrechtlich gebotenen Abwägungsentscheidung maßgeblichen Schranke hinaus, d.h. aus der Grundrechtskonkurrenz wird gleichsam verengend eine Schrankenkonkurrenz315. Dieses Konkurrenzverhältnis nimmt sich vorliegend aus wie folgt316: Hinsichtlich Eigentums- wie Kunstfreiheit überschneiden sich beide Schutzbereiche abstrakt allein hinsichtlich des Schutzes des 313 Vgl. dazu allgemein BVerfGE 37, 137 (151). Eine solche liegt vor, wenn eine menschliche Aktivität den Tatbestand mehrerer Grundrechte erfüllt, vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 1, Rn. 253; Münch/Kunig – Münch, Vor Art. 1 – 19, Rn. 42. 315 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, a.a.O.; Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 47 m.w.N.; Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 722; vgl. auch Berg, JuS 1969, S. 20. 316 Die Systematik der Einteilung folgt den Vorschlägen in Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 1, Rn. 254; Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 723. 314 64 vermögenswerten Ergebnisses Leistung317. schöpferischer Die Schutzbereiche beider Grundrechte decken aber noch jeweils andere Bereiche ab, welche nicht vom jeweils anderen Grundrecht umfasst sind 318. Dies ändert indes nichts daran, beide Grundrechte gleichermaßen für die Beurteilung der maßgeblichen Schrankenregelung heranzuziehen319. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: So wurde bereits vor einer künstlichen und dem Schutzobjekt nicht gerecht werdenden Aufspaltung des verfassungsrechtlichen Schutzes geistigen Eigentums gewarnt 320. Vor allem sollte aber die verfassungsrechtliche Entscheidung, bestimmte Schutzobjekte den Schutzbereichen mehrerer Grundrechte zuzuordnen, nicht dazu verwendet werden - dem grundlegenden Schutz- und Abwehrgedanken der Grundrechte zuwider -, diese Schutzobjekte dann nur mehr einem Grundrecht zuzuordnen321. Und schließlich gilt es zu beachten, dass die jeweiligen Schranken verschiedener Grundrechte auch qualitative, dem jeweiligen Schutzobjekt angepasste Unterschiede aufweisen322, deren Nivellierung im Wege der Vorrangwirkung des einen oder anderen Grundrechts sich schon aus Gründen der Sachgerechtigkeit verbietet323. Hiervon zu trennen ist freilich die Frage, inwieweit sich die Schranken der Kunstfreiheit von denen der Eigentumsfreiheit qualitativ und quantitativ unterscheiden. Dies wird im Rahmen der konkreten Vorgaben der jeweiligen Schranken zu klären sein. II. Bestimmung besonderer Schrankenqualifikationen Aufgabe der Grundrechtsschranken und damit auch des grundrechtsverpflichteten Gesetzgebers ist es, im Bereich des Art. 14 GG, 317 Vgl. dazu oben Teil 2, B. und D.. Für die Kunstfreiheit sei hier beispielsweise der Werkbereich genannt, für die Eigentumsfreiheit der Bereich der Verfügungsfreiheit über das jeweilige Eigentumsobjekt. 319 So im Ergebnis auch Maunz, GRUR 1973, S. 114; Fechner, S. 197 m.w.N.. 320 Oben Teil 2, A.. 321 In diesem Sinne auch Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 724; Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 47. Eine „Verdrängung durch Spezialität“, wie sie bspw. bei Münch/Kunig – Münch, Vorb. Art. 1 – 19, Rn. 42, vorgeschlagen wird, würde dem grundrechtlichen Schutzzweck zuwider laufen: Dass ein Lebenssachverhalt gleich durch mehrere Grundrechte abgedeckt ist, ist ein Zeichen für seine erhöhte Schutzbedürftigkeit, kann also nicht dazu führen, dass dieser Schutz im Wege der Spezialität ispo iure wieder verringert wird. 322 Vgl. dazu oben vor A.. 323 In diesem Sinne überzeugend Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 724. 318 65 „beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten dialektischen Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter [Eigentums-] Freiheit und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung zu tragen und die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen“324. Die Schrankennormen des Art. 14 GG – Ausfluss der Sozialpflichtigkeit nach Art. 14 Abs. 2 GG – sind aber sowohl im Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S.2 GG wie auch in der Enteignung des Art. 14 Abs. 3 GG zu erblicken325. Beide dienen letztlich dem verfassungsrechtlichen Auftrag, die Interessen der Beteiligten in einen angemessenen Ausgleich zu bringen 326. Es stehen dem Gesetzgeber also grundsätzlich zwei Wege – die Inhaltsund Schrankenbestimmung oder die Enteignung – zur Verfügung, den in Art. 14 GG geforderten Interessenausgleich zu verwirklichen 327. Beide sind an verschiedene Voraussetzungen gekoppelt und haben verschiedene Rechtsfolgen. 1. Inhalts- und Schrankenbestimmung, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Erst wenn die Voraussetzungen für die Einordnung einer gesetzlichen Regelung als Inhalts- und Schrankenbestimmung geklärt sind, können hieraus die Konsequenzen dieser Einordnung vorgenommen werden. a) Voraussetzungen der Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung 324 BVerfGE 52, 1 (29). Was sich bereits daraus ergibt, dass beide Formen der Beschränkung eigentumsrechtlicher Positionen durch das „öffentliche Interesse“ - also diejenigen im Rahmen der Sozialpflichtigkeit zu beachtenden Interessen der Allgemeinheit - legitimiert sein müssen. So das Bundesverfassungsgericht für Art. 14 Abs. 1 S.2 GG in BVerfGE 8, 71 (80); 21, 150 (155); 25, 112 (118); 58, 81 (110), für Art. 14 Abs. 3 GG in BVerfGE 56, (259); 74, (264ff.). Klarstellend auch Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 414, demzufolge beide Regelungen der Lösung des Widerstreits zwischen Individual- und Allgemeininteressen dienen: Im Falle des Art. 14 Abs. 3 GG komme es aber zu einer einseitigen Durchsetzung der Allgemeininteressen auf Kosten der Individualinteressen, im Falle des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG hingegen zu einer (zwar bloß teilweisen) Durchsetzung beider Interessen. 326 In diesem Sinne auch Wendt, S. 289f.. Diese jeweils übereinstimmende Zielsetzung beider verfassungsrechtlichen Institute darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich bei Inhalts- und Schrankenbestimmung um zwei qualitativ völlig verschiedene Wege handelt, dieses Ziel zu erreichen, vgl. dazu Wendt, S. 161 m.w.N., umfassend auch Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 343ff.; vgl. auch BVerfGE 58, 300 (331). 327 Umfassend dazu Wendt, S. 289ff.. 325 66 In der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts bemüht sich dieses um eine stärkere Konturierung der Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung auf der einen, der Enteignung auf der anderen Seite328. Als komplementäre verfassungsrechtliche Institute können beide nicht ohne Rekurs auf das jeweils andere beurteilt werden. Als Enteignung bezeichnet das Bundesverfassungsgericht den staatlichen Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen, der auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet ist, die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sind329. Anders hingegen die Inhalts- und Schrankenbestimmungen: Diese stellen die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten in Ansehung des Eigentums dar330. Für die Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung ist demnach nicht die Intensität des Eingriffs, sondern die Form und dessen Zweckrichtung entscheidend331: Eine Enteignung liegt nur bei der zielgerichteten Entziehung eigentumsrechtlicher Positionen vor, die Inhaltsund Schrankenbestimmung bestimmt in genereller und abstrakter Weise die Rechte und Pflichten des Eigentümers. Die den Eigentümer treffende Intensität der Eingriffsbelastung in seine Rechtspositionen ist hingegen für die Einordnung nicht von Belang, selbst in solchen Fällen, in denen eine Inhalts- und Schrankenbestimmung in seinen Auswirkungen einer Enteignung gleich- oder zumindest nahe kommt332. Das Gericht geht demnach von der Schrankenbestimmung verfassungsrechtlichen institutionellen und Trennung Enteignung Grenzen aus, von der überschreitende Inhalts- zufolge eine Inhalts- bzw. die und Schrankenbestimmung nicht in eine Enteignung umschlagen kann333. In Abkehr seiner bisherigen Rechtsprechung, welche das Vorliegen einer Enteignung nicht mehr davon abhängig machte, dass es sich hierbei um 328 Papier, DVBl. 2000, S. 1399. Vgl. BVerfGE 100, 226 (239f.) m.w.N., st. Rspr.. 330 BVerfGE 52, 1 (27); 58, 300 (330); 72, 66 (76). 331 Vgl. Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 38; Papier, DVBl. 2000, S. 1399. 332 Vgl. BVerfGE 83, 201 (211ff.); 100, 226 (240). 333 BVerfGE 58, 137 (145); Burgi, NVwZ 1994, S. 527; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 376; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 238. 329 67 einen Vorgang der Bundesverfassungsgericht „Güterbeschaffung“ in seinem handelte334, Bemühen um kehrt eine das stärkere Konturierung der eigentumsrechtlichen Schrankenbestimmungen in seinem Beschluss vom 22. Mai 2001335 genau dorthin zurück336. Demnach setzt die „Enteignung […] den Entzug konkreter Rechtspositionen voraus, aber nicht jeder Entzug [sei] […] eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. Diese ist beschränkt auf solche Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerfGE 38, 175 [179f.]). Ist mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen der Ausgleich privater Interessen beabsichtigt, kann es sich nur um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handeln (vgl. dazu BVerfGE 101, 239 [259])“337. Die Zugrundelegung dieser Negativdefinition zeigt bereits, dass es sich bei jedweder denkbaren Ausgestaltung privater Vervielfältigungsfreiheit durch den Gesetzgeber nicht um eine Enteignung handeln kann338. Denn jedenfalls sollen mit der gesetzlichen Gewährung privater Vervielfältigungstätigkeit keine öffentlichen Aufgaben durchgeführt werden (es geht ja gerade um die Vervielfältigungstätigkeit im privaten Bereich). Ferner dient die gesetzliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungsfreiheit gerade dem Ausgleich einer Vielzahl privater Interessen, angefangen von den Verwertungsinteressen des Urhebers und der Rechteinhaber, über diejenigen der Werkmittler, bis hin zu denen der Werknutzer und kann so dem Diktum des Bundesverfassungsgerichts zufolge also nur Inhalts- und Schrankenbestimmung sein339. Vgl. dazu BVerfGE NJW 1991, S. 1807 (1808); Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 356. BVerfGE 104, 1. 336 Umfassend zur Bedeutung dieser Entscheidung Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 361; auch Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 38. 337 BVerfGE 104, 1 (10); so letztlich auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 41. 338 So auch die ganz überwiegend vertretene Meinung hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Einordnung der urheberrechtlichen Schrankenregelungen der §§ 53 ff. UrhG, vgl. Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 44; Diemar, GRUR 2002, S. 590; eindeutig Loewenheim – Götting, §. 3 Rn. 3; so auch BVerfGE 31, 229 (241). Anders hingegen, d.h. die Schrankenregelungen des Urheberrechts als Form der Enteignung jedenfalls in Betracht ziehend und dem naturrechtlichen Ansatz folgend Fechner, Geistiges Eigentum, S. 239, 461ff.; dazu auch BVerfGE 49, 382 (393f.). 339 Denn eine eigentumsrelevante Regelung, die nicht Enteignung ist, kann nur Inhalts- und Schrankenbestimmung sein, vgl. dazu Haas, NVwZ 2002, S. 273. 334 335 68 b) Konsequenzen der Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung Nun ist freilich mit der zwingenden Einordnung der gesetzgeberischen Ausgestaltung privater Schrankenbestimmung Vervielfältigungstätigkeit noch nichts über als die Inhalts- und verfassungsrechtlichen Anforderungen ausgesagt, welche diese Qualifikation mit sich bringt340. Diese Anforderungen, die an den Gesetzgeber durch die Einordnung unter die Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gestellt werden, gilt es nun herauszuarbeiten. aa) Allgemeine Schranken des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Der Gesetzgeber ist im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zunächst an das Gebot gerechter Abwägung unter Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebunden341. schutzwürdigen Beteiligten, Belange aller Beachtung Danach also die hat des er die kollidierenden Verfassungsgüter, in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung ist mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang zu bringen. Bei der Anwendung dieses Abwägungsgebots ist gleichermaßen an die Vereinbarkeit dessen Ergebnisses mit den übrigen Verfassungsnormen zu denken, insbesondere an die Beachtung des Gleichheitssatzes342. Doch stellen die genannten Regelungen letztlich lediglich Verfahrensregelungen auf, die keine besonderen verfassungsrechtlichen Schranken darstellen, sondern vielmehr als stets zu beachtende Rechtssätze für jedes gesetzgeberische Tätigwerden von Bedeutung sind343. Hinsichtlich der speziellen Schranke des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG 340 Haas, NVwZ 2002, S. 273, m.w.N.. Vgl. BVerfGE 25, 112 (117ff.); 58, 300 (335); 79, 174 (198); 100, 226 (240f.); Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310ff., 315ff. je m.w.N.; Leinemann, S. 70; Leisner, Eigentum, Rn. 143ff.; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Wendt, S. 306f.. 342 BVerfGE 100, 226 (240). 343 Vgl. zur Kritik an der Inhaltslosigkeit dieser Anforderungen für den Bereich speziell der Inhalts- und Schrankenbestimmung, Leisner, Eigentum, Rn. 145ff.. 341 69 bieten diese für sich genommen jedenfalls keine materiellen Grenzen oder Vorgaben. Die an dieser Stelle entscheidende Frage ist aber eine andere: Durch Schrankennormen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S 2 GG - und jede einfachgesetzliche Gestattung privater Vervielfältigungstätigkeit stellte eine solche dar, gleich wie diese im Detail ausgestaltet sein mag - wird auf (zuvor rechtssatzmäßig ausgeformte) Eigentumspositionen des Betroffenen, hier also des Urhebers, zugegriffen. Da sich, wie zuvor festgestellt, Enteignung und Inhalts- bzw. Schrankenbestimmungen nicht quantitativ, sondern qualitativ voreinander unterscheiden344, stellt sich die Frage, wie weit der Gesetzgeber im Rahmen seiner Ausgestaltungsbefugnis des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gehen darf, um auch der Individual- oder Privatnützigkeit des Eigentums noch in verfassungsrechtlich ausreichendem Maße Genüge zu tun345. Konkret läuft diese Frage darauf hinaus, ab welchem Eingriffsmaß eine Schrankenregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ausgleichspflichtig und ab wann sie gar verfassungswidrig ist346. bb) „Zumutbarkeit“ als Abgrenzungsmerkmal für die Ausgleichspflichtigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung Grundsätzlich geht Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG davon aus, dass eine Schrankenbestimmung nicht ausgleichspflichtig ist, die entschädigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung vielmehr den verfassungsrechtlich vorgesehenen Regelfall darstellt347. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus Art. 14 Abs. 3 GG: Dieser sieht ausdrücklich eine Entschädigungspflicht für enteignende Eingriffe in Eigentumspositionen vor. Hieraus wird deutlich, dass das Grundgesetz von der grundsätzlichen Entschädigungslosigkeit von Eigentumsbeschränkungen ausgeht, die im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Sozialpflichtigkeit Rechnung tragen 344 Eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung kann also nicht in eine Enteignung „umschlagen“. 345 Im Falle der Enteignung erfolgt die Gewähr der Privatnützigkeit durch die verfassungsrechtlich zwingende Entschädigungspflichtigkeit der Enteignung. 346 Dazu Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42ff.; umfassend Wendt, S. 309ff.; Papier, DVBl. 2000, S. 1401ff.; Maurer, DVBl. 1991, S. 782. 347 Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 338, 346ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 84; Wendt, S. 314f.. 70 und der sozialgestalterischen Gesetzgebungstätigkeit im Bereich des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gerade nicht diejenigen Fesseln anlegen wollten, die für den Bereich des Art. 14 Abs. 3 GG gelten. (a) „Zumutbarkeit“ als Ausgleichspflicht auslösendes Moment Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluss vom 2. März 1999 die Möglichkeit des Gesetzgebers heraus, unzumutbare Auswirkungen einer Inhalts- oder Schrankenbestimmung durch eine entsprechende Ausgleichsregelung kompensieren zu können348. Das Kriterium der „Zumutbarkeit“ wird zu Recht ganz überwiegend als Grenzlinie angesehen, anhand derer die Frage nach der Ausgleichspflichtigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zu beantworten ist349. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wie häufig vorgeschlagen wird350, bietet hingegen aus dogmatischen Gründen an dieser Stelle351 kein griffiges Abgrenzungsmerkmal352. Denn bereits die Erforderlichkeitsprüfung stößt dabei an ihre Grenzen. Dieser zufolge müsste die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung gegenüber einer entschädigungslosen Schrankenbestimmung das relativ mildeste Mittel zum Erreichen des angestrebten Zwecks eines angemessenen Ausgleichs zwischen Individualund Gemeininteressen darstellen. Diese Frage lässt sich indes so nicht beantworten, da die Gemeininteressen im Falle einer ausgleichspflichtigen Bestimmung anders berührt sind (wo die Gemeinschaft für den Ausgleich aufzukommen hat), als im Falle der entschädigungsfreien Regelung (wo die Eigentumsbeschränkung auch wirtschaftlich allein zu Lasten des betroffenen Eigentümers geht). Doch setzt die Erforderlichkeitsprüfung voraus, dass im Rahmen der zu beurteilenden Mittel der mit diesen verfolgte 348 Vgl. BVerfGE 100, 226 (243f.). So auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 81; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; letztlich auch Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190; Leisner, Eigentum, Rn. 151f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262. 350 Nachweis bei Leisner, Eigentum, Rn. 143, Fn. 280, 281. 351 Was freilich nichts damit zu tun hat, dass schon die Inhalts- und Schrankenbestimmung als solche - also unbesehen der Frage, ob diese nun ausgleichspflichtig ist oder nicht - dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss. Vgl. Erichsen/Ehlers – Rüfner, a.a.O; 352 So ausdrücklich Papier, DVBl. 2000, S. 1402; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 348; inzident auch Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 261. In diesem Sinne auch Leisner, Eigentum, Rn. 143, 147. 349 71 Zweck (hier also auch das Gemeinwohlinteresse) stets identisch bleibt. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. (b) Inhalt des Zumutbarkeitskriteriums Das Kriterium der „Zumutbarkeit“ wiederum bedarf freilich inhaltlicher Ausfüllung, um seine Bedeutung nicht in einer bloßen Leerformel zu erschöpfen. Hierfür lassen sich die für die Abgrenzung von Enteignung und Sozialpflichtigkeit einst entwickelten Grundsätze heranziehen, die letztlich nach der Schwere des Grundrechtseingriffs fragen353. (aa) Der Sonderopfergedanke Der „Sonderopfertheorie“ des BGH folgend354, verstößt jede Sozialbindung in Gestalt einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gegen Art. 14 GG, welche einzelnen oder abgrenzbaren Gruppen gegenüber anderen Gruppen eine sachlich nicht gerechtfertigte Sonderbelastung, ein „Sonderopfer“ auferlegt. Hierin manifestiert sich der allgemeine Gleichheitssatz in seiner speziellen Form der Lastengleichheit. Doch reicht das Kriterium des „Sonderopfers“ für eine taugliche Abgrenzung nicht aus. Denn zum einen steht der erforderliche Gruppenbezug zur Disposition des Gesetzgebers, d.h. er kann letztlich darüber bestimmen, welche Gruppe als „Allgemeinheit“ den Maßstab für das „Besondere“ des abverlangten Opfers bestimmt355. Ferner führt die Anwendung alleine dieses Maßstabs zu einer Eigentumseingriffe: Je Prämierung breiter möglichst die weit eingreifende reichender Inhalts- und Schrankenbestimmung angelegt ist, desto eher verschwindet das „Sonder“ des abverlangten „Sonderopfers“ im Dunst der allgemeinen Gemeinpflichtigkeit356. Vgl. Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 44; Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 81; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 362; Leisner, Eigentum, Rn. 148. 354 Diese Judikatur baut auf BGHZ 6, 270 auf. Umfassend dazu Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 366. 355 Grundlegend dazu Leisner, Sozialbindung, S. 136 ff., insb. S. 137f. 356 Grundlegend dazu Leisner, Sozialbindung, S. 141ff.. 353 72 (bb) Materielle Ergänzung anhand des Schutzzwecks Daher ist die materielle Ergänzung des Sonderopfergedankens notwendig357. Hierfür werden die Begriffe der Schwere und der Tragweite 358 des Eingriffs in eigentumsrechtliche Positionen verwendet. Wiederum bloße Begrifflichkeiten, die jedoch nicht in der Lage sind, eine konkrete materiellinhaltliche Grenze zu ziehen359. Angesichts der Schwierigkeit auch diese Begriffe mit materiellem Gehalt zu füllen, ist auf den Schutzzweck des Art. 14 GG zurückzugreifen. Denn der Schutzbereich des Art. 14 GG wird angesichts seiner Normgeprägtheit - wie oben festgestellt360 bestimmt361. Die - im Wesentlichen Grenzziehung durch zwischen seinen Schutzzweck ausgleichspflichtiger und ausgleichsfreier Inhalts- und Schrankenbestimmung verläuft also entlang des Schutzzwecks des Art. 14 GG362. Dem Eigentum kommt als Rechtsinstitut im Gefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen363. Insoweit ergänzt die Gewährleistung des Eigentums die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit364 des Einzelnen. Dieser Zweck der Eigentumsgarantie, der in der Privat- oder Individualnützigkeit365 des Eigentums seine positive Ausgestaltung gefunden hat, bildet demnach die Markierung für die hier zu beurteilende Grenzziehung. Wie oben festgestellt366, stellt im Bereich von Geisteswerken der Eingriff in die Verfügungsfreiheit des Eigentümers über sein Eigentumsobjekt Vgl. Leisner, Eigentum, Rn. 151; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 372; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 269. 358 So die Schweretheorie des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwGE 5, 143 (145f.); 7, 297 (299); 11, 69 (75); 19, 94 (98f.); 32, 173 (179). 359 Zur Kritik hieran Leisner, Eigentum, Rn. 151. 360 Vgl. oben unter Teil 2, B. I. und Teil 2, B. II. 1.. 361 So schon BSGE 5, 40 (45). 362 So auch Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375. 363 BVerfGE 24, 367 (389). 364 BVerfGE 14, 288 (293). 365 Zur Privatnützigkeit als Abgrenzungskriterium zwischen Ausgleichspflicht und Ausgleichsfreiheit im Bereich des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, Leisner, Sozialbindung, S. 171ff.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 275ff.. 366 Vgl. oben unter Teil 2, II. 3.. 357 73 zugunsten privater Vervielfältigungstätigkeit keinen Eingriff dar, welcher den Schutzzweck des Art. 14 GG leer laufen lassen würde. Anders hingegen, wenn dieser Eingriff in die Verfügungsfreiheit auch einen Eingriff in die vermögensrechtliche Zuordnung bzw. die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Geisteswerkes zur Folge hat. Auf die zu untersuchende Gewährung privater Vervielfältigungstätigkeit angewendet besagt dies, dass die Grenze der Ausgleichspflicht dort verläuft, wo jene als zulässiger Eingriff in die Verfügungsfreiheit des Urhebers auch einen Eingriff in die vermögensrechtliche Zuordnung des Werkes, in die insoweit bestehende wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Urhebers, zur Folge hat. Mit anderen Worten: Wo ein verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich der verschiedenen Interessen die Freiheit der Vervielfältigung zu privaten Zwecken zulässt oder gar erfordert, da ist diese gestattende Schrankenregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG solange nicht ausgleichspflichtig, als durch die Vervielfältigungsfreiheit die vermögensrechtliche Zuordnung des urheberrechtlichen Werkes an den Urheber als Form geistigen Eigentums zum nicht in Frage gestellt ist. Wo dies hingegen der Fall ist, erfordert schon die besondere Schrankenqualifikation des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG einen zumindest vermögenswerten Ausgleich für diesen Eingriff in eigentumsrechtlich geschützte Positionen. 2. Schranken der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG Die vorliegende Schrankenkonkurrenz zwischen denen des Art. 14 GG und denen des Art. 5 GG hat deren kumulative Anwendung zur Folge. Hinsichtlich der vorliegend überschneidenden Teilschutzbereiche der vermögensrechtlichen Zuordnung des Ergebnisses schöpferischer Tätigkeit zeitigt diese echte Schrankenkonkurrenz freilich nur Auswirkungen, wenn sich die Schranken des Art. 14 GG von denen des Art. 5 GG qualitativ unterscheiden. 74 Das Grundrecht der Kunstfreiheit sieht als schrankenlos gewährtes Grundrecht367 keine besonderen Grundrechtsschranken vor. Der Rückgriff auf die Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG scheidet nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Lehre aus systematischen wie entstehungsgeschichtlichen Gründen aus368. Dies heißt freilich nicht, dass die Kunstfreiheit keinerlei Beschränkungen unterliegen würde. Vielmehr sind für diese nur die verfassungsimmanenten Schranken maßgeblich. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts369: Die Kunstfreiheit kann Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung finden, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wichtiges Rechtsgut schützen. Konkret hat dies zur Folge, dass die Schranken der Kunstfreiheit in kollidierenden Verfassungsgütern unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Wege der Abwägung mit dieser selbst zu finden sind370. Diese verfassungsimmanenten Schranken sind aber solche, denen auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterliegt371, mithin keine besonderen Schranken, welche besondere Anforderungen an die gesetzgeberische Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit stellen würden. Aus der Eingangs beschriebenen Grundrechtskonkurrenz ergeben sich für den Bereich der Schranken Besonderheiten, da allein mithin Art. 14 keine Abs. berücksichtigungsfähigen 1 S. 2 GG besondere Schrankenqualifikationen aufstellt. Hinsichtlich der beiden einschlägigen Grundrechtsnormen Schranken, laufen zugrunde jene liegenden auf verfassungsimmanenten Schrankenebene gleich, die Grundrechtskonkurrenz ist insoweit also ohne weitere Auswirkung. F. Zusammenfassung Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 51; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 302 je m.w.N.. 368 Vgl. für die Lehre Denninger, Kunst, Rn. 26; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 11; für die Rechtsprechung BVerfGE 30, 173 (191f.); 33, 52 (70f.); 35, 202 (244). 369 BVerfGE 67, 213 (228). 370 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 307; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 64f.; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 96f. je m.w.N.. 371 Vgl. oben unter I. 2. a). 367 75 Das Eigentum im Sinne des Art. 14 GG umschreibt einen von der Verfassung vorgegebenen, jedoch wandelbaren und nicht starren Eigentumsbegriff, der nicht der Definitionskompetenz des Gesetzesgebers unterliegt. Im Rahmen der dem Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG eingeräumten einfachgesetzlichen Ausgestaltungsbefugnis geistigen Eigentums im Wege des Urheberrechts, unterliegt er dabei folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben: Das verfassungsimmanente Leistungsprinzip bildet gleichermaßen Grund und Grenze des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs. Wer eine Leistung in Form einer immateriellen Schöpfung erbringt, der soll hinsichtlich der Nutzungen, die hieraus gezogen werden, den Schutz der Eigentumsgarantie genießen. Qualität und Maß dieses Schutzes hängen von der jeweiligen Stärke des personalen bzw. sozialen Substrats des konkreten Eigentumsobjekts ab. Dabei gebietet die Institutsgarantie des Art. 14 GG die Zuordnung jedenfalls des vermögenswerten Ergebnisses schöpferischer Leistung an den Hervorbringer des Eigentumsobjekts und sichert diesem grundsätzlich auch die freie Verfügungsbefugnis hierüber zu. Indes verlangt die Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG einen angemessenen Ausgleich zwischen den Individualinteressen des geistigen Eigentümers und den Allgemeininteressen (insbesondere der Werknutzer) zu finden. Die Beachtung des gleichheitsrechtlich geforderten Grundsatzes der leistungsgerechten Zuteilung von Eigentumspositionen verbietet dabei nicht von vorneherein, dem geistigen Eigentümer das ausschließliche Verfügungsrecht an seinem Werk zu entziehen, solange hierfür ein vermögenswirksamer Ausgleich gewährt wird. Trotz dieser materiellen Vorgaben ist es dennoch im Einzelnen Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, welche eine der Natur und sozialen Bedeutung des jeweiligen Urheberrechts entsprechende Nutzung und Verwertung desselben sicherstellen. Dabei ist der Gesetzgeber aber an die verfassungsrechtlich gebotene Beachtung des Vertrauensschutzprinzips und insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips gebunden. Im Rahmen des letzteren hat der Gesetzgeber insbesondere das Wohl der Allgemeinheit gemäß Art. 14 Abs. 76 2 GG zu beachten, soweit die Interessen der Allgemeinheit von verfassungsrechtlicher Relevanz sind372. Aus dem grundsätzlich im Bereich geistigen Eigentums zu beachtenden Schutzauftrag durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ergeben sich im Bereich privater Vervielfältigung keine Implikationen für den Gesetzgeber. Denn eine Verletzung, der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Freiheits- und Persönlichkeitssphäre als Folge privater Vervielfältigungstätigkeit ist nicht zu befürchten, da die Freiheit des „Ob“ der Entäußerung der geistigen Schöpfung in den öffentlichen Raum durch private Vervielfältigung nicht berührt wird. Der Urheber hat bereits zuvor autonom über die Veröffentlichung seines Werkes positiv entschieden. Auch eine Erweiterung der Zugänglichmachung des Werkes über den bereits vom Urheber befürworteten Kreis von Werknutzern hinaus, kommt angesichts der Privatheit der Vervielfältigungshandlung von vorneherein nicht in Betracht373. Die Entscheidung darüber, ob der Schöpfer sein geistiges Werk aus seiner Persönlichkeitssphäre entlassen und einem Kreis Dritter preisgeben will - als ureigenster Bestandteil des grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts und somit Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - wird also durch private Vervielfältigungstätigkeit nicht berührt. Auch der durch die Garantie der Kunstfreiheit erteilte verfassungsrechtliche Schutzauftrag an urheberrechtlichen den Gesetzgeber Ausgestaltung bedingt des im Rahmen Instituts der privater 372 Eine über diese verfassungsunmittelbaren Vorgaben hinausgehende Bindung des Gesetzgebers aus § 31 Abs. 1 BVerfGG - der insoweit die materielle, d.h. für den Gesetzgeber bindende, Rechtskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorsieht - kommt für das geistige Eigentum im Bereich privater Vervielfältigung nicht in Betracht (so angedeutet bei Hohagen, S. 279). Denn die materielle Bindungswirkung dieser Vorschrift beschränkt sich auf den jeweiligen Entscheidungstenor, die Entscheidungsgründe werden ausschließlich zur Ermittlung der objektiven Rechtskraftgrenzen herangezogen, ohne dabei jedoch selbst in Rechtskraft zu erwachsen, vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, § 31, Rn. 94f.. Im Bereich der Verfassungsmäßigkeit urheberrechtlicher Schrankenregelungen hat das Bundesverfassungsgericht aber sowohl Eingriffe in urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte (vgl. BVerfGE 31, 229; 49, 382; 79, 29) wie auch Eingriffe in urheberrechtliche Verwertungsrechte (vgl. BVerfGE 79, 29) für verfassungsmäßig erklärt. Insoweit ergeben sich für den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Instituts der privaten Vervielfältigungsfreiheit hieraus keine unmittelbaren Einschränkungen. 373 Angesichts der bislang vertretenen ganz hM, welche die Vervielfältigung auch für Freunde und Verwandte zulässt, freilich ein Befund, der durch die faktischen Verhältnisse überholt scheint. Dazu auch unten Teil 6, B. II. 1.. 77 Vervielfältigungsfreiheit allein die Sicherung der vermögensrechtlichen Verwertung des Ergebnisses der jeweiligen künstlerischen Betätigung. Denn die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG enthält insoweit den Auftrag, die geeigneten Rahmenbedingungen für die Entfaltung und Bewahrung dieser Freiheit zu schaffen. Im Rahmen des Urheberrechts gehört dazu auch, dem Schöpfer die wirtschaftliche Verwertung seines Schaffensergebnisses grundsätzlich zu ermöglichen. Der Schutz der Verfügungsfreiheit über das Kunstwerk kann demnach nicht der Kunstfreiheit als verfassungsrechtlich bindende Vorgabe entnommen werden. Die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG hingegen hat auf die urheberrechtliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit durch den Gesetzgeber keine Auswirkungen. Da die Schutzobjekte der Wissenschaftsfreiheit keinen urheberrechtlichen Schutz erfahren, kann es im Rahmen der Ausgestaltung des Urheberrechts auch nicht zu Berührungen des Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit kommen. Denn wenn das Urheberrecht keine wissenschaftlichen Erkenntnisse schützt, dann spielen diese für die Ausgestaltung der privaten Vervielfältigungsfreiheit (auch) in ihrer verfassungsrechtlichen Verwurzelung keine Rolle. Jedwede denkbare Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit durch den Gesetzgeber stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Im Rahmen der besonderen Schrankenqualifikation des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist der Gesetzgeber deswegen bei der Findung eines Regelungsmodells an das Gebot gerechter Abwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebunden. Sofern der dabei gefundene Kompromiss zwischen den beteiligten verfassungsrechtlich relevanten Interessen einen unzumutbaren Eingriff in Positionen des Urhebers aus Art. 14 GG zur Folge hat, so ergibt sich hieraus eine vermögenswirksame Ausgleichspflicht zugunsten des so beeinträchtigten geistigen Eigentümers. Unzumutbar in diesem Sinne ist eine ausgleichende gesetzliche Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit jedenfalls dann, wenn diese auch die vermögensrechtliche Zuordnung des 78 urheberrechtlichen Werkes als Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 GG in Frage stellt. Teil 3: Der Schutz des Urhebers durch Vorgaben des Völker- und Europarechts 79 Der Schutz des Urhebers findet auch im Völkerrecht sowie im Europarecht Niederschlag. Im Folgenden sollen die Auswirkungen dieser internationalen Vorgaben auf urheberrechtlicher den bundesdeutschen Vorschriften in Gesetzgeber Bezug bei auf Erlass private Vervielfältigungstätigkeit herausgearbeitet werden. A. Völkerrechtlicher Schutz des Urhebers Schon zu Ausgang des 19. Jahrhunderts setzte sich die Einsicht durch, dass einem effektiven Urheberrechtsschutz das bis dahin geltende Prinzip der territorialen Begrenzung des Urheberrechts nicht genüge. Denn die Schutzwirkung des Urheberrechts endete an den Grenzen jenes Staates, welcher diesen Schutz kraft seiner Rechtssetzungsbefugnis gewährte. Um dieses Schutzdefizit auszugleichen, begann man damals mit dem Abschluss von bilateralen Staatsverträgen, welche einen grenzüberschreitenden Urheberrechtsschutz gewährleisten sollten. Bis zum heutigen Tage wird versucht, einen territorial möglichst umfassenden Urheberrechtsschutz durch eine Vielzahl von internationalen Abkommen zu ermöglichen374. I. Einschlägigkeit einzelner Konventionen 1. RBÜ Der bedeutendste und älteste multilaterale Vertrag auf dem Gebiet des internationalen Urheberrechts ist die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886375, die seit seinem Inkrafttreten am 5. Dezember 1887 zur kontinuierlichen Verbesserung des Urheberrechtsschutzes376 immer wieder Revisionen unterzogen wurde. Der seit der Revisionskonferenz von Berlin im Jahre 1908 so genannten Überblick dazu bei Rehbinder, Rn. 29ff.; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 13ff.; Mestmäcker/Schulze, Bd. 2, Teil III; Schack, Rn. 832ff.. 375 RGBl. 1887, S. 439/506/508/514. 376 Dazu ausführlich mit weiteren Hinweisen Hohagen, S. 49; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 41f.. 374 80 Revidierten Berner Übereinkunft (im folgenden RBÜ)377 gehören heute 159 Mitgliedsstaaten378 an. 2. WUA Außer Betracht bleiben kann bei der vorliegenden Untersuchung von vorneherein das Welturheberrechtsabkommen vom 6. September 1952 (WUA). Mit dem Beitritt der USA sowie den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und der Volksrepublik China zur RBÜ hat dieses Abkommen seine Bedeutung weitestgehend eingebüßt, denn es bleibt zum einen weit hinter dem Schutzniveau der RBÜ zurück. Ferner ordnet Art. XVII des WUA für seine Mitgliedsstaaten den Vorrang der RBÜ an, so dass es praktisch kaum noch zur Anwendung des WUA kommt379. 3. TRIPS Ebenfalls in die Untersuchung mit einzubeziehen sind dagegen die Vorschriften des sog. TRIPS (Trade related Aspects of Intellectual Property Rights) - Abkommens als Bestandteil des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO)380 vom 15. April 1994. Das TRIPS Abkommen verpflichtet seine Mitglieder zur Beachtung der RBÜ und enthält, über das Niveau der RBÜ hinausgehend, noch einige Mindestrechte zum Schutz der Urheber381. Es tritt also nicht in Konkurrenz zur RBÜ, sondern geht vielmehr darüber hinaus382. Das TRIPS – Abkommen impliziert ferner eine „Verdoppelung“ seiner eigenen wie auch der Anwendbarkeit der RBÜ. Denn über die Verweisungsnorm des Art. 9 Abs. 1 TRIPS werden sowohl die Vorschriften des TRIPS – Abkommens wie auch diejenigen der Art. 1 – 21 RBÜ (ausgenommen Art. 6 bis RBÜ) aufgrund der Tatsache, dass die 377 In seiner derzeit gültigen Form abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/ip/berne/index.html, abgerufen am 6. Oktober 2005 378 Angabe lt. WIPO; abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/ip/berne/index.html, abgerufen am 6. Oktober 2005. 379 In diesem Sinne übereinstimmend Rehbinder, Rn. 32, 481; Schack, Rn. 853; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 59. 380 BGBl. 1994 II, S. 1443ff. (Englische Version) bzw. 1625ff. (Deutsche Version). 381 Vgl. Art. 9 Abs. 1 S.1; 13 TRIPS. 382 Reinbothe, ZUM 1996, S. 736; Schack, Rn. 882; Rehbinder, Rn. 483. 81 Europäische Gemeinschaft selbst Unterzeichner des TRIPS – Abkommens ist383, zum unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrecht384. TRIPS – Abkommen wie auch RBÜ wirken demnach in zweifacher Weise auf den bundesdeutschen Rechtsraum ein: Zum einen als (sekundäres) Gemeinschaftsrecht, zum anderen als Regel des Völkerrechts. 4. WCT Der Betrachtung bedarf ferner der zum 6. Mai 2002 in Kraft getretene WIPO Copyright Treaty (WCT)385. Ziel des WCT sind die Ergänzung und Anpassung der RBÜ an die neuen Herausforderungen angesichts der Digitalisierung und des Internets, wobei der WCT als Sonderabkommen im Sinne des Art. 20 RBÜ deren Schutzniveau nur erhöhen, nicht aber absenken kann386. Eine Betrachtung weiterer internationaler Vorgaben kann hier außer Acht gelassen werden, da sich diesen keine strengeren Anforderungen an den nationalen Gesetzgeber im Hinblick auf die Vervielfältigungsfreiheit entnehmen lassen387. II. Bindungen des nationalen Gesetzgebers an Vorgaben des Völkerrechts Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die genannten völkerrechtlichen Vorschriften den nationalen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Urheberrechts überhaupt binden können. Denn die Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG unterwerfen den Gesetzgeber grundsätzlich alleine der Bindung an die Vorgaben des Grundgesetzes388. Ob sich eine verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers mittelbar auch aus Normen des Völkerrechts Vgl. Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 16; ausgiebig zur Frage der Abschlusskompetenz der Europäischen Gemeinschaft in diesem Fall, Drexl, GRUR Int. 1994, S. 779ff.. 384 Drexl, GRUR Int. 1994, S. 782. 385 In seiner derzeit gültigen Form abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/ip/wct/index.html, abgerufen am 6. Oktober 2005. 386 Lewinski, CR 1997, S. 439; Schack, Rn. 885b; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 53, Rehbinder, Rn. 482. 387 Überblick bei Hohagen, S. 53 m.w.N.. 388 Vgl. dazu Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20, VI, Rn. 2, 19; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 234ff.; Di Fabio, Gewaltenteilung, Rn. 18. 383 82 ergeben kann, ist daher zu klären 389. Denn Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sollen nur die zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Urheberrechtsgesetzgeber sein. Die zuvor genannten internationalen Konventionen zum Schutze der Urheber im Bereich der Vervielfältigung stellen allesamt völkerrechtliche Verträge auf dem Gebiet des Urheberrechts dar390. Völkerrechtliche Verträge391 sind nach unbestrittener Meinung innerstaatlich rechtsverbindlich und von allen Normadressaten zu beachten, sie beanspruchen also zwingend Geltung392. Auch hinsichtlich des hierarchischen Ranges völkerrechtlicher Verträge innerhalb der nationalen Rechtsordnung besteht Einigkeit: So haben völkerrechtliche Verträge (unabhängig davon, wie man nun ihre Transformation in nationales Recht dogmatisch erklären mag) den Rang einfacher Gesetze 393. Im Verhältnis zu anderem nationalen Recht gelten dabei die kollisionsrechtlichen Prinzipien der lex-posterior-Regel wie der lex-specialis-Regel394. Nun ist mit dieser Einordnung noch nichts darüber ausgesagt, ob und wie der nationale Gesetzgeber kraft Verfassung - denn nur dieser ist er nach der Konzeption des Grundgesetzes unterworfen und dem Völkerrecht kommt nur der Rang einfachen Gesetzesrechts zu - zur Umsetzung der Vorgaben völkerrechtlicher Verträge verpflichtet ist. Nur wenn diese Frage positiv zu beantworten ist, macht es im Rahmen dieser Untersuchung überhaupt Sinn, weiter nach den konkreten inhaltlichen Vorgaben der genannten urheberrechtlichen Konventionen zu fragen. Diese Fragestellung ist angedeutet bspw. bei Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20, VI, Rn. 20. Exemplarisch für die RBÜ, Mestmäcker/Schulze, Bd. 2, Teil III, 1. Abschnitt, S. 2. 391 Völkerrechtliche Verträge sind vom sachlichen Anwendungsbereich des Art. 25 GG ausgeschlossen, der nur für „allgemeine Regeln“ des Völkerrechts gilt, vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Koenig, Art. 25, Rn. 26. 392 Vgl. Bernhardt, Völkerrechtliche Verträge, Rn. 28; Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art. 59, Rn. 82. Umstritten ist freilich die Frage, wie diese Einbeziehung völkerrechtlicher Verträge in die bundesdeutsche Rechtsordnung dogmatisch zu vollziehen ist, vgl. dazu Überblick bei Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art. 59, Rn. 83ff.; Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59 , Rn. 34. 393 An der Rangordnung des Art. 25 GG nehmen völkerrechtliche Verträge im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht teil, da Art. 59 GG insoweit eine Sonderregelung statuiert. Vgl. zum gesamten, Bernhardt, Völkerrechtliche Verträge, Rn. 29; Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art. 59, Rn. 91ff.; Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 37; Bleckmann, DÖV 1996, S. 138ff.; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 118. 394 Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 37 m.w.N.; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 118 . 389 390 83 Als Konsequenz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers zur Umsetzung völkerrechtlicher Verträge zu bejahen395. So soll das Zustimmungserfordernis des Art. 59 Abs. 2 GG auch gewährleisten, dass völkerrechtliche Verpflichtung und innerstaatliche Rechtslage übereinstimmen396. Dies hingegen lässt sich nur erreichen, wenn man Art. 59 Abs. 2 GG einen verfassungsrechtlich verbindlichen Regelungsauftrag an den nationalen Gesetzgeber zur Umsetzung völkerrechtlicher Verträge entnimmt. Dass das Grundgesetz die Einhaltung des Völkerrechts möglichst effektiv garantieren will, zeigt auch die Verpflichtung des Art. 24 Abs. 3 GG wie auch die Friedensziele der Präambel, des Art. 1 Abs. 2 und des Art. 26 GG397. Zur effektiven institutionellen Absicherung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Wahrung des Völkerrechts ist es dann konsequent, hieraus auch den verfassungsrechtlichen Auftrag an den nationalen Gesetzgeber zur Umsetzung der Vorgaben des Völkerrechts in nationales Recht zu folgern. Es bleibt also abschließend festzuhalten, dass der Gesetzgeber kraft Grundgesetz zur Beachtung und Durchsetzung der völkerrechtlichen Vorgaben der oben aufgeführten urheberrechtlichen Konventionen im Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit verpflichtet ist398. III. Inhalt des internationalen Urheberschutzes im Bereich privater Vervielfältigung 1. Vorgaben der RBÜ So im Ergebnis übereinstimmend Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 35; Tomuschat, Internationale Offenheit, Rn. 26; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20, VI, Rn. 20, je m.w.N.. 396 Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 35; Bleckmann, DÖV 1996, S. 140; Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art. 59, Rn. 37 m.w.N.. 397 Bleckmann, DÖV 1996, S. 140. 398 Auf die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der genannten Konventionen kommt es für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand, der sich auf die zwingenden Vorgaben des Gesetzgebers bei der urheberrechtlichen Ausgestaltung des Instituts der privaten Vervielfältigungsfreiheit beschränkt, also nicht an. Vgl. dazu umfassend Hohagen, S. 57ff.. 395 84 Im Rahmen der RBÜ werden die Rechte des Urhebers im Bereich der Vervielfältigung durch die Vorschrift des Art. 9 RBÜ399 geregelt. Seit der Revisionskonferenz von Stockholm 1967 ist in dessen Abs. 1 das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers ausdrücklich anerkannt400. Dadurch soll dem Urheber die Kontrolle der durch jede Vervielfältigungstätigkeit bewirkten Vergrößerung des Kreises potentieller Werknutzer und damit dessen Partizipierung an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes ermöglicht werden401. Hinsichtlich des dieser Vorschrift zugrunde gelegten Vervielfältigungsbegriffs ergeben sich auch im Hinblick auf die hier besonders zu beachtende digitale Vervielfältigung von Werkstücken keine Besonderheiten. Auch die digitale Vervielfältigung ist unter den Vervielfältigungsbegriff des Art. 9 Abs. 1 RBÜ zu subsumieren402. Allerdings gibt Art. 9 Abs. 2 RBÜ seinen beigetretenen Mitgliedern die Möglichkeit, unter Abgehen vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken durch Dritte unter den Voraussetzungen des sog. „Dreistufentests“ zu gestatten. Die Funktion des „Dreistufentests“ ist zweierlei. Auf der einen Seite sollte die mit der Vorschrift implizit eingeräumte Befugnis der nationalen Gesetzgeber, im Bereich des Vervielfältigungsrechts Schranken einzuführen von vorneherein beschränkt werden403. Andererseits sollte eben der den nationalen Gesetzgebern hierdurch eröffnete Freiraum zur Berücksichtigung berechtigter sozialer, kultureller und Interessen im Wege der gesetzlichen ökonomischer Gestattung privater 399 Art. 9 Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (vgl. BGBl. 1973 II, S. 1071): „(1) Die Urheber von Werken der Literatur und Kunst, die durch diese Übereinkunft geschützt sind, genießen das ausschließliche Recht, die Vervielfältigung dieser Werke zu erlauben, gleichviel, auf welche Art und in welcher Form sie vorgenommen wird. (2) Der Gesetzgebung der Verbandsländer bleibt es vorbehalten, die Vervielfältigung in gewissen Sonderfällen unter der Voraussetzung zu gestatten, dass eine solche Vervielfältigung weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt. (3) Jede Aufnahme auf einem Bild- oder Tonträger gilt als Vervielfältigung im Sinne dieser Übereinkunft.“. 400 Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 1. 401 Hohagen, S. 67f.; vgl. auch Reimer/Ulmer, GRUR Int. 1967, S. 443. 402 Vgl. Masouyé, S. 57;Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 2; umfassend dazu auch Hohagen, S. 72ff.. 403 Senftleben, CR 2003, S. 914; Hohagen, S. 80. 85 Vervielfältigungstätigkeit Rechnung getragen werden404. Vor diesem Hintergrund gilt es im Anschluss die Anforderungen des Dreistufentest für den Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit darzustellen. a) „Bestimmter Sonderfall“ Regelungstatbestände, welche durch Art. 9 Abs. 2 RBÜ dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten bleiben, müssen ausweislich des Wortlauts der Vorschrift solche sein, die einen „bestimmten Sonderfall“ darstellen. Fraglich ist somit, ob die private Vervielfältigung urheberrechtlicher Werke einen solchen „bestimmten Sonderfall“ darstellt. Dies ist zu bejahen405. Begründen lässt sich diese Auslegung des Begriffs des „bestimmten Sonderfalls“ wie folgt: Um seinem Zweck genüge zu tun, den nationalen Gesetzgebern bei der Ausgestaltung der Schranken des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts ausreichenden Spielraum für nationale Individualitäten zu überlassen, verlangt das genannte Kriterium lediglich, dass die jeweiligen Gesetzgeber bei ihrem Tätigwerden ihre jeweils verfolgte Zielsetzung ausreichend klar identifizieren und sich dabei auf eindeutige politische Wertungen stützen406. Letztlich soll damit nur ein Bestimmtheitserfordernis aufgestellt werden, um eine schon tatbestandlich uferlose Schrankenregelung auszuschließen. Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 9 Abs. 2 RBÜ stützt diese Auslegung: So sah der ursprüngliche Entwurf des in Stockholm revidierten Art. 9 Abs. 2 RBÜ vor, dass den Mitgliedsstaaten die Zulassung von urheberrechtlichen Schranken unter anderem zum Zwecke des privaten Gebrauchs ausdrücklich erlaubt war407. Die Abstandnahme von den zunächst vorgesehenen Einzeltatbeständen in der späteren Endfassung des Art. 9 Abs. 2 RBÜ erfolgte lediglich um der Gefahr einer zu weiten Auslegung dieser Tatbestände zu begegnen. Mit dem Kriterium des „bestimmten Sonderfalls“ sollten aber alle im Entwurf genannten 404 Senftleben, CR 2003, S. 914f.; Reinbothe, WCT, S. 256; in diesem Sinne auch Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 4; Reimer/Ulmer, GRUR Int. 1967, S. 444. 405 In diesem Sinne, Senftleben, CR 2003, S. 916; Reinbothe, WCT, S. 257f.; Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 15f.; im Ergebnis auch Hohagen, S. 96ff. sowie BGH JZ 1999, 1004. 406 Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 15; Reinbothe, WCT, S. 257 je m.w.N.. 407 Dazu Reimer/Ulmer, GRUR Int. 1967, S. 444. 86 Fallgruppen (also auch diejenige der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch) mit umfasst sein408. b) „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“ Der zweiten Vorgabe des Dreistufentest zur Folge, darf die Zulassung einer nationalen Schrankenbestimmung nicht zur „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“ des Werkes führen. Dies ist für den Fall der Gewährung privater Vervielfältigungsfreiheit zu verneinen409. Die Begründung hierfür muss sich am Begriff der „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“ orientieren. So wird die Auffassung vertreten, der Begriff der „normalen Auswertung“ umfasse jede nur erdenkliche Verwertungsmöglichkeit410. Dreistufentest ad Diese absurdum, aktuelle Auslegung da unter oder führt zukünftige allerdings Zugrundelegung den dieses Begriffsverständnisses jedwede Beschränkung der Vervielfältigungsfreiheit des Urhebers eine Beeinträchtigung der „normalen Auswertung“ darstellte, die Befugnis der nationalen Gesetzgeber zur Gewährung von Schranken im Wege des Vorbehalts des Art. 9 Abs. 2 RBÜ also keinerlei Sinn hätte411. Doch auch eine der vorherigen Ansicht diametral entgegen gesetzte Auslegung, nach der eine Beeinträchtigung der normalen Auswertung des Werkes nur vorliege, wenn es sich bei der fraglichen Schranke des ausschließlichen Verwertungsrechts des Urhebers um eine solche handle, welche mit der Werkverwertung durch den Urheber in unmittelbare Konkurrenz trete, also zur völligen Verdrängung der Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers im Bereich der gestatteten Schranke führe, vermag nicht zu überzeugen412. Denn hier offenbart sich die Gefahr eines Zirkelschlusses413: Solange der nationale Gesetzgeber eine bestimmte Werknutzung unter partieller Aufhebung des urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts für zulässig erklärt, wird es für 408 Zum Gesamten Hohagen, S. 97 m.w.N.. So im Ergebnis, aber mit je verschiedenen Begründungen Senftleben, CR 2003, S. 918; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 21; Hohagen, S. 109 je m.w.N.. 410 Dazu Senftleben, CR 2003, S. 917 m.w.N.. 411 Senftleben, CR 2003, S. 917; in diesem Sinne auch Hohagen, S. 102. 412 Dazu Hohagen, S. 103ff.; auch Senftleben, S. 917. 413 Vgl. Hohagen, S. 104. 409 87 den Urheber in diesem Bereich regelmäßig keine „normale“ Verwertungsmöglichkeit geben, welche durch die Schrankenregelung eine Beeinträchtigung erfahren könnte. Denn diese Verwertungsmöglichkeit wird gerade durch die gestattete Werknutzung durch Dritte wirtschaftlich unerheblich. Zum richtigen Ergebnis gelangt man hingegen zum einen, indem man den Begriff der „Auswertung“ einer weiteren Klärung zuführt. Hierunter ist die Erzielung wirtschaftlichen Nutzens oder Ertrages aus der vermögensrechtlichen Verwertung des Werkes zu verstehen414. Dieses Begriffsverständnis zugrunde gelegt, gelangt man analog zu den oben unter Teil 2, B. III. gemachten Ausführungen zu dem Ergebnis, dass diese Form der Auswertung durch die Gewährung privater Vervielfältigungsfreiheit nicht untergraben wird. Denn es bleibt die Möglichkeit der Kompensation und wirtschaftliche Teilhabe der Urheber im Wege der Etablierung einer gesetzlichen Vergütungspflicht für private Vervielfältigungstätigkeit. Schließlich sprechen auch tatsächliche Gründe für die Ausnahme privater Vervielfältigungstätigkeit vom Gebot der Gewährleistung der „normalen Auswertung“ des Werkes. Denn die Annahme, private Vervielfältigungstätigkeit führe per se zur Minderung der Einnahmen von Urhebern aus der Verwertung ihrer Werke, ist in dieser Pauschalität nicht haltbar415. c) „Unzumutbare Verletzung berechtigter Interessen“ Die Vorgaben des Dreistufentests verlangen in ihrer dritten Stufe, dass es durch die geschaffene Schrankenregelung nicht zu einer „unzumutbaren Vgl. WTO Panel Report vom 5.6.2000 United States – Sect. 110 (5) of the US Copyright Act, WT/DS160/R, S. 48: “We believe that ‘exploitation’ of musical works thus refers to the activity by which copyright owners employ the exclusive rights conferred on them to extract economic value from their rights to those works.”, zit. nach Hohagen, S. 100, Fn. 242 415 Vgl. dazu Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage – Bestandsaufnahme und Perspektive der Rock- und Popmusik in Deutschland, BT-Drucksache 14/6993, S. 36: „Die Schlussfolgerung, dass jede Kopie einen Verlust [für den Urheber in wirtschaftlicher Hinsicht] bedeute, […] [ist] in erheblicher Weise spekulativ. In der Praxis dürfte bei weitem nicht jede verhinderte Vervielfältigung stattdessen zu einem Kauf führen und damit eine entsprechende Umsatzsteigerung bewirken. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Untersuchungen in den USA, die auch positive Wirkungen z.B. der Verbreitung von Musiktiteln über das Internet auf das Kaufverhalten bei bespielten Tonträgern festgestellt haben wollen. Zumindest ist auffällig, dass die Umsätze der Tonträgerindustrie in den USA trotz Napster und Co. von 1999 zu 2000 gestiegen sind.“; dazu auch Kuhlen, S. 108ff.. 414 88 Verletzung berechtigter Interessen“ des Urhebers kommt. Dies ist für den Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit solange nicht der Fall, als für die erlaubte private Vervielfältigungstätigkeit den Urhebern eine angemessene Vergütung zugute kommt416. Begründen lässt sich dieses Ergebnis mit den folgenden Überlegungen: Der Begriff der „Unzumutbarkeit“ ist nach richtigem Verständnis - wie es auch der französische Originaltext verlangt, der von „injustifié“ spricht417 - im Sinne einer ungerechtfertigten Beeinträchtigung der Urheberinteressen zu verstehen418. Die damit aufgeworfene Frage nach der Rechtfertigung der Beeinträchtigung bedarf folglich einer Interessenabwägung im Einzelfall und damit mindestens zweier normativer Bezugspunkte. Ein Bezugspunkt ist in den Interessen der Allgemeinheit an der Durchsetzung der jeweiligen Schranke - in unserem Fall, die der privaten Vervielfältigungsfreiheit - zu suchen419. Als konkrete Ausgestaltung dieses öffentlichen Interesses kommen allgemein gesprochen die Interessen der Allgemeinheit am Zugang zu Informationen in Betracht420. Es ist also festzuhalten, dass die Gewährung der Privatvervielfältigungsfreiheit per se jedenfalls an sich keine unzumutbare, d.h. ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Urheberinteressen darstellt, da insoweit jedenfalls rechtfertigende Interessen angeführt werden können. Wie weit hingegen in qualitativer und quantitativer Hinsicht in die jeweils betroffenen gegensätzlichen Interessen im Rahmen der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung eingegriffen werden kann, muss der vorzunehmenden Interessenabwägung im Einzelfall vorbehalten bleiben. Im Rahmen dieser Interessenabwägung bilden die berechtigten Interessen des Urhebers den diametralen zweiten Bezugspunkt. Wesentlicher Grundgedanke des urheberrechtlichen ausschließlichen Verwertungsrechts 416 So im Ergebnis Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 3; Reinbothe, WCT, S. 260; Senftleben, CR 2003, S. 919; Hohagen, S. 113, 115; Masouyé, S. 59; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 23. 417 Abgedruckt bei Hohagen, S. 83. 418 Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 3. 419 Reinbothe, WCT, S. 259; Hohagen, S. 110f.; Vgl. auch die Päambel des WCT (abgedruckt bei Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Preamble, Vor Rn. 1), die erstmalig die Interessen der Allgemeinheit als Maßstab für eine Interessenabwägung zur Bestimmung von Urheberrechten im internationalen Urheberrecht verankert. 420 Vgl. Präambel des WCT. 89 an einem Werk ist die Partizipierung des Urhebers an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes421. Die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts bietet sich dabei zunächst als geeignetes Mittel an, dieses Ziel zu erreichen. Denn erst ein Ausschließlichkeitsrecht gewährt seinem Inhaber die ausreichende Verhandlungsgrundlage, um die Gewährung von solchen Nutzungslizenzen auszuhandeln, die ihm als jeweils wirtschaftlich am vorteilhaftesten erscheinen422. Im Rahmen der hier in Betracht stehenden (massenhaften) privaten Vervielfältigungstätigkeit verkehrt sich dieser scheinbar so effektive Schutz durch ein Ausschließlichkeitsrecht jedoch ins Gegenteil. Denn ein System individueller Lizenzierung - welches die Ausgestaltung des Vervielfältigungsrechts als uneingeschränktes Ausschließlichkeitsrecht für den Bereich privater Vervielfältigung zwingend zur Folge hätte - steht vor dem Problem, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung (die erst mit der massenhaften Nutzung Vervielfältigungstätigkeit des möglich Werkes im ist) Systematisierung die Wege privater des Lizenzierungsverfahrens und damit auch dessen Überwachung voraussetzt. Damit indes sind der tatsächlichen Durchsetzbarkeit möglicher Lizenzansprüche enge Grenzen gesetzt. Denn effektive technische Kontrollund Schutzmaßnahmen stehen weder für den Bereich der analogen noch der digitalen Werkformen zur Verfügung423. Außerdem stellt sich angesichts der mit der verbundenen, Entwicklung oftmals solcher erheblichen technischen Kosten neben Schutzmaßnahmen der Frage der wirtschaftlichen Rentabilität solcher Schutzsysteme auch das Problem der Einhaltung eines einheitlichen Schutzniveaus. Denn für wirtschaftlich weniger erfolgreiche Werke wird sich die Entwicklung oder Anwendung technischer Schutzmaßnahmen nicht lohnen, auch stehen diese auf der Digitaltechnik beruhenden Schutzmechanismen für den Bereich analoger Werkstücke nicht zur Verfügung. Den Verwertungsschutz eines Vgl. Schricker – Ungern-Sternberg, § 15, Rn. 6 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Reinbothe, WCT, S. 259; Hohagen, S. 113. 423 Vgl. dazu Pfennig, ZUM 2004, 198ff. (200); Becker (Hrsg.) – Haber u.a., S. 224ff.; Grimm, DRM – Techniken, S. 94f ; ferner Arbeitspapier der EG-Kommission – Digital Rights: Background, Systems, Assessment – vom 14.2.2002, Dok. SEC (2002) 197, S. 13: „Indeed, most of the currently avaible systems have been cracked or will be soon. Examples include Macrovision, CSS as well as SDMI. These initiatives illustrate the limitations of static technical protection.”, zit. nach Hohagen, S. 108, Fn. 268. 421 422 90 urheberrechtlich geschützten Werkes von seiner Werkform oder von der wirtschaftlichen Potenz seines Schöpfers abhängig zu machen424, kann aber schon vor gleichheitsrechtlichen Überlegungen nicht für die Ausgestaltung der Sicherung der wirtschaftlichen Verwertungsrechte von Urhebern maßgeblich sein. Da sich nach dem Ausgeführten also der Weg des Ausschließlichkeitsrechts im Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit angesichts der mit der individuellen Lizenzierung verbundenen Probleme als schwer begehbar erweist425, lässt Art. 9 Abs. 2 RBÜ die Reduzierung des Ausschließlichkeitsrechts des Art. 9 Abs. 1 RBÜ auf einen gesetzlich verankerten Vergütungsanspruch in Form einer gesetzlichen Lizenz zu und 424 Hiergegen auch Hohagen, S. 115. Dies gilt m.E. auch für den digitalen Bereich uneingeschränkt. Anders Hohagen, S. 115 (bestätigt auf S. 119) mit Verweis auf S. 103f., der für den Bereich solcher Werke, die aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung individuell online zugänglich gemacht werden, im Falle privater Vervielfältigung bereits eine Beeinträchtigung der normalen Auswertung des Werkes erblickt. Richtigerweise differenziert Hohagen, a.a.O., zwischen dem Erwerb eines digitalen Werkstücks im Wege des Onlinevertriebs (also beispielsweise den entgeltlichen Erwerb von Musiktiteln über sog. Online-Shops, wie bspw. iTunes der Firma Apple) sowie dem Fall, in dem der Urheber bzw. Rechteinhaber dem Werknutzer den Inhalt eines urheberrechtlich geschützten Werks für einen bestimmten Zeitraum an einem bestimmten Ort online zugänglich macht (beispielsweise das sog. Video-on-Demand-Angebot des TV-Senders Premiere oder der Internetanbieters One4Movie. Dabei werden dem Kunden Filme jeglicher Art zur einmaligen Ansicht via Internet auf seinen PC oder Fernseher an einem von diesem bestimmten Zeitpunkt übertragen). Während es sich bei der ersten Erwerbsart nur um einen Sonderfall des Vertriebswegs eines digitalen Werkstücks handelt (statt einer haptischen CD erwirbt der Musikfreund eine digitale Datei, die er entsprechend seinen technischen Möglichkeiten zu einem körperliches Werkstück, eben einer Musik-CD, materialisieren kann), erwirbt der Käufer im zweiten Fall kein Werkstück, sondern nur den temporär begrenzten Werkgenuss (so wie der Kinobesucher auch nicht die jeweilige Filmrolle des von ihm besuchten Kinofilms als Werkstück, sondern nur die Möglichkeit des Werkgenusses an einem urheberrechtlich geschützten Werk erwirbt). Es handelt sich damit bei letzterem aber um eine Verwertungsform urheberrechtlicher Werke, die sich grundsätzlich von derjenigen der Veräußerung von Werkstücken unterscheidet. Nun setzt aber jede Vervielfältigungsfreiheit (sei es die des Urhebers, sei es die der Allgemeinheit) schon der Name sagt es - das Vorliegen eines Werkstücks voraus, das überhaupt erst „vervielfältigt“ werden kann, vgl. Schicker – Loewenheim, § 53, Rn. 11; Loewenheim – Loewenheim, § 31, Rn. 20. Mit anderen Worten ist die von Hohagen, a.a.O. aufgezeigte Situation der bloßen Zugänglichmachung des Werkgenusses von der Vervielfältigungsfreiheit der §§ 53 ff. UrhG schon tatbestandlich gar nicht umfasst (in diesem Sinne differenziert auch Peukert, Schutzbereich, S. 24f.). Auch der oben vergleichsweise herangezogene Kinobesucher käme nicht auf die Idee, den von ihm betrachteten Film in Ausübung seines ihm (vermeintlich) zustehenden Vervielfältigungsrechts an der Filmrolle legal mit einer von ihm mitgebrachten Videokamera aufzuzeichnen. Der Bereich der Zurverfügungstellung bloßen Werkgenusses hat also für die vorliegende Untersuchung außer Betracht zu bleiben, da der Regelungsgehalt der §§ 53ff. UrhG diese Sachkonstellation gerade nicht umfasst. 425 91 ermöglicht damit die generelle Zulässigkeit der privaten Vervielfältigung gegen angemessene Vergütung426. d) Ergebnis Die tatbestandliche Weite des Dreistufentest hat zur Folge, dass sich diesem keine konkreten Vorgaben an den nationalen Gesetzgeber hinsichtlich der Ausgestaltung des Instituts privater Vervielfältigungsfreiheit entnehmen lassen. Jedoch stellt Art. 9 Abs. 2 RBÜ für den nationalen Gesetzgeber klar, dass er zugunsten der privaten Vervielfältigungsfreiheit der Allgemeinheit einen Eingriff in das grundsätzlich ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers vornehmen darf. Dies gilt für den Bereich der analogen wie digitalen Vervielfältigung gleichermaßen. Dabei hat der Gesetzgeber aber zwingend die berechtigten wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Urhebers zu beachten und diesen folglich für solche Beeinträchtigungen seiner Verwertungsmöglichkeiten, die ihm aus der Freiheit privater Vervielfältigung erwachsen, zu entschädigen. Es bleibt also dem nationalen Gesetzgeber überlassen, ob er im Wege des Instruments der gesetzlichen Lizenz427 in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers einbrechen will oder nicht. Für den Fall, dass er dies tut, sieht der Dreistufentest zwingend vor im Wege einer Abwägung der betroffenen Interessen auf Seiten der Allgemeinheit wie der Urheber bzw. Rechteinhaber einen angemessenen Ausgleich auf Seiten des Urhebers für die hierdurch erlittenen Beeinträchtigungen der Urheberrechte zu schaffen. 2. Vorgaben des TRIPS – Abkommens Die Revidierte Berner Übereinkunft wird in ihrer Gültigkeit für die Rechtsbeziehungen ihrer jeweiligen Verbandsländer bzw. Mitgliedstaaten untereinander durch das TRIPS – Abkommen nicht beeinträchtigt428. Das 426 Vgl. Reinbothe, WCT, S. 260; Hohagen, S. 117; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 23; Senftleben, CR 2003, S. 919. 427 Zum Begriff Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 17ff.. 428 Vgl. Art. 2 Abs. 2 TRIPS; Katzenberger, GRUR Int.1996, S. 455. 92 TRIPS - Abkommen lässt die Fortgeltung der Revidierten Berner Übereinkunft aber nicht nur unangetastet, es übernimmt deren materiellen Schutzgehalt vielmehr in seine eigenen Regelungen und zwar auf dem höchstmöglichen Niveau, nämlich auf dem der Pariser Fassung der Berner Konvention von 1971. Dies ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS429. Das TRIPS – Abkommen inkorporiert demzufolge auch die Regelung des Art. 9 RBÜ einschließlich seines Dreistufentest im Hinblick auf mögliche Schranken des urheberrechtlichen Verwertungs- bzw. Vervielfältigungsrechts430. Ergänzend zur Übernahme des materiellen Gehalts der Revidierten Berner Übereinkunft folgt das TRIPS – Abkommen im Übrigen dem sog. "Bern - plus" - Ansatz. Er bedeutet, dass das TRIPS – Abkommen sich mit dem Schutzstandard der Berner Konvention nicht begnügt, sondern zusätzliche Schutzelemente einführt. Sie sind in den Art. 10 bis 13 TRIPS niedergelegt431. Die hierin niedergelegten materiellen Grundsätze sind allerdings für das hier in Frage stehende Vervielfältigungsrecht ohne Belang. Dies gilt insbesondere auch für Art. 13 TRIPS432. Diese Vorschrift sucht in enger Anlehnung an den Wortlaut des Dreistufentests des Art. 9 Abs. 2 RBÜ dessen Auslegungsregel für die Begrenzung von Vervielfältigungsrechten zu generalisieren und somit auf alle Ausnahmen und Schranken der jeweiligen nationalen Urheberrechtsordnungen anwendbar zu machen 433. Diese Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs des Dreistufentests lässt aber die Geltung der über Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS inkorporierten Anforderungen des Art. 9 RBÜ unberührt, führt also weder zu einer Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS: „Verhältnis zur Berner Übereinkunft. Die Mitglieder befolgen die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu.“. Art. 9 Abs. 1 S. 2 TRIPS schränkt die Übernahme der materiellen Bestimmungen der Revidierten Berner Übereinkunft jedoch dahingehend ein, dass die TRIPS - Mitglieder "keine Rechte oder Pflichten in Bezug auf die in Art. 6bis der Übereinkunft gewährten oder die daraus abgeleiteten Rechte" haben. Diese Einschränkung gilt aber ausdrücklich nur für Rechte oder Pflichten "aufgrund dieses Übereinkommens", also von TRIPS. Daraus folgt das wichtige Ergebnis, dass die diesbezüglichen Verpflichtungen der TRIPS - Mitglieder aus der Berner Konvention selbst unberührt bleiben. Vgl. dazu Katzenberger, GRUR Int. 1996, S. 457, 466. 430 Vgl. Hohagen, S. 85; Katzenberger, GRUR Int. 1996, S. 456; Reinbothe, ZUM 1996, S. 736. 431 Dazu Reinbothe, ZUM 1996, S. 736ff.. 432 Art. 13 TRIPS: „Beschränkungen und Ausnahmen. Die Mitglieder begrenzen Beschränkungen und Ausnahmen von ausschließlichen Rechten auf bestimmte Sonderfälle, die weder die normale Auswertung noch die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzen.“. 433 Reinbothe, ZUM 1996, S. 739; Hohagen, S. 87. 429 93 Herabsetzung noch zu einer Verschärfung seiner Anforderungen an den nationalen Gesetzgeber bei der Einführung von Schrankenregelungen im Bereich des Vervielfältigungsrechts434. Was die konkrete Auslegung der Kriterien des Dreistufentests betrifft, wie er durch die Öffnungsklausel des Art. 9 TRIPS zur Anwendung gelangt, so ergeben sich keine inhaltlich abweichenden Vorgaben von denen des Art. 9 RBÜ. Der Dreistufentest ist also in RBÜ wie TRIPS – Abkommen einheitlich auszulegen435. Die Anforderungen denen der nationale Gesetzgeber bei Ausgestaltung des privaten Vervielfältigungsrechts nach dem TRIPS – Abkommen zu genügen hat, entsprechen also denjenigen, die sich aus der Beachtung der Vorgaben der RBÜ ergeben. Insoweit kann auf die oben unter 1. gemachten Ausführungen verwiesen werden. 3. Vorgaben des WCT Der WCT436 sieht keine ausdrückliche Bestimmung zum Vervielfältigungsrecht urheberrechtlich geschützter Werke vor, sei es zum Schutze des Urhebers, sei es zum Schutze des Werknutzers. Doch ist dies angesichts der Regelung des Art. 1 Abs. 4 WCT437 auch nicht erforderlich. Demnach geht auch der WCT grundsätzlich vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers nach Art. 9 Abs. 1 RBÜ aus, das den nationalen Beschränkungsmöglichkeiten des Art. 9 Abs. 2 RBÜ unterliegt 438. Eine Bestätigung und Vertiefung dieser Interpretation des Art. 1 Abs. 4 WCT folgt auch aus dem „Agreed statement concerning Article 1 (4)“439, demzufolge die Bestimmungen des Art. 9 RBÜ in vollem Umfang auf die 434 Hohagen, S. 85ff.; in diesem Sinne auch Reinbothe, ZUM 1996, S. 739. Hohagen, S. 94f. m.w.N.. 436 Im englischen Originaltext abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/, abgerufen am 6. Oktober 2005. 437 Art. 1 Abs. 4 WCT: “Contracting Parties shall comply with Articles 1 to 21 and the Appendix of the Berne Convention.”. 438Vgl. Lewinski, CR 1997, S. 440; dies., GRUR Int. 1997, S. 673. 439 Agreed statement concerning Article 1 (4): „The reproduction right, as set out in Article 9 of the Berne Convention, and the exceptions permitted thereunder, fully apply in the digital enviroment, in particular to the use of works in digital form. It is understood that the storage of a protected work in digital form in an electronic medium constitutes a reproduction within the meaning of Article 9 of the Berne Convention.”; abgedruckt bei Reinbothe/Lewinski, WIPO, Annex to Article 1 (4) WCT, vor Rn. 1. 435 94 Vervielfältigung von Werkstücken im digitalen Kontext Anwendung finden sollen440. A fortiori ist hieraus zu schließen, dass die Regelungen des Art. 9 RBÜ hinsichtlich jedweder Form der Vervielfältigung im Geltungsbereich des WCT zur Anwendung gelangen sollen441. Der Schutz des Urhebers vor Beschränkungen seines grundsätzlich absoluten Vervielfältigungsrechts durch den nationalen Gesetzgeber findet demnach seine Grundlage zum einen im Dreistufentest des Art. 9 Abs. 2 RBÜ, wie er über Art. 1 Abs. 4 WCT in dessen Rahmen zur Anwendung gelangt442. Die materiellen Anforderungen des Dreistufentests der RBÜ bleiben durch die Verweisungsnorm des Art. 1 Abs. 4 WCT unberührt. D.h. die Auslegung der materiellen Kriterien des Dreistufentest ist in RBÜ wie WCT gleich zu behandeln443. Dies folgt aus dem insoweit444 identischen Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 WCT mit Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS, der seinerseits (wie oben unter 2. dargelegt) die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 RBÜ uneingeschränkt in das TRIPS – Abkommen inkorporiert. Auch Art. 1 Abs. 1, 2 WCT445 i.V.m. Art. 20 RBÜ bestätigen dieses Ergebnis, da nach diesen Vorschriften der Schutz des WCT nicht hinter demjenigen der RBÜ zurückbleiben darf446. Hiervon zu unterscheiden ist der Schutz des Urhebers im Hinblick auf sein Vervielfältigungsrecht durch die ergänzende Regelung des Art. 10 WCT447. 440 Reinbothe/Lewinski, WIPO, Annex to Article 1 (4) WCT, Rn. 1, 15; Lewinski, CR 1997, S. 440. 441 Art. 1 Abs. 4 WCT hat also wie Art. 9 Abs. 1 TRIPS die Inkorporierung des Dreistufentests des Art. 9 Abs. 2 RBÜ in den sachlichen Regelungsbereich des WCT zur Folge, vgl. Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 1 WCT, Rn. 17. 442 Reinbothe/Lewinski, WIPO, Annex to Article 1 (4) WCT, Rn. 16. 443 Vgl. dazu Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 1 WCT, Rn. 17; Hohagen, S. 95. 444 Die abweichende Behandlung persönlichkeitsrechtlicher Aspekte durch die unterschiedliche Behandlung des Art. 6 bis RBÜ in Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS und Art. 1 Abs. 4 WCT spielt angesichts des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes, der persönlichkeitsrechtliche Elemente nicht berührt, keine Rolle. 445 Art. 1 WCT: (1) “This Treaty is a special agreement within the meaning of Article 20 of the Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works, as regards Contracting Parties that are countries of the Union established by that Convention. This Treaty shall not have any connection with treaties other than the Berne Convention, nor shall it prejudice any rights and obligations under any other treaties.” (2) “Nothing in this Treaty shall derogate from existing obligations that Contracting Parties have to each other under the Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works.”. 446 Vgl. Lewinski, GRUR Int. 1997, S. 673. 447 Unklar insoweit Hohagen, S. 88ff., der ausschließlich auf den Schutz des Urhebers im Geltungsbereich des WCT durch Art. 10 WCT abstellt, Art. 1 Abs. 4 WCT i.V.m. Art. 9 RBÜ hingegen unerwähnt lässt. Richtigerweise stellt aber Art. 10 WCT bloß eine Ergänzung des 95 Dessen Abs. 1448 ist allerdings auf das Vervielfältigungsrecht nicht anwendbar. Dies folgt daraus, dass Art. 10 Abs. 1 WCT nur auf die „nach diesem Vertrag gewährten Reche“ (im englischen Original: „…rights granted […] under this treaty…) Anwendung findet, der WCT aber gerade keine Vervielfältigungsrechte gewährt, sondern diese nur in seinen Anwendungsbereich übernimmt, also keine originär schutzbegründende Wirkung zeitigt449. Anders hingegen Art. 10 Abs. 2 WCT450, der ausdrücklich die Anwendung des hierin vorgesehenen Dreistufentests auf die nach der RBÜ gewährten Beschränkungen von Urheberrechtspositionen vorsieht451, mithin auch Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts des Urhebers durch Schranken im Sinne des Art. 9 Abs. 2 RBÜ. Die materiellen Anforderungen des Dreistufentests in Art. 10 Abs. 2 WCT entsprechen allerdings denen des Art. 9 Abs. 2 RBÜ, führen also weder zu einer Beschränkung noch zu einer Ausweitung des Schutzstandards des Art. 9 RBÜ für den Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit452. Dies ergibt sich einerseits aus dem insoweit identischen Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 WCT mit Art. 9 Abs. 2 RBÜ wie auch aus dem dokumentierten Willen der Vertragsparteien bei Abschluss des WCT. Danach sollten dem Dreistufentest des Art. 10 WCT die gleichen materiellen Voraussetzungen zugedacht werden, wie dem Dreistufentest nach Art. 9 RBÜ453. IV. Zusammenfassung Urheberschutzes durch Art. 1 Abs. 4 WCT dar. Vgl. dazu Reinbothe/Lewinski, WIPO, Annex to Article 1 (4) WCT, Rn. 16. 448 Art. 10 Abs. 1 WCT: “Contracting Parties may, in their national legislation, provide for limitations of or exceptions to the rights granted to authors of literary and artistic works under this Treaty in certain special cases that do not conflict with a normal exploitation of the work and do not unreasonably prejudice the legitimate interests of the author.”. 449 Vgl. Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 26; i.d.S. auch Hohagen, S. 89f.. 450 Art. 10 Abs. 2 WCT: “Contracting Parties shall, when applying the Berne Convention, confine any limitations of or exceptions to rights provided for therein to certain special cases that do not conflict with a normal exploitation of the work and do not unreasonably prejudice the legitimate interests of the author.”. 451 Hohagen, S. 90; Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10, Rn. 29f.; Lewinski, CR 1997, S. 441. 452 So Hohagen, S. 91,95; offengelassen dagegen bei Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 24. 453 Vgl. Nachweis bei Hohagen, S. 91, Fn. 203; vgl. auch den vorbereitenden „Basic Proposal“ zum WCT, WIPO-Doc. CRNR/DC4 vom 30. August 1996, S. 52, Nr. 12.05: „Interpretation of the provisions of Article 12 should follow the established interpretation of Article 9 (2) of the Berne Convention.”, zitiert nach Hohagen, S. 95, Fn. 222. 96 Der Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken ergibt sich für den Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit im internationalen Kontext aus den Vorgaben der RBÜ, des TRIPS – Abkommens sowie des WCT. Die Vorgaben der genannten völkerrechtlichen Verträge stellen für den nationalen Gesetzgeber kraft der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbindliche Maßstäbe auf. Die Vorgaben der RBÜ sehen dabei nach Art. 9 Abs. 1 RBÜ grundsätzlich ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht des Urhebers vor. Jedoch bleibt es dem nationalen Gesetzgeber nach Maßgabe des sog. Dreistufentests in Art. 9 Abs. 2 RBÜ unbenommen, das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers gewissen Beschränkungen zu unterwerfen. Im Ergebnis legt die RBÜ dem nationalen Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben vor, sie lässt vielmehr den Eingriff in das ausschließliche Verwertungsrecht des Urhebers zugunsten privater Vervielfältigungsfreiheit grundsätzlich zu. Bei der konkreten Ausgestaltung privater Vervielfältigungsfreiheit der Allgemeinheit hat der Gesetzgeber jedoch zwingend die berechtigten wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Urhebers mit denjenigen berechtigten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen und in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Wie das Ergebnis dieses Abwägungsvorgangs hingegen konkret aussieht, bleibt dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten; so kann der zwingend erforderliche Ausgleich für die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verwertungsinteressen entweder im Wege der Einräumung einer gesetzlichen Lizenz oder aber im Wege der Einräumung eines individuellen Lizenzierungssystems erfolgen. Die RBÜ gibt insoweit keine verbindlichen Vorgaben an die Hand. Die Vorgaben des TRIPS – Abkommens wie des WCT ergeben keine von den materiellen Voraussetzungen der RBÜ abweichenden Vorgaben. Das TRIPS – Abkommen inkorporiert das ausschließliche Verwertungsrecht des Urhebers nach Art. 9 Abs. 1 RBÜ wie auch den Dreistufentest des Art. 9 Abs. 2 RBÜ, ohne dabei zu einer inhaltlichen Abänderung der Vorgaben und Rechtsfolgen der genannten Rechtspositionen und deren Schranken zu kommen. Gleiches gilt im Ergebnis für den WCT: Das hierin gewährte 97 ausschließliche Verwertungsrecht ist ebenso auszulegen wie dasjenige der RBÜ. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vorgaben des Dreistufentests. Die Regelungen des Völkerrechts gestatten also wie die verfassungsrechtlichen Vorgaben454 auch grundsätzlich den Eingriff in urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte zu Gunsten privater Vervielfältigung unter der Voraussetzung, dass dem Urheber hierfür ein wirtschaftlicher Ausgleich gewährt wird. Somit werden jedenfalls keine strengeren Vorgaben durch das Völkerrecht aufgestellt, als sie bereits durch das Grundgesetz erfolgten; die Frage danach, wie Kollisionen des Völkerrechts mit grundgesetzlichen Vorgaben zu lösen sind, erübrigt sich daher. B. Europarechtlicher Schutz des Urhebers Als Rechtsgrundlage für die Harmonisierung des Urheberrechts auf europäische Gemeinschaftsebene werden generell die Art. 94 ff. EGV herangezogen455. betrachtende Als Rechtsgrundlage Richtlinie Informationsgesellschaft über das für die hier besonders Urheberrecht in zu der RL 2001/29/EG (im Folgenden: Info - RL) wird speziell Art. 47 Abs. 2, 55 EGV herangezogen456. Auch unter Beachtung des Subsidiaritäts- wie des Verhältnismäßigkeitsprinzips des Art. 5 Abs. 2, 3 EGV besteht Einigkeit dahingehend, dass einer umfassenden Harmonisierung des Urheberrechts auf Gemeinschaftsebene, wie sie insbesondere durch die Info – RL einen Anfang gefunden hat, jedenfalls keine kompetenzrechtlichen Bedenken entgegenstehen457. I. Europarechtliche Bestimmungen zum Schutz des Urhebers im Bereich privater Vervielfältigung 454 Dazu oben Teil 2, F.. Grundlegend dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Allgemeiner Teil, Rn. 13 ff.. 456 So die Präambel der Richtlinie 2001/29/EG des europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22. Mai 2001 (Abdruck in ABl. L 167/10). 457 Vgl. Schippan, ZUM 2001, S. 123ff.; Hohagen, S. 157 m.w.N.. 455 98 Im Bereich des urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts fanden sich auf Gemeinschaftsebene vor Erlass der Info – RL nur punktuelle Regelungen wie etwa die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen458, die Richtlinie über den Rechtsschutz von Datenbanken459 oder aber solche über spezielle Verwertungsrechte wie die Richtlinie zum Vermietrecht und Verleihrecht460. Jedoch bleiben die genannten Richtlinien für den dieser Arbeit zugrunde liegenden Untersuchungsgegenstand außer Betracht. Während die genannte Software - RL ihre nationale Umsetzung vor allem in den §§ 65a ff. UrhG fand461, die Vermiet- und Verleih - RL vor allem in den §§ 17,27, 75, 85, 94f. UrhG umgesetzt wurde 462, fand allein die Datenbank - RL eine sachlich nur punktuelle, eben auf den Schutz von Datenbanken beschränkte Integration in den der §§ 53 ff. UrhG, genauer in § 53 Abs. 5 UrhG463. Erst die Info – RL stellt einen ersten „Vorstoß in den Kernbereich des Urheber- und Leistungsschutzes“ auf europarechtlicher Ebene dar464, die mit ihren Harmonisierungsbemühungen im Hinblick auf das Vervielfältigungsrecht in den Art. 2, 5 und 6 Abs. 4 der Info – RL für die nationalen Regelung des privaten Vervielfältigungsrechts in den §§ 53 ff. UrhG von erheblicher Bedeutung ist. Auf die Vorgaben der Info - RL im Bereich des Vervielfältigungsrechts soll sich im Anschluss die Untersuchung konzentrieren. II. Bindungswirkung europäischer Legislativakte für den deutschen Gesetzgeber Bevor auf die inhaltlichen Anforderungen europarechtlicher Vorgaben im Bereich des Schutzes der Vervielfältigungsfreiheit eingegangen wird, soll vorab geklärt werden, wie die Bindung des deutschen Bundesgesetzgebers 458 RL 91/250/EWG vom 14. Mai 1991, ABl. L 122/42. RL 96/9/EG EG vom 11. März 1996, ABl. L 77/20. 460 RL 92/100/EWG vom 19. November 1992, ABl. L 346/61. 461 Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Software - RL, Art. 1, Rn. 35ff.; Loewenheim – Lehmann, § 9, Rn. 46. 462 Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Vermiet - und Verleih - RL, Art. 1, Rn. 28ff.; Art. 2, Rn. 53ff.. 463 Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Datenbank - RL, Art. 1, Rn. 31ff.; Loewwnheim – Loewenheim, § 31, Rn. 48f.. 464 So Dietz, ZUM 1998, S. 438; vgl. dazu auch Schippan, ZUM 2001, S. 117. 459 99 an europäisches Gemeinschaftsrecht inhaltlich ausgestaltet ist. Denn eventuell auftretende Wertungswidersprüche zwischen europarechtlichen Vorgaben und solchen des Grundgesetzes bedürfen zu ihrer Lösung der inhaltlichen Bestimmung der Wechselwirkung zwischen Europa- und Verfassungsrecht. Es darf mittlerweile als Gemeingut bezeichnet werden, dass nationales Recht im Falle der Kollision mit Gemeinschaftsrecht grundsätzlich unanwendbar ist. Dieser Anwendungsvorrang gilt für primäres wie sekundäres Gemeinschaftsrecht gleichermaßen und zwar unabhängig davon, welcher Rang der jeweils kollidierenden nationalen Rechtsnorm zukommt465. Grundsätzlich geht also selbst sekundäres Gemeinschaftsrecht grundgesetzlichen Regelungen vor, selbst wenn es sich dabei um grundrechtliche Regelungen handelt466. Der EuGH geht schon infolge seines monistischen Verständnisses vom Europarecht von einem unbedingten Anwendungsvorrang des Europarechts gegenüber nationalem Recht gleich welchen Ranges aus467. Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Rechtsprechung vom grundsätzlichen Vorrang (auch) sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Grundgesetz aus468. In den insoweit grundlegenden 465 Vgl. dazu Everling, DVBl. 1985, S. 1201; Gersdorf, DVBl. 1994, S. 677; Oppermann, Europarecht, Rn. 616ff. m.w.N.. 466 Oppermann, Europarecht, Rn. 620; Gersdorf DVBl. 1994, S. 678; Maunz/Dürig – Randelzhofer, Art. 24, Abs. 1, Rn. 95ff.; Münch/Kunig – Rojahn, Art. 24, Rn. 73; Mangoldt/Klein/Starck – Classen, Art. 23, Rn. 63; anders hingegen Bleckmann, Europarecht, Rn. 1134. 467 Vgl. dazu grundlegend EuGH – Costa/ENEL, 6/64 – Slg. 1964, 1251 (1269ff.); Bleckmann, Europarecht, Rn. 1088, 1137; Oppermann, Europarecht, Rn. 620. 468 So beschränkt es im Beschluss vom 12. Mai 1989 (vgl. BVerfG NJW 1990, S. 974) die grundgesetzliche Bindung des Gesetzgebers auf den Rahmen, wie er durch die der Entscheidung zugrunde liegenden (Tabak-)Richtlinie gezogenen wird; auch im Beschluss vom 9. August 1992 (vgl. BVerfG DÖV 1992, S. 1010) verfolgt das Gericht diese Linie, indem es das grundgesetzlich gebundene Ermessen des bundesdeutschen Integrationsgesetzgebers nur in dem durch die umzusetzende Richtlinie gezogenen Rahmen anerkennt. Diese Beschlüsse stimmen überein mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie maßgeblich durch die „Solange I + II“ – Beschlüsse (vgl. BVerfGE 37, 271 – „Solange I“; BVerfGE 73, 339 – „Solange II“) zum Rangverhältnis von Gemeinschafts- zum nationalen Verfassungsrecht herausgearbeitet wurden. Hierin entwickelt das Bundesverfassungsgericht einerseits das dogmatische Grundmodell für den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts anhand des „Integrationshebels“ des Art. 24 Abs. 1 GG (heute Art. 23 Abs. 1 GG). Demzufolge begründe der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl der Zustimmungsgesetze zu den europäischen Gemeinschaftsverträgen den Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Denn Art. 24 Abs. 1 GG ermögliche es, „von Verfassungs wegen, Verträgen, die Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, und dem von solchen Einrichtungen gesetzten Recht [i.e. sekundäres Gemeinschaftsrecht] Geltungs- und Anwendungsvorrang 100 „Solange I + II“ -Beschlüssen469 führt das Gericht andererseits aber auch aus, dass ein solcher Anwendungsvorrang nur soweit bestehen könne, wie die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Art. 24 GG reiche 470: Im „Solange II“ – Beschluss äußert sich das Gericht dazu mit einem Diktum, das sich zwar nur auf die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsschutzgarantie bezieht, aber darüber hinausgehend auch auf die Gewährung des verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechtskatalog erstreckt werden kann471. Demzufolge472 sei „die Ermächtigung des Art. 24 Abs. 1 GG […] nicht ohne Grenzen. Die Vorschrift ermächtigt nicht dazu, im Wege der Einräumung Einrichtungen die von Identität Hoheitsrechten der geltenden für zwischenstaatliche Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen, aufzugeben […]. Dies gilt namentlich für Rechtssetzungsakte der zwischenstaatlichen Einrichtungen [i.e. Rechtsakte der EG - Organe] […]. Ein unverzichtbares, zum Grundgefüge der Verfassung gehörendes Essentiale sind jedenfalls die Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil des Grundgesetzes zugrunde liegen […]. Art. 24 Abs. 1 GG gestattet es nicht vorbehaltlos, diese Rechtsprinzipien zu relativieren.“ Diese Rechtsprinzipien sieht das Bundesverfassungsgericht ebenda in der Gewährleistung des Wesengehalts der Grundrechte verkörpert. Damit definiert das Bundesverfassungsgericht die absolute Schranke der Integrationsgewalt des Art. 24 Abs. 1 GG (heute Art. 23 Abs. 1 GG) mit der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG473. Dieses Ergebnis einer kurzen Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stimmt mit der ganz herrschenden Meinung in der Literatur zu den Grenzen des Anwendungsvorrangs zwischenstaatlicher, also europarechtlicher Rechtsakte überein. Danach findet der Anwendungsvorrang des Europarechts seine Grenze dort, wo die vor dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland durch einen entsprechenden innerstaatlichen Anwendungsbefehl beizulegen. Dies ist für die europäischen Gemeinschaftsverträge und das auf ihrer Grundlage von den Gemeinschaftsorganen gesetzte Recht durch die Zustimmungsgesetze zu den Verträgen gem. Art. 24 Abs. 1, 59 Abs. 2 S. 1 GG geschehen.“, vgl. BVerfGE 73, 339 (375). 469 BVerfGE 37, 271 – „Solange I“; BVerfGE 73, 339 – „Solange II“. 470 So auch Gersdorf DVBl. 1994, S. 678. 471 Vgl. Maunz/Dürig – Randelzhofer, Art. 24, Abs. 1, Rn. 68ff.; Münch/Kunig, Art. 24, Rn. 73; Gersdorf, a.a.O. je m.w.N.. 472 BVerfGE 73, 339 (376f.). 473 Maunz/Dürig – Randelzhofer, Art. 24, Abs. 1, Rn. 76 m.w.N.. 101 Verfassung die Schranken der Übertragbarkeit von Hoheitsrechten setzt474. Ob diese Grenzen nun durch die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 2 GG gezogen werden, wie es die Neufassung des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG bestimmt, oder aber durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, wie es das „Solange II“ – Urteil jedenfalls nahe legt, mag an dieser Stelle dahinstehen. Es bleibt festzuhalten, dass auch die Vorgaben der Info – RL dem nationalen Gesetzgeber keinen „Freibrief“ erteilen, die durch die Vorgaben der Verfassung gezogenen Grenzen unter dem Vorwand des unbedingten Vorrangs europarechtlicher Vorschriften zu überschreiten. III. Inhalt des europäischen Urheberschutzes im Bereich privater Vervielfältigung 1. Das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers Wie die völkerrechtlichen Verträge zum Urheberrecht und das deutsche UrhG geht auch die Info - RL grundsätzlich vom Urheberrecht als Ausschließlichkeitsrecht und damit vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers475 aus476, vgl. Art. 2 Info - RL. Der Vervielfältigungsbegriff, der dem Art. 2 Info - RL477 zugrunde liegt, ist ein weiter478. Dies ergibt sich schon aus dem Erwägungsgrund (21) der Vgl. Münch/Kunig – Rojahn, Art. 24, Rn. 74; Maunz/Dürig – Randelzhofer, Art. 24 Abs. 1, Rn. 95ff.; Gersdorf, DVBl. 1994, S. 678; Mangoldt/Klein/Starck – Classen, Art. 23, Rn. 66; in diesem Sinne auch Oppermann, Europarecht, Rn. 634. 475 Wie auch des Inhabers verwandter Schutzrechte. Für die vorliegende Untersuchung sind allerdings nur die Harmonisierungsbemühungen zugunsten des Urhebers von Bedeutung, da nur dessen Vervielfältigungsrecht den §§ 53 ff. UrhG zugrunde liegt, die Vervielfältigungsrechte von Inhabern verwandter Schutzrechte dagegen in den §§ 70 ff. UrhG geregelt sind. 476 Umfassend dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Info - RL, III. Kapitel, Rn. 47ff.. 477 Art. 2 Info - RL lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten: a) für die Urheber in Bezug auf ihre Werke, b) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen, c) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger, d) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme, e) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“. 478 Dazu Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 736; Spindler, GRUR 2002, S. 107; Mayer, EuZW 2002, S. 326; Dreier, ZUM 2002, S. 29. 474 102 Richtlinie, demzufolge zur Wahrung des aquis communautaire ein maximales Maß an Rechtssicherheit durch eine möglichst weite Auslegung dieses Begriffs anzustreben ist. Der Vervielfältigungsbegriff des Art. 2 Info RL umfasst demnach jede Vervielfältigung im Sinne einer körperlichen Fixierung eines urheberrechtlich geschützten Werkes. Dieser Begriff ist unabhängig vom technischen Prozess, der die körperliche Fixierung bewirkt wie auch von der zeitlichen Dauer der Vervielfältigung, so dass auch unzweifelhaft die digitale Vervielfältigung hierunter zu subsumieren ist, wie bspw. das sog. Caching oder Browsing (also bloß temporäre digitale Kopien in Arbeits- oder Bildschirmspeichern)479. Art. 5 Abs. 1 Info - RL zeigt hingegen, dass bestimmte verfahrensimmanente Vervielfältigungshandlungen vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht ausgenommen werden. Hieraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass die urheberrechtliche Bewertung verschiedener Vervielfältigungsakte systematisch nicht an den Vervielfältigungsbegriff des Art. 2 Info - RL anknüpft, sondern erst im Rahmen der Schrankenbestimmungen Berücksichtigung findet480. Diese Schrankenbestimmungen gilt es nun eingehender zu beleuchten. 2. Die Beschränkungen des ausschließlichen Verwertungsrechts des Urhebers In Art. 5 Info - RL wird das in Art. 2 Info - RL eingeräumte ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers zugunsten der Allgemeinheit bestimmten Schranken unterworfen. Die dort genannten Schranken sind mit Ausnahme derjenigen des Art. 5 Abs. 1 Info - RL fakultativer481, aber abschließender482 Natur. Mit anderen Worten steht es den einzelnen Mitgliedstaaten frei, die dort genannten Schrankentatbestände auch 479 Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 107 m.w.N.. Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 736; Hohagen, S. 203. 481 Bayreuther, ZUM 2001, S. 829; Hohagen, S. 205; Schippan, ZUM 2001, S. 118. 482 Insoweit kann Erwägungsgrund (32) zur Info - RL herangezogen werden, der bestimmt: „Die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht […] sind in dieser Rechtlinie erschöpfend aufgezählt.“; vgl. dazu auch Bayreuther, ZUM 2001. 480 103 tatsächlich in nationales Recht umzusetzen483. Eine Einführung von Schranken, die von den in der Info - RL festgelegten Regelungstatbeständen „nach oben“ abweichen, also eine sachliche Ausweitung der abschließenden Schrankentatbestände bedeuten, ist den Mitgliedsstaaten hingegen verwehrt484. Es sollen diejenigen Schrankenbestimmungen des Art. 5 Abs. 2, 3 Info – RL untersucht werden, die in ihrem sachlichen Regelungsbereich die private Vervielfältigungstätigkeit berühren. Inhaltlich einschlägig für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand sind die Einzeltatbestände der Art. 5 Abs. 2 lit. a) (Reprographie) und lit. b) (privater Gebrauch) sowie Art. 5 Abs. 1 Info - RL. a) Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL485 Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL räumt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, für den Bereich reprographischer Vervielfältigungsverfahren eine Schrankenregelung unter dem Vorbehalt zu schaffen, dass der Urheber einen gerechten Ausgleich erhalte. Reprographische Vervielfältigungsverfahren im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche Verfahren, die das Ergebnis des Vervielfältigungsvorgangs „auf Papier oder einem ähnlichen Träger“ festhalten, womit alle nur mittelbar wahrnehmbaren (und damit auch digitalen) Vervielfältigungsergebnisse aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausscheiden486. Eine tatbestandliche Einschränkung dahingehend, dass es für die Vervielfältigung auf den konkreten Gebrauchszweck ankäme, findet sich in der Vorschrift nicht, so Vgl. dazu den Wortlaut der Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Info – RL, die jeweils davon sprechen, dass die Mitgliedsstaaten in den genannten Fällen Beschränkungen des gewährten Vervielfältigungsrechts vorsehen können. 484 Vgl. auch Erwägungsgrund (32) zur Info - RL. 485 Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL lautetet: „Die Mitgliedsstaaten können in den folgenden Fällen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen: a) in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung, mit Ausnahme von Notenblättern und unter der Bedingung, dass die Rechteinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten;[…].“. 486 Bayreuther, ZUM 2001, S. 831; Hohagen, S. 223. 483 104 dass auch bspw. die reprographische Vervielfältigung mit kommerziellen Hintergrund nicht ausgeschlossen ist487. b) Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL488 Art. 5 Abs. 2, lit. b) Info - RL regelt die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch. Die hierin verwendete Formulierung, welche die private Vervielfältigung „auf beliebigen Trägern“ zulässt, stellt insoweit klar, dass es hierbei auf die Art des Vervielfältigungsvorganges nicht ankommt, analoge wie digitale Kopie also gleichermaßen durch die Vorschrift abgedeckt werden489. Eine erste Einengung erfährt der Anwendungsbereich der Vorschrift dadurch, dass diese die Vervielfältigung nur „durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch“ zulässt. Dabei stellt sich zunächst die Frage, in welchem Sinne der Begriff des „privaten Gebrauchs“ hier zu verstehen ist. Aus der Begründung zum Richtlinienentwurf der Kommission vom 10. Dezember 1997 geht hervor, dass der Begriff des „usage privé“ in einem engen Sinne verstanden werden solle, worunter etwa die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks eines Tonträgers durch eine Person für ihre ganz persönliche Nutzung falle490. Abstrakt formuliert lässt sich hierunter also der Gebrauch innerhalb der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse verstehen. Dies lässt sich aus der beabsichtigt engen Auslegung des Begriffs folgern, 487 Spindler, GRUR 2002, S. 112; Bayreuther, ZUM 2001, S. 830; kritisch zu diesem Regelungsinhalt Schippan, ZUM 2001, S. 119. 488 Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info – RL lautet: „Die Mitgliedsstaaten können in den folgenden Fällen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen: […] b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;[…].“. 489 Bayreuther, ZUM 2001, S. 831; Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739; Kröger, CR 2001, S. 319f.. Dies zeigt auch die Entwicklungsgeschichte dieser Vorschrift. So hatte die Werkmittlerlobby stets versucht, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Info - RL eine Beschränkung des privaten Vervielfältigungsrechts auf analoge Kopien durchzusetzen. Diesem Drängen wurde indes nicht nachgegeben. Vgl. dazu Hohagen, S. 227 m.w.N.; Spindler, a.a.O.; Schippan, ZUM 2001, S. 119f., 126 mit kritischer Würdigung. Auch Erwägungsgrund (38) spricht lediglich davon, dass Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung Rechnung getragen werden solle. 490 So KOM (97), 628 endg., S. 34. 105 wie auch aus der ausdrücklichen Beschränkung der Vervielfältigungsfreiheit auf natürliche Personen und des ausdrücklichen Ausschlusses von Vervielfältigungen, die indirekt oder direkt kommerzielle Zwecke verfolgen491. Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2, lit. b) Info - RL lässt auch die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch durch dritte Personen, gewissermaßen als „Auftragsvervielfältigung“, zu 492, was sich aus Entstehungsgeschichte wie Wortlaut der Bestimmung folgern lässt493. c) Zum Begriff des „gerechten Ausgleichs“ Die Bestimmungen der Art. 5 Abs. 2 lit. a) und b) Info - RL stellen die Möglichkeit nationaler urherrechtlicher Schranken in den genannten Bereichen jeweils unter den Vorbehalt des „gerechten Ausgleichs“, den der Urheber als Kompensation für den von ihm zu erduldenden Eingriff in sein grundsätzlich ausschließliches Vervielfältigungsrecht an seinem Werk erhalten soll. aa) „Gerechter Ausgleich“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 lit. a) und b) Info RL Über den Begriff des „gerechten Ausgleichs“ im Sinne dieser Vorschrift herrscht weitgehend Unklarheit. Indes liefert wenigstens Erwägungsgrund (35) der Info - RL Leitlinien, die eine Auslegungshilfe für diesen Begriff darstellen494. Die Gesamtschau des Erwägungsgrunds (35) ergibt mehr oder minder deutlich, dass es sich bei dem „gerechten Ausgleich“ grundsätzlich um einen Kompensationsanspruch in Geld handeln muss495. Hinsichtlich Höhe und Art dieses Anspruchs zeichnen sich die Ausführungen des Erwägungsgrundes (35) aber vor allem durch ihre inhaltliche Unbestimmtheit aus – Ergebnis eines Kompromisses 491 In diesem Sinne auch Bayreuther, ZUM 2001, S. 832; nicht eindeutig Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739. Anders hingegen Hohagen, S. 229f.. 492 Übereinstimmend Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739; Bayreuther, ZUM 2001, S. 832; Kröger, CR 2001, S. 320. 493 Ausführlich dazu Hohagen, S. 230f.. 494 Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 738. 495 Reinbothe, a.a.O.; Hohagen, S. 222; Kröger, CR 2001, S. 320; dies zeigt sich bereits daran, dass Erwägungsgrund (35) mehrfach von „Zahlung“ oder „Zahlungsverpflichtung“ spricht. 106 zwischen den in diesem Bereich vertretenen Extrempositionen europäischer Staaten, die von der völligen Ablehnung urheberrechtlicher Vergütungsregelungen im Bereich privater Vervielfältigung bis hin zur umfassenden gesetzlichen Vergütungspflicht in diesem Bereich reichen496. So bestimmt S. 6 des Erwägungsgrundes, dass in bestimmten Situationen beispielsweise eine Zahlungsverpflichtung ganz entfallen könne. Auch hinsichtlich der Art eines Vergütungsanspruchs lassen sich Erwägungsgrund (35) keine Vorgaben entnehmen. So bestimmt zwar S. 5, dass der Einsatz technischer Schutzmaßnahmen – was auf ein System individueller Lizenzierung hindeutet – bei der Bemessung der Höhe des gerechten Ausgleichs Berücksichtigung finden soll. Andererseits spricht S. 4 wiederum von einer „Lizenzgebühr“, was wiederum die Annahme zulässt, dass auch das Prinzip der gesetzlichen Lizenz und damit eines Pauschalvergütungssystems im Begriff des „gerechten Ausgleichs“ enthalten ist. Es lässt sich also festhalten, dass der Begriff des „gerechten Ausgleichs“ dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben dahingehend macht, dass er den vorzunehmenden Ausgleich für Eingriffe in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers im Wege eines pauschalen oder aber im Wege eines Individualvergütungssystems auszugestalten habe497. bb) Sonderfall: „Gerechter Ausgleich“ im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL In Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL belässt es der Richtliniengeber allerdings nicht dabei, einen „gerechten Ausgleich“ für den Eingriff in das Vervielfältigungsrecht zu fordern, stattdessen muss berücksichtigt werden, „ob technische Maßnahmen gemäß Art. 6 [der Richtlinie] auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden“. An diese Berücksichtigungspflicht knüpft sich die Frage an, ob sich hieraus etwaige Pflichten des nationalen Gesetzgebers zur Bevorzugung individueller (d.h. lizenzierungsabhängiger) Vergütungsregelungen 496 Vgl. Reinbothe, a.a.O. Im Ergebnis übereinstimmend Walter, Europäisches Urheberrecht, Info – RL, Rn. 116; Hohagen, S. 222; Bayreuther, ZUM 2001, S. 833; Spindler, GRUR 2002, S. 110. 497 107 gegenüber einem Pauschalvergütungssystem (wie es derzeit den §§ 53ff. UrhG zugrunde gelegt ist) ergeben. Zur Beantwortung dieser Frage können die Entstehungsgeschichte wie auch die Erwägungsgründe (38) und (39) herangezogen werden. So forderten entsprechende Interessengruppen im Rahmen der Zweiten Lesung des Richtlinienvorschlags vor dem Europäischen Parlament angesichts der Abschaffung fortschreitenden oder technologischen jedenfalls Pauschalvergütungssystemen498. Dass Entwicklung Erschwerung der europäische die von Gesetzgeber diesem Begehren nicht weiter nachgab, lässt den Schluss zu, dass mit der Regelung des Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL gerade keine Festlegung auf ein bestimmtes Abgabensystem erfolgen sollte. Auch die Erwägungsgründe (38) und (39) sprechen für dieses Ergebnis, wenn sie ausdrücklich auf die bestehenden Unterschiede im Binnenmarkt bezüglich bestehender und zu etablierender Vergütungssysteme hinweisen, ohne eine Harmonisierung in diesem Bereich tatsächlich zu verlangen. Ein durch die Richtlinie vorgegebener Übergang vom pauschalen Vergütungssystem zu einem System individueller Vergütung mit Hilfe technischer Schutzsysteme lässt sich hieraus also nicht entnehmen. Stattdessen lässt die Formulierung dem nationalen Gesetzgeber den erforderlichen Spielraum, solche Individuallizenzierungssysteme gegebenenfalls einzuführen499. Individualvergütungssysteme, welche für die Rechteinhaber einen erheblichen technischen Mehraufwand bedeuten, sollen durch diese Regelung in der Rechtspraxis eine Chance erhalten, die zwingende Etablierung solcher Systeme oder gar deren Bevorzugung gegenüber Pauschalvergütungssystemen schreibt Art. 5 Abs. 2 lit. b) indes nicht vor. d) Art. 5 Abs. 1 Info – RL500 498 Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739. In diesem Sinne auch Hohagen, S. 233; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739. 500 Art. 5 Abs. 1 Info – RL lautet: „Die in Artikel 2 bezeichneten vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, a) eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder b) eine rechtmäßige Nutzung 499 108 Mit der Regelung des Art. 5 Abs. 1 Info – RL werden solche technischen Vervielfältigungshandlungen zwingend vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers ausgenommen, die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Diese Vorschrift stellt insoweit eine Besonderheit dar, als diese anders als die Schranken der Abs. 2 und 3 eine zwingende Schrankenregelung darstellt, ihre Umsetzung in nationales Recht also nicht dem Ermessen des jeweiligen Gesetzgebers überlassen bleibt501. aa) Vervielfältigungsbegriff Der verwendete Vervielfältigungsbegriff setzt vier kumulativ502 zu erfüllende Bedingungen voraus. So muss es sich um flüchtige oder begleitende Vervielfältigungen handeln, die (1) einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen (2) und die ausschließlich dem Ziel dienen, entweder die effiziente Übertragung in einem Netz oder die rechtmäßige Nutzung eines Werkes zu ermöglichen (3). Schließlich dürfen die Vervielfältigungen keinen eigenen wirtschaftlichen Wert besitzen (4). Angesichts der Unbestimmtheit der verwendeten Begriffe bereitet der Vervielfältigungsbegriff der Norm nicht unerhebliche Schwierigkeiten503. Da auch der Erwägungsgrund (33) keine wirkliche Hilfestellung für die Auslegung bietet, sich vielmehr in der bloßen Wiederholung des Wortlauts des Art. 5 Abs. 1 Info - RL erschöpft (vgl. S. 1 und 2 ebenda), um diese durch die Anführung von Anwendungsbeispielen in Bezug auf das „Browsing“ und „Caching“ zu ergänzen 504, bietet allein der Regelungszweck genügend Anhaltspunkte für eine Auslegung des Vervielfältigungsbegriffs. eines Werkes oder eines sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben, werden von dem in Artikel 2 vorgesehenen Vervielfältigungsrecht ausgenommen.“. 501 Dies zeigt bereits der Wortlaut der Vorschrift, der davon spricht, dass die hierin beschriebene Vervielfältigungsart von dem Ausschließlichkeitsrecht des Art. 2 Info – RL ausgenommen werde und nicht ausgenommen werden könne. Vgl. dazu auch Bayreuther, ZUM 2001, S. 829; Hohagen, S. 210; Spindler, GRUR 2002, S. 111. 502 Spindler, GRUR 2002, S. 111; Bayreuther, ZUM 2001, S. 837. 503 Vgl. Schippan, ZUM 2001, S. 118; Reinbothe, ZUM 2002, S. 48. 504 Dazu umfassend und kritisch Hohagen, S. 212ff.. 109 Der Begründung des Richtlinienvorschlags zufolge505 sollte insbesondere einer drohenden Behinderung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs im Hinblick auf grenzüberschreitende OnlineDienstleistungen vorgebeugt werden. Da im Wege von Online- Übertragungen Zwischenspeicherungen auf verschiedenen Servern auf dem Übertragungsweg ebenso unerlässlich sind, wie solche, die bspw. beim Durchsuchen des Netzangebots durch den Nutzer (sog. „Browsing“) zwangsläufig entstehen506, sollten solche kurzlebigen und technisch notwendigen, folglich unvermeidbaren temporären Zwischenspeicherungen, deren ausschließlicher Zweck die Ermöglichung der Nutzung des Werkes ist, vom Vervielfältigungsanspruch des Urhebers ausgenommen werden507. bb) Insbesondere: „Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung“ In konsequenter Fortführung des Schutzauftrags der Info - RL (vgl. Art. 1 Info - RL)508, den Schutz der Rechte des Urhebers insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Verwertung seiner Rechte zu wahren, verlangt Art. 5 Abs. 1 Info - RL, dass es sich bei der Vervielfältigungshandlung um eine solche handeln Bedeutung muss, aufweisen welche darf, keine folglich eigenständige auch keinen wirtschaftliche Eingriff in das wirtschaftliche Verwertungsrecht des Urhebers darstellen kann509. Diesem Schutzauftrag entsprechend ist die Frage, wann eine Verwertungshandlung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat, aus der Sicht des Urhebers, nicht aber aus derjenigen der Nutzer zu bestimmen510. Für die in der ersten Alternative des Art. 5 Abs. 1 Info - RL angesprochenen Diensteanbieter bzw. Werkmittler im Online - Bereich sieht die Regelung vor, dass diese durch eine vorübergehende Speicherung, welche den zuvor 505 Vgl. KOM (97) 628 endg., S. 32f.. Dies gilt gleichermaßen für die Offline – Nutzung vieler digitaler Medien, die bereits für das bloße Anzeigen des Inhalts des Mediums einer vorübergehenden Speicherung im RAM- oder Cache-Speicher erfordern. Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Info - RL, Rn. 102. Auch die ephemere Speicherung von Offline – Formaten soll nach dem Willen des Richtliniengesetzgebers durch die Regelung des Art. 5 Abs. 1 Info – RL erfasst werden, vgl. KOM (97) 628 endg., S. 17. 507 Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 111f.; Walter, Europäisches Urheberrecht, Info – RL, Rn. 101. 508 Vgl. Erwägungsgrund (10) der Richtlinie. 509 Hohagen, S. 214 m.w.N.. 510 Hohagen, a.a.O. m.w.N.. 506 110 genannten Anforderungen entspricht, ohne dabei das gespeicherte Werk zu bearbeiten oder zu verändern, keine Verwertungshandlung im urheberrechtlichen Sinne vornehmen511. Auf die Rechtmäßigkeit der Nutzung kommt es dabei nicht an, was sich im Umkehrschluss aus Art. 5 Abs. 1 lit. b) Info - RL ergibt512. Für den Werknutzer selbst kommt es nach der Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 lit. b) Info - RL auf die Rechtmäßigkeit der Nutzung an. Nur in diesem Falle gestattet die Vorschrift die ephemere technisch erforderliche Hilfsspeicherung, typischerweise im Wege der Cache- oder RAMSpeicherung513. e) Zum „Dreistufentest“, Art. 5 Abs. 5 Info – RL514 Art. 5 Abs. 5 Info - RL unterwirft sämtliche in Art. 5 Info - RL genannten Schranken des Vervielfältigungsrechts des Urhebers den Anforderungen des Dreistufentests. Der Dreistufentest, der in Art. 5 Abs. 5 Info - RL geregelt ist, entspricht in seinen inhaltlichen Anforderungen den Vorgaben, wie sie durch den Dreistufenstest des Art. 9 Abs. 2 RBÜ aufgestellt werden515. Art. 5 Abs. 5 Info - RL inkorporiert also den aus Art. 9 Abs. 2 RBÜ, Art. 13 TRIPS und Art. 10 WCT bekannten Dreistufentest. Hinsichtlich seiner inhaltlichen Anforderungen kann auf die Ausführungen oben unter A. III. 1. und A. IV. verwiesen werden. IV. Zusammenfassung 511 Bayreuther, ZUM 2001, S. 838. Dazu eingehend Hohagen, S. 211, 215ff.; Bayreuther, ZUM 2001, S. 838. 513 Was angesichts der ja erlaubten Nutzung des Werkes eigentlich keiner weiteren Erläuterung bedürfte: wenn schon die Nutzung des Werkes erlaubt ist, dann erscheint es logisch auch die zur Nutzung erforderliche technische Hilfsspeicherung als vom jeweiligen Erlaubnistatbestand gedeckt anzusehen. Kritisch zur praktischen Relevanz dieser Vorschrift Bayreuther, ZUM 2001, S. 837. 514 Art. 5 Abs. 5 Info – RL lautet: „Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werkes oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“. 515 Vgl. Senftleben, CR 203, S. 914; Hohagen, S. 206f; Spindler, GRUR 2002, S. 115; Schippan, ZUM 2001, S. 122; kritisch zur Regelung des Art. 5 Abs. 5 Info – RL Bayreuther, ZUM 2001, S. 839. 512 111 Der bundesdeutsche Gesetzgeber unterliegt grundsätzlich der Bindung an europarechtliche Vorgaben. Anwendungsvorrangs (auch) Angesichts von des sekundärem grundsätzlichen Gemeinschaftsrecht gegenüber verfassungsrechtlichen Vorgaben gilt dies auch, wenn und soweit die inhaltlichen Anforderungen sekundären Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtlichen Vorgaben widersprechen. Eine Grenze findet diese Bindung allerdings dort, wo es dem nationalen Gesetzgeber kraft Grundgesetz verwehrt ist, Hoheitsrechte auf die Organe der Europäischen Gemeinschaft zu übertragen. Diese Grenze ist dort anzusiedeln, wo Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem Grundrechtsschutz, wie er durch die verfassungsrechtliche Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG garantiert wird, zuwider liefen. Art. 2 Info - RL gewährt dem Urheber ein grundsätzlich ausschließliches Vervielfältigungsrecht an seinem Werk, wobei der Vervielfältigungsbegriff ein weiter ist und grundsätzlich jedwede denkbare Vervielfältigungsform umfasst. Allerdings sieht sich das Vervielfältigungsrecht in Art. 5 Info - RL zahlreichen Ausnahmen vorwiegend zugunsten der Allgemeinheit ausgesetzt. So wird in Art. 5 Abs. 1 Info - RL dem nationalen Gesetzgeber eine zwingende Schranke zugunsten solcher technisch zwingender, bloß temporärer ephemerer Hilfsspeicherungen auferlegt, wie sie typischerweise bei Online-Diensten im Rahmen der notwendigen Speicherungen von Werkinhalten auf Servern oder aber bei Werknutzern im Rahmen von Cache- bzw. RAM-Speicherungen als notweniger Zwischenschritt für den eigentlichen Werkgenuss entstehen. Im Rahmen der fakultativen Schranken der Art. 5 Abs. 2 und 3 Info - RL wird dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, die dort genannten Schrankentatbestände in nationales Recht umzuwandeln. Angesichts des abschließenden Charakters der Vorschrift ist die Einführung nationaler Beschränkungen des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers, die über den sachlichen Anwendungsbereich der Art. 5 Abs. 2 und 3 Info – RL hinausgehen, hingegen nicht möglich. 112 Im Rahmen reprographischer Vervielfältigungen sieht die Richtlinie eine weite Schrankenbestimmung vor, die neben dem Erfordernis der Herstellung des Vervielfältigungsexemplars auf einem Träger, der das Werkstück unmittelbar sinnlich wahrnehmbar macht, keine tatbestandlichen Einschränkungen vorsieht. Für den Bereich jeder sonstigen privaten Vervielfältigungstätigkeit sieht Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL eine Beschränkung des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers zum Gebrauch durch den Werknutzer innerhalb der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse vor, ohne hierbei zwischen analoger und digitaler Vervielfältigungstechnik zu unterscheiden. Auch lässt die Richtlinie hier die Vervielfältigung durch Dritte zu, sofern es sich dabei um natürliche Personen handelt. Hinsichtlich reprographischer wie sonstiger privater Vervielfältigungstätigkeit sieht die Richtlinie zwingend vor, dass dem Urheber für den hierdurch erfolgten Eingriff in sein Vervielfältigungsrecht ein gerechter Ausgleich gewährt werden müsse. Insoweit legt die Richtlinie einen Kompensationsanspruch in Geld nahe, macht aber im Übrigen keine konkreten Vorgaben, wie dieser Ausgleich hinsichtlich Art und Höhe durch den nationalen Gesetzgeber ausgestaltet werden müsse. Insbesondere sieht die Richtlinie keine Bevorzugung individueller Vergütungssysteme zulasten pauschaler Vergütungssysteme vor. Schließlich haben alle Beschränkungen des Art. 5 der Info - RL den Vorgaben des aus dem internationalen Urheberrecht bekannten Dreistufentests zu genügen. 113 Teil 4: Der verfassungsrechtliche Schutz der Schrankenbegünstigten Während sich die Untersuchung bislang auf den Schutz des Urhebers beschränkte, soll im folgenden der verfassungsrechtliche Schutz derjenigen Schrankenbegünstigten, welchen die Gewährung privater Vervielfältigungsfreiheit zugute käme, herausgearbeitet werden. Die Frage nach der Verankerung516 verfassungsrechtlichen urheberrechtlicher Schrankenregelungen fand bislang in der Literatur sehr wenig Resonanz517. Angesichts der gefundenen Einordnung einer gesetzlichen Kodifizierung privater Vervielfältigungstätigkeit als Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG518 ein erstaunlicher Befund, erfordert doch schon die nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG erforderliche Abwägung die Berücksichtigung und den verhältnismäßigen Ausgleich der widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Interessen519. Wie soll sich dieser Ausgleich indes in verfassungsgemäßen Bahnen vollziehen können, wenn die zweite Seite dieser Abwägungsmedaille im Schatten einer einseitigen Vorzugsbehandlung der Urheberinteressen liegt520? Neben dem im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geforderten Abwägungsgebot zwischen den verschiedenen verfassungsrechtlich geschützten Interessen, ist für die zwingende Natur dieser Fragestellung auch die Qualifizierung der Grundrechte als staatliche Schutzgebote521 verantwortlich. Die Grundrechte haben neben ihrer Funktion als Abwehrrechte gegen den Staat auch die Funktion von Schutzgeboten an 516 Anders die Frage nach der einfachgesetzlichen Einordnung der Schranken der privaten Vervielfältigungsfreiheit als Rechte der Schrankenbegünstigten. Umfassend dazu Diemar, Digitale Kopie, welche den §§ 53 ff. UrhG keinen Anspruchscharakter zuerkennen will. Hiergegen Hoeren, Verbraucherschutz, S. 16ff.. Diese Fragestellung ist aber für die vorliegende Untersuchung ohne Belang, da es allein um die verfassungsrechtlichen Vorgaben an den urheberrechtsgestaltenden Gesetzgeber geht. 517 Kritisch zu dieser bisherigen Entwicklung, Geiger, Beschränkungen, S. 143; ebenso Peukert, Schutzbereich, S. 11 ff., der eine ökonomische Analyse eines einseitigen Schutzes urheberrechtlicher Werke unternimmt; einen ersten umfassenderen verfassungsrechtlichen Ansatz liefert Hohagen, S. 282ff., 303ff.. 518 Vgl. dazu oben unter Teil 2, E. II. 1.; für die urheberrechtliche Literatur übereinstimmend Wandtke/Bullinger – Lüft, § 45, Rn. 1; Loewenheim - Götting, § 30, Rn. 1 je m.w.N.. 519 Vgl. BVerfGE 21, 150 (155) st. Rspr.; Mangoldt/Klein/Starck – Art. 14, Rn. 223; aus urheberrechtlicher Sicht, Hilty, ZUM 2003, S. 985ff.. 520 Diese Frage wirft in Bezug auf die Auslegung von Schrankenbestimmungen und ihr Verhältnis zu vertraglichen Bestimmungen auf Geiger, Beschränkungen, S. 143f.. 521 Dazu einleitend Canaris, AcP 184 (1984), S. 225ff.. 114 den Staat522. Dieser ist verpflichtet, die in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden Werte und Rechtsgüter gegen Verletzungen zu schützen und zwar sowohl vor Verletzungen aus der Richtung des Staates wie vor solchen aus Richtung der Staatsbürger selbst523. Die Verwirklichung dieser Schutzgebotsfunktion ist im Wesentlichen Aufgabe des einfachen Rechts; sofern es – wie vorliegend – um die Vermeidung von Verletzungen allein aus der Sphäre der Staatsbürger untereinander zu tun ist, ist dieser Schutz mit den Mitteln des Privatrechts zu besorgen524, also mit der gesetzlichen Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit im Urheberrecht. Hier diejenigen Grundrechte näher zu beleuchten, welche für die Schrankenbegünstigten einer erlaubten privaten Vervielfältigungstätigkeit streiten können und welche Konsequenzen ein solcher Schutz auf den Regelungsauftrag des Gesetzgebers hat, soll das Ziel dieses Abschnitts sein. A. Der Schutz der Schrankenbegünstigten durch die Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG Sobald es um eine mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte zugunsten privater Vervielfältigungstätigkeit geht, wird die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als Patron der Interessen des einzelnen Werknutzers wie auch der Allgemeinheit mehr oder minder pauschal angerufen525: So solle das (Urheberrechts-) Gesetz so ausgestaltet werden, dass der Bedeutung von Informationen für die Inanspruchnahme individueller wie gesellschaftlicher Freiheit hinreichend nachgekommen werde526. I. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit 522 Vgl. BVerfGE 39, 1 (42ff.), st. Rspr.. Vgl. dazu Canaris, AcP 184 (1984), S. 226f. m.w.N.. 524 Canaris, AcP 184 (1984), S. 227. 525 Vgl. bspw. Geiger, Beschränkungen, S. 145f.; Berger, ZUM 2004, S. 264f.; Kröger, MMR 2002, S. 21; so auch Hoeren, Verbraucherschutz, S. 19ff.; Hohagen, S. 291ff.. 526 Vgl. Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 28. 523 115 „Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“527, so urteilt das Bundesverfassungsgericht. Die Möglichkeit sich zu informieren, wie sie durch die Informationsfreiheit gewährleistet werden soll, die eigene Meinung also mittels Information überhaupt aufbauen, überprüfen, schärfen oder ändern zu können, stellt für die Ausübung der Meinungsfreiheit eine unverzichtbare Voraussetzung dar528. Die verschiedenen Grundrechte des Art. 5 GG stehen daher in einem inneren Zusammenhang zueinander, können also nur in gewissem Umfang isoliert beurteilt werden529. Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG gewährt dem Grundrechtsinhaber das Recht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. Für den sachlichen Schutzbereich der Informationsfreiheit im Bereich privater Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke ist zunächst der Begriff der „allgemein zugänglichen Quellen“ von Relevanz. 1. Die Informationsquelle Der Begriff der (Informations-) Quelle ist in einem weiten Sinne zu verstehen, d.h. es sind alle nur erdenkbaren Träger von Informationen erfasst530. Unschwer lassen sich demnach sämtliche urheberrechtlich geschützten Werke als Informationsquelle im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG qualifizieren531. 527 BVerfGE 7, 198 (208). BVerfGE 27, 71 (81); Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 5; Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 1; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 82. 529 In diesem Sinne auch Lerche, Ev. Staatslexikon, Bd. 1, S. 1314. 530 Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 87; Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 30; Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5, Rn. 42; Langer, Informationsfreiheit, S. 127f.. 531 Dabei gilt es freilich eine Besonderheit zu beachten. Bei urheberrechtlich geschützten Werkstücken mag es durchaus fraglich sein, ob diese nur Träger einer Information sind, also „Informationsquelle“ im genannten Sinne, oder aber ob diese nicht (gewissermaßen vorverlagert) die Information selbst darstellen, über welche der Grundrechtsinhaber Aufklärung zu erlangen sucht. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Es lässt sich darüber streiten, ob die Verkörperung eines literarischen Werkes durch dessen Buchform die Quelle des Geisteswerk des Autors selbst darstellt, oder aber eben nur ein Informationsträger, das Medium zur Vermittlung der Information über das Geisteswerk. Kurz: Ist das literarische Werk in seiner konkreten physischen Buchform das Ereignis, über welches die Informierung angestrebt wird, oder aber ist es nur die Quelle, welche über das Ereignis „Geisteswerk“ entsprechende Informationen vermittelt? Diese Frage kann hier indes unentschieden bleiben, da der Begriff der (Informations-) Quelle im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG nicht nur den Informationsträger, welcher über ein Ereignis 528 116 2. Allgemeinzugänglichkeit Weiter setzt der Wortlaut des Art. 5 GG voraus, dass es sich um eine „allgemein zugängliche“ Quelle handeln müsse. Die verfassungsrechtliche Interpretation der „allgemeinen Zugänglichkeit“ erlangt für die private Vervielfältigungstätigkeit besondere Bedeutung. Angesichts der Tendenz der Urheber bzw. Werkmittler, urheberrechtlich geschützte Werke mit Kopierschutzmechanismen aller Art zu versehen, stellt sich besonders dringlich die Frage, ob es sich bei solchermaßen geschützten Werken überhaupt um solche aus „allgemein zugänglicher“ Quelle handeln kann532; immerhin geht das Bestreben der Urheber/Werkmittler dahin, gerade nicht jedermann den Zugriff auf das urheberrechtlich geschützte Werk zu ermöglichen. Eine Inhaltsbestimmung des Begriffs der „allgemeinen Zugänglichkeit“ kann sich ausschließlich aus dem Verfassungsrecht selbst, nicht aus einfachem Gesetzesrecht ergeben. Sonst hätte es der Gesetzgeber selbst in der Hand entgegen der Wertung des Art. 1 Abs. 3 GG über den sachlichen Anwendungsbereich der Informationsfreiheit zu bestimmen533. Einigkeit besteht also dahingehend, dass es nicht Sache des Staates sein kann, über die „Allgemeinzugänglichkeit“ souverän zu bestimmen, weshalb sich die Allgemeinzugänglichkeit allein nach der tatsächlichen Lage, also nach der Art der Abgabe der jeweiligen Information bestimmt534. Das Bundesverfassungsgericht sieht die allgemeine Zugänglichkeit dann als gegeben an, wenn eine Informationsquelle technisch dazu geeignet und unterrichten soll, sondern auch das Ereignis selbst, also den Gegenstand der Information umfasst, vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 43; Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 30; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5, Abs. I, II, Rn. 87. 532 Diese Frage verneint - weitgehend undifferenziert - bspw. Berger, ZUM 2004, S. 264; ebenso Diemar, GRUR 2002, S. 592; Wandtke – Wandtke/Ohst, Erg.Bd., § 95b Rn. 4; Ulmer-Eilfort, FS Nordemann zum 65., S. 285ff.(286f.). Bejahend hingegen bspw. Hohagen, S. 284f.; Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, S. 769f.. 533 In diesem Sinne bereits BVerfGE 27, 71 (83ff.); Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 89; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 44. 534 Grundlegend dazu Lerche, Ev. Staatslexikon, Bd. I, S. 1315; ebenso Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 44; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 89; letztlich auch Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn .33. 117 bestimmt ist, der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu verschaffen535. Ob sich aus dieser Definition, genau: aus der Verwendung des Wortes „bestimmt“, herleiten lässt, neben der tatsächlichen Lage sei auch der Bestimmungswille des Informierenden heranzuziehen536, erscheint m. E. Erachtens fraglich537. Meint man es damit ernst, dem Staat die Definitionskompetenz Zugänglichkeit“ hinsichtlich zwecks der Bestimmung Vermeidung eines der „allgemeinen staatlich gelenkten Informationsdirigismus abzusprechen, dann muss von diesem subjektiven „Bestimmungskriterium“ Zwecksetzung würde abgesehen ad werden. Denn geführt, wenn absurdum genau ergänzend diese zur tatsächlichen Lage auch noch auf die willentliche Bestimmungsbefugnis abgestellt würde538. Denn mittelbar würde der Gesetzgeber damit doch die Reichweite des sachlichen Schutzbereichs der Informationsfreiheit bestimmen können, indem er den Kreis der Informationsberechtigten eben enger ziehen, also enger „bestimmen“ würde. Es bleibt festzuhalten, dass nach der hier vertretenen Ansicht die Allgemeinzugänglichkeit allein nach den tatsächlichen Verhältnissen zu bestimmen ist, ohne dabei ergänzend auf den Bestimmungswillen des Informierenden abzustellen. a) Informationsfreiheit als Abwehrrecht Diese Auslegung des Begriffs der allgemeinen Zugänglichkeit liegt in der Stringenz des Schutzzwecks der Informationsfreiheit als staatliches Abwehrrecht. Wenn es aufgrund der Erfahrungen mit nationalsozialistischen 535 BVerfGE 27, 71 (83); 28, 175 (188); 33, 52 (65); in diesem Sinne auch Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 45; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 90. 536 So ausdrücklich Hohagen, S. 283f.. 537 Dass diese Fragestellung nicht rein akademischer Natur ist, zeigt folgende Überlegung: Die Einstellung eines urheberrechtlichen Werkes in eine online-Datenbank ist ohne weiteres dazu geeignet, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen, da eine solche Datenbank als Informationsplattform den Zugriff einer großen Anzahl Informationswilliger ermöglicht. Ob die Zurverfügungstellung des Werkes im online-Wege aber auch bestimmt ist, der Allgemeinheit diese Information zu verschaffen, ist eine hiervon zu trennende Frage. Dies hängt eben vom Willen dessen ab, der die Information dergestalt zugänglich macht, sei es einem (bspw. mittels Passwortabfrage) abgrenzbaren Kreis, oder aber einem völlig unbegrenztem Kreis. 538 Diesen Aspekt lässt Hohagen, S. 284 f., unbeachtet. Stattdessen geht er ohne nähere Begründung davon aus, dass auch ein Passwort geschütztes, online zur Verfügung gestelltes Werk als „allgemein zugänglich“ zu qualifizieren sei. 118 Informationsverboten und -beschränkungen gilt, jede Form eines staatlichen Informationsdirigismus zu verhindern539, dann muss die Frage der Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Definitionshoheit vorenthalten bleiben. Die Frage, die sich dann allerdings an dieser Stelle aufdrängt, ist die folgende: Behält diese Interpretation des verfassungsrechtlichen Begriffs, der dahinter aufscheinende Schutzzweck auch im Bereich des reinen Privatrechtsverkehrs seine Schutzbereichsinterpretation Gültigkeit? im Anders gefragt, kann diese Rahmen der Informationsfreiheit als Abwehrrecht genauso auf die Interpretation desselben Grundrechts als staatliches Schutzgebot angewendet werden? Kurz: Wenn es dem Staat nicht erlaubt ist, selber über die allgemeine Zugänglichkeit von Informationsquellen zu bestimmen, gilt dies dann auch zwangsläufig für solche Informationsquellen, die ausschließlich von Privaten (in Form urheberrechtlicher Werke) zugänglich gemacht werden540? b) Informationsfreiheit als grundrechtliches Schutzgebot Dafür, dass der Private ebenso wenig wie die öffentliche Hand über die Frage der Allgemeinzugänglichkeit und damit über den Schutzbereich der Informationsfreiheit bestimmen kann541, lassen sich zwei Argumente anführen. Hier ist zunächst das schwächere historische Argument zu nennen. So lautete der erste Entwurf des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee für die Regelung der Informationsfreiheit in Anlehnung an Art. 112 der Bayerischen Landesverfassung wie folgt542: „Jeder hat das Recht, seine Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich über die Meinung anderer zu unterrichten.“ Schon die gewählte Formulierung macht deutlich, dass es dabei auf die Herkunft der Quelle - sei sie nun aus staatlicher, sei sie aus 539 Vgl. BVerfGE 27, 71 (84). Es geht also um die Frage, ob es sich bei urheberrechtlichen Werken, die allein von privater Hand Zugangsbeschränkungen unterworfen werden (bspw. in Form von Passwortabfragen, Kopierschutzmechanismen, etc.), ebenso um „allgemein zugängliche Quellen“ im verfassungsrechtlichen Sinne handelt. 541 Im Ergebnis so auch Hohagen, S. 284; ohne Begründung Ehmann, AcP 188 (1988), S. 232, Fn. 1. 542 Matz, JöR 1951 (Band 1), S. 79. 540 119 privater Hand - nicht ankommt543. Die erst später eingefügte Formulierung der „allgemein zugänglichen Quellen“ sollte - so der Wille des Verfassungsgebers544 - nicht zur Verengung des sachlichen Schutzbereichs führen, sondern vielmehr zu einer umfassenden Gewährleistung. Schwerer wiegt indes das teleologische Argument. Die Informationsfreiheit basiert auf zwei verschiedenen Wesensmerkmalen545, welche für deren Inhalt ausschlaggebend sind. Hier ist zum einen der demokratische, kollektiv-rechtliche Bezug der Informationsfreiheit zu nennen. Diesem zufolge kann der demokratische Staat des GG ohne eine freie, vor allem aber möglichst gut informierte öffentliche Meinung nicht bestehen. Denn demokratische Entscheidungsbildung ist ohne ausreichende Information bzw. Informationsmöglichkeit nicht denkbar546. Gleichrangig daneben ist der individual-rechtliche Aspekt der Informationsfreiheit zu nennen547. Jenem zufolge ist die Informationsfreiheit notwendiges Instrument und gleichzeitiger Ausdruck der individuellen Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung. Beide Wesensmerkmale der Informationsfreiheit machen deutlich, dass es für die Bestimmung des Schutzbereichs nicht darauf ankommen kann, ob die fragliche Informationsquelle aus staatlicher oder aber privater Hand stammt548. Denn weder die Bildung einer „öffentlichen“, das demokratische Meinungsbildung im Prinzip privaten fundierenden Bereich Meinung, als noch Ausdruck die eigener Persönlichkeitsentfaltung differenzieren nach der Herkunft der Information. Ob die Information einem Hoheitsträger oder einem Privaten zuzuordnen ist, ist für die kollektive wie für die individuelle Meinungsbildung völlig unerheblich. Verstärkt wird dieser Befund noch durch die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die immer weiter zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung von Wissen und Information, die immer weitergehende Verdrängung des Staates aus dem Bereich der Kommunikation und 543 In diesem Sinne auch Langer, Informationsfreiheit, S. 145ff.. Vgl. dazu den Bericht des Abgeordneten (und späteren Bundespräsidenten) Theodor Heuß, in Matz, JöR 1951 (Band 1), S. 80. 545 Grundlegend dazu BVerfGE 27, 71 (81f.); vgl. ferner Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 41; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5, Abs. I, II, Rn. 84; Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 250. 546 Trute, a.a.O.. 547 Deutlich dazu Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 84ff.. 548 Im Ergebnis so bereits Windsheimer, Information, S. 133ff. 544 120 Information, lassen zur „Ware“ werden, was vorher als „öffentliches Gut“ galt549, nämlich die Information. Mit der zunehmenden Verschiebung des Schutzobjekts der Informationsfreiheit vom öffentlichen in den Privatsektor, muss auch eine Ausweitung des verfassungsrechtlichen Schutzes in genau diesen Bereich hinein korrespondieren, zumal die Bedeutung der Information in der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft immer höhere Bedeutung erlangt550. Auch besteht für eine enge Auslegung des Schutzbereichs kein verfassungsrechtliches Bedürfnis, da die Berücksichtigung kollidierender verfassungsrechtlich geschützter Interessen Privater ebenso auf der Ebene der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG erfolgen kann551. c) Ergebnis Als Ergebnis bleibt also festzuhalten, dass es ebenso wenig der Definitionskompetenz des Staates wie derjenigen Privater obliegt, über den Begriff der „Allgemeinzugänglichkeit“ zu bestimmen. Dem Schutzzweck des Art.5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG folgend, der sich an den gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen der Informationsgesellschaft zu orientieren hat, muss es ausschließlich dem Grundgesetz vorbehalten bleiben, den sachlichen Schutzbereich der Informationsfreiheit zu bestimmen, um (im staatlichen Bereich) jede Form von Informationsdirigismus wie aber auch (im privaten Bereich) jede Form der Bildung von Informationsmonopolen zu verhindern. Sofern also der Kreis derer, an die sich eine bereit gestellte Information richtet, nur nach allgemeinen Kriterien bestimmt ist, nicht jedoch ein von vorneherein abgegrenztes Publikum anspricht, muss die „allgemeine Zugänglichkeit“ der nämlichen Informationsquelle bejaht werden552. Die Frage, an welche technischen Voraussetzungen - bspw. mittels Passwortabfrage, DRM-Systeme etc. - der Zugang zum urheberrechtlich 549 Schoch, VVDStR 57 (1998), S. 213. Allgemein dazu Schoch, VVDStR 57 (1998), S. 179f.. 551 Langer, Informationsfreiheit, S. 141. 552 So Lerche, JURA 1995, S. 565. 550 121 geschützten Werk geknüpft ist, ist demnach für die Anwendbarkeit des sachlichen Schutzbereichs der Informationsfreiheit ohne Bedeutung553. Ein unveröffentlichtes bzw. noch nicht erschienenes Werk hingegen, das ebenso zu den urheberrechtlich geschützten Werken554 und damit zum verfassungsrechtlich geschützten Begriff des „geistigen Eigentums“ zählt, kann in diesem Sinne jedoch nicht als „allgemein zugängliche“ Informationsquelle im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG betrachtet werden, da dieses Werk - wie von § 6 UrhG vorausgesetzt555 - (noch) nicht der Öffentlichkeit dergestalt zugänglich gemacht wurde, dass die Allgemeinheit (also ein von vorneherein nicht abgrenzbarer Personenkreis) die Möglichkeit erhalten hat, es sinnlich wahrzunehmen556. Hinsichtlich solcher Werke ist demnach bereits der Schutzbereich der Informationsfreiheit nicht eröffnet557. 3. Geschütztes Verhalten Die Informationsfreiheit gewährt dem Grundrechtsinhaber die Möglichkeit, sich ungehindert aus den nämlichen Informationsquellen zu unterrichten. a) „Unterrichten“ Die gebotene weite Auslegung des sachlichen Schutzbereichs558 zum effektiven Schutz der Informationsfreiheit gebietet es, zum Tatbestandsmerkmal des „Unterrichtens“ auch das Speichern und damit die Vervielfältigung der Information auf beliebigen Datenträgern zu zählen559. Denn wenn die Informationsfreiheit die Basis für die öffentliche oder 553 So auch Hohagen, S. 284, allerdings ohne Begründung. Vgl. Wandtke/Bullinger – Marquardt, § 6 UrhG, Rn. 1. 555 Vgl. zum Begriff der Veröffentlichung und des Erscheinens i.S.d. § 6 UrhG, Wandtke/Bullinger – Marquardt, § 6 UrhG, Rn. 4ff., 27ff.. 556 So die amtliche Begründung zum weiteren Veröffentlichungsbegriff, vgl. BT – Drucksache IV/270, 40. 557 Womit die Frage gestellt werden darf, ob die Einräumung eines privaten Vervielfältigungsrechts nicht von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 UrhG abhängig gemacht werden sollte, da insoweit jedenfalls nicht die Informationsfreiheit der Werknutzer rechtfertigend herangezogen werden kann. Anders aber die bisherige Regelung, vgl. Wandtke/Bullinger – Lüft, § 53 UrhG, Rn. 8. 558 Vgl. grundlegend dazu BVerfGE 27, 71 (82f.). 559 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 50; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 29 je m.w.N.; Langer, Informationsfreiheit, S. 124f.. 554 122 individuelle Meinungsbildung sein soll, dann muss diese auch die zur adäquaten intellektuellen Verarbeitung der Information oftmals erforderliche Speicherung ermöglichen. Angesichts der zunehmenden Komplexität der heutigen Informationsfülle ein meist zwingender Vorgang, da der rein rezeptive einmalige Werkgenuss oftmals nicht ausreicht, die Informationen „meinungsbildend“ zu verarbeiten560. b) „ungehindert“ Die Unterrichtungsmöglichkeit muss darüber hinaus „ungehindert“ bestehen. Darunter ist – dem Schutzzweck der Informationsfreiheit folgend, staatlichen Informationsdirigismus zu verhindern – zu verstehen, dass jedwede staatliche Behinderung des Zugangs zu Informationsquellen, erfolge diese unmittelbar oder mittelbar, verfassungsrechtlich nicht toleriert wird561. Eine Behinderung in diesem Sinne ist allerdings nach ganz überwiegender Ansicht nicht bereits Informationszugangs zu in der erblicken, Entgeltlichkeit einen Anspruch des fraglichen auf kostenlose Unterrichtung verschafft die Informationsfreiheit also nicht562. Begründen lässt sich die so verstandene Schrankenschranke damit, dass die hinter geschützten der Kostenpflichtigkeit Interessen der steckenden Informierenden verfassungsrechtlich andernfalls gar keine Berücksichtigung finden könnten, wenn schon der Schutzbereich der Informationsfreiheit den Ausschluss dieser Interessen erforderlich machte. So bleibt es den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG vorbehalten hier einen verhältnismäßigen Ausgleich zu finden. Entsprechend den Überlegungen zur „Allgemeinzugänglichkeit“ stellt sich auch hier wieder die Frage, ob die den Staat verpflichtende Forderung nach der „Ungehindertheit“ der Informationserlangung auch für Private Geltung beanspruchen kann. Kurz: Ist es aufgrund des Erfordernisses der „Ungehindertheit“ auch dem privaten Informierenden auferlegt, diese 560 Vgl. dazu Teil 1, A. III. 1. d). Vgl. Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 34; Mangoldt/Klein – Starck, Art. 5, Rn. 51. 562 Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 28; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 52; Lerche, JURA 1995, S. 562, Fn. 10; Fechner, S. 349. 561 123 „Barrierefreiheit“ bezüglich seiner Informationsquellen zu gewährleisten563? Oder anders: Verlangt die Geltung der Informationsfreiheit als Schutzgebot (nicht als Abwehrrecht) vor Eingriffen durch Private ebenso diese „Barrierefreiheit“? Entsprechend den oben gemachten Überlegungen 564 wird man dies im Sinne einer möglichst effektiven Gewährleistung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit zu bejahen haben. Allerdings gewährt die Informationsfreiheit einen Anspruch auf kostenlose Unterrichtung gerade nicht. Jede „Zugangserschwerung“, die also an die Entgeltlichkeit der Informationserlangung anknüpft, wird durch das Erfordernis der „Ungehindertheit“ gerade nicht ausgeschlossen. II. Eingriff in und Schranken der Informationsfreiheit 1. Eingriff Beeinträchtigt wird die Informationsfreiheit durch jede rechtliche oder auch faktische Maßnahme, welche imstande ist, die Informationsaufnahme unmöglich zu machen oder auch diese nur wesentlich zu erschweren 565. Damit ist die Frage gestellt, ob und wie durch die gesetzliche Ausgestaltung des Urheberrechts in Bezug auf private Vervielfältigungstätigkeit rechtlich bzw. ob und wie durch Selbstschutzmaßnahmen der Rechteinhaber selbst faktisch in die Informationsfreiheit der Werknutzer eingegriffen wird. Denn je weiter der Schutz des Urhebers durch eine Gewährleistung eines Ausschließlichkeitsrechts bezüglich der einfachgesetzlichen Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit reicht, je effektiver sich der Urheber bzw. Rechteinhaber durch technische Schutzmaßnahmen vor privater Vervielfältigungstätigkeit schützen kann, desto eher wird hierdurch die Informationsfreiheit der Werknutzer beeinträchtigt566. 2. Schranken Vgl. zu dieser Fragestellung im Ansatz Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 35. Vgl. oben unter 2.. 565 Vgl. Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 I, II, Rn. 98; Mangoldt/Klein/Starck – 55; Hohagen, S. 286. 566 Dazu Hohagen, S. 286f.; ferner Lerche, JURA 1995, S. 562.. 563 564 124 Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Informationsfreiheit seine Schranken insbesondere in den Vorschriften der „allgemeinen Gesetze“. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge sind dies solche Gesetze, „die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“567. Ohne Zweifel stellen die Regelungen des Urheberrechts - welche in erster Linie den Interessen des Urhebers dienen sollen568 - insoweit ein „allgemeines Gesetz“ dar569. Eine weitere Bestimmung dessen, was den Inhalt der Schranken der „allgemeinen Gesetze“ konkret ausmacht, hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner „Wechselwirkungslehre“570 geliefert. Das einschränkende „allgemeine Gesetz“ - im vorliegenden Falle das UrhG - muss seinerseits im Lichte der Bedeutung der Informationsfreiheit ausgelegt und auf diese Weise wiederum in seiner die Informationsfreiheit beschränkenden Wirkung selbst eingeschränkt werden571. Diese Formel des Bundesverfassungsgerichts führt letztlich zu einer zwingenden Güterabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes572 zwischen der Informationsfreiheit und dem vom jeweils einschränkenden Gesetz mittelbar vorliegenden verfassungsrechtlich Falle jene unter geschützten Teil 2 Rechtsgut573, im herausgearbeiteten verfassungsrechtlich geschützten Urheberinteressen. III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben 567 BVerfGE 7, 198 (209f.); 62, 230 (243f.); 71, 206 (214). Vgl. Loewenheim – Loewenheim, § 1, Rn. 4 mit Verweis auf Amtl. Begründung in BT – Drucksache IV/270, S. 27. 569 Für das KUG entschieden durch BVerfGE 35, 202 (224). 570 Vgl. BVerfGE 7, 198 (208f.). 571 Vgl. dazu auch Schmidt – Jortzig, Information, Rn. 42. Zur Kritik der Literatur an diesem Zirkelschluss vgl. Überblick bei Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 261f.. 572 Vgl. Langer, Informationsfreiheit, S. 157f.. 573 Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 258; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 185; BVerfGE 7, 198 (210). 568 125 Da es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung um die Ausgestaltung eines rein privatrechtlich bestimmten Rechtsverhältnisses geht, stellt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit sich neben dem abwehrrechtlichen Charakter der Informationsfreiheit574 auch eine gesetzgeberische Schutzpflicht kraft Verfassung ergibt. Also eine Pflicht des Staates durch die allgemeine - also auch privatrechtliche - Gesetzgebung auf die bestmögliche Verwirklichung der entsprechenden Schutzbereiche der Informationsfreiheit hinzuwirken575. Das Grundrecht der Informationsfreiheit wendet sich zunächst an den Staat, es gewährt dem Grundrechtsinhaber diesem gegenüber einen individuellen Abwehranspruch. Wie aber, wenn nicht der Staat sondern Private - hier: der Urheber - den Eingriff in den Schutzbereich der Informationsfreiheit zu bewerkstelligen drohen? Ist hier der Staat im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Schutzgebots zum gesetzgeberischen Tätigwerden verpflichtet? Und wenn dem so ist, wie ist dieser verfassungsrechtliche Schutzauftrag inhaltlich ausgestaltet? 1. Grundrechte als Schutzpflicht Über die grundsätzliche Einordnung der Grundrechte als Abwehrrechte des Grundrechtsinhabers gegen den Staat besteht Einigkeit. Triebfeder der Verfassungsväter war die Furcht vor dem geschichtlich erfahrenen totalitären Staat, vor deren Hintergrund es galt, die Freiheit des Einzelnen vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staats zu bewahren576. Ein solch einseitiges Grundrechtsverständnis greift aber zu kurz, denn die Grundrechte würden ihrer wesentlichen Funktion - nämlich dem Schutz des jeweils grundrechtlich Grundrechtsträgers - geschützten nur Rechtsguts unvollständig gerecht: und Denn damit Eingriffe des in grundrechtlich geschützte Positionen sind nicht nur von Seiten des Staates 574 Vgl. zur Einordnung der Informationsfreiheit als Abwehrrecht bspw. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 41; ferner BVerfGE 27, 71 (84). 575 Grundlegend dazu Lerche, JURA 1995, S. 562f; ferner Kröger, Informationsfreiheit, S. 201ff.; Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 206ff. und 214; Stettner, Information, S. 358; zu den Auswirkungen der Informationsfreiheit im Bereich der Drittwirkung der Grundrechte (die nicht mit der hier behandelten Frage nach dem Schutzauftrag der Grundrechte verwechselt werden darf), kurz Fechner, S. 349. 576 Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 1f.; umfassend dazu Stern, Grundrechte, § 66. 126 zu befürchten, sondern ebenso gut und wohl mindestens ebenso häufig von Seiten Privater. Der Schutz der Bürger vor einander gehört indes historisch wie funktionell zu den primären Aufgaben von Staat und Recht 577, mehr noch: Die Überwindung der alternativen Möglichkeit der Anarchie, die jeden einzelnen selbst zur Durchsetzung seiner Interessen nach seinen Möglichkeiten (nicht nach seinen „Rechten“) zwänge, bildet die philosophische Grundlage und Rechtfertigung des Staatswesens selbst und der dieses konstituierenden Regeln578. Schon aus dieser rechtsphilosophischen Überlegung heraus, muss eine Schutzpflicht des Staates zur Gewährleistung grundrechtlich verbürgter Freiheiten abgeleitet werden. Nun mag diese ideengeschichtliche Herleitung grundrechtlicher Schutzgebote vor dem Rechtsstaatsprinzip zu beanstanden sein, welches weitestgehende Justiziabilität allen staatlichen Handelns verlangt und einer dergestalten Hermeneutik nur eingeschränkt zugänglich ist. Doch lässt sich auch aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes eine generelle grundrechtliche Schutzpflicht des Staates ableiten. So folgert das Bundesverfassungsgericht eine umfassende staatliche Schutzpflicht zur Gewährung grundrechtlicher Freiheiten aus der Verpflichtung des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG579. Denn Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG Canaris, AcP 184 (1984), Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 152; S. 226 m.w.N.; Klein, NJW 1989, S. 1635f.. 578 Vgl. dazu Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 111, IV, 2.; Isensee, Grundrecht, Rn. 83. 579 Das Bundesverfassungsgericht drückt es in seinem Fristenlösungsurteil vom 25.2.1975 mit den folgenden Worten aus (BVerfGE 39, 1 [41]): „Die Pflicht des Staates, jedes menschliche Leben zu schützen, lässt sich deshalb bereits unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ableiten. Sie ergibt sich darüber hinaus auch aus der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG […]“. Es fährt fort, dass „nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts […] die Grundrechtsnormen nicht nur subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat [enthalten], sondern [dass] sie […] zugleich eine objektive Wertordnung [verkörperten], die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gibt[…]“. Zwar bezieht das Gericht seine Ausführung nur auf die staatliche Schutzpflicht dem ungeborenen Leben gegenüber, mithin dem Rechtsgut des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Dass es dabei allerdings davon ausgeht, dass der Schutzpflichtgedanke zur allgemeinen Grundrechtsdogmatik gehört und folglich auf alle Freiheitsrechte grundsätzlich Anwendung findet (so auch die ganz überwiegende Meinung in der Lehre, vgl. dazu Stern, Grundrechte, § 69, IV, 5, Fn. 264, mit zahlreichen Nachweisen. Ebenso Isensee, Grundrecht, Rn. 82; Stettner, Information, S. 364, Hesse, Rn. 350), ergibt sich ebenso aus dieser Entscheidung, wenn es ebenda fortfährt: „Die Schutzverpflichtung des Staates [gegenüber dem werdenden Leben] ist umfassend. […] Die Schutzverpflichtung des Staates muss um so ernster genommen werden, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsgutes innerhalb der Werteordnung des Grundgesetzes anzusetzen ist.“. Mit dieser Relativierung der staatlichen Schutzpflicht im letzten zitierten Satz wird klar, dass 577 127 verpflichtet den Staat - dem Abwehrcharakter der Grundrechte das Wort redend - nicht nur zur Achtung der Menschenwürde, darüber hinaus wird auch deren Schutz580 zur Pflicht allen staatlichen Handelns gemacht. Wenn aber schon die Würde des Menschen ein grundrechtliches Schutzgebot begründet, dann muss dies – argumentum a fortiori – auch und erst Recht für andere Freiheitsrechte gelten. Denn diese sind letztlich nichts anderes als die Konkretisierung dieser Menschenwürde, was sich aus Art. 1 Abs. 2 GG ergibt581. Nach diesem Verständnis der Grundrechte ergibt sich aus diesen die unmittelbare Pflicht des Staates, ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut vorliegend dasjenige der Informationsfreiheit - vor rechtswidrigen Verletzungen und Gefährdungen durch Private zu bewahren582. Von der inhaltlichen Reichweite her entspricht dabei der grundrechtliche Schutzauftrag grundsätzlich demjenigen, welchen die abwehrrechtliche Seite der Grundrechte auszeichnet583, da es für die Gewährleistung grundrechtlich verbürgter Freiheiten unerheblich ist, ob sich die Beeinträchtigung von staatlicher oder aber von privater Seite her ergibt. 2. Ausgestaltung der Schutzpflicht Wenn nach dem Schutzverpflichtung vorherigen des Staates Abschnitt auch für eine den grundsätzliche Bereich der Informationsfreiheit bejaht werden muss, so ist damit nur ausgesagt, dass eine solche Schutzpflicht grundsätzlich bestehen kann, nicht aber wie diese Schutzpflicht konkret umgesetzt werden soll584. Das Grundgesetz lässt das Bundesverfassungsgericht - ohne dies ausdrücklich auszusprechen - davon ausgeht, dass die grundrechtliche Schutzverpflichtung des Staates auch außerhalb des Schutzgutes des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG besteht. Dazu auch Canaris, AcP 184 (1984), S. 226. 580 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 1, Rn. 37. 581 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 1, Rn. 107; Canaris, a.a.O., m.w.N.; kritisch zu dieser Deutung Maunz/Dürig – Herdegen, Art. 1 Abs. 1, Rn. 19. 582 Hesse, Rn. 350. 583 Isensee, Grundrecht, Rn. 93. 584 Stern, Grundrechte, § 69, IV, 6. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 49, 89 [142]): Es bestehen demnach „verfassungsrechtliche Schutzpflichten […], die es gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, dass auch die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt. Ob, wann und mit welchem Inhalt sich eine solche Ausgestaltung von Verfassungswegen gebietet, hängt von der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab.“. 128 hinsichtlich der Art und Weise der Verwirklichung von grundrechtlichen Schutzpflichten konkrete Vorgaben vermissen585. a) Adressat einer Schutzpflicht Adressat der grundrechtlichen Schutzverpflichtung ist die grundrechtsgebundene Staatsgewalt in all ihren Erscheinungsformen. Dabei kommt der Legislative gegenüber den zwei anderen Staatsgewalten im Falle der Grundrechtsgewährleistung vor Übergriffen Privater der Primat zu. Denn nur die Privatrechtsordnung bindet die Privaten als unmittelbar geltendes Recht (einer unmittelbaren Bindung der Grundrechte sind Private nicht unterworfen586; anders Exekutive und Judikative, welche bereits aus Art. 1 Abs. 3 GG eine unmittelbare Bindung an die Grundrechte erfahren), ist also am effektivsten in der Lage, den angestrebten Grundrechtsschutz zu verwirklichen. Daher kommt der Ausgestaltung des Privatrechts im Bereich der grundrechtlichen Schutzverpflichtung des Staates die Vorrangrolle zu587. b) Inhaltliche Anforderungen einer Schutzpflicht Weiter stellt sich die Frage, wie, d.h. nach welchen Kriterien, der Gesetzgeber einen solchen verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsauftrag zu erfüllen hat588. Im Rahmen einer gesetzlichen Ausgestaltung der Urheber- und Werknutzerrechte für den Fall privater Vervielfältigungstätigkeit, steht der Eingriff in die Informationsfreiheit der Werknutzer ebenso zu befürchten wie derjenige in die grundrechtlich geschützte Position der Urheber als geistigen Eigentümern urheberrechtlich geschützter Werke. Im Falle von Grundrechtskollisionen, in denen der Schutz des einen Grundrechtsträgers die Belastung des anderen Grundrechtsträgers zwingend zur Folge hat, soll nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine Abwägung der verschiedenen betroffenen Grundrechtspositionen unter Beachtung des 585 Stern, Grundrechte, a.a.O.; Hesse, Rn. 350; Hain, DVBl. 1993, S. 982. Vgl. dazu bspw. Hesse, Rn. 352, 355. 587 In diesem Sinne auch Isensee, Grundrecht, Rn. 90; Canaris, AcP 184 (1984), S. 227; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 152. 588 Grundlegend dazu Isensee, Grundrecht, Rn. 86ff.; Stern, Grundrechte, § 76, IV. 6.. 586 129 Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen589. Diese methodische Vorgehensweise, welche das Gericht im Rahmen der zitierten Entscheidung bezüglich des strafrechtlichen grundrechtlichen Schutzes Schutzauftrags ungeborenen im Lebens Bereich des verfolgt, ist konsequenterweise auch für die Ausgestaltung des privatrechtlichen Schutzes grundrechtlicher Schutzgüter anzuwenden590. Denn wenn man, wie bereits dargestellt591, von der grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Grundrechte als Abwehrrecht wie auch als Schutzpflicht ausgeht, dann ist die Aufgabe des grundrechtlichen Schutzes in beiden Fällen insoweit identisch, als diese die Freiheitsrechte der Beteiligten zur optimalen Entfaltung bringen sollen, den Wertvorstellungen der grundgesetzlichen Ordnung entsprechend592. Dieses „Entfaltungsoptimum“ lässt sich aber nur erreichen, wenn zum einen alle betroffenen, grundrechtlich geschützten Interessen593 Berücksichtigung finden können – was eine Abwägung als Prozess der Interessenfindung erforderlich macht. Zum anderen müssen die beteiligten Interessen ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung im Einzelfall zueinander entsprechend in Bezug gesetzt und gewichtet werden können – was die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewährleisten soll. Dass es dabei kein durch das Grundgesetz von vorneherein festgelegtes, bestimmtes Ergebnis geben kann, liegt in der Natur der Sache. Stattdessen ist dem Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung des zu findenden Kompromisses zwischen der Verwirklichung verschiedener Freiheitsrechte 589 Vgl. BVerfGE 88, 203 (255f.); 39, 1 (43): Beide Urteile betreffen den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag des Gesetzgebers im Rahmen der Strafgesetzgebung. 590 In diesem Sinne auch Hesse, Rn. 350, 355; Stettner, Information, S. 364f.; Isensee, Grundrecht, Rn. 89f.; letztlich auch Canaris, AcP 184 (1984), 228, der in dieser Hinsicht ein sog. „Untermaßverbot“ aufstellt, welches mit dem verfassungsrechtlich anerkannten Übermaßverbot gleichsam als Gegengewicht korrespondieren soll. Dabei wird aber übersehen, dass die Anforderungen des Übermaßverbots alleine schon den Bedingungen dieses „Untermaßverbots“ genügen. Denn mit der Bejahung einer im Einzelfall zu prüfenden grundsätzlichen Schutzpflicht ist diesem „Untermaßgebot“ schon hinreichend nachgekommen, da es im Rahmen der verhältnismäßigen Abwägung dem Gesetzgeber dann nicht mehr erlaubt ist, einseitig die Interessen des einen oder anderen Grundrechtsinhabers zu bevorzugen. Vgl. zur Kritik auch Hain, DVBl. 1993, S. 983f.. 591 Vgl. oben unter 1.. 592 Vgl. Hesse, Rn. 317f.. 593 Denn die Freiheitsausübung des einen ist in aller Regel die Freiheitsbeeinträchtigung des anderen. 130 ein Spielraum, nämlich das gesetzgeberische Ermessen594 gegeben. Innerhalb dessen sind aber freilich die Regeln des Grundgesetzes zu beachten, ohne dass diese dabei das Ergebnis von vorneherein festlegen würden. 3. Schutzpflicht des Gesetzgebers für den Fall privater Vervielfältigungstätigkeit? Ungeklärt ist freilich noch, ob für den Fall der hier zu untersuchenden privaten Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlich geschützter Werke überhaupt eine solche Schutzpflicht angenommen werden kann 595. Zu fragen ist also, ob die Informationsfreiheit der Werknutzer den Gesetzgeber zwingend zum regelnden Eingreifen in das privatrechtliche Verhältnis zwischen dem privat Vervielfältigenden und dem betroffenen Urheber auffordert. Die Tatsache, dass der zu regelnde Lebenssachverhalt - hier das „ob“ und „wie“ der privaten Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke - die Informationsfreiheit bloß in irgend einer Weise berührt, reicht für die Annahme einer entsprechenden Schutzpflicht nämlich nicht aus. Eine solche kann nur angenommen werden, wenn durch das zu regelnde Verhalten eine Beeinträchtigung der Informationsfreiheit drohte, welche diese in ihrem Kernbereich berührt und angesichts des Ranges der Informationsfreiheit im Kontext mit den betroffenen Rechtsgütern des Urhebers ein Zurücktreten der Informationsfreiheit nicht mehr der verfassungsrechtlichen Wertordnung entspräche596. Für die Frage des „Ob“ einer grundrechtlichen Schutzpflicht ist also die konkrete Schutzbedürftigkeit der Informationsfreiheit des Werknutzers für den Fall privater Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke 594 Vgl. dazu Hain, DVBl. 1993, S. 982f.;Klein, NJW 1989, S. 1636f.; Isensee, Grundrecht, Rn. 90; BVerfGE 46, 160 (164f.); 79, 174 (202). 595 Eine solche bejaht Hohagen, S. 289, 607, allerdings ohne weitere Begründung. In diesem Sinne auch Kröger, S. 202ff; Hoeren, Verbraucherschutz, S. 23; ohne Bezug auf die Vervielfältigungsfreiheit auch Stettner, Information, S. 365f.; offen gelassen bei Geiger, Beschränkungen, S. 146ff.; ablehnend hingegen Berger, ZUM 2004, S. 264f.; Ulmer-Eilfort, S. 286f.. 596 An dieser zuzugebenden Normativität und damit Unbestimmtheit des Maßstabs verfassungsrechtlicher Schutzpflichten entzündet sich die Kritik bei Stettner, Information, S. 365. 131 maßgeblich597. Die Antwort auf diese Frage hängt ab598 a) von der Stellung der Informationsfreiheit im Gesamtgefüge des hier zu betrachtenden verfassungsrechtlichen Kontexts, b) von der Qualität der potentiellen Gefährdung der Informationsfreiheit sowie c) von den eigenen Möglichkeiten des Werknutzers zur Abhilfe des zu befürchtenden Grundrechtseingriff. a) Stellung der Informationsfreiheit im verfassungsrechtlichen Gesamtkontext Ausgangspunkt für die Einordnung der Informationsfreiheit in den vorliegend zu beurteilenden verfassungsrechtlichen Gesamtkontext ist der Standort der Informationsfreiheit des Werknutzers gegenüber dem verfassungsrechtlichen Schutz geistigen Eigentums im Falle privater Vervielfältigungstätigkeit599. Wie oben bereits ausgeführt, verfolgt die Gewährleistung der Informationsfreiheit zwei gleichrangig nebeneinander angeordnete Ziele: So soll durch die tatsächliche Herstellung hinreichender Informationsvielfalt 600 die individuelle wie die kollektive Meinungsbildung gleichermaßen gewährleistet werden601. Während letztere Zielvorstellung unbedingte Voraussetzung für ein funktionierendes, pluralistisch fundiertes und demokratisch legitimiertes Gemeinwesen ist602, schafft die erstgenannte Zielvorstellung eine wesentliche Grundlage persönlicher Freiheitsentfaltung 597 Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 90; in diesem Sinne auch Lerche, JURA 1995, S. 562. Die Einteilung folgt Isensee, Grundrecht, a.a.O.; auch das Bundesverfassungsgericht legt einen vergleichbaren Maßstab an, wenn es einen grundrechtlichen Schutzauftrag des Gesetzgebers von „der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts sowie von den schon vorhandenen Regelungen“ abhängig macht, vgl. BVerfGE 49, 89 (142). 599 So auch der Ansatz bei Kröger, S. 10; wesentliche Bedeutung misst auch das Bundesverfassungsgericht dem Rang des jeweils zu schützenden Rechtsguts bei, wenn es in BVerfGE 39, 1 (42) formuliert: „Die Schutzverpflichtung des Staates muss um so ernster genommen werden, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsgutes innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes anzusetzen ist.“. 600 Vgl. Lerche, JURA 1995, S. 561 m.w.N.. 601 Exemplarisch BVerfGE 57, 295 (319). 602 Vgl. Kröger, S. 189f.; ebenso BVerfGE 27, 71 (81f.). 598 132 in gesellschaftlicher, politischer und in zunehmendem Maße auch in wirtschaftlicher Hinsicht603. aa) Bedeutungswandel der Informationsfreiheit Vor diesen Zielsetzungen der Informationsfreiheit hat der Bedeutungswandel, den das Rechtsgut „Information“ in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat und die parallel damit einhergehenden Verschiebungen im gesellschaftlich-strukturellen Informationsgefüge wesentlich dazu beigetragen, dass der Informationsfreiheit ein höherer Stellenwert eingeräumt werden muss, als dies vor Anbruch des „Informationszeitalters“ der Fall war604. Der Bedeutungswandel, der an dieser Stelle für die verfassungsrechtliche Stellung der Informationsfreiheit postuliert werden soll, ist im Wesentlichen auf zwei zeitgleich erfolgende gesellschaftliche Entwicklungen zurückzuführen: Dies ist zum einen die ständig zunehmende Bedeutung der Ware „Information“ in unserer postindustriellen Wissensgesellschaft605. Die Kategorisierung der Information als „Rohstoff“ oder „Produktionsfaktor“606 lässt die vielfache Abhängigkeit und Verflechtung des Individuums als Subjekt der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes von eben dieser Ware deutlich hervortreten. Hiermit korrespondiert zwangsläufig der Bedeutungszuwachs, welchen die Information auch für Gesellschaft, Wirtschaft und das Staatswesen selbst hat607. Die sich hieraus ergebende zunehmende Informationsabhängigkeit des Einzelnen, der Gesellschaft, der Wirtschaft wie auch des Staates hat die Ausbildung einer Qualität der 603 Vgl. Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 249f.; deutlich auch BT-Drucksache XIII/4000, S. 15: „Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken lösen nach allgemeiner Einschätzung einen technisch-wirtschaftlichen Wandel aus, der in Ausmaß und Folgewirkungen mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft zu vergleichen ist.“. 604 Schon Sieber, NJW 1989, S. 2570 m.w.N., spricht vom epochalen Wandel, welche der Aufzug der Informationstechnologie mit sich bringe und zieht einen Vergleich mit industriellen Revolution seit Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Industrialisierung die Ersetzung menschlicher Muskelkraft durch Maschinen mit sich brachte. 605 Eine ausführliche Analyse dieses Befundes bietet Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 179ff.. 606 Vgl. Schoch, a.a.O., Fn. 34; BT-Drucksache XIII/4000, S. 16. 607 Dazu Schoch, a.a.O., S. 179; Langer, Informationsfreiheit, S. 124f.; mit weiterführenden Hinweisen auch Sieber, NJW 1989, S. 2571. 133 Information zur Folge, welche bislang kaum berücksichtig wurde. Nämlich die Qualität des Gutes „Information“ als Einfluss- und Machtfaktor608. Mit diesem gleichsam abstrakten Bedeutungszuwachses des Rechtsguts „Information“ geht die zweite gesellschaftliche Entwicklungsschiene im Bereich des gesellschaftlichen Informationsgefüges einher und führt somit auch zu dessen konkreten Bedeutungsgewinn. So verschiebt sich nämlich die Verfügungsbefugnis über Quellen und Zugänge zu Informationen zunehmend aus dem öffentlichen in den privaten Sektor609; verstärkt und qualitativ verändert wird diese Entwicklung noch durch eine zunehmende Konzentration der privatwirtschaftliche Kräfte auf dem Informationsmarkt610, was zwangsläufig zur Monopolisierung von Information und Informationsquellen in privater Hand führt. Als Ergebnis dieser gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist festzuhalten: Während das Verfassungsgut „Information“ auf der einen Seite einen weitgehenden Bedeutungszuwachs für den einzelnen Grundrechtsinhaber zu verzeichnen hat, ist auf der anderen Seite festzustellen, dass dieses Verfassungsgut zunehmend der Hand der Öffentlichkeit entgleitet und der Griff einzelner Privater nach der Ware „Information“ immer fester wird 611. bb) Verfassungsrechtliche Konsequenzen Die verfassungsrechtliche Konsequenz, die sich hieraus ergeben muss, ist die folgende: Im Rahmen eines gesellschaftlichen Wandels hin zur Informationsgesellschaft, erlangt die Informationsfreiheit im Gesamtgefüge der grundrechtlich geschützten Freiheiten an zunehmender Bedeutung für den einzelnen, sowohl in ihrer kollektiv-rechtlichen Ausgestaltung wie vor allem aber auch in ihrer individual-rechtlichen Funktion. Diesem Aufwertungsprozess durch die tatsächliche Entwicklung steht gleichsam diametral gegenüber die zunehmend erschwerte Gewährleistungsmöglichkeit dieser Freiheit durch einen Staat, der sich 608 Vgl. Vogel, VVDStRL 48 (1990), S. 302f.; Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 180; in diesem Sinne auch Lerche, JURA 1995, S. 564; Sieber, NJW 1989, S. 2570f.. 609 Schoch, VVDStRL 57 (1995), S. 172f., 180 je m.w.N.. 610 Nachweis bei Schoch, VVDStRL 57 (1995), S. 173; Weber, R., Medienkonzentration, S. 55ff.; für den Bereich des Rundfunks BT-Drucksache XIII/6000, S. 19ff.. 611 In diesem Sinne auch Kröger, S. 201. 134 immer weiter aus dem Bereich der Informationssammlung und -verbreitung zurückzieht. Verfassungsrechtlich zugespitzt formuliert bedeutet diese Entwicklung: Je höher das Schutzgut „Informationsfreiheit“ auf der verfassungsrechtlichen Wertigkeitsskala nach oben steigt, desto weniger ist der Staat in der Lage, dieses Schutzgut auch zu gewährleisten. Dass es allerdings durch eine faktische Entwicklung nicht zu einer Aushöhlung grundrechtlich verbürgter Freiheiten kommen darf, muss nicht näher erörtert werden. Die Konsequenz, die sich hieraus für die Verfassungsinterpretation ergibt, liegt auf der Hand: Neben einer Aufwertung der Informationsfreiheit im grundrechtlichen Wertekanon 612, ist auch eine qualitative Neubewertung dieses Grundrechts erforderlich. So muss mit dem Rückzug der öffentlichen Hand vor dem Hintergrund des immer weiter steigenden Bedeutungszuwachses der Informationsfreiheit eine Verschiebung des staatlichen Gewährleistungsauftrags hinsichtlich der grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechte korrespondieren: Weg von der bloßen Betrachtung der Informationsfreiheit als Abwehrrecht gegen den Staat, hin zu einer stärkeren Betonung des staatlichen Schutzauftrags, dem immer stärker werdenden Bedeutungszuwachs der Informationsfreiheit für den Grundrechtsinhaber folgend613. b) Qualität der potentiellen Gefährdung der Informationsfreiheit Es wurde oben bereits angedeutet, dass nicht allein die bloße Berührung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit durch Private eine grundrechtliche Schutzpflicht des Staates im Wege entsprechender Gesetzgebung auszulösen vermag614. Schutzpflichtbegründend kann nur 612 Auch in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erfährt die Informationsfreiheit (ebenso wie die Meinungs- und Pressefreiheit) eine gewisse Vorzugsstellung; vgl. dazu BVerfGE 7, 198 (208); 12, 113 (125ff.); 20, 162 (176f.); 35, 202 (223); 62, 230 (247); 69, 315 (344f.); 71, 206 (219); 76, 196 (208f.); 82, 43 (51); 82, 272 (280); 85, 1 (16).. 613 In diesem Sinne auch Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 190; auch Lerche, Auslandsoffenheit, S. 734; in dieselbe Richtung geht Stettner, Information, S. 358, wenn er in den Raum stellt, dass zu überlegen sei, ob und wie die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft hinsichtlich der Verfügung von Informationen im Hinblick auf die demokratische und sozialstaatliche Prägung des Gemeinwesens zu verhindern sei. Auch Sieber, NJW 1989, S. 2571f, 2575., spricht bereits von der Information als „neues […] Verfassungsgut“ und redet einer neuen „Verteilungsgerechtigkeit“ der Information auch in Form von Normierung von Ansprüchen auf Information das Wort. 614 Isensee, Grundrecht, Rn. 107, m.w.N.. 135 der Eingriff sein, der mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist, denn der Gesetzgeber unterliegt nur dem Verfassungs-, nicht aber dem Gesetzesvorbehalt615. aa) Wesensgehaltsgarantie als Schutzpflicht auslösendes Moment (a) Gebot des neminem laedere als auslösendes Moment Zur Lösung der Frage, ab welcher Eingriffsintensität in grundrechtlich geschützte Freiheiten durch Private nun eine korrespondierende Schutzpflicht des Gesetzgebers ausgelöst werden könne, wird der Versuch unternommen, das Gebot des neminem laedere616 als apriorisches, formales Prinzip der Gerechtigkeit zur Begründung des auslösenden Moments heranzuziehen617. Doch sieht sich dieser Ansatz in zweifacher Hinsicht der Kritik ausgesetzt: Zum einen618 bezieht sich dieses Gebot eben nicht auf die Beachtung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter Dritter im Verhältnis unter Privaten zueinander, da die Grundrechte keine unmittelbare Grundrechtsbindung der Privaten bewirken. Zum anderen scheint m. E. dieser Ansatz zu unbestimmt um abzugrenzen, wann eine nur unbeachtliche Berührung des Schutzbereichs und wann ein Schutzpflicht begründender Eingriff durch Private vorliegt, da er letztlich nur die Begrifflichkeiten der Ausgangsfragestellung - welche Art des Eingriff in die Informationsfreiheit löst tatsächlich eine gesetzgeberische Schutzpflicht aus - verschiebt, ohne sie zu lösen. (b) Eigener Lösungsansatz Ein alternativer, eigener Lösungsansatz dieser Abgrenzungsfrage mag in der bereits an anderer Stelle bewährten Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG liegen. Diesem Ansatz zufolge, begründet der Wesensgehalt 615 Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 99f.. Zu dessen römisch Quellen, Schiemann, JuS 1989, S. 345ff.. 617 So Isensee, Grundrechte, Rn. 103f.. 618 So auch Isensee, a.a.O., Rn. 103. 616 136 diejenige Schwelle, deren Überschreiten durch einen privaten Dritten den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag des Gesetzgebers zur Wahrung grundrechtlich verbürgter Freiheiten auslöst. Begründen lässt sich dieser Ansatz wie folgt: Wenn die Wesensgehaltsgarantie eine absolute619, jedenfalls aber die am schwersten zu überwindende verfassungsrechtliche Grenze für staatliche Eingriffe in Grundrechte zieht, dann muss dies im Falle privater Eingriffe in grundrechtlich geschützte Freiheiten die bereits bejahte grundsätzliche Schutzpflicht des Gesetzgebers auf den Plan rufen620. Die Grenze, die Art. 19 Abs. 2 GG im funktionellen Bereich der Grundrechte als Abwehrrechte unmittelbar zu Lasten des Staates zieht, kann im Bereich der Funktion der Grundrechte als staatliche Schutzpflicht nur dann Geltung beanspruchen, wenn sie an das Überschreiten dieser Grenze durch Private einen gesetzgeberischen Regelungsauftrag knüpft. Denn der Private ist keiner unmittelbaren Grundrechtsbindung unterworfen, folglich auch nicht der Wesensgehaltsgarantie. Der dem Schutzgebotsgedanken der Grundrechte entspringende gesetzgeberische Grundrechtsgewährleistungsauftrag621 kann aber nur dann effektiv gewährleistet werden, wenn das Grundgesetz eine konkrete Grenzlinie vorgibt, deren Überschreiten durch Private den ausgleichend regelnden Gesetzgeber zwingend auf den Plan ruft. Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG kennzeichnet im funktionalen Bereich der Grundrechte als gesetzgeberische Schutzgebote demnach das auslösende Moment für den gesetzgeberischen Regelungsauftrag zum verhältnismäßigen Ausgleich der betroffenen grundrechtlich geschützten Interessen622. Die Gewährleistungsfunktion der Wesensgehaltsgarantie im Hinblick auf den wesentlichen Bestand der Grundrechtsordnung bedingt also im Bereich von Grundrechtskollisionen infolge privater 619 Bereits über die Einordnung als absolute oder nur relative Schrankennorm gehen die Meinungen auseinander, vgl. Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 19 I – III, Rn. 53; Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, III, 2, a), α). 620 Hierbei wird nur die Frage beantwortet, ob überhaupt eine Pflicht des Gesetzgebers zum Tätigwerden besteht. Wie er dieser Pflicht dann im Einzelfall nachzukommen hat, ergibt sich bereits aus den Ausführungen oben unter 2. b). 621 Dazu oben unter 1.. 622 In diesem Sinne letztlich auch Mangoldt/Klein/Starck – Huber, Art. 19, Rn. 132; Münch/Kunig – Krebs, Art. 19, Rn. 26; Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 19 I – III, Rn. 60; so wohl auch Klein, NJW 1989, S. 1638. 137 Grundrechtsausübung deren zwingende Auflösung durch den Privatrecht kodifizierenden Gesetzgeber. bb) Drohender Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit? Es stellt sich somit die Frage, ob im Rahmen der rechtlichen oder tatsächlichen Ausgestaltung privater Vervielfältigungsfreiheit ein Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit der Werknutzer durch die Urheber überhaupt denkbar ist. Nur in diesem Falle ergibt sich nach dem Ausgeführten die Lebenssachverhalt Pflicht zum des Gesetzgebers Zwecke der regelnd in diesen Berücksichtigung der Informationsfreiheit einzugreifen. (a) Wesensgehalt der Informationsfreiheit Zweckmäßigerweise ist zur Beurteilung dieser Frage zunächst zu klären, was den Wesensgehalt der Informationsfreiheit eigentlich ausmacht. Art. 19 Abs. 2 GG dient der materiellen Sicherung der Grundrechte und soll diese vor der Schutzbereichs Aushöhlung eines bewahren623. Grundrechts und Jede jede Beschränkung Relativierung des seines Garantiegehalts muss sich an dieser Schranke messen lassen624. Über die inhaltliche Reichweite der Wesensgehaltsgarantie besteht keine Einigkeit, was schon angesichts der vagen Begrifflichkeit des „Wesens“625 der Grundrechte nicht weiter erstaunt626. Es soll auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht versucht werden, diese Frage einer Klärung zuzuführen, da sie für den Untersuchungsgegenstand ohne Belang ist. Mangoldt/Klein/Starck – Huber, Art. 19, Rn. 112. Vgl. dazu Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, II: Mit dieser Vorschrift sollte nach dem Willen der Verfassungsväter ein „Leerlaufen“ der Grundrechte, also die Durchbrechung und Aushöhlung der Grundrechte durch den Gesetzgeber, wie dies unter Geltung der Weimarer Reichsverfassung bekannt war, verhindert werden. 625 Vgl. dazu den häufig angeführten Satz Luhmanns „Das Wesen des Wesens ist unbekannt.“, zitiert nach Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 29, Fn. 106; Mangoldt/Klein/Starck – Huber, Art. 19, Rn. 138, Fn. 78. 626 Eine Übersicht über den derzeitigen Stand der Diskussion gibt Mangoldt/Klein/Starck – Huber, Art. 19, Rn. 138ff.; Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, III, 2, c); fundiert auch Maunz/Dürig – Maunz, Art. 19 Abs. II, Rn. 6ff.. 623 624 138 Weitgehend Einigkeit besteht indes dahingehend, dass die Bestimmung des Wesensgehalts für jedes Grundrecht gesondert vorzunehmen ist, es also einen jeweils grundrechtsspezifischen Wesensgehalt gibt627. Der Wesensgehalt des jeweiligen Grundrechts mag umschrieben werden mit den Begriffen Kernbestandteil, Substanz oder typusbestimmender Teil628. Kurz: Der Wesengehalt bezeichnet die für das jeweilige Grundrecht typischen Züge, seine charakteristischen Besonderheiten, diejenigen Merkmale, bei deren Fehlen es nicht mehr gerechtfertigt ist, von einem Grundrecht dieses Namens und Typs zu sprechen629. Diese identitätsbegründenden Merkmale wiederum lassen sich nicht abstrakt festlegen, sondern wollen für jedes Grundrecht gesondert ermittelt werden. Dabei spielen eine Reihe verschiedener Faktoren eine Rolle, welche über das sonst übliche juristische Auslegungsinstrumentarium hinausgehen630. So sind neben dem Telos einer Grundrechtsnorm auch deren geschichtlich-soziale Verankerung631, deren historische Entwicklung sowie ihr Rang und ihre jeweilige Funktion im grundrechtlichen Gesamtgefüge 632 von ausschlaggebender Bedeutung. (b) Gefährdung des Wesensgehalts der Informationsfreiheit Im Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit privater Werke stellt sich die Gefährdung633 des Wesensgehalts der Informationsfreiheit der Werknutzer durch den Urheber wie folgt dar: In konsequenter Fortführung der verfassungsrechtlichen Einordnung des urheberrechtlich geschützten Werkes als geistiges Eigentum im Sinne des Art. 14 GG gestaltet das geltende Urheberrecht das Recht des Urhebers an seinem Werk grundsätzlich als absolutes Ausschließlichkeitsrecht634 aus. 627 Vgl. BVerfGE 22, 180 (219); Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 29. So Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, III, 2, c), γ), αα). 629 Stern, a.a.O.. 630 Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 19 I – III, Rn. 58. 631 Lerche, Grundrechte, Rn. 32. 632 Vgl. BVerfGE 1, 167 (178). 633 Es ist an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass es für die Annahme einer grundrechtlichen Schutzpflicht lediglich auf das abstrakte Gefährdungspotenzial des denkbaren Grundrechtseingriffs von Seiten Privater ankommt. Dabei sind alle nur denkbaren Gefährdungstatbestände mit in die Überlegung einzubeziehen. Vgl. Klein, NJW 1989, S. 1637; BVerfGE 49, 89 (142). 634 Schricker – Schricker, Einl., Rn. 18. 628 139 Die damit verbundene rechtliche Herrschaft über das Werk verschafft dem Urheber die Möglichkeit, Dritte von jeder Art der Einwirkung auf dieses Recht auszuschließen635. Auf den zu privaten Zwecken Vervielfältigenden gewendet bedeutet dies: Wenn der Gesetzgeber keine Regelung schafft, welche dem Werknutzer die private Vervielfältigung ausdrücklich erlaubt, dann steht es dem Urheber jederzeit zu, diese Tätigkeit dem Werknutzer in Gänze zu verbieten. Eine uneingeschränkte Ausgestaltung des Vervielfältigungsrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht zugunsten des Urhebers machte die Ausübung von Informationsfreiheit durch den Werknutzer also unmöglich. Diese rechtliche Gefährdungslage wird ergänzt durch die tatsächliche Gefährdung der Informationsfreiheit der Werknutzer durch die dem Urheber zum Schutze seiner Werke zur Verfügung stehenden technischen Mittel636. Diese ermöglichen es dem Urheber seine Werke vor jeglicher Vervielfältigung mittels Kopierschutzmechanismen etc. mehr oder minder effektiv zu schützen, mit der Konsequenz, dass jedenfalls dem technisch nicht besonders versierten Werknutzer jede Vervielfältigung unmöglich gemacht wird637. Ohne entsprechende gesetzgeberische Tätigkeit kann der Urheber dem Werknutzer jede private Vervielfältigung demnach rechtlich untersagen wie auch tatsächlich verhindern. Nach dem oben unter (a) ausgeführten muss diese rechtliche wie tatsächliche Ausschließungsmöglichkeit der Urheber zu Lasten der Werknutzer als denkbarer Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit behandelt werden. Dieser Schluss ergibt sich vor dem Hintergrund der gesteigerten verfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der Information anhand zweier Überlegungen. Zum einen macht es die zunehmende Dichte und Komplexität von Information zunehmend erforderlich, diese zu privaten Zwecken zu vervielfältigen, da der einmalige rezeptive Werkgenuss bei weitem nicht Vgl. Schricker – Schricker, Einl. Rn. 19. Hierzu Geiger, Beschränkungen, 155f.; Ulmer-Eilfort, S. 285. 637 Vgl. bspw. bereits BT – Drucksache XIV/3972, S. 12: „Aus der Sicht des Urheberrechtsschutzes bringt die Digitaltechnologie einen grundlegenden Vorteil: Private Vervielfältigungen können zur Kontrolle oder Vergütungsabrechnung durch entsprechende Vorrichtungen erfasst, beschränkt oder auch ausgeschlossen werden.“. 635 636 140 mehr für die adäquate Verarbeitung der nämlichen Information ausreicht. Auch steigen mit der Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft die Anforderungen an den Einzelnen hinsichtlich seiner persönlichen Mobilität638, was ihn seinerseits in erhöhtem Maße von der Ubiquität der Informationserlangung639 abhängig macht. Zum zweiten bringt es die technische Entwicklung zunehmend mit sich, dass die Vervielfältigung zur zwingenden Voraussetzung auch für den bloß rezeptiven Werkgenuss wird640. Weiterhin ist zu bedenken, dass es in Zukunft zu einer zunehmenden Entkopplung von urheberrechtlichem Werk und physikalischem Werkstück kommen wird641. Wenn aber die Verbreitung physikalischer Werkstücke abnimmt, dann erlangt die Möglichkeit der Speicherung der flüchtigen unkörperlichen Werkinformation (und damit die Vervielfältigung des Werkes) immer größerer Relevanz. Denn der Werkgenuss setzt damit nicht mehr die Verfügungsmacht über das urheberrechtliche Werkstück voraus, sondern auch und vor allem die Herrschaft über ein bestimmtes (funktionsfähiges) Wiedergabegerät. Um dem Werknutzer in diesen Fällen aber den Werkgenuss nachhaltig zu ermöglichen und zu sichern, muss ihm auch die Möglichkeit eingeräumt werden, den Werkinhalt von dem einem auf das andere Wiedergabegerät oder auf ein haptisches Werkstück zu überspielen (also zu vervielfältigen), Dazu grundlegend Bericht der Bundesregierung, Info 2000 – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, BT – Drucksache, XIII/4000. Vgl. bspw. S. 19 ebenda: „Im Zuge dieser Entwicklung [dem Wandel zur Informationsgesellschaft] werden sich voraussichtlich auch die Arbeits- und Produktionsbedingungen wandeln. Vor allem die Möglichkeiten der Telekooperation unterstützen die räumliche und zeitliche Trennung sowie die Dezentralisierung von Arbeits- und Produktionsprozessen.“. 639 Voraussetzung zur Erreichung dieser Ubiquität von Informationserlangung ist deren Vervielfältigung. 640 Diese Feststellung ist notwendige Folge der durch die Digitalisierung erzielten Übermittlung von Werkinhalten auf unkörperlichem Wege. Da aber nur die verkörperte Information den menschlichen Sinnen wahrnehmbar ist, müssen diese unkörperlichen Informationen zu einem sinnlich wahrnehmbaren Werk „verkörpert“ werden, was jedenfalls deren einmalige (jede Form der Verkörperung eines urheberrechtlichen Werkes - und sei es ihre erstmalige, wie sich im Umkehrschluss aus § 53 Abs. 7 UrhG ergibt - stellt eine Vervielfältigung im urheberrechtlichen Sinne dar, vgl. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 13) Vervielfältigung erforderlich macht. Vgl. zu dieser grundsätzlichen technisch bedingten „Verschiebung“ der Vervielfältigung in der Vermittlungskette urheberrechtlicher Werke, Schaefer, Vervielfältigungsrecht, S. 193f.. Dieser folgert, a.a.O., S. 202, hieraus, dass die Privatkopie sei (auch im digitalen Bereich) ganzheitlich zu verbieten sei. 641 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Mai 2005, S. 33: „…noch sind die physischen Tonträger in der Überzahl. Aber schon in drei Jahren wird nach seriösen Schätzungen der Anteil nichtphysischer Tonträger fünfundzwanzig Prozent betragen, ein Jahr später jedes zweite Handy den geschilderten Bedürfnissen technisch gewachsen sein und entsprechend eingesetzt werden. Wer soll dann noch Tonträger kaufen […]?“ 638 141 wenn er beispielsweise ein Neugerät angeschafft hat oder das ursprüngliche Gerät einen technischen Defekt aufweist. Berücksichtigt man diese Bedeutung der Vervielfältigung gerade im digitalen Kontext, bleibt angesichts der fortschreitenden Digitalisierung des Informationsmarktes von der Informationsfreiheit des Einzelnen nicht viel übrig, wenn diesem die Vervielfältigung nicht ermöglicht wird. Denn die Vervielfältigung von Information ist angesichts der technischen Entwicklung wie auch des gesamtgesellschaftlichen Bedeutungswandels der Ware „Information“ zunehmend identisch mit der bloßen Aufnahme von Information. Es ist demnach davon auszugehen, dass faktische wie rechtliche Ausschließungsmöglichkeiten privater Vervielfältigungstätigkeit durch den Urheber die Informationsfreiheit der Werknutzer in ihrem Wesensgehalt berühren können. Wenn aber ein Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit zu befürchten steht, dann muss entsprechend den oben angestellten Gesetzgeber Überlegungen ein davon ausgegangen verfassungsrechtlicher werden, Schutzauftrag dass trifft, den diese Grundrechtskollision im Wege des verhältnismäßigen Schutzes aller betroffenen Grundrechte aufzulösen642. c) Abhilfemöglichkeiten der Werknutzer Letzte Voraussetzung für die positive Annahme einer grundrechtlichen Schutzpflicht im Rahmen privater Vervielfältigungsmöglichkeiten urheberrechtlich geschützter Werke ist die fehlende Abwehrmöglichkeit der Werknutzer, die drohenden Eingriffe in die ihnen zustehende Informationsfreiheit aus eigener Kraft abzuwenden643. Dies ist schon im Begriff einer „Schutzpflicht“ angelegt: Nur dort, wo überhaupt Schutz 642 Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilt, dann ist der Gesetzgeber nach wie vor verpflichtet, die Informationsfreiheit der Werknutzer als abwägungserhebliche Belange zu berücksichtigen. Denn die gesetzgeberische Ausgestaltung des Urheberrechts zum Zwecke der Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit fällt - wie oben unter Teil 2, B. gezeigt - unter den gesetzgeberischen Gestaltungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Der Verfassungsauftrag zur Ausgestaltung des Eigentums verlangt indes die Berücksichtigung aller verfassungsrechtlich berührten Belange im Rahmen der Findung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen geistigen Eigentums. 643 Isensee, Grundrecht, Rn. 90. 142 erforderlich ist, kann auch von einem entsprechenden Auftrag oder gar einer Pflicht die Rede sein. Die Bedrohung der Informationsfreiheit ergibt sich nach dem Ausgeführten auf zweierlei Ebenen: Informationsfreiheit Zum durch einen die die rechtliche Bedrohung (verfassungsrechtlich der notwendige) Ausgestaltung des Urheberrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht mit den damit verbundenen Konsequenzen644, zum anderen die faktische Bedrohung durch die Möglichkeiten der Urheber zum technischen Schutz ihrer Werke645. So mag die faktische Bedrohung der Informationsfreiheit durch technische Schutzmaßnahmen auf Seiten der Urheber für den ein oder anderen technisch versierten Werknutzer noch eine geringe sein, da er sich imstande sieht, durch entsprechende Fähigkeiten solche wie auch immer gearteten Schutzmechanismen zu umgehen. Was aber die rechtliche Bedrohung der Informationsfreiheit anbelangt, stehen auf Seiten der Werknutzer keinerlei Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung. Denn wenn das Urheberrecht auch in Bezug auf private Vervielfältigungstätigkeit als absolutes Ausschließlichkeitsrecht ausgestaltet wird, dann kann dessen Inhaber jeden Dritten nach eigenem Gutdünken von jeder Form der Einwirkung ausschließen646. Eigene Abwehrmöglichkeiten gegen den drohenden Eingriff in die Informationsfreiheit stehen dem Werknutzer also nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. d) Ergebnis Die Ausführungen haben gezeigt, dass dem Gesetzgeber angesichts der Gefahren, welche der Informationsfreiheit der Werknutzer je nach urheberrechtlicher Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit faktisch wie rechtlich drohen, eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht erwächst, in das privatrechtliche Verhältnis zwischen privat Vervielfältigenden und 644 Vgl. dazu oben unter bb) (b). Vgl. dazu oben unter bb) (b). 646 Schricker – Schricker, Einl., Rn. 19. 645 143 Urhebern regelnd einzugreifen. Auf welche Art er diesem Schutzauftrag nachzukommen hat, ist damit freilich noch nicht geklärt. IV. Zusammenfassung Der Schutzbereich der Informationsfreiheit ist zur Gewährleistung eines möglichst umfassenden Grundrechtsschutzes in einem weiten Sinne zu verstehen. „Allgemein zugängliche Quellen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 HS. 2 GG sind demnach auch solche, welche mit technischen Zugangssperren - seien dies Kopierschutzsysteme, DRM-Systeme oder andere - versehen sind. Für diese Einordnung ist auch nicht von Bedeutung, ob es sich um Informationsquellen aus staatlicher oder privater Hand handelt. Denn der Schutzbereich der Informationsfreiheit ist im Verhältnis der Bürger untereinander in demselben Sinne zu verstehen wie im Verhältnis des Bürgers zum Staat. Obwohl die Informationsfreiheit die „ungehinderte“ Informationserlangung des Einzelnen auch im reinen Privatrechtsverkehr garantieren soll, stellt dies die grundsätzliche Möglichkeit privater Informierender die Informationserlangung selbst kostenpflichtig auszugestalten nicht in Frage. Die Konsequenz, die sich für den privatrechtskodifizierenden Gesetzgeber für den Bereich der privaten Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke hieraus ergibt, ist die folgende: Den Grundrechten wohnt neben ihrem abwehrrechtlichen Charakter ein gleichrangiger Schutzauftrag inne, demzufolge der einfache Gesetzgeber verpflichtet ist, auch im Verhältnis der Privaten untereinander durch die Mittel des Privatrechts für eine bestmögliche Entfaltung grundrechtlich geschützter Freiheiten zu sorgen. Wo diese Freiheit durch Eingriffe von privater Hand zu einseitig gefährdet ist, muss der Gesetzgeber regelnd eingreifen. Das auslösende Moment für diesen grundrechtlichen Schutzauftrag bestimmt sich nach der Stellung des bedrohten Schutzobjekts im Gesamtgefüge der Verfassung, nach der Qualität des aktuellen Gefährdungspotentials durch den drohenden Eingriff von privater Seite sowie nach der Möglichkeit des Grundrechtsinhabers dieser Gefährdung 144 des ihm gewährten Freiheitsgrundrechts kraft eigener Bemühung Herr zu werden. Diese Schwelle ist für den Fall der Informationsfreiheit in Bezug auf die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zum privaten Gebrauch überschritten. Denn zum einen macht die technische und die damit einhergehende umwälzende gesellschaftliche Entwicklung im Bereich der Informationstechnik eine neue verfassungsrechtliche Bewertung des Schutzguts „Information“ und damit der Informationsfreiheit erforderlich. Ergänzt wird dieser Befund dadurch, dass durch die rechtlichen wie technischen Möglichkeiten der Urheber zum Schutz ihrer geistigen Werke ein Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit der Werknutzer zu befürchten steht. Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG bildet indes die Schwelle, deren Überschreiten durch die Freiheitsausübung Privater zulasten anderer den schutzgebotsverpflichteten Gesetzgeber zwingend auf den Plan ruft, um für einen verfassungsgemäßen Ausgleich der so kollidierenden verfassungsrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Privaten zu sorgen. Wenngleich an dieser Stelle also eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers zum Ausgleich zwischen den verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Urheber auf der einen und der Interessen der Werknutzer, wie sie sich aus der Informationsfreiheit ergeben, auf der anderen Seite bejaht werden muss, so gibt das Grundgesetz doch kein starres Ergebnis vor, wie dieser Ausgleich inhaltlich ausgestaltet werden müsse. Solange nur die verfassungsimmanenten Vorgaben einer verhältnismäßigen Abwägung zwischen den beteiligten verfassungsrechtlich relevanten Interessen beachtet werden, steht das konkrete Ergebnis dieses Abwägungsvorgangs im Ermessen des Gesetzgebers. B. Der Schutz der Schrankenbegünstigten durch den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre Inwieweit private Vervielfältigungstätigkeit und damit verbundene Urheberund Werknutzerpositionen überhaupt die Privatsphäre der Werknutzer 145 berühren können, erschließt sich nicht auf den ersten Blick 647. In der Tat lässt die bloße rechtliche Ausgestaltung von Urheberrechten - wie auch immer diese aussehen mag - die Privatsphäre zunächst unberührt. Hingegen sind es die aus der möglichen rechtlichen Ausgestaltung folgenden tatsächlichen Konsequenzen, welche die genauere Untersuchung des grundrechtlichen Schutzes der Privatsphäre des Werknutzers erforderlich machen. Im Bereich digitaler Werke werfen die technischen Möglichkeiten, welche das sog. „Digital Rights Management“ (kurz: DRM) dem Urheber bzw. Rechteinhaber zum Zwecke der elektronischen Erfassung und Speicherung privater Nutzungsvorgänge verfassungsrechtlichen bietet648, die Rechtfertigung der Frage damit nach der verbundenen Bedrohungen des grundrechtlich verbürgten Schutzes der Privatsphäre der Werknutzer auf649. Es soll im folgenden versucht werden, den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre der Werknutzer darzustellen, um sodann auf die von Seiten der Urheber (bzw. Rechteinhaber) drohenden Eingriffe in die Privatsphäre der Werknutzer einzugehen verfassungsrechtlichen und Konsequenzen die an sich den hieraus ergebenden Urhebergesetzgeber herauszuarbeiten. 647 So finden sich hierzu beispielsweise keine Ausführungen bei Geerlings, GRUR 2004, S. 207ff., ebenso wenig bei Lindhorst, S. 144ff., gleichwohl sich diese mit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der urheberrechtlichen Regelungen zur privaten Vervielfältigung befassen. 648 Überblick dazu bei Lindhorst, S. 35f.; Böhle, Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 2004, S. 98ff. (abrufbar unter www.itas.fzk.de/tatup/041/boeh04a.htm, abgerufen am 11.11.2004); Schippan, ZUM 2004, S. 189f.; Arlt, GRUR 2004, S. 548f.; umfassend Bechtold, Informationsrecht, S. 19ff.. 649 Vgl. bspw. Bygrave, S. 418: „This tension [between enforcement of intellectual property rights and the maintenance of consumer privacy] […] arises from a push by the holders of intellectual property rights (an their intermediaries) to secure their interests by utilising DRMS with the potential to facilitate an unprecedented degree of surveillance of consumers’ reading, listening, viewing and browsing habits.“; Hohagen, S. 298f.; vgl. weiter bspw. die Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 24.10.2002, welche zur Frage der Verwendung von DRM-Systemen zur Kontrolle privater Vervielfältigung Stellung bezieht (abrufbar unter http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/ detail.phd?id=79793&template=druck_presse am 11.11.2004): „Das gegenwärtig praktizierte Verfahren der Pauschalvergütung beruht darauf, dass der Bundesgerichtshof eine individuelle Überprüfung des Einsatzes analoger Kopiertechniken durch Privatpersonen zur Durchsetzung von urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen als unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der persönlichen Freiheitsrechte der Nutzerinnen und Nutzer bezeichnet hat. Diese Feststellung behält auch unter den Bedingungen der Digitaltechnik und des Internets ihre Berechtigung. Die Datenschutzkonferenz bestärkt den Gesetzgeber, an diesem bewährten datenschutzfreundlichen Verfahren festzuhalten.“. 146 I. Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre Die Privatsphäre als solche findet in den Grundrechten des Grundgesetzes keine ausdrückliche Berücksichtigung650. Stattdessen wird der Schutz der Privatsphäre dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entnommen651. Speziellen Schutz erfährt die Privatsphäre hingegen durch die Art. 10 und 13 GG652, auf die in der vorliegenden Untersuchung aber nicht weiter eingegangen werden soll: Denn die hier in Frage stehende Gefährdung grundrechtlich verbürgter Freiheiten zugunsten der Werknutzer bezieht sich weder auf das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG, welches nur die Vertraulichkeit der Fernmeldekommunikation gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter schützt653, noch auf den Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG, welche den umfassenden Schutz einer räumlichen Privatsphäre als Mittelpunkt der Entfaltung der Persönlichkeit garantieren will654. 1. Sachlicher Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung 650 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 2. So grundlegend BGHZ 13, 334 (337f.); diese Anerkennung eines verfassungsrechtlich garantierten Persönlichkeitsrechts als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB fand seine Bestätigung durch die grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 34, 269ff.; 35, 202ff.. 652 Dazu Schmitt Glaeser, Rn. 3ff.. 653 Mangoldt/Klein/Starck – Gusy, Art. 10, Rn. 45; vgl. auch Münch/Kunig – Löwer, Art. 10, Rn. 22. Denn die hier in Frage stehende Informationssammlung und -verarbeitung im Rahmen der online-Nutzung digitaler Werke durch Rechteverwerter oder Urheber stellt keinen Fall der Kenntnisnahme durch Dritte dar - die genannten Personengruppen sind am Kommunikationsprozess ebenso beteiligt wie der Werknutzer selbst - noch eine unbefugte Kenntnisnahme, da die zu untersuchende Datenverarbeitung durch die Rechteinhabe mit dem Einverständnis aller am Kommunikationsverkehr Beteiligten erfolgt. 654 So auch Peukert, ZUM 2003, S. 1052f.; vgl. dazu auch BVerfGE 89, 1 (9, 12). Denn moderne technische Möglichkeiten zur Kontrolle privater Vervielfältigung mittels DRM knüpfen infolge der online-Verbindung zwischen Werknutzer und Urheber bzw. Rechteverwerter gerade nicht an eine Kontrolle dieser Vorgänge im räumlichen Bereich der Wohnung des Werknutzers an. Vgl. dazu aber die Überlegungen in BGH GRUR 1965, S. 107f. (bestätigt in BVerfGE 31, 255 (267f.), in welcher es um die Kontrolle der privaten Vervielfältigung mittels der damals aufkommenden Magnettongeräte ging. Im Gegensatz zu den heutigen Möglichkeiten hatte damals die „Art der Verwendung der Geräte nur an Ort und Stelle festgestellt werden“ können (BGH, a.a.O.); ein Problem, das heute jedenfalls im diskutierten Bereich von DRM-Systemen nicht mehr besteht. 651 147 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gewissermaßen zwischen Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG angesiedelt ist, gewährleistet nach dem Bundesverfassungsgericht die „engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen“655, schützt also die private Sphäre als nach eigenem Gutdünken zu gestaltende Handlungssphäre656. Seiner richterrechtlichen Herkunft entsprechend, umschreiben allerdings auch die „bisherigen Konkretisierungen durch die Rechtsprechung […] den Inhalt des Persönlichkeitsrechts nicht abschließend“657. Stattdessen wurde und wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht kasuistisch heraus- und weitergebildet658. Auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil659 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt und in der Folgezeit weiter konkretisiert660. Dem Gedanken der freien Selbstbestimmung des Menschen als Glied einer freien Gesellschaft folgend, bestimmt das Bundesverfassungsgericht das Recht der informationellen Selbstbestimmung als die Befugnis des Einzelnen, „grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“661. Eine Bedrohung dieses Rechts erkennt das Gericht durch die Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung: Denn mit deren Hilfe seien „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person (personenbezogene Daten […]) technisch gesehen unbegrenzt speicherbar und jederzeit ohne Rücksicht auf Entfernungen in sekundenschnelle abrufbar“662. Hinzu komme, dass solche personenbezogenen Daten „vor allem beim Aufbau integrierter 655 BVerfGE 54, 148 (153). Vgl. Münch/Kunig – Kunig, Art. 2, Rn. 32f. m.w.N.. 657 BVerfGE 65, 1 (41). 658 Vgl. Münch/Kunig – Kunig, Art. 2, Rn. 31; Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 28 je m.w.N.; so auch ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht, demzufolge der Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht „abschließend umschrieben, sondern seine Ausprägungen jeweils an Hand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet“ wird, BVerfGE 54, 148 (153f.). 659 BVerfGE 65, 1ff.; dazu Simitis, NJW 1984, S. 399f.; Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 7 spricht insoweit von der „Bergpredigt des Datenschutzes“. 660 Vgl. bspw. BVerfGE 77, 1 (47); 84, 239 (279). Weiterführende Hinweise zur Diskussion der Bestimmung und Herleitung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Literatur finden sich bei Schmitz, Informationelle Selbstbestimmung, S. 8, Fn. 27, 31. 661 BVerfGE 65, 1 (42) m.w.N.. 662 BVerfGE, a.a.O.. 656 148 Informationssysteme […] mit anderen Datensammlungen zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden [könnten], ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit oder Verwendung zureichend kontrollieren [könne]“663. Als Gefahr für die grundrechtlich geschützte Möglichkeit der freien Selbstbestimmung erkennt das Gericht diese Auswirkung moderner Datenverarbeitung deshalb, weil es für den Einzelnen nicht mehr erkennbar sei, welche Informationen über ihn wie und an welcher Stelle registriert seien und er infolge dieser Unsicherheit auf die Ausübung von Grundrechten verzichte, er jedenfalls insoweit gehemmt werde664. Denn: „Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden.“665. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umschreibt demnach ein grundrechtlich verbürgtes Recht auf Selbstdarstellung des Menschen gegenüber seiner Umwelt entsprechend seinen eigenen Vorstellungen 666; er soll letztlich darüber jedenfalls mitbestimmen können, anhand welcher personenbezogenen Informationen und auf welche Weise sich seine Umwelt ein „Bild“ von ihm machen kann. Es geht also an dieser Stelle nicht darum, dass in die (anderweitig geschützte) Privatsphäre eingedrungen würde, sondern dass mittels wie auch immer erlangter personenbezogener Information von dem betroffenen Grundrechtsträger ein soziales oder personales Profil erstellt wird, von dem dieser nichts weiß und/oder seinen eigenen Vorstellungen hiervon nicht entspricht und er (infolgedessen) keine Möglichkeit hat, dieses Profil seinen eigenen Vorstellungen entsprechend zu beeinflussen. Entscheidend für den Schutzbereich der informationellen 663 BVerfGE, a.a.O.. In diesem Sinne auch Simitis, NJW 1984, S. 400 m.w.N.; Knott, S. 47. 665 BVerfGE, a.a.O. (43). Diese Gefahr der modernen Datenverarbeitung zeigt bereits deutlich Schmidt, JZ 1974, S. 241f.. 666 Grundlegend dazu bereits BVerfE 35, 202 (220), wonach jedermann „grundsätzlich selbst und alleine bestimmen darf, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen“. Dazu auch Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 31, 77ff.. 664 149 Selbstbestimmung ist also die Art und Weise der Informationsbehandlung, nicht hingegen wie diese Informationen gewonnen werden667. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist in dem Sinne zu verstehen, dass der Einzelne infolge der für ihn selbst kaum mehr übersehbaren, geschweige denn beherrschbaren Datenverarbeitung nicht zum bloßen Informationsobjekt668 herabgewürdigt wird. Es soll vielmehr die Freiheit des Einzelnen vor ausschließlicher oder teilweiser Fremdbestimmung auch im Bereich der Selbstdarstellung mitsamt seiner reflektorischen Folgen bewahren und schützen669. Der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung lässt sich folglich grundsätzlich zusammenfassen als selbst Preisgabe über die „die Befugnis und des Einzelnen, Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen“670, um so „den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten“671 zu gewährleisten. 2. Eingriff in und Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung a) Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Die abstrakte Bestimmung des Eingriffsbegriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgt zwangsläufig dem Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung672. Demnach lassen sich die Anforderungen an einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung wie folgt bestimmen: aa) Der Eingriffsbegriff 667 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 44. So Simitis, NJW 1984, S. 399. 669 Vgl. Knott, S. 47; Schmitz, S. 9f.. 670 BVerfGE 65, 1 (43) sowie Leitsatz Nr. 1. 671 BVerfGE, a.a.O.. 672 Vgl. zur Problematik der dogmatischen Erfassung des Eingriffsbegriffs Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 95, insb. Fn. 303, 304. 668 150 Das Recht auf informationelle Verfügungsbefugnis des Selbstbestimmung Einzelnen umfasst hinsichtlich die der Verwendungsmöglichkeiten über personenbezogene Daten seiner selbst zum Zwecke des Erhalts der Möglichkeit der eigenverantwortlichen Selbstdarstellung, um dadurch nicht in seiner Verhaltensfreiheit durch die eigene „Informationsverunsicherung“673 beeinträchtigt zu werden. Entsprechend kommt bereits die bloße Datenerhebung als solche grundsätzlich674 nicht als Eingriff in Betracht675: Denn insoweit besteht keine hemmende Ungewissheit des Grundrechtsinhabers darüber, welches Persönlichkeitsbild sich denn nun beim Erhebenden über ihn manifestiert. Anders hingegen die Datenverarbeitung, also die Erhebung (zu den folgend genannten Zwecken), Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten676. Die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten mittels moderner elektronische Datenverarbeitung können zu den oben beschriebenen Folgen für das Recht zur Selbstdarstellung gegenüber Dritten führen: Verwendungsart personenbezogener Daten eigenverantwortlichen Inhaberschaft sind für und den Grundrechtsinhaber nicht mehr überschaubar, es kommt folglich zu jener befürchteten (und zu vermeidenden) „Informationsverunsicherung“. bb) DRM-Systeme als Eingriff Eine Schwierigkeit bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von DRM-Systemen besteht schon darin, dass eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Digital Rights Management“ bis dato nicht existiert677. 673 So Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 97. Anders nur die Zwangs- oder heimliche Datenerhebung, da auch hier dem Grundrechtsinhaber die „Selbstdarstellungsbefugnis“ aus den Händen genommen ist. 675 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 96. 676 Vgl. BVerfGE 65, 1 (43); Knott, S. 49f. 677 Was Folge der bis dato nicht abgeschlossenen technischen Entwicklung in diesem Bereich ist, vgl. Bechtold, S.20; Bygrave, S. 421. Vgl. auch Bericht des Standing Commitee on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2, abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp, am 14. April 2005), S. 4: „From a functional perspective, DRM means many things for many people.“. 674 151 Allgemein gesprochen stellen DRM-Systeme elektronische Vertriebssysteme für digitale Inhalte dar678. Diese sollen die sichere Verbreitung und Verwertung digitaler Inhalte im Online-Bereich (bspw. über Internet, Datenträger wie CD, DVD, mobile Abspielgeräte wie der sog. iPod der Firma Apple) garantieren. Daneben ermöglichen sie eine effiziente Rechteverwaltung und eröffnen so für digitale Inhalte neue Geschäftmodelle. Hierfür bedienen sich DRM-Systeme unterschiedlicher Schutzsysteme wie bspw. der Verschlüsselung, Kopierschutzmechanismen oder digitaler Wasserzeichen679. In ihrer schwächsten Form verhindern oder erschweren DRM-Systeme den Zugang oder die Nutzung der (technisch und urheberrechtlich) geschützten Werke680, in ihrer stärksten Form erlauben solche Systeme im Wege des Onlinevertriebs Kontrolle der Nutzung - welche die die individuelle Identifizierung des Nutzers unausweichlich macht - entsprechend dem jeweiligen Nutzerverhalten681. So ist für die Anwendung von DRM-Systemen in ihrer stärksten Form, welche die kontrollierte Nutzung urheberrechtlicher Werke ermöglichen sollen682, jedenfalls die Speicherung und personenbezogene Zuordnung von Nutzerdaten (bspw. welches urheberrechtlich geschützte Werk wurde von welchem Nutzer verwendet, Art und Häufigkeit dieser Nutzung, Adress- und Bankdaten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs683), also deren Verarbeitung zwingend684. 678 Vgl. Schippan, ZUM 2004, S. 190; in diesem Sinne auch Bechtold, S. 20; ebenso Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern, Abteilung Information Engineering unter www.ie.iwi.unibe.ch/forschung/drm/ (abgerufen am 14. April 2005). 679 Zu den technischen Grundlagen umfassend Beiträge bei Becker/Buhse/Günnewig/Rump, S. 26ff.. 680 Vgl. Arlt, GRUR 2004, S. 549; zur den technischen Grundlage: Bechtold, S. 23ff.. 681 Vgl. Arlt, GRUR 2004, S. 549; Hess, S. 15ff.; zur technischen Grundlage: Bechtold, S. 36ff., S. 69ff.; vgl. auch die verschiedenen Szenarien bei Guth, S. 154ff.. 682 Schippan, ZUM 2004, S. 190; Hess, S. 16. 683 Dazu Schippan, a.a.O.; Arlt, GRUR 2004, S. 549; angedeutet nur bei Peukert, ZUM 2003, S. 1053. 684 In aller Deutlichkeit zu dieser Bedrohung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Erwägungsgrund (57) zur Info-RL 2001/29/EG: „Die genannten Informationssysteme für die Wahrnehmung der Rechte sind je nach Auslegung in der Lage, gleichzeitig personenbezogene Daten über die individuelle Nutzung von Schutzgegenständen zu verarbeiten und Online-Aktivitäten nachzuvollziehen. Die technischen Funktionen dieser Vorrichtung sollten dem Schutz der Privatsphäre […] gerecht werden.“; so auch Bygrave, S. 421; Bechtold, Digital Rights Management, S. 617 m.w.N.. Vgl. dazu auch Bericht des Standing Commitee on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2, abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp am 14. April 2005), S. 5: „ A fully enabled intellectual rights management system covers the processing of all rights information for the electronic administration of rights, sometime including contracting and personal information, to enable 152 Noch schwerwiegendere Auswirkungen sind allerdings von der „Metafunktion“ der DRM-Systeme zu erwarten. So sollen sich diese nicht nur auf die reine Kontrolle der Nutzung urheberrechtlicher Werke zum Schutze urheberrechtlicher Vergütungsansprüche beschränken. Vielmehr können oder sollen die zwangsläufig anfallenden personalisierten Metadaten hinsichtlich Werknutzer und Werknutzerverhalten zu solchen Funktionen verwendet werden, die über eine reine Kontrolle der Werknutzung hinausgehenden685: Aus dem Kontrollinstrument DRM zum Zwecke des Implementierung Urheberrechtsschutzes von besonderen, wird so ein kommerziell Vehikel zur interessanten nutzerprofilbasierten Vertriebs- und Marketingmodellen686. Im denkbaren Anwendungsbereich von DRM-Systemen zum Schutz urheberrechtlicher Werke687 ist demnach eine Datenverarbeitung personen-, d.h. (werk-)nutzerbezogener Daten, welche dem unter aa) geschilderten Eingriffsbegriff entspricht, jedenfalls denkbar, wenn nicht sogar end to end rights management throughout the value chain. By its nature, DRM may require access to commercially sensitive information (as opposed to copy information and usage signalling). The use of such a system will enable very granular control of content, enabling rights owner to apply sophisticated usage models.”. 685 Schon der Onlinevertriebsweg „Internet“ schafft die unweigerliche Möglichkeit zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen einzelner Nutzer, vgl. Schmitz, S. 55ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 686 Vgl. bspw. Verlagsbeilage zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. März 2005 („CeBIT 2005“), S. B7: „In diesem Fall [der Verwendung von DRM – Systemen] ist der Online – Vertrieb von digitalen Medien den klassischen Distributionsformen nicht mehr nur in puncto Sicherheit überlegen. Unternehmen können auch Daten sammeln, um Vertrieb und Marketing zu unterstützen. Adressbestände können aktualisiert, das Nutzerverhalten und Interesse an neuen Medien analysiert werden.“ Vgl. zu dieser kommerziellen Zecksetzung von DRM auch Böhle, Technikfolgenabschätzung 2004, S. 99. Dazu auch der Bericht des Standing Commitee on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2, abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp, am 14. April 2005), S. 33: “Much of the discussion around privacy management seems to focus on the commercial value of personal information for marketing […].”; in diesem Sinne auch Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 586; umfasssend zu den Möglichkeiten des online-Marketing aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Wamser, S. 97ff.: “Die indirekte Datenerhebung (über Logfiles) in Verbindung mit den Möglichkeiten der direkten, reaktiven Datenerhebung führen im Laufe der Kundenbeziehung zu einem qualitativ hochwertigen Kundenprofil. […] Die hieraus resultierenden individualisierten Informations- und Leistungsangebote ermöglichen eine effektive und effiziente Marketingkommunikation mit dem Einzelkunden auch auf Massenmärkten.” (S. 114); Hess, S. 18f.: „Durch Kombination der technischen Schutzmaßnahmen von DRMS, den Distributionsmöglichkeiten von P2P-Netzwerken und cleveren Anreizmechanismen erhofft man sich attraktive Geschäftsmodelle.“; in Bezug auf, aus datenschutzrechtlicher Sicht, vergleichbaren CRM-Systemen, Taeger, MMR 2004, S. 220f.. 687 Im Bereich nichtdigitaler Werke stellt sich die Frage nach der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erst gar nicht. Der Erwerb solcher Werkstücke ist als anonymes Bargeschäft möglich, auch die Art der Nutzung des Werkes lässt sich für Dritte nicht nachvollziehen. Vgl. Bygrave, S. 419f.. 153 wahrscheinlich. Diese geht - je nach Ausgestaltung - einher mit dem drohenden Verlust der Möglichkeit eigenverantwortlicher Selbstdarstellung und der daraus resultierenden Gefahr der bewussten oder unbewussten Fremdbestimmung688. DRM-Systemen können An der demnach möglichen keine Eingriffsqualität ernstzunehmenden von Zweifel bestehen689. b) Die Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Selbstredend ist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet. Denn, so das Bundesverfassungsgericht690, der „Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über ‚seine’ Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Welt entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Bertoffenen selbst zugeordnet werden kann. Das Grundgesetz hat […] die Spannung Individuum Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit der Person entschieden […]. Grundsätzlich muß daher der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen“. Die für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltenden Schranken wurden im zitierten Volkszählungsurteil des 688 Vgl. dazu Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 577: „Although a person cannot be prohibited from thinking as she chooses, persistent, finegrained observation subtly shapes behavior, expression, and ultimately identity. The inexorable pressure toward conformity generated by exposure, and by loss of control over uses of the gathered information, violates rights of self-determination by coopting them.” So im Ergebnis auch Hohagen, S. 298f., allerdings ohne weitere Begründung. 689 So auch Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 580; Arbeitspapier „Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“ der Artikel-29-Datenschutzgruppe (ein unabhängiges EU-Beratungsgremium in Datenschutzfragen)vom 18. Januar 2005, 10092/05/DE WP 104 (abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm# 7th, abgerufen am 19. April 2005), S. 9; Hugenholtz, Digital Environment – Bygrave, S. 120 (der noch von „electronic copyright management systems“, anstelle DRM, spricht): „This study shows that the development of electronic copyright management systems has the potential to impinge on the privacy and related interests of purchasers/users of copyrighted information products to an unprecedented degree.“. 690 BVerfGE 65, 1 (43f.). 154 Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet und bilden bis heute die wesentliche dogmatische Grundlage für die Schrankenbestimmung691. Ausgangspunkt der Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts ist dabei die Relation zwischen Schutzbereich und Schrankenqualität. Entscheidend für die Beurteilung der Schranken der informationellen Selbstbestimmung ist demnach nicht die Qualität der erlangten Information, sondern vielmehr die Art und Weise der Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit der Information692; denn auch der Schutzbereich bestimmt sich nicht nach der Art der Information, sondern danach, wie diese Information beim Informationsempfänger verwendet werden kann. Grundsätzlich darf eine Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur im überwiegenden Allgemeininteresse erfolgen, wobei eine entsprechende Güterabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefordert wird693. Insofern stellt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine Besonderheiten gegenüber anderen Grundrechten dar. Allerdings legt das Bundesverfassungsgericht einen absolut geschützten Bereich fest, in welchen der Eingriff auf keinen Fall mehr zulässig sein soll: So dürfe die erhobene Information nicht zu einem „teilweisen oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild“ zusammengefügt werden“694. Komplementär spricht das Gericht an dieser Stelle695 von „einzelnen Lebensbereichen“ (als Beispiel nennt es den „Wohnbereich“), welche im Gegensatz zu jenem absolut geschützten Bereich einen Eingriff erlauben. Diesseits dieser absoluten Grenze geht das Bundesverfassungsgericht von der Beschränkbarkeit im überwiegenden Allgemeininteresse aus, wobei weder dem Allgemeininteresse noch dem Recht auf informationelle 691 Vgl. Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 99; Knott, S. 51. So folgt bspw. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 108ff., unausgesprochen der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Systematik. 692 BVerfGE 65, 1 (45): „Erst wenn Klarheit darüber besteht, zu welchem Zweck Angaben verlangt werden können und welche Verknüpfungs- und Verwendungsmöglichkeiten bestehen, lässt sich die Frage einer zulässigen Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beantworten.“; in diesem Sinne auch Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 174. 693 Vgl. BVerfGE 65, 1 (44); Knott, S. 54; Schmitt, S. 11ff.; Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 181. 694 BVerfGE 65, 1 (42, 53) mit Verweis auf BVerfGE 27, 1 (6); vgl. auch Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 184. 695 BVerfGE 65, 1 (53). 155 Selbstbestimmung eine grundsätzliche Vorrangstellung eingeräumt werden kann696. Dabei differenziert das Gericht grundsätzlich zwischen solchen personenbezogenen Daten, die „in individualisierter, nicht anonymer Form erhoben und verarbeitet werden, und solchen, die für statistische Zwecke bestimmt sind“697 und stellt entsprechend verschiedene Schrankenanforderungen auf698. II. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben Die Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im zitierten Volkszählungsurteil erfolgte im Hinblick auf zu befürchtende Eingriffe durch staatliche Maßnahmen, sprach also die Grundrechte in ihrer klassischen Funktion als Abwehrrechte gegen den Staat an. Wie bereits festgestellt, geht es aber im Rahmen der vorliegenden Untersuchung um solche Eingriffe, die durch die Möglichkeiten des DRM zum Zwecke der Kontrolle privater Vervielfältigungstätigkeit zu befürchten sind, mithin also um Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von privater Seite. Die Grundrechte sind ihrer Funktion als Schutzpflicht des Gesetzgebers angesprochen699. 1. Gefährdungspotenzial einer weltumspannenden Informationsgesellschaft Bevor darauf einzugehen ist, ob allein die technischen Möglichkeiten des DRM eine grundrechtliche Schutzpflicht an den Gesetzgeber begründen, das Recht der Werknutzer auf informationelle Selbstbestimmung im Wege der Urheberrechtsgesetzgebung zu bewahren und zu schützen, soll auf das abstrakte Gefährdungspotenzial Entwicklung hin zur eingegangen werden, Informationsgesellschaft, welches insbesondere die die Möglichkeiten des globalen Datenaustauschs via Internet, für das Recht auf 696 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 103 m.w.N.. BVerfGE 65, 1 Leitsatz Nr. 3. 698 Dazu Maunz/Dürig – Di Fabio, Rn. 183ff.; Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 104ff.; Schmitz, S. 13ff., 18ff.. 699 Grundlegend dazu schon oben A. III. 1.. 697 156 informationelle Selbstbestimmung mit sich bringen700. Denn in seiner stärksten Form stellen DRM-Systeme besondere Online-Vertriebssysteme urheberrechtlich geschützter und mittels DRM umfassend kontrollierter Werke dar. Diese Sonderform des e-Commerce führt aber absehbar zu individualbezogenen Informationssammlungen (angefangen notwendigen zur und Daten Zahlungsabwicklung den bei den unweigerlich anfallenden Daten hinsichtlich der Art des jeweils genutzten Werkes, bis hin zur Art der Nutzung), mithin also zu einer neuen Form der Individualisierung der Mediennutzung und damit zu neuen Schutzbedürfnissen701. Die Benutzung des Vertriebs- und Kontrollwegs „Internet“, welches die extensivste Form der Verwendung von DRM zwangsläufig beinhaltet702, birgt schon aufgrund der spezifischen Eigenschaften des „World Wide Web“ folgende Gefahren für das Recht auf Selbstdarstellung mit sich: a) Entstehung individualisierter Datenspuren Zunächst ist das unvermeidliche Entstehen von Datenspuren zu nennen703. Jede Nutzung des Internet ist mit der Identifikation des jeweiligen Rechners mittels seiner sog. IP-Adresse zwangsläufig verbunden. Auch jede Ressource im Internet besitzt eine eigene Adresse, die sog. URL. Die Nutzung des Internet ist nur möglich, wenn IP-Adresse und die angeforderte URL übertragen werden können704. Die somit entstehenden Datenspuren können von allen am Kommunikationsvorgang Beteiligten gespeichert und Allgemein dazu: Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 190; Hoffmann-Riem, AöR 123 (1998), S. 513ff.; Trute, JZ 1998, S. 822ff.; Roßnagel, ZRP 1997, S. 26ff; die Problemstellung wird deutlich bspw. in der Stellungnahme des Sun Microsystems Mitbegründers Scott McNealy zur Positionierung der Privatsphäre im Internet: „You don’t have any privacy anyway. Get over it.“, zitiert nach Hornung, MMR 2004, S. 7, Fn. 59. 701 Vgl. Trute, JZ 1997, S. 824 m.w.N; die Gefahrenlage für die Privatsphäre durch die Verwendung von DRM – Systemen wird auch benannt im Bericht des Standing Commitee on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2, abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp am 14. April 2005), S.33. 702 DRM – Systeme sind in jeder Nutzung, die über die reine Kopiersperre hinausgeht, auf Interaktivität zwischen Werknutzer und Werkvermittler (bzw. Urheber) und damit auf die Nutzung des Internet angewiesen. Vgl. dazu Szenarien im Bericht des Standing Commitee on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2, abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp am 14. April 2005), S.11ff.. 703 Dazu Schmitz, S. 55ff.; Schaar, S. 13f.; Hornung MMR, 2004, S. 5f., je mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 704 Schaar, S. 13. 700 157 verarbeitet werden705. Damit ist es möglich, Art, Zeit und Dauer der Internetnutzung durch eine bestimmte IP-Adresse nachzuvollziehen. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass diese Daten keine Gefahr für die individualisierten personenbezogenen Daten des Nutzers darstellen. Denn dieser ist in seiner Individualität nicht erfassbar, die Datenspuren beziehen sich nur auf den anonymen Nutzer, der sich gleichsam hinter seiner IP-Adresse verstecken kann706. Zumal die jeweilige IP-Adresse oft nicht einem besonderen Rechner oder Anschluss zugeordnet wird, sondern für jeden Nutzungsvorgang neu an den jeweiligen Rechner vergeben wird707. Der Schluss, welche individuelle Person sich hinter der Anonymität der IP-Adresse verbirgt, welche individuelle Person hinter der jeweiligen Nutzung des Internet steht, ist anhand der beschriebenen Nutzungsdaten nicht möglich. Die Grenzlinie, welche die Anonymität von der Individualisierung des jeweiligen Netznutzers trennt, liegt also zwischen dem beteiligten Rechner und dem individuellen Nutzer des Rechners: Solange der Letztgenannte nicht willens ist, seine anonyme „Realidentität“ preiszugeben, die er hinter seiner „Netzidentität“ ohne weiteres verstecken kann, ist die individualisierte Datenverarbeitung der anfallenden anonymen Nutzerdaten nicht möglich. Diese Grenzlinie wird durch DRM-Systeme zulasten der möglichen Anonymitätswahrung im Rahmen der Online-Nutzung urheberrechtlich Diese Daten werden von vielen Servern in sog. „Logprotokollen“ gespeichert. Dabei können Daten u.a. hinsichtlich der IP – Adresse, des Betriebssystems des jeweiligen Rechners, die jeweils besuchten Seiten im Internet (mittels Speicherung der jeweiligen URL) und die verwendeten Sprache gespeichert und zu einem Nutzungsprofil verarbeitet werden.Vgl. Schaar, S. 13f.; Schmitz, S. 56. 706 Denn wer sich hinter der beobachtbaren Nutzung des Internet verbirgt, wer „hinter dem Bildschirm“ sitzt, das ist nicht nachvollziehbar. 707 Indes sind auch bei der Verwendung sog. dynamischer IP-Adressen anhand der Logprotokolle die jeweiligen Rechner einzeln zuordenbar, was schon zum Zwecke der Abrechnung für die Telefongesellschaften auch durch die Access Provider durchgeführt wird. Kritisch zur datenschutzrechtlichen Eignung der Verwendung dynamischer IP – Adressen auch Hornung, MMR 2004, S. 6. Dazu sowie zur erwarteten Renaissance der statischen IP-Adressen, Schaar, S. 61ff. Jüngst zur zunehmenden Verwendung statischer IP-Adressen, welche die Nachverfolgung von Rechnern noch leichter macht, Arbeitspapier „Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“ der Artikel-29Datenschutzgruppe (ein unabhängiges EU-Beratungsgremium in Datenschutzfragen)vom 18. Januar 2005, 10092/05/DE WP 104 (abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm# 7th, abgerufen am 19. April 2005), S. 4, Fn. 3. 705 158 geschützter Werke durchbrochen708. Denn DRM-Systeme setzten notwendig die Assoziierung einer bestimmten Werknutzung mit einem bestimmten personalisierten Werknutzer voraus709, die bloße Identifizierung des vernetzten Rechners reicht dazu nicht. Aus dem anonymen Nutzer eines bestimmbaren Rechners wird so ein individualisierter Nutzer mit Namen, Adresse, Bankverbindung etc., der ein bestimmtes, speicherbares Nutzerverhalten an den Tag legt. b) Keine Gewähr ausreichender Datensicherheit Verstärkt wird dieses abstrakte Gefährdungspotenzial durch zwei weitere Faktoren, welche in der historisch bedingten, dezentralen Struktur des Internet710 ihre Ursachen finden. Zum einen ist sicherer Schutz personenbezogener Daten, wie sie durch DRM-Systeme generiert werden, im Internet nicht mit absoluter Sicherheit zu erreichen711: So wird es stets „Hacker“ geben, die auch noch so ausgefeilte Verschlüsselungssysteme „knacken“, es wird stets Sicherheitslücken geben, die versehentlich oder willentlich geschaffen wurden712. Wie und durch wen mit im Rahmen von vertraglich vereinbarten DRM-Systemen erlangten personenbezogenen Daten tatsächlich verfahren wird, ist nur schwer zu beurteilen und letztlich nicht mit absoluter Sicherheit zu kontrollieren. 708 Allgemein zur zunehmenden Individualisierung der Nutzung elektronischer Medien und der damit verbundenen Akkumulierung personenbezogener Daten, Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 3f.. 709 Vgl. Bygrave, S. 421; Böhle, Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 2004, S. 105; Arbeitspapier „Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“ der Artikel-29-Datenschutzgruppe (ein unabhängiges EU-Beratungsgremium in Datenschutzfragen)vom 18. Januar 2005, 10092/05/DE WP 104 (abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm# 7th, abgerufen am 19. April 2005), S. 4; Büllesbach/Dreier – Büllesbach, S. 168. 710 Überblick dazu bei Schaar, S. 4f.. 711 Allgemein dazu Roßnagel, MMR 2002, S. 67f., 69f., ders.: ZRP 1997, S. 27f.; Trute, JZ 1998, S. 823 ; Ausführlich mit Verweis auf Berichte der Datenschutzaufsichtsbehörden Schmitz, S. 12, 21ff.; speziell zu dieser Problematik im Rahmen von DRM – Systemen, Spenger, S. 62ff., insb. S. 79f.. 712 Damit ist die Gefahr angesprochen, dass personenbezogene Daten an Personen gelangen, für die diese nicht bestimmt sind. Eine andere Gefahr für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besteht aber auch darin, dass sich Dritte die Identität des nämlichen Werknutzers im Internet „aneignen“ und somit personenbezogene (falsche) Daten in den Rechtsverkehr entäußert werden, von denen der Betroffene unter Umständen niemals Kenntnis erlangt. Dazu Spenger, S. 62. 159 Hieran knüpft sich der zweite Faktor an, welcher die Gefahrenträchtigkeit des Internet verstärkt. Durch den „entgrenzten Sozialraum“ Internet, der anders als die soziale Wirklichkeit keine räumlichen Grenzen kennt, stößt die Geltung und Durchsetzung des Rechts an seine Grenzen713: Denn nach wie vor ist die Geltung und Durchsetzung des Rechts als ureigenster Ausdruck der Souveränität eines Staatvolkes an das jeweilige Staatsgebiet gebunden, außerhalb dessen es grundsätzlich weder Geltung noch Durchsetzung erlangt. So werden restriktive Datenschutzbestimmungen auf deutscher oder europäischer Ebene dazu führen, dass derjenige, der sich diesen Bestimmungen nicht unterwerfen will, eben auf Gebiete mit laxeren Regelungen ausweicht. Denn Zeit und Ort sind im Internet kaum mehr von Relevanz, die Teilnahme am weltweiten Datenverkehr ist zu jeder Uhrzeit von jedem beliebigen Platz aus denkbar714. Das Internet bereitet also schon als solches den Boden für eine oft unkontrollierbare Möglichkeit der Preisgabe personenbezogener Informationen an eine unbegrenzte Öffentlichkeit715, stellt also schon von daher ein nicht unbeträchtliches Gefährdungspotenzial für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar716. 2. Grundrechtliche Schutzpflicht Vor dem beschriebenen Gefahrenpotenzial einer weltweit vernetzten Informationsgesellschaft und einer uneingeschränkten Verwendung von DRM-Systemen für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist zu klären, ob mit dem möglichen Einsatz solcher Systeme zur Kontrolle privater 713 Dazu Roßnagel, MMR 2002, S. 68, 70; ders. ZRP 1997, S. 28; Trute JZ 1998, S. 824; aus der Sicht des zugunsten des Urhebers zu gewährenden Schutzes, Lou, S. 9. 714 Vgl. Lou, S.9. 715 So Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 190; angedeutet nur bei Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 164. Als Beispiel sei das sog. „data mining“ genannt, vgl. dazu Schmitz, S. 61f.. 716 DeVries, Berkeley Technology Law Journal Volume 18, 2003, S. 291ff., sieht generell in der (interaktiven) Digitalisierung von Datenströmen Gefahren für die Privatsphäre aufgrund dreier Faktoren, nämlich: „(1) the increase of data creation and the resulting collection of vast amounts of personal data – caused by the recording of almost every modern interaction; (2) the globalisation of the data market and the ability of anyone to collate and examine this data; and (3) lack of types of control mechanism for digital data that existed to protect analog data.“. 160 Vervielfältigungstätigkeit eine entsprechende grundrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers einhergeht717. Die grundsätzlichen Anforderungen an das Bestehen einer Schutzpflicht des Gesetzgebers kraft Grundrechte wurden bereits herausgearbeitet718. Diese finden auch an dieser Stelle Anwendung. Dabei sei noch einmal darauf hingewiesen, dass auch die Bejahung eines grundrechtlichen Schutzauftrags nichts darüber aussagt, wie der Gesetzgeber diesem Schutzauftrag konkret nachzukommen hat719: Diese Frage kann erst nach Abwägung aller beteiligten Interessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beantwortet werden720. Ob tatsächlich ein grundrechtlicher Schutzauftrags zugunsten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer vor den Bedrohungen der Gefahren des Schutzbedürftigkeit Werknutzers für DRM dieser den besteht, ist grundrechtlich Fall privater anhand verbürgten Vervielfältigung der konkreten Freiheit des urheberrechtlich geschützter Werke zu beantworten721. Diese wiederum ist zu beurteilen anhand a) der Stellung des Rechts der informationellen Selbstbestimmung im Gesamtgefüge des hier zu betrachtenden verfassungsrechtlichen Kontexts, b) der Qualität der potentiellen Gefährdung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sowie c) den eigenen Möglichkeiten des Werknutzers zur Abhilfe wider des zu befürchtenden Grundrechtseingriff. a) Stellung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im verfassungsrechtlichen Kontext Für die Bedeutung Gesamtgefüge ist eines das Grundrechts grundrechtlich im verfassungsrechtlichen geschützte Interesse des 717 Allgemein zum gesteigerten Schutzbedarf durch das von privater Seite ausgehende Gefährdungspotenzial nichtsstaatlicher Kommunikationsnetze, Hoffmann-Riehm, AöR 123 (1998), S. 524ff., der insoweit von einer Privatisierungsfolgenverantwortung des Staates spricht. Vgl. auch Trute, JZ 1998, S. 825f.; Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 5f., 47ff.. 718 Dazu oben A. III. 3.. 719 Insofern ist es an dieser Stelle verfrüht, sich denjenigen Stimmen zuzuwenden, welche die besondere Beachtung der Privatautonomie durch den Privatrechtsgeber für den Bereich privater Datenverarbeitung betonen, vgl. dazu Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 90ff.; Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 189; in diese Richtung auch: Gallwas, NJW 1992, S. 2788; Simitis, NJW 1984, S. 401; Schmidt, JZ 1974, S. 247. 720 Vgl. oben A. III. 2. b). 721 Vgl. oben A. III. 3.. 161 Grundrechtsinhabers maßgebend, hier also das Interesse des Einzelnen an informationeller Selbstbestimmung722. Demzufolge erlangt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in der anbrechenden Informationsgesellschaft in zweierlei Hinsicht besondere Bedeutung: Zum einen liegt dieser Bedeutungszuwachs in der zunehmenden Relevanz der „Information“ für den Einzelnen wie für sein gesellschaftliches Umfeld 723 begründet. Damit geht auch ein erhöhtes Interesse am Schutz der Verfügungsbefugnis über das auf Informationen beruhende Recht auf Selbstdarstellung einher724. Zum zweiten geht dieser Bedeutungszuwachs eng mit dem ersten Bedeutungsgehalt verbunden - auf die gesteigerte „informationelle Verfügbarkeit“725 des Einzelnen zurück. So sind die Angriffe auf die informationelle Selbstbestimmung heute totaler denn je726 und eine Abschwächung ist insoweit kaum zu erwarten. Auch dies erhöht die Wertigkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im verfassungsrechtlichen Gesamtgefüge. b) Qualität der potentiellen Gefährdung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Die Grenzlinie, deren Überschreiten eine grundrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers auslöst, ist diejenige der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG727. Wenn durch private Freiheitsentfaltung ein Eingriff in den Wesensgehalt eines Grundrechts eines Dritten überhaupt denkbar erscheint, also dieser Eingriff jedenfalls droht ohne bereits realisiert zu sein, schon dann ist der Gesetzgeber demnach aufgefordert, diesem Bedrohungsszenario durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen zu begegnen. 722 Vgl. dazu Grabitz, AöR 98 (1973), S. 577f.. Dazu oben A. III. 3. a). 724 So spricht Hoffmann-Riehm, AöR 123 (1998), S. 520 m.w.N, von informationeller Selbstbestimmung als „Grundbedingung der kommunikativen Kompetenz des einzelnen“, die über einen bloßen Abwehrgedanken hinausgehe. 725 So Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 6. 726 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, a.a.O.; allgemein im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre angesichts der Bedrohungen durch die Digitalisierung und die damit verbundenen Folgen, DeVries, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 283ff.. 727 Dazu oben unter A. III. 3. b) aa). 723 162 aa) Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Als Wesengehalt bezeichnet man die für das jeweilige Grundrecht typischen Züge, seine charakteristischen Besonderheiten, diejenigen Merkmale, bei deren Fehlen es nicht mehr gerechtfertigt ist, von einem Grundrecht dieses Namens und Typs zu sprechen728. Bei der Bestimmung des Wesensgehalts eines Grundrechts sind neben dem Telos einer Grundrechtsnorm auch deren geschichtlich-soziale Verankerung, deren historische Entwicklung sowie ihr Rang und ihre jeweilige Funktion im grundrechtlichen Gesamtgefüge von ausschlaggebender Bedeutung. (a) „Persönlichkeitsbild“ als Wesensgehalt? Als äußerste Grenze des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung legt das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil die Erstellung von teilweisen oder vollständigen Persönlichkeitsbildern fest729, ohne dabei einen Hinweis zu geben, was ein „Persönlichkeitsbild“ eigentlich ausmacht, sei es nun vollständig, sei es gar teilweise. Dies legt den Schluss nahe, auf den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eben diese Grenzziehung zu erstrecken. Doch neben der Unbestimmtheit dieses Ansatzes - was sind bspw. „Teilbilder der Persönlichkeit“730 - lässt dieser methodische Ansatz einen weiteren Aspekt unberücksichtigt731: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf das Recht der informationellen Selbstbestimmung in seiner funktionalen Stellung als Abwehrrecht gegen den Staat732. Im Bereich der Beurteilung der Grundrechte im hier zu betrachtenden Verhältnis Bürger zu Bürger verschieben sich aber mit der Betrachtungsweise auch die inhaltlichen 728 Dazu oben unter A. III. 3. b) bb) (a). BVerfGE 65, 1 (42, 53). 730 BVerfGE 65, 1 (53). 731 Kritisch zum Abgrenzungsmerkmal des „Persönlichkeitsprofils“ in diesem Kontext auch Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 25f.. 732 Vgl. BVerfGE 65, 1 (3ff.): Die der Entscheidung zugrunde liegende Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen das Volkszählungsgesetz 1983, welches eine umfangreiche zwangsweise Datenerhebung durch den Staat zum Inhalt hatte. 729 163 Prämissen des Inhalts des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung733: Denn die informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf Selbstdarstellung, hat für den Grundrechtsinhaber im Bereich seines Verhältnisses zu Privaten einen höheren Stellenwert, als es dies in seinem Verhältnis gegenüber dem Staat hat734. Dem Staat gegenüber tritt der Grundrechtsinhaber nämlich nicht in all seinen Facetten als Persönlichkeit auf, sondern nur in den jeweils erforderlichen Funktionen als Staatsbürger, sei dies als Steuerzahler, als Rechtssuchender, etc.. Auch ist der Staat in anderer Weise an Regeln bezüglich der Informationshandhabung - man mag auch von Informationsverarbeitung sprechen - gebunden als dies der Private ist735. Anders gegenüber den Privaten seiner Umwelt: Hier exponiert sich der Grundrechtsinhaber mit all seinen Facetten, denn Persönlichkeit konstituiert und entfaltet sich in aller erster Linie in der Gesellschaft, also im Verhältnis der Privaten zueinander, nur bedingt (auch) im Verhältnis zwischen Bürger und Staat736. Daher erlangt das der Persönlichkeitsentfaltung dienende Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Verhältnis der Privaten untereinander eine höhere Bedeutung für den Grundrechtsinhaber als dies im Verhältnis zwischen Staat und Bürger der Fall ist. (b) Eigener Ansatz Der Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist daher anhand des Zwecks dieser grundrechtlichen Freiheit gerade im Verhältnis der Privaten zueinander zu bestimmen. Das Recht auf Selbstdarstellung ist kein Selbstzweck. Seine teleologische Begründung findet sich vielmehr darin, dass persönliche Freiheitsentfaltung voraussetzt, dass es dem Einzelnen vorbehalten sein muss, über diejenigen personenbezogenen Informationen grundsätzlich selbst verfügen zu können, welche sein Bild in seinem persönlichen und gesellschaftlichen 733 Dazu Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 241ff.. Vgl. Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 244 m.w.N.. 735 Am sinnfälligsten wird dies schon an der Erforderlichkeit der Beachtung des Gesetzesvorrangs, vgl. BVerfGE 65, 1 (44). 736 Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 242f.. 734 164 Umfeld können737. prägen Um der Möglichkeit einer freiheitlichen Darstellung und - damit einhergehend - Entfaltung der Persönlichkeit willen muss das Recht der informationellen Selbstbestimmung also die Schaffung und Erhaltung derjenigen Grundrechtsträger an der Bedingungen Herrschaft garantieren, über das welche Entstehen den seines Selbstbildes jedenfalls teilhaben738 lassen739. Wer diese Mitherrschaft über personenbezogenen Informationen und deren Verwendung nicht (mehr) besitzt, ist nicht in der Lage, sich seinerseits (als sich in der Gesellschaft entfaltende Persönlichkeit) diesem Informationsselbstbild entsprechend zu verhalten. Die Ungewissheit über den Kenntnisstand des Gegenübers wird so zum „psychologischen Hemmschuh“ für die eigene Freiheitsausübung. Danach lässt sich der Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht danach bestimmen, ob die Erstellung eines teilweisen oder vollständigen Persönlichkeitsprofils anhand der jeweiligen personenbezogenen Daten möglich ist oder nicht. Entscheidend muss vielmehr sein, ob die Verwendung der fraglichen personenbezogenen Informationen geeignet ist, dem Betroffenen die Herrschaft über diese dergestalt zu entziehen, dass er nicht mehr in der Lage ist, sich Vorstellungen über das hieraus möglicherweise entstehende Persönlichkeitsbild zu machen und sein künftiges Verhalten danach zu richten740. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die verwendeten personenbezogenen Informationen auf ein enges oder weites Spektrum seiner Persönlichkeit beziehen, da die die eigene Handlungsfreiheit determinierende Funktion der jeweiligen Datenverwendung qualitativ und nicht quantitativ bestimmt ist. Vgl. BVerfGE 65, 1 (42f.); Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 243: „Freiheit bedeutet, dass die Person selbst entscheiden kann, wie sie anderen gegenüber agieren, wie weit sie andere über sich informieren, welche Erwartungen und Verhalten sie bei anderen auslösen will.“. 738 Das Selbstbild des Grundrechtsträgers hängt freilich nicht ausschließlich von den von ihm entäußerten Informationen über seine Person ab. Ebenso wird dies durch die Sichtweise des Empfängers geprägt. Daher kann auch das Recht der informationellen Selbstbestimmung kein eigentumsgleiches Herrschaftsrecht über personenbezogene Informationen garantieren. Dies würde der Interaktivität des Vorgangs der Selbstdarstellung des Einzelnen in der Gesellschaft nicht gerecht. Vgl. dazu Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 11, 22. 739 Vgl. Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 24 m.w.N.. 740 In diesem Sinne auch Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 26 a.E., der als Kernbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die „durch […] Fremdbeschreibungen [erreichte] Dichte von Rechtfertigungs- und Anschlusszwängen“ definiert und dabei ausdrücklich von der Maßgeblichkeit der Persönlichkeitsbilder Abstand nimmt. 737 165 Der Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung lässt sich daher wie folgt zusammenfassen: Jede Verwendungsmöglichkeit hinsichtlich personenbezogener Informationen, welche für den Grundrechtsinhaber weder überschaubar noch beeinflussbar und daher geeignet ist, dessen Verhalten als Informationsobjekt einem vermeintlichen oder tatsächlichen „Bild“ seiner selbst entsprechend zu beeinflussen, muss als Eingriff in den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewertet werden. bb) Drohender Eingriff durch DRM – Technologien Die weiter zu beantwortende Frage ist diejenige, ob durch die technischen Möglichkeiten von DRM-Systemen im Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit ein Eingriff in jenen beschriebenen Wesensgehalt des Rechts der Werknutzer auf informationelle Selbstbestimmung jedenfalls zu befürchten ist. Angesichts der Reichweite der technischen Anwendungsmöglichkeiten von DRM-Systemen muss diese Bedrohung des Wesensgehalts der informationellen Selbstbestimmung bejaht werden. So bietet die Verwendung von DRM-Systemen die Möglichkeit der Erstellung mehr oder minder umfangreicher individualisierter Nutzerprofile, die sich aus einer Vielzahl personenbezogener Nutzerdaten (wie unmittelbar individualisierende Daten, also Namen, Adressen, Geburtsdatum, etc., aber auch aus personenbezogenen Daten wie Bankverbindungen, Zahlungsverhalten, Art und Herkunft des bezogenen urheberrechtlich geschützten Werkes, Art und Häufigkeit der Verwendung dieses Werkes, etc.) zusammensetzen741. Für den Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke sind die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten dieser Daten nicht mehr überschaubar742. So besteht die Gefahr, dass er sich schon über die Vgl. Arbeitspapier „Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“ der Artikel-29-Datenschutzgruppe (ein unabhängiges EU-Beratungsgremium in Datenschutzfragen) vom 18. Januar 2005, 10092/05/DE WP 104 (abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm# 7th, abgerufen am 19. April 2005), S.3; Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 584ff.; Bygrave, S. 421. 742 Zu denken ist schon an die Gefahren, welche die Verwendung des Internet für den Schutz personenbezogener Daten mit sich bringt. Schon insoweit ist es unmöglich, sich ein 741 166 Art der Datenerhebung im Unklaren ist. Ferner wird er sich im Zweifel über die Vielzahl der erhobenen Daten und die sich hieraus ergebenden (legalen oder illegalen) Verwertungsmöglichkeiten keine oder eine falsche Vorstellungen machen. Die sich aus den Möglichkeiten des DRM alleine für die Werkmittler ergebenden Beeinflussungsmöglichkeiten auf den Werknutzer sind hingegen vielfältig743. So besteht neben der Möglichkeit eines gezielten Marketing beispielsweise auch die (gängige) Möglichkeit der Weitergabe solcher Informationen an Dritte (ob beabsichtigt oder nicht) oder deren Verwendung im Rahmen anderer Zwecke als jenen, zu welchen die personalisierten Daten ursprünglich gesammelt wurden744. Angesichts der Datenfülle, die für den Werknutzer (anders als für den die technischen Möglichkeiten ausnutzenden Werkvermittler) nicht mehr überschaubar ist745, kann sich dieser über sein „Informationsabbild“ beim Werkvermittler (oder gar für ihn unbekannten Dritten) keine Vorstellungen mehr machen. So wird beispielsweise derjenige, der aufgrund erstellter Nutzungsprofile „beworben“ wird, im äußersten Falle nicht einmal bemerken, auf welche Weise hier der Versuch unternommen wird, sein Konsumverhalten in fremdbestimmte Bahnen zu lenken. Die durch die Verwendung von DRM-Systemen geschaffenen Möglichkeiten zur Datenverarbeitung durch die Anbieter urheberrechtlich geschützter Werke stellen demnach eine Gefahr für den Wesensgehalt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar, da jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass die hiermit geschaffenen Verwendungsmöglichkeiten personenbezogener Daten für den Einzelnen weder überschaubar und klares Bild über alle möglichen legalen und illegalen Verwendungsmöglichkeit personenbezogener Daten zu verschaffen. Die durch die bloße Nutzung des Internet noch gewährleistete persönliche Anonymität des Nutzers wird durch die besonderen Nutzungsanforderungen des DRM durchbrochen. Denn DRM erfordert jedenfalls in der Regel die Assoziierung eines personalisierten Nutzers mit einer bestimmten Werknutzung. Dazu oben unter 1. a), ferner Hornung, MMR 2005, S. 5. 743 Vgl. bspw. Nutzungsbeispiele bei Hornung, MMR 2004, S. 6. 744 Dazu Bygrave, S. 422f. m. w. N.; allgemein zum Handel mit personenbezogenen Daten im Internet, Hornung, MMR 2005, S. 6 m.w.N.. 745 Vgl. Roßnagel, MMR 2005, S. 72, bezogen auf die Risiken einer weltweiten Datenverarbeitung: „Die hohe Komplexität der Systeme, deren vielfältige Zwecke und die Fülle der Datenverarbeitungsvorgänge in allen Lebensbereichen übersteigen die Aufmerksamkeit um ein Vielfaches. Soll die allgegenwärtige Rechnertechnik gerade im Hintergrund und damit unmerklich den Menschen bei vielen Alltagshandlungen unterstützen, kann sie nicht zugleich dem Betroffenen bewusst gegenwärtig sein.“. 167 schon gar nicht beeinflussbar sind. Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil ist unter solchen Umständen die Ausübung verfassungsrechtlich geschützter Freiheit nicht mehr möglich, da der Einzelne nicht mehr in der Lage ist zu eruieren, welches „Informationsabbild“ von ihm selbst im Verkehr der beteiligten Kreise herrscht und somit die Gefahr besteht, dass er infolge dieser Informationsverunsicherung von der Ausübung von Freiheitsrechten absieht, er also einer Fremdbestimmung unterliegt746, ob ihm dies nun bewusst ist oder nicht. c) Abhilfemöglichkeiten des Werknutzers Die Annahme eines grundrechtlichen Schutzauftrags an den Gesetzgeber verlangt zuletzt, dass keine eigenen Abhilfemöglichkeiten des Werknutzers wider des drohenden Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bestehen747. aa) Möglichkeit des Grundrechtsverzichts Insoweit lässt sich einwenden, dass kein Werknutzer verpflichtet sei, sich den technischen und vertraglichen Regeln von DRM-Systemen zu unterwerfen. Es steht ihm frei, stattdessen gegebenenfalls auf die Verwendung des urheberrechtlich geschützten Werkes ganz zu verzichten und somit auch der Gefahr eines drohenden Grundrechtseingriffs zu entgehen. Doch kann das Kriterium der eigenen Abhilfemöglichkeit nicht daran festgemacht werden, ob der Werknutzer von seinen grundrechtlichen Freiheiten Gebrauch macht oder nicht. Denn auf diese Weise wäre es mit der Einordnung der Grundrechte als Schutzauftrag an den Gesetzgeber nicht weit her: Eine den Gesetzgeber auf den Plan rufende Kollision verschiedener grundrechtlich geschützter Interessen der Privaten Vgl. dazu Roßnagel, MMR 2005, S. 72: „Wird der Einzelne durch die Datenverarbeitung in seiner Umgebung und in den von ihm genutzten Alltagsgegenständen allgegenwärtig begleitet, wird sie unmerklich Teil seines Verhaltens und seines Handelns.“. 747 Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 90. 746 168 untereinander wäre kaum vorstellbar, wenn einer der Beteiligten darauf verwiesen werden könnte, er dürfe eben von dieser oder jenen grundrechtlichen Freiheit keinen Gebrauch machen. Dann käme es auch nicht zu einer Kollision. Damit würde aber auch der grundrechtliche Schutzauftrag obsolet, die Geltung der Grundrechte wäre ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat verkürzt. Dies würde aber der Einordnung der Grundrechte (auch) als Fundamentalnormen des Verhältnisses der Privaten untereinander748 nicht gerecht. Hier drängt sich aber weiter die Frage auf, ob es dem Werknutzer im Rahmen der ihm zustehenden Mittel der Privatautonomie nicht möglich ist, die Anwendung von DRM-Systemen mit dem jeweiligen Werkvermittler vertraglich auszuschließen oder anders gewendet: Liegt nicht in der (notwendigerweise vertraglich) vereinbarten Anwendung von DRM-Systemen eine Einwilligung des Werknutzers in den Eingriff seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung749 oder der Verzicht auf dieses Grundrecht750? Dies ist aus zweierlei Gründen zu verneinen. Der erste Grund liegt in den tatbestandlichen Voraussetzungen des Grundrechtsverzichts begründet751. Dieser setzt unter anderem die Freiwilligkeit des Verzichts voraus. Freiwillig ist der Verzicht dann, wenn nicht eine den Willen zur Abgabe einer Verzichtserklärung beeinträchtigende Einwirkung vorliegt 752. Damit muss die Freiwilligkeit schon verneint werden, wenn diese durch Täuschung herbeigeführt wird, ebenso aber wenn der Verzichtende sich über den Inhalt und Umfang seines Verzichts nicht im Klaren ist. Angesichts der Unkontrollierbarkeit der durch DRM-Systeme ermittelbaren personenbezogenen Daten753 kann sich der verzichtende Werknutzer über die Reichweite seiner Verzichtserklärung schon keine klare Vorstellung machen. Von Freiwilligkeit kann demnach diesbezüglich nicht ausgegangen werden. 748 Dazu oben A. III. 1.. Vgl. Hohagen, S. 299; Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 44. 750 Zur Frage der (vornehmlich terminologischen) Abgrenzung zwischen den Begriffen „Grundrechtsverzicht“ und der „Einwilligung“, Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 86, II. 3.. 751 Dazu Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, II. 6.. 752 Stern, a.a.O. 753 Dazu oben b) bb). 749 169 Der zweite Grund ist dogmatischer Natur. Grundrechte beanspruchen im Verhältnis der Privaten untereinander keine unmittelbare Geltung754. Es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, die verfassungsmäßige Ordnung im Wege der Ausgestaltung des Zivilrechts zur mittelbaren Geltung unter den Privaten gelangen zu lassen755. Wenn ein Grundrecht zwischen zwei Privaten aber keine (unmittelbaren) Rechte und Pflichten zu begründen vermag, dann ist auch der Verzicht darauf denklogisch ausgeschlossen. Was sollte schon Gegenstand des Verzichts sein? bb) Frage nach den Grenzen privatautonomer Gestaltungsfreiheit Die Frage, um die es an dieser Stelle geht, ist diejenige nach den Grenzen der Privatautonomie. Im Bereich des Privatrechts garantiert der Grundsatz der Privatautonomie eine verfassungsrechtliche Vermutung gegen gesetzliche, zwingende Regulierungen756. Denn eine privatrechtliche Regelung stellt als „geronnene Grundrechtsbindung“ zwischen Privaten einen Widerspruch gegen das der Privatautonomie innewohnende Prinzip der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung dar757. Ausgangspunkt der Erwägung einer urheberrechtlichen Regelung betreffend die Datenverarbeitung mittels DRM-Systeme muss daher der Grundsatz der Freiheit der Datenverarbeitung sein und nicht deren Beschränkung758. Demnach ist es den Beteiligten des Privatrechtsverkehrs nicht zu nehmen, nach einverständlichem, gegenseitigem Gutdünken die Verwendung und Verarbeitung personenbezogener Daten vertraglich zu vereinbaren. Der drohende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre danach durch den Grundsatz der Privatautonomie verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Seine Grenze findet das Fundamentalprinzip der Privatautonomie allerdings dort, wo sein Axiom - nämlich das strukturelle Gleichgewicht der jeweils beteiligten Privatrechtssubjekte - nachhaltig gestört ist: Dort wo soziale 754 H.M.; umfassend dazu Stern, Grundrechte, § 76, II. und III.. Vgl. Stern, Grundrechte, §76, IV. 5. c). 756 Zum Gesamten Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 90ff.. 757 Vgl. Stern, Grundrechte, §76, III. 2. b). 758 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 91; in diesem Sinne auch Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 51; ders., JZ 1998, S. 826; implizit auch Schmidt, JZ 1974, S. 245f.. 755 170 Gewalten ein solches Übergewicht gegen den Einzelnen bilden, dass dieser de facto in der Ausübung seiner individuellen Freiheit gefährdet ist, ist die Privatautonomie und ihre Grundannahme nicht mehr nur zu respektieren, sondern auch zu schützen und in ihren Grundbedingungen wieder herzustellen759. Ein solcher Fall strukturellen Ungleichgewichts ist aber für die Anwendung von DRM-Systemen zum Schutze urheberrechtlicher Werke anzunehmen: Denn eine ernstzunehmende Möglichkeit des Werknutzers, sich nicht den vertraglichen Bedingungen der Werkvermittler zu unterwerfen, besteht nicht. Dafür ist zum einen die zunehmend monopolartige Stellung von Inhalteanbietern und Medienunternehmen760 verantwortlich, wie auch die regelmäßig verwendeten formularvertraglichen Nutzungsbedingungen urheberrechtlich und mittels DRM-Technologie geschützter Werke761. Wo aber der Selbstschutz vor Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung mittels privatautonomer Vertragsgestaltung nicht mehr gelingt, da muss auch eine verfassungsrechtliche Pflicht an den Privatrechtsgesetzgeber festgestellt werden, der Gefährdung informationeller Selbstbestimmung auch im Rahmen der Privatautonomie mittels urheberrechtlicher Gesetzgebung Herr zu werden762. cc) Schutz durch bestehende Datenschutzgesetzgebung Angesichts der Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)763, denen auch der private Datenverarbeitende grundsätzlich unterliegt 764, ist weiterhin zu fragen, ob nicht diese Regelungen zur Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch gegenüber den beschriebenen Gefahren des DRM ausreichenden Schutz gewährleisten765. Ein weiteres gesetzgeberisches Tätigwerden im Rahmen der Urheberrechtsgesetzgebung zum Schutze des Rechts auf informationelle 759 Zum Gesamten: Stern, Grundrechte, § 76, IV. 8. e); Hesse, Rn. 357. Vgl. Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 92. 761 Vgl. Hohagen, S. 299. 762 Allgemein dazu Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 52; Simitis, NJW 1984, S. 401; in diesem Sinne auch Hohagen, S. 299, Fn. 172. 763 Vgl. zur Fassung in der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl. 2003/I, S. 66ff.. 764 Vgl. § 1 Abs. 2 Ziff. 3 BDSG; dazu Gola/Schomerus, § 1, Rn. 20f.. 765 Offengelassen bei Hohagen, S. 146, 299. 760 171 Selbstbestimmung könnte dann jedenfalls nicht einer grundrechtlichen Schutzpflicht entnommen werden. Die Vorschriften des BDSG stellen erst an die Verwendung personenbezogener Daten bestimmte Anforderungen766. Die Verwendung personenbezogener Daten setzt aber voraus, dass diese bereits vorher an den Daten verarbeitenden Werkmittler übertragen worden sind. Im Bereich von DRM-Systemen als online-Vertriebsystemen setzt dies wiederum zwingend die Datenübermittlung via Internet voraus. Durch die online-Übermittlung mittels „World Wide Web“ sind aber der effektiven Kontrolle der Verwendung personenbezogener Daten gemäß den Vorgaben des nationalen Datenschutzrechts enge Grenzen gesetzt. Angesichts des oben umschriebenen Gefährdungspotenzials des Internet767 stößt der nationale Rechtsstaat somit an die Grenzen seiner Gewährleistungskraft. Die Wahrung des Schutzniveaus wie es durch das BDSG vorgegeben und verfassungsrechtlich geboten ist768, kann der nationale Gesetzgeber angesichts des globalen Bedrohungspotenzials transnationaler Informationsströme nicht gewährleisten. Dies ergibt sich aus zwei Überlegungen. Zum einen stößt der nationale Gesetzgeber angesichts der Internationalität des Internet an seine territorialen Grenzen und damit auch an die Grenzen der Durchsetzbarkeit seiner Datenschutzgesetzgebung. Ein Daten verarbeitender Werkmittler, der seinen Sitz nicht im Geltungsbereich des nationalen Gesetzgebers hat, ist auch nicht dessen Datenschutzgesetzen unterworfen. Angesichts der unterschiedlichen Schutzniveaus und deren noch unterschiedlicheren Durchsetzungen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen769, ist die Gewährleistung eines internationalen Datenschutzmindeststandards „eine kaum zu bewältigende Herausforderung“770 und wird darüber hinaus auch den spezifisch bundesdeutschen, also grundrechtlich determinierten 766 Vgl. § 27 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 BDSG. Oben unter 1.. 768 Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des BDSG, wie sie in den Ausführungen des Volkszählungsurteils eine erste Kristallisation gefunden hat, Roßnagel – Abel, 2.7, Rn. 39ff.. 769 Dazu Schaar, Rn. 72f. m.w.N.; Hornung, MMR 2004, S. 8 m.w.N.; Büllesbach/Dreier – Büllesbach, S. 173. 770 Schaar, Rn. 72. 767 172 Datenschutzanforderungen nicht gerecht771. Den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung kann der Gesetzgeber demnach nicht alleine durch die Möglichkeiten der nationalen Datenschutzgesetzgebung gerecht werden. Mit dieser Beschränkung der rechtlichen Handhabe gegen drohende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung korrespondiert die faktische Limitierung der Kontrollmöglichkeiten der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen. So ist zum einen bereits jetzt ein Durchsetzungsdefizit der nationalen Datenschutzbestimmungen bei den nationalen Adressaten der zum Datenschutz verpflichteten Stellen zu beklagen772. Ferner ist aber absolut sicherer Schutz personenbezogener Daten im Internet vor unberechtigten Zugriffen durch Dritte nicht zu gewährleisten773: Selbst wenn also die rechtlichen Bestimmungen des Datenschutzes eingehalten würden, kann von der effektiven Gewährleistung des grundrechtlichen Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht die Rede sein. Diese Überlegungen zeigen, dass allein das Vertrauen auf die bestehende Datenschutzgesetzgebung die geschilderten Risiken für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht kann 774. bewältigen Die ausschließlich ins Belieben der Werkmittler gestellte Implementierung von DRM-Systemen führt zu einer Kumulation der Erhebung personenbezogener Daten, deren Schutz durch die nationale Gesetzgebung nicht effektiv gewährleistet werden kann775. Das bestehende datenschutzrechtliche Gesetzgebungsinstrumentarium vermag also nicht zu einer effektiven Abhilfemöglichkeit der Werknutzer angesichts der 771 Vgl. Hornung, MMR 2004, S. 8 m.w.N.. Hornung, MMR 2004, S. 5; vgl. auch Taeger, K & R 2003, S. 221, je m.w.N.. 773 Vgl. Hornung, MMR 2004, S. 7 m.w.N.. 774 Was letztlich mit den geänderten Umständen der Datenverarbeitungstechnik zu tun hat. Die noch immer maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Datenschutzes gingen von einer zentralen nationalen und folglich mit Hilfe datenschutzrechtlicher Bestimmungen leicht kontrollierbaren Datenverarbeitung aus. Diese Umstände haben sich mit dem Siegeszug des „World Wide Web“ grundlegend verändert, da Datenverarbeitung nicht mehr zentral und inhaltlich begrenzt, sondern global erfolgt und damit national nicht mehr kontrollierbar ist. Vgl. dazu Roßnagel, MMR 2005, S. 71. 775 Angesichts der veränderten strukturellen Bedingungen der Datenverarbeitung plädiert Roßnagel, MMR 2005, S. 74f., für eine konzeptionelle Neugestaltung des bestehenden Datenschutzrechts. So soll bereits die Sammlung solcher Daten vorsorglich begrenzt werden, die sich in einem zweiten Schritt zu personalisierten Verarbeitung eigenen. Ferner soll die Kontrolle datenschutzrechtlicher Bestimmungen stärkere Institutionalisierung erfahren. 772 173 Bedrohungen deren Rechte auf informationelle Selbstbestimmung beitragen. Angesichts der faktischen Bedrohungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die technischen Möglichkeiten von DRM-Systemen kann also nach diesen Ausführungen ein grundrechtlicher Schutzauftrag des Gesetzgebers jedenfalls nicht verneint werden. Dieser stellt den Gesetzgeber vor die Aufgabe, diese - durch die (mittels DRM) denkbare Kontrolle privater Vervielfältigungstätigkeit auftretenden - Kollisionslagen grundrechtlich geschützter Interessen im Wege der Abwägung zu berücksichtigen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. III. Zusammenfassung Der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umschreibt das Mitbestimmungsrecht des Einzelnen hinsichtlich seiner Selbstdarstellung gegenüber seiner Umwelt. Demnach soll dem Grundrechtsinhaber die Möglichkeit der Beeinflussung oder zumindest der Einsicht in die Informationsbehandlung durch Dritte gegeben werden. Denn andernfalls besteht die Möglichkeit, dass es durch die Möglichkeiten der automatisierten Datenverarbeitung zu einer „Informationsverunsicherung“ beim Grundrechtsinhaber über sein „Informationsabbild“ bei Dritten kommt und dieser sich daher bestimmten Verhaltenszwängen ausgesetzt sieht. Der Wesensgehalt bestimmt sich nicht danach, ob anhand der erhobenen personenbezogenen Daten die Erstellung von teilweisen oder vollständigen Persönlichkeitsprofilen möglich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verwendungsmöglichkeiten hinsichtlich personenbezogener Informationen für den Grundrechtsinhaber weder überschaubar noch beeinflussbar und daher geeignet sind, das Verhalten des Werknutzers als Informationsobjekt - einem vermeintlichen oder tatsächlichen „Bild“ seiner selbst entsprechend - zu beeinflussen. DRM-Systeme bieten die Möglichkeit der Erstellung mehr oder minder umfangreicher Nutzerprofile im Bereich des Online-Vertriebs digitaler Werke. Angesichts der entgrenzten Strukturen des Internet ist die 174 Verwendungsmöglichkeit personenbezogener Daten für den Nutzer urheberrechtlich geschützter Daten weder überschau- noch kontrollierbar. Auch bestehen keine Möglichkeiten für den Werknutzer sich dieser personalisierten Erfassung zu entziehen, da DRM-Systeme in ihrer derzeitigen Ausgestaltung die Assoziierung einer bestimmten Werknutzung - hier: der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch - mit einem personalisierten Werknutzer voraussetzen und so die bis dato mögliche Anonymität der Werknutzung vereiteln. Daher ist festzuhalten, dass DRM-Systemen in ihrer derzeitigen Form den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer berühren können. Da dem privat vervielfältigenden Werknutzer keine effektive Möglichkeiten verbleiben, sich im Rahmen der Privatautonomie gegen die privatvertraglich vereinbarte Verwendung von DRM-Systemen zur Wehr zu setzen und auch die derzeitige Datenschutzgesetzgebung nicht in der Lage ist, einen effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in diesem Bereich grundrechtlichen zu gewährleisten, Schutzauftrags ist verpflichtet, der Gesetzgeber das Grundrecht kraft auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen der Ausgestaltung der urheberrechtlichen Regelungen zur privaten Vervielfältigung angemessen zu berücksichtigen und mit den kollidierenden anderen verfassungsrechtlichen Interessen in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Insoweit unterliegt er einer grundrechtlichen Schutzpflicht zur angemessenen Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer im Rahmen der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. C. Schutz der Schrankenbegünstigten durch andere grundrechtliche Bestimmungen Bei der Beurteilung privater Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke stellt sich ferner die Frage, inwieweit der private Werknutzer dabei auch 776 durch die allgemeine Handlungsfreiheit776, durch die Vgl. Hohagen, S. 299f.. 175 Eigentumsgarantie777 und schließlich durch das Kultur- und Sozialstaatsprinzip778 verfassungsrechtlichen Schutz erfährt. I. Die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Unzweifelhaft stellt die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken eine Form der freien Entfaltung der Persönlichkeit dar779. Ebenso unzweifelhaft findet der denkbar weite Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit „verfassungsmäßigen seine Ordnung“. Schranken Diese in umschreibt der das Bundesverfassungsgericht mit der Gesamtheit der Normen, welche formell und materiell sind780. verfassungsgemäß Im bereits erläuterten verfassungsrechtlichen Schutz geistigen Eigentums findet die allgemeine Handlungsfreiheit demnach seine Schranken781, ohne dass hierbei besondere Schrankenqualifikationen zu berücksichtigen wären. Vielmehr sind die betroffenen grundrechtlichen Kollisionsgüter gegenseitig nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen782. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Handlungsfreiheit im Falle der Grundrechtskonkurrenz wegen der Weite seines Schutzbereichs und wegen der Weite seiner Schranken de facto im Wege der Spezialität hinter den anderen betroffenen Grundrechten zurücktritt783. Denn die Schrankenqualität Besonderheiten der auf, die allgemeinen es nicht Handlungsfreiheit auch im Rahmen weist der keine bereits angesprochenen Grundrechte zu berücksichtigen gälte784. 777 Vgl. Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, S. 769. Vgl. Hohagen, S. 300ff.; Fechner, S. 356ff., S. 359ff.; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 122; Kirchhof, S. 27; Amtl. Begründung zur Novelle 1985, BT – Drucksache X/837, S. 9. 779 Hohagen, S. 299 m.w.N.. 780 BVerfGE 6, 32 (Leitsatz Nr. 3); 50, 256 (262); 63, 88 (108f.); 90, 145 (171f.). 781 Riedel, S. 45f.. 782 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 28f., m.w.N.. 783 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 47f., m.w.N.. 784 Aber erst wenn ein konkurrierendes Grundrecht gegenüber anderen Grundrechten besondere Schrankenqualifikationen aufweist, kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das speziellere Grundrecht ohne weiteres das generellere Grundrecht verdrängt. Vgl. dazu bereits oben Teil 2, F. I.. 778 176 Aufgrund der Weite des Schutzbereichs wie der Schranken der allgemeinen Handlungsfreiheit, soll dieser im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine weitere Bedeutung beigemessen werden785. II. Die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG Zu Gunsten des privat vervielfältigenden Werknutzers wird ferner dessen grundrechtlicher Schutz aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG angeführt: Die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke sei eine Form der Nutzung seines Eigentums und daher vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst786. Indes kann ein Vervielfältigungsrecht des Werknutzers am geistigen Werk787 nicht als Gegenstand der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG aufgefasst werden. Es wurde bereits festgehalten, dass die Einräumung eines privaten Vervielfältigungsrechts urheberrechtlich geschützter Werke eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des (geistigen) Eigentumsrechts des Urhebers darstellt788, und zwar unabhängig davon, wie dieses Recht im Einzelnen ausgestaltet sein möge. Die aus einer Inhalts- und Schrankenbestimmung geborenen Rechtspositionen können aber schon denklogisch kein Eigentum im Sinne der Garantie des Art. 14 GG darstellen. Denn die Beschneidung eines verfassungsrechtlichen Vollrechts kann nicht das Entstehen eines weiteren Vollrechts zur Konsequenz haben. Dann wäre nicht mehr die Sozialbindung die für die Eigentumsgarantie maßgebliche Schranke, sondern ein weiteres Eigentumsrecht am selben Gegenstand der Eigentumsgarantie. Eigentum kollidierte mit Eigentum am identischen Gegenstand. Auch lässt sich eine urheberrechtliche Schrankenregelung in Form eines Vervielfältigungsrechts an urheberrechtlichen Werken nicht mit den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs in Einklang 785 So auch Hohagen, S. 300. Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, S. 769. 787 Sofern am Werkstück als Gegenstand des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie angesetzt wird, geht schon der Ansatz fehl: Gegenstand der Vervielfältigung ist das geistige Eigentum am Werk, nicht das Sacheigentum am Werkstück. 788 Dazu oben Teil 2, F. II. 1.. 786 177 bringen789. Diese verlangen nämlich unter anderem die umfassende, ausschließliche Verfügungsbefugnis des Inhabers über die nämliche Rechtsposition790. Von einer solchen kann aber auch bei der Gestattung privater Vervielfältigungen nicht gesprochen werden, da dem privaten Werknutzer beispielsweise die Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken untersagt ist und der Urheber darüber hinaus weiterhin zu Vervielfältigung seiner Werke berechtigt bleibt791. Von einer umfassenden oder ausschließlichen Rechtsposition des privat Vervielfältigenden, wie sie der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG erfordert, kann also nicht gesprochen werden. III. Das Sozial- und Kulturstaatsprinzip Sozial- wie Kulturstaatsprinzip haben gemeinsam, dass sich bei beiden verfassungsrechtlichen Verhaltensanforderungen an den (Urheberrechts-) Gesetzgeber um bloße Staatszielbestimmungen handelt. Staatszielbestimmungen indes weisen (im Gegensatz zu den Grundrechten) einen ausschließlich objektivrechtlichen Gehalt auf und beinhalten keinen Gesetzgebungsauftrag. Denn es mangelt diesen an inhaltlicher Bestimmtheit ebenso wie an einem abschließenden Regelungsinhalt, welcher durch ein bestimmtes gesetzgeberisches Tun zu „erledigen“ wäre792. 1. Das Sozialstaatsprinzip In den verschiedenen Entscheidungen zur Ausgestaltung geistigen Eigentums durch das Urheberrecht findet der soziale Gemeinwohlbezug geistigen Eigentums in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer wieder Anklang. So spricht es vom „Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu Kulturgütern“793, von der „Verwirklichung dieser sozialen Aufgabe“ (des Vertrautmachens der Jugend mit dem Überblick dazu bei Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 113ff.. Vgl. oben Teil 2, B. II. 2. a); Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 65. 791 Vgl. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 1. 792 Isensee, Verfassungsstaat, Rn. 121, m.w.N.. 793 BVerfGE 31, 229 (230), Leitsatz 3. 789 790 178 Geistesschaffen)794 oder vom „sozialen Gemeinwohlbezug“795 geistigen Eigentums. Doch fehlt in allen bislang ergangenen Entscheidungen der Konnex zur verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatlichkeit. Stattdessen werden die sozialen Belange der Allgemeinheit - in all ihrer Unbestimmtheit - der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG zugeordnet. Indes kann das Sozialstaatsprinzip als Staatszielbestimmung des Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG796 nicht mit der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG gleichgesetzt werden. Das Sozialstaatsprinzip fordert unter anderem als Ziel, zu dessen Verfolgung sämtliche Staatsorgane verpflichtet sind, die Förderung und Gewährleistung „Umsetzung einer des „grundrechtlichen grundrechtlichen Chancengleichheit“797, die Wertesystems die in Verfassungswirklichkeit“798. Allein die Gewähr grundrechtlicher Freiheiten reicht nicht zu deren effektiven Verwirklichung aus, stattdessen müssen staatlicherseits die wirtschaftlichen und strukturellen Voraussetzungen für eine möglichst ungestörte Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen im Rahmen seiner grundrechtlichen Freiheit eröffnet und gesichert werden. Es geht also um die Schaffung gleicher faktischer „Startchancen“799. Mit der durch die Grundrechtsverbürgung geschaffenen bloßen rechtlichen Chancengleichheit soll auch die Gewähr einer faktischen Chancengleichheit im Rahmen der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten korrespondieren800. Diese faktische Chancengleichheit Entwicklungstendenzen im ist Bereich aber der durch die Kontrolle derzeitigen privater Vervielfältigungstätigkeiten bedroht. Die „Rückbildung“ des urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts zu einem absoluten Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers würde die Ausübung der grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit durch den Werknutzer 801 vollständig in die Hände der Rechteinhaber legen. Hinzu kommt die zu 794 BVerfGE 31, 229 (242). BVerfGE 79, 29 (42). 796 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 97; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20, VIII, Rn. 6; Zacher, Staatsziel, Rn. 2; Badura, DÖV 1989, S. 493. 797 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 105f. m.w.N.. 798 BVerfGE 33, 303 (331) mit Verweis auf BVerwGE 27, 360.Hervorhebung durch Verfasser. 799 So Benda/Maihofer/Vogel – Benda, § 17, Rn. 169; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 105. 800 Dazu Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20 VIII, Rn. 39f.. 801 Dazu umfassend oben unter A. III. 3. b) bb) (b). 795 179 beobachtende Tendenz zur Privatisierung des Rechtsschutzes durch die Verwendung von DRM-Systemen als technischen Schutzmaßnahmen vor unliebsamen Vervielfältigungen802. Die Durchsetzung von Urheberrechten liegt damit aber nicht mehr in den Händen entscheidungsbefugter Gerichte, sondern faktisch in denen der Inhalteanbieter, die mittels technischer Verfahren über Zugang und Nutzung urheberrechtlicher Werke bestimmen, ohne dass dabei die notwendige Differenzierung zwischen rechtmäßiger und rechtswidriger Nutzung ausreichend gewährleistet wäre. Indes verlangt das Sozialstaatsprinzip unter anderem zur Schaffung faktischer Chancengleichheit, dass für den Grundrechtsinhaber die reale Möglichkeit besteht, seine Rechte vor Gericht zu verfolgen803. Grundrechtlich verbürgte, für den Werknutzer aber nicht (gerichtlich) durchsetzbare Freiheiten jedoch, sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Trotz jenes materiellen Gehalts des Sozialstaatsprinzips können diesem keine konkreteren Aussagen für die gesetzliche Ausgestaltung einer urheberrechtlichen Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit entnommen werden. Denn zum einen wird dem Gesetzgeber bei der Beachtung der Ausgestaltung dieser Staatszielbestimmung ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden804, was schon angesichts deren hohen Unbestimmtheit805 erforderlich ist. Überdies gewährt das Sozialstaatsprinzip keine subjektiven Rechtspositionen806, vermag also die verfassungsrechtlichen Positionen der Werknutzer allenfalls mittelbar zu beeinflussen. 2. Das Kulturstaatsprinzip Wie beim Sozialstaatsprinzip auch, handelt es sich beim Kulturstaatsprinzip um eine grundgesetzliche Staatszielbestimmung, wenngleich sich eine 802 Vgl. Lessig, S. 226, 240ff.; Peukert, UFITA 2002, 689ff. (712); Bechtold, S. 439ff.. Vgl. BVerfGE 1, 109 (111); 56, 139 (143). 804 Dazu Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 109ff.; BVerfGE 1, 97 (105); 18, 257 (273); 29, 221 (235); 59, 231 (263); 82, 60 (80); 100, 271 (284). 805 Zur verfassungsimmanenten „Wandlungsfähigkeit“ des Begriffs der Sozialstaatlichkeit Benda/Maihofer/Vogel – Benda, § 17, Rn. 112ff.. 806 Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20 VIII, Rn. 28; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 97. 803 180 ausdrückliche Stellungnahme des Grundgesetzes zu dieser Staatszielbestimmug nicht finden lässt. Doch hat das Bundesverfassungsgericht längst die Kulturstaatlichkeit des Grundgesetzes anerkannt807. Auch in der Literatur werden am Bestand der kulturstaatlichen Verfassung der Bundesrepublik keine grundlegenden Zweifel geäußert808. Eine materielle Verfassungsleitlinie zur Ausfüllung des schwer greifbaren Inhalts der bundesstaatlichen Kulturstaatlichkeit809 findet dieses Prinzip (unter anderem) in seinem Bezugspunkt zur Sozialstaatlichkeit810. Der grundgesetzliche Sozialauftrag bezieht sich auch auf die kulturstaatliche Prägung des Grundgesetzes811 und verlangt demnach auch kulturelle Daseinsvorsorge812 dergestalt, dass staatlicherseits für akzeptable Zugangsbedingungen zur öffentlichen Kultur gesorgt werden muss813. Denn die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Kultur bildet eine wesentliche Facette der freien Persönlichkeitsentfaltung814. Kurz: Chancengleichheit im Sinne des Sozialstaatsprinzips heißt auf dem Gebiet der Kulturstaatlichkeit die Schaffung und Gewährleistung eines angemessenen kulturellen Mindeststandards für alle Bevölkerungsgruppen815. Angesichts der schon angesprochenen Tendenzen im Rahmen des Schutzes urheberrechtlicher Werke vor privater Vervielfältigungstätigkeit 816 bestehen insoweit Gefahren für ein so verstandenes Kulturstaatsprinzip. Ein mögliches urheberrechtliches absolutes Ausschließlichkeitsrecht im Bereich privater Vervielfältigung führt ebenso wie die uneingeschränkte Verwendung von technischen Schutzmaßnahmen letztlich zur Monopolisierung der Rechte an urheberrechtlichen Werken (einem wesentlichen Bestandteil 807 Vgl. BVerfGE 36, 321 (331); zur Kritik an der wenig eindeutigen Begrifflichkeit, Steiner, Kulturpflege, Rn. 3; ders. VVDStRL 42 (1984), S. 13f.. 808 Vgl. bspw. Benda/Maihofer/Vogel – Maihofer, § 25, insb. Rn. 50ff.; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. III, Rn. 8; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 106; Mangoldt/Klein/Starck – Robbers, Art. 7, Rn. 176; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 12ff.. 809 Zum Kulturbegriff in diesem Kontext, Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 59f.. 810 Dazu Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 33f.; umfassend auch Palm, S. 145ff.; in diesem Sinne auch Benda/Maihofer/Vogel – Maihofer, § 25, Rn. 88ff.. 811 Palm, S. 145 m.w.N.. 812 So Palm, a.a.O.. 813 Vgl. Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 33; Palm, S. 146 je m.w.N.. 814 Zur soziointegrativen Wirkung der individuellen Teilhabe an Kultur, Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 61f., 65f.. 815 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 106. 816 Oben unter 1.. 181 dessen, was „Kultur“ ausmacht) zugunsten der Urheber, eher noch zugunsten der Werkmittler. Die Vereinigung von urheberrechtlichen Rechten alleine in einer Hand konterkariert auf diese Weise ein als Auftrag zur Verwirklichung „kultureller Daseinsvorsorge“ verstandenes Kulturstaatsprinzip, da die Schaffung angemessener Zugangsbedingungen schon von vorneherein nicht mehr möglich ist: Der Staat - geschweige denn der Einzelne - hat es nicht mehr in der Hand, den Zugang zu Kulturgütern wenigstens mitzubestimmen. Indes können, wie bei der Sozialstaatlichkeit auch, konkretere Aussagen nicht getroffen werden, welche für die vorliegend zu untersuchende gesetzliche Ausgestaltung der privaten Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke von Bedeutung sein könnten. Denn als bloße Staatzielbestimmung räumt die Kulturstaatlichkeit einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber ein817. Ferner ist auch dem Kulturstaatsprinzip keine subjektive Rechtsposition immanent, welche dem Werknutzer eine schützenswerte Rechtsposition verleihen könnte. Schließlich lässt sich das Kulturstaatsprinzip ebenso zugunsten der Urheber bemühen: Denn die (auch sozialstaatlich gebotene) wirtschaftliche Existenzsicherung818 von Urhebern vor den Gefahren privater Vervielfältigungstätigkeit lässt sich ebenso als Gebot der Kulturstaatlichkeit klassifizieren. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich die Relevanz des Sozial- und Kulturstaatsprinzips für die vorliegende Untersuchung wie folgt beurteilen: Als Staatszielbestimmungen vermögen Sozial- und Kulturstaatsprinzip keine konkreten verfassungsrechtlichen Vorgaben für den urheberrechtsgestaltenden Gesetzgeber zu bestimmen. Indes bieten sie eine weitere verfassungsrechtliche Legitimation dafür, den Zugang zu Kulturgütern und damit die Frage der Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke nicht alleine in die Hände der Rechteinhaber bzw. 817 Vgl. dazu bspw. Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 28ff. und S. 35ff.. Allgemein dazu Palm, S. 151ff.; Steiner, Kulturpflege, Rn. 6; Schricker – Schricker, Einl. Rn. 14. 818 182 Rechteverwerter zu legen. Insoweit gilt es aber zu berücksichtigen, dass Sozial- und Kulturstaatsprinzip nicht alleine zu Gunsten der Werknutzer streiten, sondern sich ebenfalls zu Gunsten der Urheber anführen lassen. 183 Teil 5: Der Schutz des Werknutzers durch Vorgaben des Völker- und Europarechts Entsprechend den oben in Teil 3 gemachten Ausführungen ist an dieser Stelle auf den Schutz des Werknutzers durch Vorgaben des Völker- und Europarechts einzugehen. A. Völkerrechtlicher Schutz des Werknutzers Der völkerrechtliche Schutz des Urhebers weist eine bei weitem höhere Regelungsdichte auf, Bedeutungszuwachs als des derjenige des Schutzobjekts Werknutzers819. „Information“820 Mit dem sowie den gewandelten technischen Möglichkeiten zu Lasten der Gefährdung der Privatsphäre der Werknutzer821 dürfte diese Sichtweise indes nicht mehr angemessen sein. An völkerrechtlichen Verträgen sollen an dieser Stelle alleine die einschlägigen Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)822 einer Betrachtung unterzogen werden. Es wurde bereits geklärt, dass völkerrechtliche Verträge innerstaatlich rechtsverbindlich und von den Normadressaten zu beachten sind823. Ihnen kommt der Rang einfacher Gesetze zu824. Auch besteht eine - hier allein interessierende - verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers zur Umsetzung der Vorgaben völkerrechtlicher Verträge in nationales Recht als Konsequenz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes825. 819 Vgl. Ausführungen bei Hohagen, S. 49ff., einerseits und S. 125ff., andererseits. Auch in der sonstigen urheberrechtlichen Literatur findet der Schutz des Werknutzers durch internationale Rechtsvorschriften kaum bis keine Berücksichtigung. Vgl. bspw. Loewenheim – Vogel, § 2, Rn. 27ff., 37; Schricker – Schricker, Einl., Rn. 47f.. 820 Dazu oben Teil 4, A. III. 3. a). 821 Dazu oben Teil 4, B. I. 2. a) und II. 2. b). 822 Die Bestimmungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), insbesondere dessen Art. 27, der ein kulturelles Teilhaberecht des Einzelnen jedenfalls systematisch über die materiellen Interessen der Urheber stellt, sollen an dieser Stelle keine Berücksichtigung finden. Denn die AEMR stellt nicht einmal eine verbindliche Norm des Völkerrechts dar, folglich kann auch nicht von einer wenigstens mittelbaren verfassungsrechtlichen Bindung des Gesetzgebers an dessen Vorgaben ausgegangen werden. Umfassend zum gesamten aber Hohagen, S. 125ff.. 823 Für die EMRK, Peters, S. 15; allgemein dazu bereits oben Teil 3, A. II.. 824 Für die EMRK, Grabenwarter, S. 21. 825 Dazu oben Teil 3, A. II.; die völkerrechtliche Bindung des Privatrechtsgebers anhand der Vorgaben der EMRK betont Hohagen, S. 131 m.w.N.. 184 I. Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers durch Art. 10 EMRK826 Zunächst ist festzuhalten, dass unmittelbar aus der EMRK Verpflichtete nur die beteiligten Konventionsstaaten sind827, d.h. deren Vorgaben betreffen zunächst nur das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Dieses ist für die vorliegende Untersuchung aber nicht von Belang, da es um die Ausgestaltung eines reinen Privatrechtsverhältnisses geht, also um das Verhältnis zwischen Bürger und Bürger. Doch verpflichten die Vorgaben der EMRK die jeweiligen Konventionsstaaten ebenso für deren Durchsetzung im Verhältnis der Privaten untereinander zu sorgen828. Die Vorgaben der EMRK beinhalten also ebenso wie die Grundrechte des Grundgesetzes einen Schutzauftrag an den Privatrechtsgesetzgeber zur Durchsetzung der Menschenrechte im Verhältnis der Privaten untereinander. 1. Schutzbereich des Art. 10 EMRK Der Schutzbereich der passiven Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK umfasst die Freiheit des Einzelnen, sich aktiv um den Erhalt von Informationen829 zu bemühen830. Hierunter fällt auch die Anfertigung von Art. 10 EMRK in der (authentischen, vgl. Art. 59 EMRK) englischen Fassung lautet: „(1) Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers. This article shall not prevent States from requiring the licensing of broadcasting, television or cinema enterprises. (2) The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and responsibilities, may be subject to such formalities, conditions, restrictions or penalties as are prescribed by law and are necessary in a democratic society, in the interests of national security, territorial integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health and morals, for the protection of the reputation or rights of others, for preventing the disclosure of information received in confidence, or for maintaining the authority and impartiality of the judiciary.”. 827 Peters, S. 15 m.w.N.. 828 Umfassend dazu Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 13, 55 bis 60, 76 bis 94; Peters, S. 16. Grundlegend für dieses Verständnis der EMRK das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13. Juni 1979, EuGRZ 1979, S. 454f.. 829 Teilweise wird angenommen, die passive Informationsfreiheit beziehe sich nur auf „allgemein zugängliche Quellen“, vgl. Grabenwarter, S. 271 m.w.N.. In diesem Sinne Peters, S. 73; anders hingegen Hohagen, S. 135, Fn. 378. Angesichts der sich dann stellenden Frage nach der Einordnung DRM-geschützter urheberrechtlicher Werke (vgl. dazu oben Teil 4, A. I. 2.) ist folgendes anzumerken: Wie im Rahmen des Art. 5 GG ist auch an dieser Stelle um einer möglichst effektiven Gewährleistung der Schutzfunktion der passiven Informationsfreiheit willen davon auszugehen, dass der Begriff der „allgemeinen 826 185 Vervielfältigungsstücken zum privaten Gebrauch, da der einmalige rezeptive Werkgenuss oftmals nicht zur adäquaten Aufnahme der Information ausreicht. Ferner ist im digitalen Kontext die Vervielfältigung oftmals bereits Voraussetzung für den einmaligen rezeptiven Werkgenuss 831. Ebenso wenig wie die Vorgaben des Art. 5 GG, verlangt die passive Informationsfreiheit der EMRK allerdings die Unentgeltlichkeit des Zugangs zur Information832, sprich: die Unentgeltlichkeit der privaten Vervielfältigungstätigkeit. 2. Eingriffsverständnis des Art. 10 EMRK Ein Eingriff in die passive Informationsfreiheit droht angesichts urheberrechtlicher Regelungen zur privaten Vervielfältigungstätigkeit von zwei Seiten. Jede Form von Ausschließungsmöglichkeiten privater Vervielfältigungsmöglichkeit zugunsten der Urheber - mögen diese rechtlich durch die Ausgestaltung von Urheberrechten als absoluten Ausschließlichkeitsrechten für den Bereich der privaten Vervielfältigung geschaffen werden oder tatsächlich durch die Einführung von Zugangs kontrollierenden DRM-Systemen - stellt einen Eingriff in das passive Informationsrecht des Art. 10 EMRK dar. 3. Schranken und Schranken - Schranken des Art. 10 EMRK Die Schranken der passiven Informationsfreiheit ergeben sich aus Art. 10 Abs. 2 EMRK. Diese müssen demnach auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, einem der dort genannten Ziele dienen und der erforderlichen Abwägung der Umstände des Einzelfalls zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen833. Zugänglichkeit“ objektiv zu bestimmen sei und so nicht zur Disposition des unmittelbar verpflichteten Konventionsstaates bzw. der mittelbar verpflichteten Privaten stehe. In diesem Sinne auch Grabenwarter, a.a.O., m.w.N.. 830 Grabenwarter, S. 271 m.w.N.; Villiger, Rn. 611; Macdonald/Matscher/Petzold – Lester, S. 481f.. 831 Hohagen, S. 134; zum Gesamten oben Teil 4, A. I. 3.. 832 Hugenholtz, S. 362. 833 Grabenwarter, S. 277ff.; Peters, S. 22ff., 60. 186 Fragen werfen hier alleine die Anforderungen der Schranken - Schranke der „Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft“ auf, welche einer Verhältnismäßigkeitsprüfung entspricht834. Einen engeren Prüfungsmaßstab als die Verhältnismäßigkeitskontrolle nach dem Grundgesetz für Eingriffe in die Informationsfreiheit legt die Schranken - Schranke dieser „Notwendigkeit“ indes nicht an: Das Kriterium der „Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft“ verlangt eine Rechtsgüter- und Interessenabwägung, wie sie vergleichbar auch das grundgesetzliche Verhältnismäßigkeitsprinzip fordert. Die einer solchen Abwägung innewohnenden Wertungsfrage berücksichtigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dergestalt, dass er den Konventionsstaaten einen Spielraum und Vorrang sowohl bei der Beurteilung835 der maßgeblichen Interessen und deren Beeinträchtigungen wie auch bei der Wahl seiner Mittel836 zum Erreichen eines verhältnismäßigen Ausgleichs der beteiligten Interessen zugesteht. Dies entspricht dem in Art. 60 EMRK niederlegten Ziel der Konvention, lediglich einen Menschenrechtsmindeststandard zu gewährleisten837. Ferner prüft der Europäische Menschenrechte jedenfalls teilweise die fragliche Gerichtshof für staatliche Maßnahme nicht im Hinblick auf seine Geeignetheit und Erforderlichkeit838. Eine engere Verhältnismäßigkeitsprüfung als Schranken - Schranke der Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK als jene grundgesetzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt sich also, dem subsidiären Charakter der Konvention entsprechend, nicht ableiten. 4. Zusammenfassung Unabhängig davon, welcher konkrete Kontrollmaßstab bei der Prüfung der Schranken der passiven Informationsfreiheit letztlich zugrunde gelegt wird839, ergibt sich für den Schutz der Informationsfreiheit der Werknutzer nach den Vorgaben der EMRK folgendes Bild: 834 Umfassend dazu Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 659ff.. Sog. „margin of appreciation“; allgemein dazu Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 661; 679ff.. 836 Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 707. 837 Vgl. Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 663ff.. 838 Dazu Hohagen, S. 137f.m.w.N.; Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 712f.. 839 Dazu umfassend Hohagen, S. 136ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 835 187 Der durch die Informationsfreiheit der EMRK gezogene sachliche Schutzbereich umfasst in gleicher Weise wie die Informationsfreiheit des GG die private Vervielfältigungstätigkeit. Jedoch sind Schranken und Schranken - Schranken des Art. 10 Abs. 2 EMRK, die der bundesdeutsche Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer urheberrechtlichen Regelung zur privaten Vervielfältigungstätigkeit zu beachten hat, jedenfalls nicht enger als die durch das Grundgesetz gezogenen840. Eine gesetzliche Regelung, welche den in Teil 4 herausgearbeiteten grundrechtlichen Anforderungen der Informationsfreiheit der Werknutzer genügt, genügt demnach auch denjenigen der EMRK. Für die vorliegend zu beurteilenden verfassungsrechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Urheberrechts bezüglich privater Vervielfältigungsmöglichkeit vermögen demnach die Vorgaben der EMRK keine verbindliche Bedeutung zu erlangen, bestenfalls die verfassungsrechtlichen Vorgaben des GG entsprechend zu unterstreichen. II. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers durch Art. 8 EMRK 841 Der Schutz der Privatsphäre wird durch Art. 8 EMRK gewährleistet. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hat die Praxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte, als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK auch das Sammeln, Speichern, Weitergeben und Verarbeiten von Daten fallen zu lassen 842, ausdrücklich anerkannt843. Entsprechend den oben gemachten Ausführungen zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach den Vorschriften des Grundgesetzes844 ist damit festzuhalten, dass die Möglichkeiten moderner Datenverarbeitung mittels DRM-Systeme einen Eingriff auch in den 840 In diesem Sinne letztlich Hohagen, S. 139ff.. Art. 8 EMRK lautet: „(1) Everyone has the right to respect for his private and familiy life, his home and his correspondence. (2) There shall be no interference by a public authority with the exercise of this right except such as is in accordance with the law and is necessary in a democratic society in the interests of national security, public safety or the economic well-being for the country, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, or for the protection of the rights and freedoms of others.”. 842 Nachweise bei Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 323, Fn. 71. 843 Nachweise bei Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 324. 844 Dazu oben Teil 4, B. I. 2. a). 841 188 Schutzbereich des Art. 8 EMRK bedeuten845. Zwar ist dieser Eingriff nicht von staatlicher, sondern vielmehr von privater Seite zu befürchten. Doch mit der Verpflichtung der Konventionsstaaten die Rechte der EMRK in ihrem Verhältnis gegenüber ihren Staatsbürgern zu wahren, korrespondiert auch ein entsprechender Schutzauftrag, diese Rechte auch im Verhältnis der Privaten untereinander zur Geltung zu bringen846. Für die vom nationalen Gesetzgeber dabei zu beachtende Schranke des Art. 8 Abs. 2 EMRK gilt das soeben zu Art. 10 EMRK ausgeführte847: Eine dem Schutze geistigen Eigentums dienende urheberrechtliche Regelung, welche einen Eingriff in den Schutzbereich der Privatsphäre darstellt, muss den Anforderungen an einen verhältnismäßigen Ausgleich der beteiligten Interessen genügen. Unabhängig davon, wie eng man den Prüfungsmaßstab der Schranken des Art. 8 Abs. 2 EMRK dabei konkret zieht, gilt auch hier, dass jedenfalls ein engerer Maßstab, als derjenige welcher durch das Grundgesetz gezogen wird, nicht angenommen werden kann, da die EMRK - wie bereits ausgeführt - von einem Beurteilungs- wie Gestaltungsvorrang des nationalen Gesetzgebers ausgeht848. Die Vorgaben des Art. 8 EMRK vermögen daher vorliegend ebenso wenig wie die des Art. 10 EMRK für den, an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des GG gebundenen bundesdeutschen Gesetzgeber verbindliche Richtlinien aufstellen. B. Europarechtlicher Schutz des Werknutzers Ähnlich wie auf völkerrechtlicher Ebene, stellt sich der Schutz des Werknutzers auf europarechtlicher Ebene dar. Rechtspositionen, die zugunsten des Werknutzers gegenüber dem Urheber in Stellung gebracht werden können, finden hier kaum Berücksichtigung. I. Schutz des Werknutzers durch die Info - RL 2001/29 EG 845 So auch Hohagen, S. 144. Ausdrücklich für die Anerkennung eines staatlichen Schutzauftrags durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch für den Bereich des Art. 8 EMRK, Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 337. 847 Oben unter I. 3.. 848 Vgl. dazu Villiger, Rn. 553; Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 661. 846 189 Die bereits angesprochene Info - RL 2001/29 EG jedenfalls beinhaltet keine Vorgaben, welche dem Werknutzer eine anspruchsbegründende Rechtsposition gegenüber dem Urheber und dessen Interessen einräumen würden849. So spricht Art. 5 der Info - RL beispielsweise von „Ausnahmen und Beschränkungen“ des Vervielfältigungsrechts des Urhebers nach Art. 2, nicht von Rechten des Werknutzers; auch Art. 6 Info - RL, der der Durchsetzung dieser Schranken des Art. 5 Info - RL dienen soll, spricht von den Werknutzern als „Begünstigten“, nicht als Berechtigten. Die Erwägungsgründe sprechen in aller Regel ausschließlich vom Schutz des Urhebers850, welchen Schutz der Werknutzer erfährt, findet keine Berücksichtigung. Dennoch scheint auch die Info - RL davon auszugehen, dass dem Werknutzer grundsätzlich ebenso originär rechtsbegründende Positionen zustehen, ohne diese freilich explizit zu bestimmen oder auch nur zu benennen. So spricht aber beispielsweise Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 1 Info - RL vom „rechtmäßigen Zugang“, den ein Werknutzer zu einem urheberrechtlich geschützten Werk haben solle, Erwägungsgrund (31) spricht vom „Rechts[…]ausgleich zwischen […] Rechtsinhabern und Nutzern“. Auch in Erwägungsgrund (57) findet sich ein Hinweis auf eine berücksichtigungsfähige Rechtsposition des Werknutzer, wenn es zu dessen Gunsten im Rahmen der Implementierung von DRM-Systemen die Beachtung von datenschutzrechtlichen Grundsätzen der Datenschutzrichtlinie 94/46/EG anregt. II. Der Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers Nachdem sich auf Grundlage der Info-RL keine für den Gesetzgeber relevanten Rechtspositionen zu Gunsten des Werknutzers ableiten 849 Zum gesamten, Hohagen, S. 262ff.; so auch Diemar, Digitale Kopie, S. 203, 205, die ausdrücklich davon ausgeht, dass dem Werknutzer kein urheberrechtlicher Vervielfältigungsanspruch zustehe (S. 205) und dieses Ergebnis u. a. auch auf ihre Analyse der Vorgaben der Info - RL stützt (S. 205). 850 Vgl. bspw. Erwägungsgründe (4), (5), (6), (7), (9), (10), (11), (12), (13) und (14), um nur einige zu nennen. 190 lassen851, ist auf europarechtlicher Ebene nach weiteren Vorschriften des primären oder sekundären Gemeinschaftsrechts zu suchen, aus denen sich berücksichtigungsfähige Rechtspositionen zugunsten des Werknutzers ableiten lassen. 1. Auf Primärrechtsebene Der Grundrechtsschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht wird in Art. 6 des Unionsvertrages (EUV) erwähnt. Dessen Abs. 2 zufolge, verpflichten sich die Mitgliedsstaaten der Union zur Achtung der Grundrechte, wie sie sich aus der EMRK und Gemeinschaftsrechts852 als allgemeine ergeben853. Grundsätze des Formen der Beide Grundrechtsgewährleistung stehen auf jeweils gleicher Rangstufe und sind als primäres Gemeinschaftsrecht Gemeinschaftsrecht genießen behandeln854. zu beide Formen Als primäres europäischer Gemeinschaftsgrundrechte grundsätzlichen Anwendungsvorrang auch vor nationalem Verfassungsrecht, sprich: vor den grundrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes855. In den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie sie vom EuGH als allgemeine Rechtsgrundsätze richterrechtlich entwickelt wurden856, finden sich bislang keine Ausführungen zur Informationsfreiheit im Sinne einer Informationszugangsfreiheit857, die auf die Gestattung privater Vervielfältigungstätigkeit Anwendung fände. Sofern der Grundrechtsschutz nach Maßgabe der Vorgaben der EMRK erfolgen soll, gilt das bereits oben ausgeführte: Der Grundrechtsschutz des Art. 10 EMRK Grundgesetzes858. geht jedenfalls Daher nicht ergeben weiter sich als aus derjenige dem des primären Gemeinschaftsrecht keine Vorgaben, die für die vorliegende Untersuchung 851 Kritisch zu diesem Befund auch Hohagen, S. 264f.. Zum Begriff: Oppermann, Europarecht, Rn. 491f.. 853 Streinz – Pechstein, Art. 6 EUV, Rn. 8, 10. 854 Oppermann, Europarecht, Rn. 496. 855 Dazu oben unter Teil 3, B. II.; Oppermann, Europarecht, Rn. 497. 856 Streinz – Pechstein, Art. 6 EUV, Rn. 8. 857 Vgl. Rengeling/Sczcekalla, Rn. 713ff.. 858 Dazu oben unter A. I.. 852 191 beachtlich wären, da die insoweit maßgeblichen Grenzen bereits durch die Vorgaben des Grundgesetzes gezogen werden. 2. Auf Sekundärrechtsebene Dasselbe gilt für den Schutz durch Sekundärrecht. Auch hier lassen sich jenseits der unbestimmten Ausführungen der Info - RL keine Hinweise finden, welche den Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers zum Ziel hätten. III. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers 1. Auf Primärrechtsebene Auch hier gilt das bereits zu Art. 6 Abs. 2 EUV Gesagte, nämlich, dass die Mitgliedsstaaten zur Achtung der Grundrechte, wie sie sich aus der EMRK und als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben, verpflichtet sind859. Angesichts des Schutzes durch die EMRK kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden: Die EMRK schafft kein höheres Schutzniveau als der durch das Grundgesetz gewährleistete Schutz der informationellen Selbstbestimmung860. Was den Schutz der Privatsphäre durch die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts angeht, ist festzustellen, dass es auch in dieser Hinsicht an Rechtsfindung durch den EuGH mangelt861, die weiterführend herangezogen werden könnte. 2. Auf Sekundärrechtsebene Auf der Ebene des Sekundärrechts hingegen ergibt sich ein anderes Bild. Umfassenden Schutz erfährt die Privatsphäre im Sinne der Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und Vgl. Roßnagel – Brühann, 2.4, Rn. 4. Dazu oben unter A. II.. 861 Vgl. Rengeling/Sczcekalla, Rn. 675ff.. 859 860 192 zum freien Datenverkehr862 (kurz: DSRL) sowie durch die Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlament und Rates vom 15.12.1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und des Schutzes der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation863 (kurz: TK - DSRL). Der Bundesgesetzgeber hat Bundesdatenschutzgesetz864 die Vorgaben umgesetzt865. der Dieser DSRL im neuen sekundärrechtlichen Verpflichtung ist der Gesetzgeber also bereits nachgekommen, so dass sich hieraus weitere Verpflichtungen bezogen auf die urheberrechtlichen Regelungen zur privaten Vervielfältigung nicht mehr ableiten lassen 866. C. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Interessen der Werknutzer an der Gewährleistung ihrer Informationsfreiheit wie am Schutz ihrer Privatsphäre auch völker- und europarechtliche Verankerung finden. Für die vorliegende Untersuchung sind diese Vorgaben allerdings insofern ohne Bedeutung, als diese Vorgaben allesamt ein niedrigeres Schutzniveau als diejenigen des Grundgesetzes gewährleisten. Daher bleiben sie in der vorliegenden Vorgaben Untersuchung außen für die Vervielfältigungstätigkeit vor, denn urheberrechtliche lassen sich ihnen rechtlich verbindliche Ausgestaltung nach privater Befolgung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht mehr entnehmen. Freilich aber verstärken und unterstreichen sie die auf verfassungsrechtlicher Ebene gefundenen Ergebnisse zum Schutze der Interessen der Werknutzer867. EG – Abl. L 281 vom 23.11.1995, 31ff.. EG – Abl. L 24 vom 30.01.1998, 1. 864 In der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl. I, S. 66ff.. 865 Vgl. Amtl. Anmerkung, ebenda. 866 Eine andere Frage ist freilich die, ob der Schutz, wie er durch das BDSG zugunsten der Privatsphäre bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewährt wird, ausreicht, das verfassungsrechtlich zu gewährleistende Schutzniveau zu garantieren. Vgl. dazu oben Teil 4, B. II. 2. c) cc). Kritisch zu den Möglichkeiten des nationalen Datenschutzgesetzgebers auch Hohagen, S. 299; die Grenzen des nationalen Gesetzgebers angesichts der Internationalität der Bedrohung deutet an Schaar, Rn. 71ff.. 867 So auch Hohagen, S. 146f.. 862 863 193 Teil 6: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung geschützter privater Werke Vervielfältigungstätigkeit angesichts der urheberrechtlich Herausforderungen der Digitalisierung - Versuch eines Regelungsmodells Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, welche die Digitalisierung und mit ihr die Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft mit sich bringt868, wurden im Rahmen der bisherigen Untersuchung die Interessenlagen der beteiligten Kreise869 ebenso dargestellt wie die verfassungsrechtlichen Positionen der Urheber (einschließlich deren völkerund Überlagerung)870 europarechtliche und der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen der Werknutzer (einschließlich deren völker- und verfassungsrechtlichen Überlagerung)871. Anhand dieser Vorgaben soll nun in einem letzten Schritt ein verfassungskonformes Modell zur Regelung der Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken unter Berücksichtigung der Herausforderungen, welche die zunehmende Digitalisierung mit sich bringt, skizziert werden. In einem ersten Schritt ist hierfür der systematische Ausgangspunkt dieser Überlegungen mitsamt seinen Implikationen auf den erforderlichen Abwägungsprozess zu beleuchten. A. Systematischer Ausgangspunkt Systematischer Ausgangspunkt zum Entwurf eines Regelungsmodells der Vervielfältigung zu privaten Zwecken ist die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Denn Urheberrecht in seiner Bedeutung als wirtschaftliches Verwertungsrecht geistiger Schöpfungen ist Eigentum im Sinne des Art. 14 GG872. Als solches unterliegt das Urheberrecht der Sozialbindung nach Art. 868 Speziell zur Digitalisierung im Hinblick auf private Vervielfältigungstätigkeit, Wiegand, S. 350ff.. 869 Oben Teil 1. 870 Oben Teil 2 und 3. 871 Oben Teil 4 und 5. 872 Schricker – Schricker, Einl. Rn. 12, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 4f.; Weber, S. 12ff.; Engel, AöR 118 (1993), S. 186; Kreile, Sozialbindung, S. 252f.; BVerfGE 31, 229; 49, 382; 79, 29; 81, 12. 194 14 Abs. 2 GG873. Daher ist der Gesetzgeber angehalten, im Rahmen seiner Urheberrechtsgesetzgebung „ein Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben“874. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung urheberrechtlicher Rechtspositionen an der eigenen geistigen Schöpfung in Form urheberrechtlicher Schrankenbestimmungen zur Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S.2 GG dar875. Dies verlangt vom Gesetzgeber zunächst, die schutzwürdigen Belange der beteiligten Interessengruppen, wie sie oben herausgearbeitet wurden, in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, also dem Gebot gerechter Abwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Folge zu leisten876. Sofern das verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis dieses Abwägungsvorgangs indes zu unzumutbaren Auswirkungen zu Lasten des geistigen Eigentümers führt, sind diese im Wege von Ausgleichsregelungen zu dessen Gunsten entsprechend zu kompensieren877. B. Die Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken als verfassungsrechtliche Notwendigkeit Die herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben zugunsten der Urheber wie zugunsten der Werknutzer führen zu einer Grundrechtskollision - verstärkt und ergänzt durch das Sozial- und Kulturstaatsprinzip als Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 1 m. w. N.; umfassend auch Pahud, Sozialbindung. 874 So BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29); vgl. auch BVerfGE 31, 229 (241). Zum gesamten Fechner, S. 239; Hohagen, S. 276f.; Wendt, S. 299f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 308. 875 Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 44; Diemar, GRUR 2002, S. 590; Loewenheim – Götting, §. 3 Rn. 3; BVerfGE 31, 229 (241); 49, 382 (393f.); 79, 29 (42); vgl. auch Pahud, Sozialbindung, S. 81. 876 Vgl. BVerfGE 25, 112 (117ff.); 31, 229 (242); 58, 300 (335); 79, 174 (198); 100, 226 (240f.); Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310ff., 315ff. je m.w.N.; Leinemann, S. 70; Leisner, Eigentum, Rn. 143ff.; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Wendt, S. 306f.. 877 Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 81; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42;Pahud, Sozialbindung, S. 81; letztlich auch Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190; Leisner, Eigentum, Rn. 151f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262; BVerfGE 100, 226 (243f.). 873 195 verfassungsrechtliche Staatszielbestimmung. Diese ist im Rahmen der Güterabwägung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu einem verhältnismäßigen Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz878 zu bringen879, um somit alle betroffenen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter zu optimaler Wirksamkeit gelangen zu lassen. Dem einen oder anderen Grundrecht dabei von vorneherein einen höheren Rang als anderen Grundrechten einzuräumen, kommt nicht in Betracht: Denn die Inhalts- und Schrankenbestimmung muss sowohl der Eigentumsgarantie wie der Sozialbindung gerecht werden. Insbesondere eine Bevorzugung der vermögensrechtlichen Komponente des Eigentumsrechts zugunsten des Urhebers würde sozialgebundenen der verfassungsrechtlichen Eigentums nicht gerecht880. Vorstellung Allenfalls ist des der Informationsfreiheit angesichts des Bedeutungswandels, welchem das Rechtsgut „Information“ in den letzten Jahrzehnten unterworfen war, eine gewisse Präferenz zuzugestehen881, ohne dass dies freilich das konkrete Abwägungsergebnis vorwegnehmen würde. I. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Güterabwägung 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Angesichts der geschilderten Bedrohung der wirtschaftlichen Verwertungsrechte an urheberrechtlich geschützten Positionen durch die Möglichkeiten privater Vervielfältigung, wie sie insbesondere durch die Digitalisierung geschaffen wurde882, bildet der Schutz des Urhebers (bzw. der Werkmittler) in vermögensrechtlicher Hinsicht den Ausgangspunkt der erforderlichen Güterabwägung. Dieser wird durch Art. 14 GG gewährleistet. a) Schutz der Urheber und Werkmittler 878 Zu dessen inhaltlichen Vorgaben umfassend Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84. Vgl. Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 82, 8; Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 3. 880 Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 306 m.w.N.. 881 Dazu oben Teil 4, A. III. 3. a); auch das Bundesverfassungsgericht gesteht in seiner Judikatur den Kommunikationsgrundrechten eine gewisse Vorrangstellung zu, vgl. dazu Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84, IV. 4. m.w.N.. 882 Dazu oben Teil 1, B. I.; Wiegand, S. 351. 879 196 Dem Leistungsprinzip als Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie folgend, hat die Freiheitsgarantie des Art. 14 GG die materielle Basis der individuellen Freiheitsbetätigung als notwendige Ergänzung anderweitig gewährleisteter grundrechtlicher Freiheiten zu schaffen und zu sichern. Dies setzt in jedem Falle voraus, dass dem Schöpfer die vermögensrechtliche Zuordnung und wirtschaftliche Verwertung seiner geistigen Leistung, dem Objekt seines geistigen Eigentums, vorbehalten bleibt883. Anders als beim Sacheigentum impliziert diese Prämisse aber nicht, dass dem Inhaber geistigen Eigentums auch zwingend die uneingeschränkte Verfügungsfreiheit über den Gegenstand seines geistigen Eigentums in Form eines absoluten Ausschließlichkeitsrechts zugeordnet werden muss884. Denn die bloße Nutzung immaterieller Güter durch Dritte hat unter der Prämisse, dass der Inhaber geistigen Eigentums hierfür eine wirtschaftliche Vergütung erfährt im Gegensatz zur Nutzung materieller Eigentumsobjekte - keinen die Eigentumsfunktion aushöhlenden Charakter885. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers aus Art. 14 GG kann sich demnach nur dahingehend ergeben, dass er die angemessene wirtschaftliche Verwertung des verfassungsrechtlichen Schutzguts zu Gunsten des geistigen Eigentümers gewährleistet886. Die gleiche Abwägungsprämisse ergibt sich aus der für den Urheber streitenden Kunstfreiheit: Auch hier verbietet der geschützte Kernbereich des Art. 5 Abs. 3 GG einen Eingriff in die wirtschaftliche Verwertbarkeit des urheberrechtlich geschützten Ergebnisses künstlerischer Betätigung. Nicht hingegen untersagt die Kunstfreiheit den Eingriff in Verfügungsfreiheit über das Ergebnis der betätigten Kunstfreiheit887. Ein uneingeschränktes, Urhebers an seinem Ausschließlichkeitsrechts ausschließliches Werk wird also im nicht Vervielfältigungsrecht Sinne schon des eines absoluten von denjenigen 883 Vgl. BVerfGE 31, 229 (240f.); 49, 382 (394); Kreile, Sozialbindung, S. 256f.. Dazu oben Teil 2, B. III.. 885 Vgl. Fechner, S. 220; Reinhardt, S. 39; Roeber, S. 26.; gegen eine Gleichsetzung von geistigem mit Sacheigentum mit der Konsequenz eines absoluten Ausschließlichkeitsrechts auch bereits BT – Drucksache IV/270, S. 63. 886 BVerfGE 81, 12 (17). 887 Zum gesamten oben Teil 2, D. II.. 884 197 verfassungsrechtlichen Vorgaben verlangt, die zugunsten des Urhebers angeführt werden können. Auch die Berücksichtigung der Interessen der Werkmittler ergibt kein anderes Bild. Den Werkmittlern steht ein eigenes (im Falle des Verlegers indes abgeleitetes888) Leistungsschutzrecht hinsichtlich des Vervielfältigungsrechts an den jeweiligen urheberrechtlichen Werkformen zu889. Die damit vermittelten ausschließlichen Nutzungsrechte an den jeweiligen Werkformen stellen somit eigentumsrechtliche Positionen der Werkmittler dar, welche dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterliegen890. Hat allerdings bereits der Urheber Einschränkungen in seine Verfügungsmacht über sein Urheberrecht zugunsten der Werknutzer zu dulden, so muss dies - argumentum a fortiori - auch für die erst nachfolgend berechtigten gelten891. Werkmittler Eine weitergehende verfassungsrechtliche Schutzpflicht als gegenüber dem Urheber kann gegenüber dem Werkmittler nicht angenommen werden, zumal sich der Werkmittler nur auf seine wirtschaftlichen, nicht aber auf seine ideellen Interessen berufen kann892. Die Schranken, welche sich der Urheber gefallen lassen muss, müssen auch für den Werkmittler Anwendung finden. b) Schutz der Werknutzer Die Berücksichtigung der kollidierenden, verfassungsrechtlich geschützten Interessen auf Seiten der Werknutzer hingegen findet ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung zum einen in der Sozialpflichtigkeit geistigen Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. Diese verlangt, das Individualinteresse des Eigentümers und die berechtigten Interessen der Werknutzer an einer möglichst unbeeinträchtigten Nutzung geistigen Eigentums einem angemessenen Ausgleich zuzuführen893. Je intensiver 888 Dazu Schricker, Verlagsrecht, § 8, Rn. 1; Schack, Rn. 1007. Für den Hersteller von Tonträger, vgl. dazu Schricker – Vogel, § 85, Rn. 10f. m.w.N.; für den Hersteller von Filmwerken, Schricker – Katzenberger, § 94, Rn. 1 m.w.N.. 890 Für das Vervielfältigungsrecht der Hersteller von Tonwerken, BVerfGE 81, 12 (Leitsatz). 891 Vgl. BVerfGE 81, 12 (19). 892 Vgl. BVerfGE, a. a. O.. 893 Vgl. Maunz, GRUR 1973, S. 108; Hohagen, S. 281. 889 198 dabei der Allgemeinbezug der Nutzung geistigen Eigentums 894, je elementarer (in verfassungsrechtlich relevanter Hinsicht) dabei jene Allgemeininteressen sind, desto stärker sind diese Interessen im Rahmen des vorzunehmenden Ausgleichs zu berücksichtigen895. Doch nicht alleine die Sozialpflichtigkeit der Eigentumsgarantie verlangt die Berücksichtigung verfassungsrechtlich geschützter Interessen der Werknutzer: Die geschilderten Bedrohungen für die Informationsfreiheit durch eine denkbare Ausgestaltung des Urheberrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht im Bereich privater Vervielfältigung, wie auch durch die technischen Möglichkeiten sog. DRM-Systeme zur Kontrolle privater Vervielfältigungstätigkeit führen vor dem Hintergrund der gesteigerten Bedeutung der Informationsfreiheit im verfassungsrechtlichen Gesamtkontext896 darüber hinaus zu einer grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers897. Die Informationsfreiheit verlangt demnach im Bereich des reinen Privatrechtsverkehrs die Möglichkeit der Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken 898. Dieses verfassungsrechtliche Postulat gilt unbesehen der Möglichkeiten, welche sich dem Werknutzer angesichts der Digitalisierung bieten899. c) Schlussfolgerung Die Ausgestaltung des urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht zugunsten des Urhebers mit der Konsequenz eines Verbotes privater Vervielfältigungstätigkeit kommt daher nicht in Betracht. Diese bedeutete nämlich einen Eingriff in den Dazu BT - Drucksache X/837, S. 9: „Die Berechtigung bestimmter Einschränkungen des Urheberrechts ergibt sich aus den Tatsache, dass der Urheber seine schöpferische Tätigkeit nicht losgelöst von seiner Umwelt, sondern eingebunden in seinen Kulturkreis und auf der Grundlage des Kulturschaffens vergangener Generationen entfaltet. Andererseits ist der Urheber auf die Annahme und Aufnahme seines Werkes durch seine Zeitgenossen angewiesen. Kulturelle Schöpfung bedarf deshalb stets eines gegenseitigen Gebens und Nehmens. Dem Recht des Urhebers an der Nutzung seines Werkes steht daher das Recht der Allgemeinheit an dem ungehinderten Zugang zu den Kulturgütern gegenüber.“. 895 Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 312 m.w.N.. 896 Dazu oben Teil 4, A. III. 3. a). 897 Zum Gesamten oben Teil 4, A. III. 3.. 898 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 51; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 29 je m.w.N.; Langer, Informationsfreiheit, S. 124; in diesem Sinne auch Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 142. 899 Vgl. Hohagen, S. 313f.. 894 199 Wesensgehalt der verfassungsrechtlich garantierten Informationsfreiheit zu Lasten der Werknutzer. Denn angesichts der zunehmenden Bedeutung der Information für den Einzelnen als Teil der sich Bahn brechenden Informationsgesellschaft, angesichts auch der stetigen Zunahme von Information und deren Verfügbarkeit, stellt die Möglichkeit der Vervielfältigung zu privaten Zwecken unabdingbare Voraussetzung zur adäquaten Verarbeitung von Information und damit zur Meinungsbildung wie zur Persönlichkeitsentfaltung überhaupt dar. Auch bringt die technische Entwicklung mit sich, dass die Vervielfältigung in zunehmendem Maße (auch) Voraussetzung für den bloß rezeptiven Werkgenuss wird. Verstärkt wird dieses verfassungsrechtlich legitimierte Interesse der Werknutzer durch das Sozialstaatsprinzip. Demnach hat der Gesetzgeber nicht nur für die Gewähr verfassungsrechtlich verbürgter Positionen der Werknutzer zu sorgen, vielmehr muss er auch dafür Sorge tragen, dass die Durchsetzung von Verfassungspositionen ebenso faktisch möglich ist. Die Ausgestaltung urheberrechtlicher Vervielfältigungsrechte als absolute Ausschließlichkeitsrechte im Bereich privater Vervielfältigung zugunsten der Urheber würde dieses sozialstaatliche Postulat konterkarieren. Denn dem Werknutzer wären von vorneherein in rechtlicher Hinsicht die Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner soeben beschriebenen verfassungsrechtlich abgesicherten Position beschnitten: So wäre im Falle der Ausgestaltung der Vervielfältigungsfreiheit als Zwangslizenz900 (was dem Urheber ein absolutes Ausschließlichkeitsrecht verschaffen würde) die Nutzung des Werkes (zum Zwecke privater Vervielfältigung) ohne vorherige Einwilligung des Urhebers auch dann rechtswidrig, wenn der Urheber seine Einwilligung zu Unrecht versagt hätte. Mit anderen Worten läge die Ausübung der verfassungsrechtlich legitimierten Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken weitgehend in den Händen des Urhebers, von einer sozialstaatlich geforderten Chancengleichheit zur Durchsetzung verfassungsrechtlich legitimierter Werknutzerinteressen könnte nicht die Rede sein901. Dazu Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 29ff.. Die Gefahr einer „Privatisierung“ des Rechtsschutzes durch die Ausgestaltung des Vervielfältigungsrechts als rechtliches oder (mittels DRM-Technologie) faktisches Ausschließlichkeitsrecht beschreibt umfassend Bechtold, S. 370f., 384ff.. 900 901 200 Der Gesetzgeber ist also kraft verfassungsrechtlichem Postulat902 verpflichtet, die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken zuzulassen. 2. Rechtspolitische Erwägungen Rechtspolitische Bestätigung findet dieses verfassungsrechtliche Postulat der Zulassung privater Vervielfältigung in Erwägungen zum verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre. Im Bereich analoger wie digitaler, aber offline vertriebener Werke wäre die Durchsetzung eines Verbots der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nicht durchsetzbar, ohne dass es zu einem Konflikt mit der Privatsphäre käme903. Denn jedenfalls für die genannten Bereiche gilt, was bereits bei der Verabschiedung des UrhG von 1965 Geltung beanspruchte904: Nämlich, dass die Kontrolle oder Verhinderung privater Vervielfältigung nur mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in den häuslichen Lebensbereich möglich wäre905. Im digitalen Online-Kontext wiederum gebietet die Bedrohung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung906 den gebotenen Schutz der Werknutzer: Nur die gesetzliche Freigabe der Vervielfältigung zu privaten Zwecken vermag dem Werknutzer die Werknutzung zu verschaffen und Möglichkeit der anonymen so vor ungeliebter Verarbeitung personenbezogener Daten zu schützen907. 902 So Hohagen, S. 607; im Ergebnis auch Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, 767ff. (769f.); Hoeren, Verbraucherschutz, S. 21ff.; Lindhorst, S. 158; Kröger, Informationsfreiheit, S. 223f.; Ott, ZRP 1985, S. 13; Geiger, Beschränkungen, S. 148 unter Hinweis auf Art. 27 Abs. 1 AEMR; ausdrücklich anders dagegen Bundesministerium der Justiz in seiner Presseerklärung vom 9. September 2004, S. 2 (abrufbar unter http://www.bmj.bund.de/media/archive/749.pdf am 11.11.2004); Berger, ZUM 2004, 257ff. (264); Ulmer-Eilfort S. 286; Diemar, GRUR 2002, 578ff. (592); Goldmann/Liepe, ZUM 2002, 362ff. (364ff.). 903 Hohagen, S. 311, 608; vgl. auch Schricker, Informationsgesellschaft, S. 165f.; Schack, ZUM 2002, S. 499. 904 Nachweise bei Maracke, S. 475, Fn. 550; S. 492, Fn. 645. 905 So bereits BVerfGE 31, 255 (268); 81, 12 (19). Hierin freilich die „entscheidende Zäsur, welche die teilweise Vorenthaltung der Verfügungsmacht rechtfertigt“ (BVerfGE 81, 12 (19)) zu erblicken, erscheint m. E. durchaus fragwürdig. Die materielle Ausgestaltung eines Rechts von dessen faktischen Durchsetzbarkeit abhängig zu machen, mag ein rechtspolitisches, aber kein (zwingendes) rechtliches Argument sein. Vgl. dazu auch Wiegand, S. 348ff.. 906 Dazu umfassend oben Teil 5, C.. 907 In diesem Sinne auch Hohagen, S. 423. 201 Und letztlich gilt es rechtspolitisch weiterhin zu berücksichtigen, dass auch im Rahmen digitaler Werknutzung ein effektiver technischer Schutzmechanismus nur schwer zu erreichen, wenn nicht unmöglich ist. Digitale Kopien werden sich faktisch also kaum verhindern lassen 908. Vor diesem Hintergrund würde Vervielfältigungsrechts zugunsten des zu schließlich einem Urhebers - die „Rückentwicklung“ absoluten was des Ausschließlichkeitsrecht die Verwendung von Kopierschutzmechanismen zur Regel machen würde - auch deren eigenen wirtschaftlichen Interessen widersprechen. Denn konsequenterweise könnte bei einer solchen Vergütungsanspruch gesetzlichen vorgesehen Ausgestaltung werden, mit kein der gesetzlicher Folge, dass Rechteinhaber an den dann rechtswidrig hergestellten privaten Kopien nicht wirtschaftlich partizipieren könnten909. 3. Internationale Vorgaben Auch widerspricht Schutzauftrags an die den Annahme Gesetzgeber eines zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung eines Vervielfältigungsrechts zu privaten Zwecken nicht den internationalen Vorgaben, welche völkerrechtliche Verträge und Europarecht an den nationalen Gesetzgeber stellen. a) Vorgaben des Völkerrechts Auf völkerrechtlicher Ebene sind zunächst die Vorgaben der RBÜ zu beachten. Diese gestatten allerdings den nationalen Gesetzgebern in Art. 9 Haber, e. al., S. 224: „We conclude that given the current and foreseeable state of technologie the content protection features of DRM are not effective at combating piracy.“; so beispielsweise auch die Stellungnahme der ifpi (International Federation of the Phonographic Industry): „Kopierschutzsysteme verhindern das Kopieren nicht gänzlich aber sie erschweren es für die meisten Nutzer.“, abrufbar unter http://www.ifpi.de/service/kopierschutz.htm (abgerufen am 22. Juni 2005); ferner Deutscher Multimedia – Verband (dmmv), Erste Schlussfolgerungen der Verbände auf Grundlage der Ergebnisse der Gutachten zu den `Anforderungen an die gesetzliche Regulierung zum Schutz digitaler Inhalte unter Berücksichtigung der Effektivität technischer Schutzmechanismen`, September 2002: „Technische Schutzmechanismen sind - isoliert betrachtet - auch mittelfristig nur rudimentär geeignet, digitale Güter, wie Audio-, Video- und Softwareinhalte effektiv vor Piraterie zu schützen.“, abrufbar unter http://www-sec.uniregensburg.de/drm/vprtdmmvfolgerungen.pdf (abgerufen am 22. Jun. 2005). 909 Dazu Hohagen, S. 425f.. 908 202 RBÜ eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers zugunsten der Vervielfältigungsfreiheit der Werknutzer zu privaten Zwecken. Denn eine solche Durchbrechung ausschließlicher Vervielfältigungsrechte des Urhebers stellt jedenfalls so lange keinen Verstoß gegen den Dreistufentest des Art. 9 Abs. 2 RBÜ dar, als der Rechteinhaber für diesen Eingriff in seine wirtschaftlichen Verwertungsinteressen im Wege gesetzlicher Lizenz nicht beeinträchtigt wird und hierfür einen angemessenen Ausgleich erhält910. Die RBÜ lässt also die Reduzierung des grundsätzlich ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers an seinem Werk zu einer gesetzlichen Lizenz zugunsten privater Vervielfältigungsfreiheit zu, sofern der Urheber hierfür wirtschaftliche Kompensation erhält911. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorgaben des TRIPS - Abkommens wie des WCT912. Art. 9 des TRIPS - Abkommens inkorporiert die Vorgaben der RBÜ hinsichtlich möglicher Schranken urheberrechtlicher Verwertungsrechte an Vervielfältigungsmöglichkeiten zu privaten Zwecken, ohne an den materiellen Vorgaben der RBÜ etwas zu ändern 913. Denn der Dreistufentest ist im Rahmen des TRIPS - Abkommens genauso zu interpretieren, wie im Rahmen der RBÜ914. Gleiches gilt im Ergebnis für den WCT: Das hierin grundsätzlich ausschließlich gewährte Verwertungsrecht der Urheber ist ebenso auszulegen wie dasjenige der RBÜ. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vorgaben des Dreistufentests915. Folglich erlaubt auch der WCT den Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der Urheber zugunsten einer gesetzlichen Lizenz der Werknutzer zur Anfertigung privater Vervielfältigungsexemplare. b) Vorgaben des Europarechts 910 Dazu oben Teil 3, A. III. 1.. Reinbothe, WCT, S. 260; Hohagen, S. 117; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 23; Senftleben, CR 2003, S. 919. 912 Dazu oben Teil 3, A. III. 2. und 3.. 913 Vgl. Hohagen, S. 85ff.; in diesem Sinne auch Reinbothe, ZUM 1996, S. 739. 914 Hohagen, S. 94f. m.w.N.. 915 Vgl.. Lewinski, CR 1997, S. 440; dies., GRUR Int. 1997, S. 673. 911 203 Auf der Ebene des europäischen Rechts gestatten die Vorgaben der Info RL 2001/29/EG916 ebenso die Einräumung der Vervielfältigungsfreiheit der Werknutzer zu privaten Zwecken. Die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL gestattet eine nationale Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers nach Art. 2 Info - RL zugunsten reprographischer Vervielfältigungen ohne dabei auf den Zweck der Vervielfältigung abzustellen917. Jede andere Form der Vervielfältigung sofern diese auf private Zwecke beschränkt bleibt - gestattet ausdrücklich Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL, ohne dabei nach der Art der Vervielfältigung zu fragen. Analoge wie digitale Kopie sind demnach gleichermaßen als nationale Schranke des Vervielfältigungsrechts des Urhebers zulässig918. 4. Ergebnis Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass dem Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Pflicht obliegt, die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken auf urheberrechtlicher Basis zu gestatten. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um eine analoge oder digitale Werkvorlage handelt. Denn der verfassungsrechtliche Schutzauftrag zugunsten der Informationsfreiheit der Werknutzer gebietet die ausreichende Sicherung dieses Grundrechts auf einfachgesetzlicher Ebene. Nur durch die uneingeschränkte Zulassung der Vervielfältigungsfreiheit bleibt es dem Einzelnen auch in Zukunft ermöglicht, in gesicherter und ausreichender Weise am Kommunikationsprozess der Informationsgesellschaft teilzunehmen, um so an der kollektiven wie individuellen Meinungsbildung als Grundlage unseres pluralistisch fundierten und demokratisch legitimierten Gemeinwesens wie als Basis persönlicher Freiheitsentfaltung zu partizipieren. Verfassungsrechtlich ermöglicht wird dieser Schutzauftrag durch die offene Ausgestaltung des in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorgesehenen Interessensausgleichs zwischen der Privat- und Gemeinnützigkeit geistigen 916 Dazu oben Teil 3, B. III.. Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 112; Bayreuther, ZUM 2001, S. 830; Schippan, ZUM 2001, S. 119. Ausgenommen hiervon ist lediglich die Vervielfältigung von Notenblättern. 918 Vgl. Bayreuther, ZUM 2001, S. 831; Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739; Kröger, CR 2001, S. 319f.. 917 204 Eigentums. So verlangt der verfassungsrechtliche Schutz geistigen Eigentums gerade nicht, zugunsten des Urhebers ein absolutes Ausschließlichkeitsrecht im Hinblick auf die Vervielfältigung seines Werkes aufzustellen. Der Gesetzgeber hat lediglich dafür Sorge zu tragen, dass dem Urheber die wirtschaftliche Verwertung seines geistigen Eigentums erhalten bleibt. Auch Kultur- und Sozialstaatsprinzip unterstützen dieses Ergebnis, indem sie die Schaffung und Gewährleistung kultureller Daseinsvorsorge im Sinne eines gewissen kulturellen Mindeststandards für alle Bevölkerungsschichten verlangen. II. Ausgestaltung Wenn in einem ersten Schritt festgestellt wurde, dass das Recht zur Privatkopie als verfassungsrechtliche Notwendigkeit vom Gesetzgeber zuzulassen ist, knüpft sich hieran unmittelbar die Frage an, wie ein solches Recht zur Privatkopie im Einzelnen inhaltlich ausgestaltet werden soll. 1. Zum Begriff des „privaten Gebrauchs“ Zunächst ist nach dem Begriff des „privaten Gebrauchs“ bzw. nach dessen personeller Reichweite in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu fragen. a) Begriff des „privaten Gebrauchs“ unter der Geltung des bisherigen § 53 Abs. 1 UrhG Unter der Geltung des bisherigen § 53 Abs. 1 UrhG ist es ganz einhellige Meinung, dass das Recht zur Privatkopie nicht nur das Recht umfasst, für sich selber, also für die Person des Vervielfältigenden mehrere919 Vervielfältigungsexemplare herzustellen, sondern dass eine Kopie auch dann zu privaten Zwecken erfolge, wenn sie den „durch ein persönliches 919 Anknüpfend an BGH GRUR 1978, S. 476 (m.w.N.) geht die ganz h. M. davon aus, dass die Fertigung von maximal 7 Vervielfältigungsexemplaren zum privaten Gebrauch die Grenze der Zulässigkeit bilde, vgl. bspw. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14 m. w. N.; umfassend Wiegand, S. 204ff.. 205 Band verbundenen Personen“920 zugute käme. Kurz: Die private Vervielfältigung darf demnach auch für Familienangehörige oder Freunde vorgenommen werden. Doch lässt sich eine Rechtfertigung für diese Auslegung des Begriffs vom „privaten Gebrauch“ in den zitierten Fundstellen921 nicht finden. Erst die Gesetzesmaterialien zu § 15 Abs. 2 LUG, welcher die Vervielfältigung literarischer oder tonkünstlerischer Werke zu privaten Zwecken zum Gegenstand hatte, lassen eine Begründung erkennen. So würde den „geistigen Interessen des Volkes und dem häusliche Leben“ nicht gedient, wenn das Vervielfältigungsexemplar nicht nahe stehenden Dritten überlassen werden könne922. Denn nicht jeder sei in der Lage, selber eine solche Vervielfältigung Überlassung durch vorzunehmen, den weswegen Vervielfältigenden an die schenkweise Freunde und Familienmitglieder möglich bleiben müsse923. Diese Argumentation vermag m. E. indes nicht recht verfangen. Denn hier wird bereits der Ausgangspunkt falsch gewählt. Das Argument, nicht jeder sei zur Vervielfältigung gleichermaßen (technisch oder manuell) imstande, ist keine Frage des „Weitergebens“ von Vervielfältigungsstücken, sondern eine Frage, ob der Vervielfältigende den Kopiervorgang selber bewerkstelligen muss oder ob er diesen auch in die Hände Dritter legen darf. Dies aber ist keine Frage des Begriffs vom „privaten Gebrauch“, sondern eine Frage, welche Person das Vervielfältigungsexemplar herstellt924. b) Eigene Begriffsbestimmung So Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 12; Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 13 je m.w.N.; Flechsig, GRUR 1993, S. 535; vgl. auch BGHZ 8, 88 (96); Ulmer, S. 299; BT – Drucksache IV/270, S. 70. 921 Dazu soeben vorherige Fußnote. 922 Reichstagsdrucksache 10. Legislaturperiode, II. Session 1900/1901, Nr. 214 (Kommissionsbericht zum Entwurf des LUG), S.23. 923 Vgl. Reichstagsdrucksache 10. Legislaturperiode, II. Session 1900/1901, Nr. 214 (Kommissionsbericht zum Entwurf des LUG), a.a.O.. 924 Zu dieser Fragestellung, Hohagen, S. 330ff.; ferner sogleich unter 2.. 920 206 Aus der verfassungsrechtlichen Perspektive betrachtet, lassen sich indes keine Gründe finden, weshalb der „private Gebrauch“ auch die Weitergabe an nahe stehende Dritte gestatten sollte925. Seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet das Recht auf Vornahme privater Vervielfältigungen urheberrechtlicher Werke in der Informationsfreiheit der Werknutzer, verstärkt durch das Sozialstaatsprinzip sowie rechtspolitischen Erwägungen zum Schutz der Privatsphäre. Danach ist das Recht zur privaten Vervielfältigung zur Gewährleistung und Sicherung der Informationsfreiheit des jeweiligen Werknutzers geboten. Es ist aber abzulehnen, Informationsbedürfnis des dem verfassungsrechtlich Werknutzers auch abgesicherten ein eventuelles Informationsbedürfnis Dritter - und seien diese auch Nahestehende zuzuordnen. Denn die Informationsfreiheit schützt gerade das Recht, sich selbst, nicht aber Dritte, zu informieren926. Auch liegt es nahe, in der Weitergabe urheberrechtlicher Werke an Dritte einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Urhebers zu erblicken, da diesem dann nicht mehr die Entscheidung darüber zusteht, wem er sein Werk zugänglich machen will927. Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL, welche die Vervielfältigung zu privaten Zwecken zum Gegenstand hat, bestätigt diese verfassungsrechtlich determinierte Auslegung. Denn wenn unter dem dort genannten „usage privé“ nur die ganz persönliche Nutzung928, also der Gebrauch innerhalb der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse zu verstehen ist, dann liegt es schon begrifflich nahe, die Weitergabe an Dritte929 nicht mehr als „ganz persönliche Nutzung“ in So deutlich an sich auch BT - Drucksache X/837, S. 9: „Das geltende Urheberrecht sieht […] als Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers vor, dass ohne seine Zustimmung Vervielfältigungen zum persönlichen - d.h. privaten - oder zum sonstigen eigenen Gebrauch gestattet sind (§§ 53, 54 UrhG). In beiden Fällen dürfen nur einzelne Vervielfältigungsstücke hergestellt werden, die überdies einem Verbreitungsverbot unterliegen. Der Begriff „eigener Gebrauch“ erfasst alle Fälle, in denen jemand Vervielfältigungsstücke zur eigenen Verwendung und nicht zur Weitergabe an Dritte herstellt oder herstellen lässt.“. 926 So BVerfGE 27, 71 (81); 27, 104 (108f.). 927 Dazu oben Teil 2, C.. 928 So KOM (97), 628 endg., S. 34 zitiert nach Hohagen, S. 228, Fn. 360. 929 Die Frage der Weitergabe ist zu unterscheiden, von der Frage, wer das Vervielfältigungsexemplar erstellt (dazu unten sub b)); offenbar wurde dieser Punkt auch im europäischen Gesetzgebungsverfahren nicht differenziert behandelt. Denn der Vorschlag des Parlaments in erster Lesung, dass der private Gebrauch immer eine strikt persönliche 925 207 diesem Sinne zu verstehen. Eine systematische Auslegung dieser Vorschrift bestätigt diese grammatische Interpretation. Denn dem Begriff vom „privaten Gebrauch“ muss innerhalb dieser Vorschrift eine weitere Bedeutung zukommen als diejenige, lediglich die Verfolgung kommerzieller Zwecke auszuschließen. Andernfalls würde das in Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info RL genannte zusätzliche Erfordernis, dass die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch „weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“ vorgenommen werden dürfte, eine bloße Floskel darstellen930, weil ein geschäftliches Verhalten des Vervielfältigenden bereits durch den Begriff des „privaten Zwecks“ ausgeschlossen wäre 931. Somit erscheint es jedenfalls nicht abwegig, der Formulierung des „privaten Gebrauchs“ im Falle der Info - RL eine Bedeutung beizumessen, welche über die Abgrenzung zur Vervielfältigung zu kommerziellen Zwecken hinausgeht und damit die Vervielfältigungsfreiheit nur dem Werknutzer zu dessen eigenen Verwendung zuzugestehen, ohne die Weitergabe an (nahe stehende) Dritte zu gestatten. Mangels verfassungsrechtlich legitimierbarer Interessen der durch die bisherige Auslegung vom „privaten Gebrauch“ privilegierten „durch ein persönliches Band [mit dem Werknutzer] verbundenen Personen“ erscheint es daher angesichts der dann überwiegenden Interessen der Urheber an der ungeschmälerten wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes nicht angebracht, an einer Auslegung des Begriffs „privater Gebrauch“ festzuhalten, welche die Weitergabe an nahe stehende Dritte gestattet 932. Es wird an dieser Stelle dafür plädiert, den Begriff des „privaten Gebrauch“ ausschließlich auf die Verwendung der Vervielfältigungsexemplare durch den Werknutzer zu beschränken und nicht deren Weitergabe an Dritte zu gestatten. Verwendung sein müsse, wurde so nicht aufgegriffen. Durch die gewählte Formulierung sollte stattdessen der Fall erfasst sein, dass eine dritte Person für eine andere die Kopie erstellt, vgl. Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739. Dabei wird aber nicht klar, ob dies den Fall der Weitergabe eines eigenen Vervielfältigungsexemplars umfassen soll oder lediglich den Fall der Herstellung der Kopie durch Dritte, also nicht durch den Werknutzer. 930 So Bayreuther, ZUM 2001, 832. 931 In diesem Sinne auch Hohagen, S. 229f.. 932 Kritisch zu dieser Auslegung des Begriffs vom „persönlichen Gebrauch“ in § 15 Abs. 2 LUG (der dem „privaten Gebrauch“ in der Diktion des § 53 Abs. 1 UrhG entspricht) bereits Allfeld, S. 145ff. (insbesondere S. 147f.). 208 2. Zur Person des Vervielfältigenden Die derzeit geltende Regelung des Urheberrechts lässt in § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG die Herstellung von Vervielfältigungsstücken durch andere als den eigentlichen Werknutzer ausdrücklich zu, jedenfalls sofern die Vervielfältigung unentgeltlich erfolgt933. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung erreichen, dass ein einmal zugestandenes Vervielfältigungsrecht nicht dadurch entwertet wird, dass es dem berechtigten Werknutzer tatsächlich nicht möglich ist, von seinem Recht mangels technischer Vervielfältigungsmöglichkeit Gebrauch zu machen934. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist diese Regelung nicht zu beanstanden, im Gegenteil die Vervielfältigung durch Dritte ausdrücklich zu fordern. Das Sozialstaatsprinzip verlangt vom Gesetzgeber die Förderung und Gewährleistung grundrechtlicher Chancengleichheit935, die Umsetzung des grundrechtlichen Wertesystems in die Verfassungswirklichkeit936. Der Staat ist demnach angehalten, die strukturellen Voraussetzungen faktischer Chancengleichheit zur Ausübung grundrechtlich verbürgter Freiheiten zu schaffen und zu sichern. Diesem Gebot der Herstellung faktischer Chancengleichheit widerspräche es, die Möglichkeit zur Vornahme von Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke als Ausfluss individueller Informationsfreiheit rechtlich davon anhängig zu machen, ob der Vervielfältigende selbst die wirtschaftlich-technischen Möglichkeiten zur Vervielfältigung in der Hand hätte oder diese bei einem Dritten suchen müsste. Denn die rechtliche Absicherung grundrechtlich verbürgter Freiheiten kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der einzelne auch faktisch in der Lage ist, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen. Demjenigen, der Geltendmachung schon seiner aufgrund Freiheiten tatsächlicher erschwert ist, Umstände auch noch die von vorneherein den gebotenen rechtlichen Schutz seiner Grundfreiheiten zu Dazu bspw. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 15f.; Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 10; umfassend Wiegand, S. 230ff.. 934 Hintergrund war die Überlegung, dass sich nicht jeder Haushalt ein (damals noch sehr kostspieliges) Kopiergerät würde leisten können. Vgl. dazu BT - Drucksache IV/270, S. 72, 74. 935 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 105f. m.w.N.. 936 BVerfGE 33, 303 (331) mit Verweis auf BVerwGE 27, 360. 933 209 verwehren, ist mit dem Gedanken der Grundrechte als Schutzgebote schwer vereinbar. Rechtspolitisch lässt sich weiterhin einwenden, dass es in der Praxis schon nicht kontrollierbar sein dürfte, ob nun der Werknutzer das Vervielfältigungsstück auf einem fremden Vervielfältigungsgerät in persona erstellt oder er diesen Vorgang einem Dritten überlässt, der in Besitz eines solchen Gerätes ist. Zu Recht stellt die geltende urheberrechtliche Regelung daher zur Beurteilung der Frage, wer die Vervielfältigung tatsächlich herstellt, nicht auf die Person ab, welche den Vervielfältigungsprozess technisch steuert, sondern auf diejenige, die sich des Vervielfältigungsvorgangs zum Zwecke der eigenen Werknutzung kraft eigener Organisationshoheit über Gegenstand und Umfang der Vervielfältigung bedient937. Auch die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2, lit. b) Info - RL lässt die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch durch dritte Personen zu938, was sich aus Entstehungsgeschichte wie Wortlaut der Bestimmung folgern lässt939 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist es also angebracht, auch in Zukunft die Vervielfältigung durch Dritte - der bisherigen Regelung des § 53 Abs. 1 UrhG entsprechend - zu privaten Zwecken zuzulassen. 3. Zur zulässigen Anzahl der Vervielfältigungsexemplare Eine weiter zu beachtende Frage ist diejenige nach der zulässigen Anzahl der zu fertigenden Vervielfältigungsexemplare940. Ausgehend von der Gesetzesbegründung des UrhG von 1965941 wird die Frage nach der konkreten Anzahl der in § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG gestatteten „einzelnen Vervielfältigungsstücke“ derzeit ganz überwiegend mit 7 Vgl. dazu BGHZ 141, 13 (21): „Werknutzer ist nicht, wer die Nutzung technisch bewerkstelligt, sondern derjenige, der sich des technischen Vorgangs zum Zwecke der Werknutzung bedient.“. Dazu auch Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 15, 19. 938 Übereinstimmend Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739; Bayreuther, ZUM 2001, S. 832; Kröger, CR 2001, S. 320; Mayer, CR 2003, S. 277. 939 Ausführlich dazu Hohagen, S. 230f.. 940 Überblick zur geltenden Rechtslage bei Nippe, GRUR Int. 1995, S. 202ff.; Wiegand, S. 218ff.. 941 Vgl. BT - Drucksache IV/270, S. 73; grundlegend dazu BGH GRUR 1978, S. 474ff.. 937 210 Vervielfältigungsstücken beantwortet942. Doch die für die Ziffer 7 vorgebrachten Begründungen lassen darauf schließen, dass es sich dabei um eine mehr oder minder willkürliche zahlenmäßige Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs handelt943. Angesichts der Herausforderungen, welche die Möglichkeiten der Digitalisierung mit sich bringt, ist es demnach angebracht, diese nicht als Dogma zu betrachtende944 zahlenmäßige Begrenzung einer erneuten Beurteilung aus verfassungsrechtlicher Perspektive zu unterwerfen945. Ausgangspunkt einer eigenen verfassungsrechtlich determinierten Bestimmung der Anzahl zulässiger Vervielfältigungsexemplare ist die Zweckbestimmung, zu deren Erfüllung die Vervielfältigung erfolgt 946. Verfassungsrechtlich formuliert stellt sich also die Frage, welche Anzahl von Vervielfältigungsexemplaren verhältnismäßig erscheint, das im wesentlichen aus der Informationsfreiheit abgeleitete Recht auf Privatvervielfältigung zugunsten des Werknutzers ausreichend zu gewährleisten. Die Gewährleistung privater Vervielfältigungsfreiheit als verfassungsrechtliche Notwendigkeit, stellt sich in erster Linie als Folge des Schutzgebots der Informationsfreiheit an den Gesetzgeber dar. Die Informationsfreiheit der Werknutzer würde in ihrem Wesensgehalt beeinträchtigt, würde die Vervielfältigung zu privaten Zwecken nicht durch Dazu Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14 m. w. N.. Vgl. Rehbinder, Rn. 256: „…was bleibt dem Richter angesichts dieses ‚genialen’ Gesetzestextes anderes als Willkür übrig!“. Auch die grundlegende Entscheidung des BGH vom 14. April 1978 (BGH GRUR 1978, 474, 476) ergibt insoweit kein klares Bild: Denn das Gericht schließt dabei lediglich aus, dass nicht mehr als sieben Vervielfältigungsexemplare hergestellt werden können, ohne dabei allerdings festzustellen, dass nicht bereits eine Zahl darunter schon nicht mehr vom Begriff „einzelner Vervielfältigungsstücke“ umfasst sei. Vgl. auch den amtlichen Leitsatz der Entscheidung, der davon spricht, dass man „jedenfalls die Zahl von 7 Exemplaren nicht überschreiten“ (Hervorhebung durch den Verfasser) dürfe. Auch die amtliche Begründung in BT - Drucksache IV/270, S. 73, bietet allenfalls einen Hinweis. Bezug nehmend auf die Vervielfältigung zum „sonstigen eigenen Gebrauch“ (heute § 53 Abs. 2 UrhG) beschränkt sich der Gesetzgeber darauf festzustellen, es erscheine „unter den heutigen technischen Möglichkeiten unwirtschaftlich, fünf oder sechs Exemplare einer Zeitschrift zu kaufen, nur um einen darin enthaltenen, wenige Seiten umfassenden Aufsatz mehrfach zu erhalten.“. 944 So Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14; vgl. auch Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Lüft, § 53, Rn. 10. 945 Auch Nippe, GRUR Int. 1995, S. 204, sieht angesichts veränderter Bedingungen durch die Digitalisierung die Notwendigkeit des Überdenkens der bisherigen Lösung. Hohagen, S. 618, möchte „vor dem Hintergrund der gewandelten technischen Möglichkeiten im digitalen Umfeld“ die Anzahl zulässiger Vervielfältigungsexemplare auf eines beschränken. 946 Diesem methodischen Ansatz folgen auch (freilich nicht aus verfassungsrechtlicher Perspektive) Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14; Nippe, GRUR Int. 1995, S. 204; Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 8. 942 943 211 entsprechende urheberrechtliche Regelung ermöglicht947. Andernfalls bliebe von der verfassungsrechtlichen Garantie der Informationsfreiheit nicht viel übrig. Der Gewährleistung verfassungsrechtlich garantierter Informationsfreiheit der Werknutzer ist aber genüge getan, wenn diesem lediglich jeweils948 ein einziges Vervielfältigungsexemplar zugestanden wird949. Durch die Gewährung der Vervielfältigung zu privaten Zwecken soll dem Werknutzer die Möglichkeit verschafft werden, in heutigen Anforderungen entsprechender Weise Informationen aufzunehmen und entsprechend zu verarbeiten. Hierfür ist es allerdings ausreichend, wenn ihm lediglich ein Vervielfältigungsexemplar zur Verfügung steht, da ihm damit eine permanente Rezeptionsmöglichkeit an die Hand gegeben ist, über die er frei von äußeren Umständen nach eigenem Gutdünken verfügen kann. In der tatsächlichen Ausübung der ihm zustehenden Informationsfreiheit, also dem (ggf. wiederholten) rezeptiven Genuss eines urheberrechtlich geschützten Werkes, ist er damit nicht mehr an vertragliche oder technische Vorgaben des Informierenden gebunden. Angesichts der entgegenstehenden berechtigten Interessen der Rechteinhaber erscheint es nicht mehr erforderlich, dem Werknutzer mehr als ein Vervielfältigungsexemplar zuzugestehen. Denn der mit der Vervielfältigungsfreiheit verfolgte Zweck, die Informationsfreiheit der Werknutzer zu wahren, wird bereits mit der Erstellung bloß eines Vervielfältigungsexemplars gewahrt950. 947 Dazu soeben unter I. 1. c). Dies soll heißen, dass dem Werknutzer nicht über einen längeren Zeitraum hinweg mehrere Vervielfältigungsexemplare zugestanden werden sollen. Mit dieser Formulierung soll das Problem technisch bedingter (also für den rezeptiven Werkgenuss notwendiger)Vervielfältigung beispielsweise auf Proxy-Cache, Festplatten-Cache oder RAM umgangen werden. Denn hier entstehen schon durch den bloßen Werkgenuss mehrere, aber nur temporär verfügbare Vervielfältigungsexemplare; dazu bereits Hackemann, GRUR 1982, S. 264f.. 949 So auch Hohagen, S.618; in diesem Sinne auch Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14: „…während für den Gebrauch durch die eigene Person meist ein einziges Exemplar genügt…“; ähnlich Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Lüft, § 53, Rn. 10; Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht, 9. Auflage – Nordemann, § 53, Rn. 3 plädieren beispielsweise mit einem Wortlautargument für eine Obergrenze von 3 Vervielfältigungsstücken; anders aber noch die Vorauflage, Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht, 3. Auflage – Nordemann, § 53, Rn. 5 a. E.: „Erlaubt ist die Herstellung einzelner Exemplare, also in der Regel 1 Stück.“; offengelassen bei Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 8. 950 Vgl. dazu auch die Begründung für die Anzahl von 7 Vervielfältigungsexemplaren bei Nippe, GRUR 1995, S. 204; Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14: Hier wird jeweils darauf 948 212 4. Zum rechtlichen Schutz technischer Schutzmaßnahmen Der gefundene verfassungsrechtlich gebotene Interessenausgleich, der die Vervielfältigung zu privaten Zwecken durch den Werknutzer zulässt 951, sieht sich durch die Möglichkeit der Rechteinhaber, ihre Werkstücke durch technische Schutzmaßnahmen vor unliebsamen Vervielfältigungen zu schützen952, in Frage gestellt. Denn technische Schutzmaßnahmen legen es faktisch in die Hände der Rechteinhaber über Art und Umfang der Nutzung des Werkes durch den Rezipienten zu entscheiden, ohne sich dabei um diejenigen gesetzgeberischen Wertungen kümmern zu müssen, wie sie in den urheberrechtlichen Schranken zur zugunsten privater Vervielfältigung zum Ausdruck kommen953. Unter dem Banner des erforderlichen Schutzes von Urheberrechten kann so mit Hilfe technischer Schutzmaßnahmen jede gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Vervielfältigungsfreiheit ausgehebelt werden. Zu befürchten steht eine „Privatisierung“ des Rechtsschutzes gegen verfassungsrechtlich Urheberrechtsverletzungen, geforderten ohne Interessenausgleich dabei den zwischen den Beteiligten zu wahren954. a) Verfassungsrechtlicher Rahmen abgestellt, dass für die Weitergabe von Vervielfältigungsexemplaren innerhalb des Freundes- und Familienkreises durchaus 7 (oder auch mehr) Kopien zur Befriedigung dieses „privaten Gebrauches“ erforderlich seien. Wenn man aber die Weitergabe an Dritte auch innerhalb des Freundes- und Familienkreises ablehnt (vgl. oben unter a)), dann kann konsequenterweise dieses Argument auch nicht für eine Begründung oder Erweiterung der Anzahl zulässiger Vervielfältigungsexemplare herangezogen werden. 951 Oben unter I.. 952 Zu den technischen Grundlagen solcher Schutzmaßnahmen, Wand, S. 7ff.. 953 Vgl. Geiger, GRUR Int. 2004, S. 821; Hilty, GRUR 2005, S. 820; Spindler, GRUR 2002, S. 115; Mayer, CR 2003, S. 278. Als Schlagwort für diese Gefahr steht der „Code as Code“, d.h. das technische Programm, welches Umfang und Inhalt des Vervielfältigungsschutzes determiniert, bestimmt damit auch über die Vervielfältigungsrechte der Werknutzer, nicht mehr die einschlägigen Vorschriften des UrhG. Der Progammiercode wird also zur kodifikatorischen Regelung erhoben, die Technik schafft ihr eigenes Urheberrecht. Grundlegend dazu Lessig, S. 19ff.. 954 Dazu Lessig, S. 240ff.; Bechtold, S. 439ff.; Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 139; BT Drucksache XV/38, S. 26f.: „Diese Ausgewogenheit [eines ausgewogenen Verhältnisses zischen den berechtigten Interessen der Urheber und denjenigen der Allgemeinheit] geriete für das digitale Umfeld in Gefahr, wenn im Anwendungsbereich technischer Schutzmaßnahmen gemäß § 95 a ein umfassender und weit in das Vorfeld verlagerter Schutz gewährt würde, ohne zugleich als Äquivalent ein hinreichendes Instrumentarium zur wirksamen Durchsetzung von Nutzungsmöglichkeiten für die Begünstigten von Schranken zu garantieren.“. 213 Ausgangspunkt der Fragestellung bildet dabei die Feststellung der verfassungsrechtlichen Pflicht des nationalen Gesetzgebers, die Vervielfältigung zu privaten Zwecken auf urheberrechtlicher Basis gesetzlich anzuerkennen955. Um diese verfassungsrechtlich determinierte Wertentscheidung nicht zu unterlaufen, muss hiermit auch ein Schutzauftrag dahingehend korrespondieren, die Vervielfältigungsfreiheit der Werknutzer auch gegenüber technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark auszugestalten956. Dies ist letztlich Sozialstaatsprinzips957: ein Gebot Dieses des verlangt verfassungsrechtlichen die Umsetzung des grundrechtlichen Wertesystems in die Verfassungswirklichkeit958 und damit die Schaffung faktischer Chancengleichheit dergestalt, dass für den Begünstigten einer grundrechtlich abgesicherten Position - in diesem Fall der durch die Informationsfreiheit berechtigte Werknutzer - auch eine reale Möglichkeit bestehen muss, diesen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch Wirklichkeit werden zu lassen959. b) Europarechtliche Vorgaben Die verfassungsrechtliche Vorgabe, eine Verpflichtung der Rechteinhaber gesetzlich festzulegen, mit deren Hilfe die Werknutzer von der ihnen eingeräumten Vervielfältigungsfreiheit auch tatsächlich Gebrauch machen können, wird durch europarechtliche Vorgaben teilweise überlagert. Art. 6 Abs. 1 Info - RL verpflichtet die Mitgliedsstaaten, einen angemessenen Rechtsschutz gegen Akte der Umgehung wirksamer 955 Dazu oben unter I.. Hohagen, S. 510f.; an dieser Stelle darauf zu hoffen, die Rechteinhaber werden freiwillig dafür Sorge tragen, dass Werknutzer von der ihnen kraft Verfassung zustehenden Vervielfältigungsfreiheit nicht durch technische Schutzmaßnahmen gehindert würden, erscheint angesichts des anhaltenden Widerstands der Rechteinhaber gegen die Privatkopie (vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 113) mehr als unwahrscheinlich. Aus europarechtlicher Sicht dazu Erwägungsgrund (52) zur Info - RL, nach dem die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, „Maßnahmen [zu] ergreifen, damit die Begünstigten der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung sie tatsächlich nutzen können“. Vgl. auch Linnenborn, K&R 2001, S. 399f.; Metzger/Kreutzer, MMR 2003, S. 139. 957 Dazu oben Teil 4, C. III. 1.. 958 BVerfGE 33, 303 (331) mit Verweis auf BVerwGE 27, 360. 959 Vgl. BVerfGE 1, 109 (111); 56, 139 (143). 956 214 technischer Schutzmaßnahmen vorzusehen. Art. 6 Abs. 4 Info - RL wiederum ist als Gegengewicht zu Abs. 1 konzipiert. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass die Schranken des Art. 5 Abs. 2, 3 Info - RL (welche dem nationalen Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 2 lit. a und b Info - RL die Vervielfältigung zu privaten Zwecken ermöglichen) dadurch leer laufen, dass sich diese Schranken nicht gegenüber den rechtlich geschützten technischen Schutzmaßnahmen durchsetzen können960. aa) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Info - RL961 In Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Info - RL ordnet die Richtlinie (u.a.) die Durchsetzung der Schranke des Art. 5 Abs. 2 lit. a Info - RL (Vervielfältigungsfreiheit auch zu privaten Zwecken ausschließlich im Wege der Reprographie) gegenüber technischen Schutzmaßnahmen der Rechteinhaber als zwingend an962. Der nationale Gesetzgeber ist insoweit also zur Umsetzung in nationales Recht gezwungen. Ein Ergebnis, welches sich mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Gesetzgeber deckt: Denn auch diese verlangen vom Gesetzgeber, dass sich das Recht auf private Vervielfältigung gegenüber technischen Schutzmaßnahmen durchsetzen muss963. bb) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Info - RL964 960 Vgl. Mitteilungen der Kommission an das Europäische Parlament, Dok. SEK (2000) 1734 vom 20.10.2000, S. 10 zitiert nach Reinbothe, GRUR Int 2001, S. 741, Fn. 47; Dreier, ZUM 2002, S. 36. 961 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 der Info – RL lautet: „Werden von Seiten der Rechtsinhaber freiwillige Maßnahmen, einschließlich Vereinbarungen zwischen den Rechtsinhabern und anderen betroffenen Parteien, nicht ergriffen, so treffen die Mitgliedstaaten ungeachtet des Rechtsschutzes nach Absatz 1 geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Rechtsinhaber dem Begünstigten einer im nationalen Recht gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben a), c), d), oder e) oder Absatz 3 Buchstaben a), b) oder e) vorgesehenen Ausnahme oder Beschränkung die Mittel zur Nutzung der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung in dem für die Nutzung der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung erforderlichen Maße zur Verfügung stellen, soweit der betreffende Begünstigte rechtmäßig Zugang zu dem geschützten Werk oder Schutzgegenstand hat.“. 962 Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 741; Meyer, CR 2003, S. 279; Linnenborn, K&R 2001, S. 399. 963 Dazu soeben unter a). 964 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Info – RL lautet: „Ein Mitgliedstaat kann derartige Maßnahmen auch in Bezug auf den Begünstigten einer Ausnahme oder Beschränkung gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) treffen, sofern die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nicht bereits durch die Rechtsinhaber in dem für die Nutzung der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung erforderlichen Maße gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) 215 Anders hingegen Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Info - RL. Dieser gibt den Mitgliedsstaaten vor, dass sie die Schranke der (übrigen) privaten Vervielfältigung (also außerhalb des reprographischen Vervielfältigungsverfahrens) nach Art. 5 Abs. 2 lit. b Info - RL gegenüber technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark ausgestalten können; im Gegensatz zu Unterabs. 1 sind die Mitgliedsstaaten aber zu einer solchen Durchsetzung der Privatkopierschranke gegenüber technischen Schutzmaßnahmen verfassungsrechtliche nicht verpflichtet965. Vorgabe an den Allerdings nationalen gilt es hier die Gesetzgeber zu beachten, der zufolge die Privatvervielfältigungsschranke gegenüber technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark auszugestalten ist966. Von der europarechtlich eingeräumten Wahlfreiheit in diesem Bereich kann der Gesetzgeber also keinen Gebrauch machen, da er insoweit zwingender grundgesetzlicher Bindung unterliegt967. cc) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL968 Besonderer Betrachtung bedarf indes die Vorschrift des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL. Nach dieser Vorschrift gelten die Vorschriften der Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Info - RL nicht für solche Werke und Schutzgegenstände, welche der Öffentlichkeit aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung in einer Weise zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift bezieht sich nach dem europäischen Gesetzgeber auf interaktive online-Dienste auf Abruf969. und Absatz 5 ermöglicht worden ist; der Rechtsinhaber kann dadurch nicht gehindert werden, geeignete Maßnahmen in Bezug auf die Zahl der Vervielfältigungen gemäß diesen Bestimmungen zu ergreifen.“. 965 Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 742; Mayer, CR 2003, S. 279; vgl. auch Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 139. 966 Dazu soeben unter a). 967 So im Ergebnis auch Hohagen, S. 511; 626f.. 968 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 der Info - RL lautet: „Die Unterabsätze 1 und 2 gelten nicht für Werke und sonstige Schutzgegenstände, die der Öffentlichkeit aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung in einer Weise zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.“. 216 Andere online-Dienste sollen hingegen nicht unter den Anwendungsbereich des Unterabs. 4 fallen970. „Interaktive online-Dienste auf Abruf“ sind vor allem die sog. on-demand-Dienste971, mithin also eine Form des e-Commerce, deren wirtschaftliche Bedeutung bereits jetzt beträchtlich ist und in Zukunft noch weiter zunehmen wird 972. Nicht hierunter zu subsumieren sind hingegen Dienste wie Pay-per-View oder Video-on-Demand973. Inhaltlich räumt diese Vorschrift den genannten Diensten die Möglichkeit ein, sich gezielt den Schrankenbestimmungen zugunsten der Vervielfältigungsfreiheit (welche durch Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Info RL vor „technischer Aushebelung“ geschützt werden sollen) zu entledigen. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift haben im elektronischen Geschäftsverkehr Vereinbarungen der Vorrang genannten vor dem online-Dienste Schutz der vertragliche urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen zugunsten der Vervielfältigungsfreiheit: Wer also bei einem entsprechenden online-Angebot einer Vereinbarung zustimmte, nach deren Inhalt die Vervielfältigung zu privaten Zwecken ausgeschlossen wäre, könnte sich nicht mehr auf sein gesetzlich vorgesehenes Vervielfältigungsrecht berufen974. Im Ergebnis würde diese Vorschrift dazu führen, dass Werknutzer faktisch durch vertraglich vereinbarte Kopiersperren an der verfassungsrechtlich verbürgten Anfertigung von privaten Vervielfältigungsstücke gehindert würden975: Denn der online-Werknutzer hat in aller Regel nicht die Möglichkeit, einzelne Nutzungsbedingungen mit dem Inhalteanbieter auszuhandeln, stattdessen ist er darauf verwiesen, solcherlei formularmäßige Vertragsbedingungen im Wege einer sog. „click-wrap licence“ zu akzeptieren oder eben keinen Zugang zu dem so gleichermaßen vertraglich wie technisch geschützten Werk zu erhalten976. 969 So die Stellungnahme der Kommission vom 29.03.2001, KOM (2001) 170, S. 3 (abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/regdoc/liste.cfm?CL=de, am 8.Juli 2005). 970 Vgl. Stellungnahme der Kommission vom 29.03.2001, KOM (2001) 170, S. 3. 971 Mayer, CR 2003, S. 280; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 742; Hohagen, S. 250f.. 972 Vgl. Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Dreier, ZUM 2002, S. 37. 973 Mayer, CR 2003, S. 280; Hohagen, S. 250. 974 Vgl. Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 742. 975 Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Mayer, CR 2003, S. 281. 976 Vgl. Hohagen, S. 253. 217 (a) Verfassungsmäßigkeit des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info-RL? Eine solche faktische Konsequenz des Art. 6 Absatz 4 Unterabs. 4 Info-RL sieht sich freilich verfassungsrechtlichen in einem Schutzauftrag Wertungswiderspruch zur Wahrung zum privater Vervielfältigungsfreiheit der Werknutzer977. Zugunsten der Abdingbarkeit des Rechts auf Privatvervielfältigung im Wege formularvertraglicher Vereinbarungen allerdings lässt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht der Grundsatz der Privatautonomie ins Feld führen. Dieser garantiert eine verfassungsrechtliche Vermutung gegen gesetzliche, zwingende Regulierungen von privatrechtlichen Verhältnissen978: Denn jede gesetzliche privatrechtliche Regelung stellt einen Widerspruch gegen das der Privatautonomie innewohnende Prinzip der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung dar979. Der verfassungsrechtliche Schutzauftrag an den Staat entfaltet sich indes auch in denjenigen Privatrechtsbeziehungen, die durch Ungleichgewichtigkeiten beider Seiten gekennzeichnet sind. Also gerade dort, wo private Macht ähnlich wie sonst nur staatliche Macht - durch monopolartige Stellung individualfreiheitsgefährdend Privatrechtsverkehr ist wirksamen und Schutz nicht durch individueller den sonst Freiheit im durch Wettbewerb konterkariert wird980. Da der formularvertragliche Ausschluss eines Rechts auf Privatvervielfältigung der Werknutzer in den Anwendungsfällen des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL den Regelfall darstellen dürfte981, mithin faktisch kaum eine Möglichkeit für den einzelnen Werknutzer besteht, sein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf Vornahme einer privaten Vervielfältigung in die Tat umzusetzen, ist von einer strukturellen Schieflage zwischen beiden Seiten dieses Privatrechtsverhältnisses auszugehen. Daher kann der verfassungsrechtliche Schutzauftrag zugunsten der 977 Oben unter I. und II. 4. a). Zum Gesamten Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 90ff.. 979 Vgl. Stern, Grundrechte, § 76, III. 2. b). 980 Vgl. Stern, Grundrechte, § 76, IV. 8. e). 981 Kröger, CR 2001, S. 323; Mayer, CR 2003, S. 280; Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; im Ergebnis auch Hohagen, S. 253. 978 218 Informationsfreiheit nicht hinter dem Grundsatz der Privatautonomie zurücktreten. Die Regelung des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL ist also bei diesem Lichte nicht mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 5 GG vereinbar982. (b) Verfassungskonforme Auslegung Bevor nun die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift des europäischen Sekundärrechts und dessen Konsequenzen festgestellt werden, ist vorrangig nach der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL zu fragen983. Die Vorschrift spricht von „Werke[n] […], die der Öffentlichkeit aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung […] zugänglich gemacht worden sind“. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks dieser Vorschrift ist diese Formulierung durchaus auslegungsfähig984. Erwägungsgrund (53) der Info - RL beschreibt den Sinn des rechtlichen Schutzes technischer Maßnahmen damit, „ein sicheres Umfeld […] für die Erbringung interaktiver Dienste auf Abruf“ zu gewährleisten. Allerdings ist nicht ohne weiteres einsichtig, warum ein online geliefertes Werkstück einen anderen Schutzmaßstab verdienen sollte, als ein offline geliefertes Werkstück985. Oder mit anderen Worten, weshalb allein die Distributionsform eines urheberrechtlich geschützten Werkes über dessen Schutzfähigkeit entscheiden sollte986. Dies erschiene schon vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes überaus zweifelhaft, würde 982 In diesem Sinne auch Geiger, GRUR Int. 2004, S. 821, der urheberrechtliche Schranken zugunsten der Werknutzer aufgrund ihrer Verkörperung und Konkretisierung „demokratischer Grundwerte“ als zwingendes Recht ausgestaltet wissen will. 983 Allgemein zum Vorrang verfassungskonformer Auslegung, Hesse, Rn. 79ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 984 Vgl. identische Ansätze bei Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Linnenborn, K&R 2001, S. 400f.; Hohagen, S. 251; die Wortlautgrenze betonend hingegen Mayer, CR 2003, S. 281. 985 Hohagen, S. 252. 986 Das identische Werkstück könnte im Wege der online-Distribution mit einem Kopierschutz versehen werden, womit dem Regelungsgehalt des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL zufolge dem Werknutzer auch die rechtliche Möglichkeit (entsprechende vertragliche Abbedingung vorausgesetzt) zur privaten Vervielfältigung genommen wäre. Anders wenn er sich das identische Werkstück offline verschaffen würde: Dann hätte der Rechteinhaber nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Info - RL dafür zu sorgen, dass dem Werknutzer die Umgehung eines Kopierschutzes zu Zwecken privater Vervielfältigung technisch ermöglicht würde, Unterabs. 4 käme gerade nicht zur Anwendung. Dazu auch Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141. 219 doch der e-commerce (jedenfalls aus Sicht der Rechteinhaber) gegenüber konventionellen Distributionsmethoden ohne nachvollziehbaren Grund bevorzugt987. Darüber hinaus würde der Schutzzweck der Privilegierungen des Art. 5 Info - RL untergraben. Denn nicht nur die Vervielfältigung zu privaten Zwecken (Art. 5 Abs. 2 lit. a und b Info - RL), auch die Bibliotheksund Haftungsanstaltsprivilegierung (Abs. 2 lit. c und e) wie auch die Schranke für die Nutzung im Unterricht und durch Behinderte (Abs. 3 lit. a und b) könnte der Rechteinhaber allein durch die Wahl der Vertriebsform faktisch außer Kraft setzen988. Diese Erwägungen führen dazu, nicht die Distributionsform alleine über den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL entscheiden zu lassen, sondern den Werkbegriff dieser Vorschrift zusätzlich einschränkend auszulegen. Die besondere Schutzbedürftigkeit der online-Distribution, auf welche der genannte Erwägungsgrund abstellt, ergibt sich aus der besonderen Gefährdung von urheberrechtlichen Inhalten gerade infolge der nicht körperlichen Übertragung über das grundsätzlich für jedermann offene Kommunikationsnetz „Internet“989. Hierdurch ist es sehr viel leichter möglich, unberechtigt auf Werkinhalte zuzugreifen und von einem solchen Zugriff (möglicherweise rechtmäßig) eine private Kopie anzufertigen. Hinsichtlich des beim Werknutzer bereits befindlichen Werkexemplars ergibt sich hingegen keinerlei unterschiedliche Schutzbedürftigkeit, welche mit der Art der Erlangung desselbigen (also im online- oder offline-Wege) korrespondierte. Ob das Werkstück online oder offline erworben wurde, macht dieses - ist erst beim Rezipienten angelangt - nicht mehr oder weniger schutzbedürftig. Denn die besonderen Gefahren für das Werkstück bestehen allein während des Vermittlungsvorgangs, nicht mehr hingegen, wenn dieser abgeschlossen ist. Es daher folgerichtig, als „Werke“ im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL nur das online vorgehaltene, auf dem Server des Anbieters befindliche Werkstück sowie den Vorgang der Übertragung desselbigen an den Werknutzer zu verstehen, nicht mehr allerdings das bereits beim 987 Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 120. Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141. 989 Vgl. auch Erwägungsgrund (25), der von der Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Schutzes der netzvermittelten Übertragung urheberrechtlich geschützter Werke spricht. 988 220 Werknutzer befindliche Werkstück990. Letzteres unterfällt damit nicht dem Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Info - RL, welcher die Durchsetzungsstärke der Privatvervielfältigungsschranke gegenüber technischen Schutzmaßnahmen garantiert, bleibt insoweit unberührt. Damit ergibt sich für das beim Rezipienten befindliche Werkstück kein Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Diese sehen vor, dass der Werknutzer das in seinen Händen befindliche Werkstück zu privaten Zwecken vervielfältigen darf und der Gesetzgeber dafür Sorge tragen muss, dass die Rechteinhaber dieses Vervielfältigungsrecht nicht durch die Verwendung technischer Maßnahmen aushebeln. Eine Auslegung des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL in dem Sinne, dass sich dessen Regelungsgehalt nur auf das online vorgehaltene Werkstück und dessen Übertragung, nicht aber auf das dann beim Werknutzer befindliche Exemplar bezieht, wird diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. c) Ergebnis Die vorhergehenden verfassungsrechtliche Überlegungen Verpflichtung haben des gezeigt, Gesetzgebers dass eine besteht, die Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken auf gesetzlichem Wege gegenüber technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark auszugestalten991. Die europarechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 Info RL lassen dies jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung zu. Vor diesem Hintergrund ist die derzeit gültige Regelung des § 95 b Abs. 1 UrhG als unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu qualifizieren992. Denn § 95 b Abs. 1 UrhG, welcher die Durchsetzung verschiedener Schrankenbestimmungen zugunsten der Werknutzer 990 Ebenso Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Hohagen, S. 252; Linnenborn, S. 400f.; anders hingegen Mayer, CR 2003, S. 280f.. 991 Zur Frage, wie die Durchsetzungsstärke urheberrechtlicher Schranken bei deren Nichtbeachtung durch Rechteinhaber konkret in geeigneter Weise Umsetzung erfahren kann, vgl. Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141f.. Diese befürworten bei Nichtbeachtung die Einführung eines Busgeldtatbestandes verbunden mit der Möglichkeit einer Verbandsklage. Andere Überlegungen hierzu bei Hohagen, S. 633ff.. 992 So nur Hohagen, S. 630f.; anders hingegen Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Wandtke/Ohst, § 95 b, Rn. 4f.. 221 gegenüber technischen Schutzmaßnahmen gewährleisten soll993, nimmt gerade die Vervielfältigung zu privaten Zwecken nach § 53 Abs. 1 UrhG zum überwiegenden Teil aus seinem Anwendungsbereich aus. Nach § 95 b Abs. 1 Satz 1 Ziff. 6 lit. a UrhG ist nämlich die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nur zulässig, soweit es sich um reprographische Vervielfältigungen handelt. Insbesondere die Vervielfältigung auf digitalen Zielmedien kann sich damit - entgegen der Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 1 UrhG, welcher ausdrücklich nicht nach der Art des Zielmediums differenziert994 - nicht gegenüber technischen Maßnahmen durchsetzen995. Auch § 95 b Abs. 3 UrhG sieht sich vor dem beschriebenen verfassungsrechtlichen Hintergrund Bedenken ausgesetzt. Diese Regelung setzt Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL in deutsches Recht um996. Wie schon die europäische Richtlinie, so bedarf auch deren Umsetzung in nationales Recht durch § 95 b Abs. 3 UrhG einer verfassungskonformen Auslegung997: Andernfalls läge die Durchsetzung der Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken allein in den Händen der Inhalteanbieter, welche durch die Wahl der geeigneten Distributionsform über die Verwirklichung des gefundenen, verfassungsrechtlich gebotenen Interessensausgleichs zwischen Rechteinhabern und Werknutzern entscheiden könnten998. Der sachliche Anwendungsbereich ist daher durch eine verfassungskonforme Interpretation des Werkbegriffs in § 95 b Abs. 3 UrhG auf den ausschließlichen Schutz des online-Vertriebs gerade wegen dessen spezifischer Gefährdung zu beschränken. Als „Werk“ im Sinne des § 95 b Abs. 3 UrhG ist demnach nur das auf dem Server des Inhalteanbieters vorgehaltene Werkexemplar und dessen Übertragung zu betrachten. Ist das Werkexemplar erst beim Werknutzer angelangt, unterliegt es nicht mehr der Regelung des § 95 b Abs. 3 UrhG. Nur eine solche Auslegung wird den beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Vgl. Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Wandtke/Ohst, § 95 b, Rn. 8. Vgl. schon den Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG: „Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen […] auf beliebigen Trägern […].“;Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Lüft, § 53, Rn. 9. 995 Vgl. Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Wandtke/Ohst, § 95 b, Rn. 28. 996 Vgl. BT - Drucksache XV/38, S. 27. 997 Vgl. Hohagen, S. 633; kritisch zum Inhalt des § 95 b Abs. 3 UrhG auch Geiger, GRUR Int. 2004, S. 820f.. 998 Vgl. dazu soeben die entsprechenden Überlegungen zu Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info – RL unter b) cc). 993 994 222 C. Die Vergütung als verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich Mit Anerkennung der privaten Vervielfältigungsfreiheit als zwingendem verfassungsrechtlichem Postulat999, stellt sich die Frage nach einer ebenso zwingenden Pflicht des Gesetzgebers, zugunsten des Urhebers eine Vergütung für die private Vervielfältigung seines Werkes durch den Werknutzer einzuführen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob der Gesetzgeber kraft Verfassung verpflichtet ist, dem Urheber eine Vergütung für die Herstellung privater Vervielfältigungsexemplare zuzugestehen, ausdrücklich offen gelassen1000. I. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage Es wurde bereits dargelegt1001, dass es sich bei jedweder denkbaren Form der Gewähr privater Vervielfältigungsfreiheit zulasten des Urhebers um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handelt, nicht hingegen um eine Form der Enteignung1002. Bei der Ausgestaltung solcher Inhalts- und Schrankenstimmungen ist der Gesetzgeber indes nicht völlig frei, sondern muss die durch die Verfassung gesetzten Grenzen beachten1003. Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes1004 hat der Gesetzgeber demnach die schutzwürdigen Belange der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung ist mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang zu bringen. 1. „Zumutbarkeit“ als ausgleichspflichtbegründendes Moment 999 Dazu oben unter B. I.. Vgl. BVerfG NJW 1997, 248 (249); BVerfGE 79, 1 (25); auch BVerfGE 31, 255 (263). 1001 Dazu oben Teil 2, E. II. 1.. 1002 Vgl. Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 44; Diemar, GRUR 2002, S. 590; eindeutig auch Loewenheim – Götting, §. 3 Rn. 3; BVerfGE 31, 229 (241). 1003 BVerfGE 31, 229 (244); 49, 382 (394). 1004 Vgl. BVerfGE 25, 112 (117ff.); 58, 300 (335); 79, 174 (198); 100, 226 (240f.); Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310ff., 315ff. je m.w.N.; Leinemann, S. 70; Leisner, Eigentum, Rn. 143ff.; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Wendt, S. 306f.. 1000 223 Zu fragen ist also an dieser Stelle, ob die entschädigungslose Einräumung eines privaten Vervielfältigungsrechts noch den Anforderungen eines sozialgebundenen Eigentums entspräche oder ob diese vielmehr einen Ausgleich für die Einräumung eines privaten Vervielfältigungsrechts erforderte. Grundsätzlich sollen Inhalts- und Schrankenbestimmungen der Konzeption des Art. 14 GG zufolge nicht ausgleichspflichtig sein. Stattdessen stellt die entschädigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung den verfassungsrechtlichen Regelfall dar1005, was sich im Umkehrschluss aus der Entscheidung des Art. 14 Abs. 3 GG ergibt. Allerdings findet dieses Konzept der nicht ausgleichpflichtigen Sozialbindung dort seine Grenze, wo eine Inhalts- und Schrankenbestimmung unzumutbare Auswirkungen zulasten des Berechtigten einer Eigentumsposition zeitigt 1006. Die Grenze für dieses Unzumutbarkeitskriterium wiederum verläuft entlang des Schutzzwecks des Art. 14 GG1007. Die Eigentumsgarantie des GG soll dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen Lebensgestaltung und ihm ermöglichen1008. damit Erst eine durch eigenverantwortliche die Privat- oder Individualnützigkeit des Eigentums wird der Einzelne auch faktisch in die Lage versetzt, sein Leben eigenverantwortlich nach eigenem Gutdünken zu gestalten1009. Das Privat- oder Individualnützigkeitskriterium findet seinen Maßstab grundsätzlich - also im Bereich des Sacheigentums - im Grad der gewährten Verfügungsfreiheit Eigentumsobjekt1010. Infolge des seiner Eigentümers Unkörperlichkeit über stellt sein die Verfügungsfreiheit für das geistige Eigentum aber insoweit gerade keinen Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 338, 346ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 84; Wendt, S. 314f.. 1006 Vgl. dazu BVerfGE 100, 226 (243f.); Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 81; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190; Leisner, Eigentum, Rn. 151f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262. 1007 Vgl. BSGE 5, 40 (45). So auch Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375. 1008 BVerfGE 24, 367 (389). 1009 Zur Privatnützigkeit als Abgrenzungskriterium zwischen Ausgleichspflicht und Ausgleichsfreiheit im Bereich des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, Leisner, Sozialbindung, S. 171ff.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 275ff.. 1010 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 275f.. 1005 224 geeigneten Maßstab dar1011. Satt dessen verläuft die Grenze der Ausgleichspflicht dort, wo der Eingriff in die Verfügungsfreiheit (auch) einen Eingriff in die vermögensrechtliche Zuordnung des Werkes, in die insoweit bestehende wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des geistigen Eigentümers zur Folge hat. 2. Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Zuordnung durch private Vervielfältigung Jede Vervielfältigung eines Geisteswerkes, sei es auch „nur“ zu privaten Zwecken, stellt allerdings eine solche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit des Urhebers dar. Denn damit wird das potentielle Bedürfnis nach einem weiteren Originalexemplar - und damit einer wirtschaftlichen theoretisch Partizipationsmöglichkeit befriedigt, Vervielfältigungsexemplars Verwertungsmöglichkeit Vervielfältigungsexemplar des Urhebers der Urheber also einer denkbaren weiteren beraubt1012. ist der Kurz: (ungleich Für - jedenfalls bezüglich wirtschaftlichen jedes teurere) des vorhandene Erwerb eines Originalexemplars nicht mehr zu erwarten, eine wirtschaftliche Verwertung des Originals durch den Urheber insoweit also nicht möglich1013. Doch selbst unterstellt, eine Koinzidenz zwischen dem zu erwartenden Umsatzrückgang der Originalwerkstücke und der Möglichkeit zur Erstellung von privaten Vervielfältigungsstücken bestünde nicht1014, die Vervielfältigung zu privaten Zwecken also nur ein zusätzliches Bedürfnis befriedigte, ohne hierbei zu einem konkreten Einkommensverlust der Urheber zu führen, ist 1011 Vgl. dazu Teil 2, B. III. und Teil 2, E. II. 1. b); vgl. auch Kirchhof, Geistiges Eigentum, S. 1654: „Das Urheberrecht gibt dem Urheber die ausschließlichen Verwertungsrechte an seinem Werk, weniger um Nutzung durch Dritte zu verhindern, sondern um dem Urheber die wirtschaftliche Nutzung seines Werkes zu sichern.“. 1012 Dazu Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 42f.; Schricker/Katzenberger, GRUR 1985, S. 95; Hohagen, S. 587. 1013 Dazu bspw. Jacob, S. 23ff.. 1014 Dazu BT-Drucksache XIV/6993, S. 36: „Die Schlussfolgerung, dass jede Kopie einen Verlust [für den Urheber in wirtschaftlicher Hinsicht] bedeute, […] [ist] in erheblicher Weise spekulativ. In der Praxis dürfte bei weitem nicht jede verhinderte Vervielfältigung stattdessen zu einem Kauf führen und damit eine entsprechende Umsatzsteigerung bewirken. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Untersuchungen in den USA, die auch positive Wirkungen z.B. der Verbreitung von Musiktiteln über das Internet auf das Kaufverhalten bei bespielten Tonträgern festgestellt haben wollen. Zumindest ist auffällig, dass die Umsätze der Tonträgerindustrie in den USA trotz Napster und Co. von 1999 zu 2000 gestiegen sind.“; dazu auch Jacob, S. 25, 28f.. 225 eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit des Urhebers zu bejahen. Denn ausgehend vom Leistungsprinzip als Grund und Grenze der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie1015 ist allein der Werkgenuss als Rechtfertigung für einen Vergütungsanspruch des Urhebers maßgeblich1016. Nach diesem Grundsatz soll der durch eigene Leistung erworbene Bestand an vermögenswerten Gütern verfassungsrechtlich abgesichert und geschützt werden. Dem widerspräche es aber, die Vergütung des Urhebers davon abhängig zu machen, ob der jeweilige Werknutzer seinerseits aus der jeweiligen Nutzung des Werkes (materiellen) Gewinn - in Form der Ersparnis eigenen Aufwands - ziehen würde oder nicht1017. Eine Vergütungspflicht lässt sich also auch mit der Erwägung rechtfertigen, die private Vervielfältigung ermögliche eine (zusätzliche) Form des Werkgenusses. Dem Urheber für die Gewährung der Vervielfältigung zu privaten Zwecken eine gesetzliche Vergütungspflicht einzuräumen, stellt sich daher als verfassungsrechtliche Notwendigkeit dar1018. Denn nur wenn sich der Schutz des Urhebers auf alle Werknutzungsvorgänge, also auch auf die Vervielfältigung zu privaten Zwecken erstreckt, kann dem Schutzzweck der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie ausreichend Genüge getan werden. Auch die verfassungsrechtlich relevanten Interessen der Werknutzer stehen einer Vergütungspflicht zugunsten der Urheber nicht entgegen. Denn wenngleich diese eine Beschränkung des Verfügungsrechts des Urhebers an seinem Werk erfordern1019, so verlangt die insoweit maßgebliche Informationsfreiheit die kostenfreie Werknutzung gerade nicht1020. Das so gefundene verfassungsrechtliche Ergebnis deckt sich mit den internationalen Vorgaben: Art. 9 RBÜ1021 lässt im Rahmen des 1015 Dazu oben Teil 2, B. II. 1.. So im Ergebnis bereits BGHZ 17, 266 (278): „[…] so ist es letztlich gerade der Werkgenuß des einzelnen - gleichgültig, ob dieser Werkgenuß in der Öffentlichkeit oder im häuslichen Bereich stattfindet -, der die innere Rechtfertigung für den Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung bildet.“; ebenso Nipperdey, S. 58. 1017 Vgl. auch Zweigert, S. 31f.. 1018 In diesem Sinne auch Kirchhof, Geistiges Eigentum, S. 1656; Nipperdey, S. 59f.; Zweigert, S. 33; Hohagen, S. 315; Wiegand, S. 340; Ott, ZRP 1985, S. 13. 1019 Dazu oben unter B. I.. 1020 Vgl. Kirchhof, Geistiges Eigentum, S. 1654f.; Hohagen, S. 315; vgl. auch BVerfGE 31, 229 (243); dazu auch oben Teil 4, A. I. 3. b) . 1021 Dazu oben Teil 3, A. III. 1. d). 1016 226 Dreistufentests die Vervielfältigung zu privaten Zwecken nur unter der Voraussetzung zu, dass der Urheber für den hinzunehmenden Eingriff in sein Verwertungsrecht eine angemessene Entschädigung erhält1022. Auch das TRIPS - Abkommen sowie der WCT gelangen zu keinem anderen Ergebnis, da sie nur die Vorgaben des Dreistufentests nach der RBÜ übernehmen, ohne diese inhaltlich zu modifizieren1023. II. Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein Vergütungssystem – Pauschal- oder Individualvergütung? Es soll nun der Frage nachgegangen werden, ob das derzeit geltende Pauschalvergütungssystem noch verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt oder ob nicht ein System individueller Lizenzierung besser geeignet wäre, die verfassungsrechtlich gebotene Vergütung für die private Vervielfältigungsfreiheit zu realisieren1024. Ausdrücklich vom Untersuchungsgegenstand sind dagegen ausgenommen Fragen nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen betreffend Höhe und Natur eines Vergütungsanspruchs, Fragen nach möglichen Anspruchberechtigten und Anspruchsverpflichteten oder nach der Wahrnehmung möglicher Vergütungsansprüche1025. Wie die verfassungsrechtlich gebotene Vergütung des Urhebers im Einzelnen gesetzliche Gesetzgeber ein Ausgestaltung weiter erfährt, dabei Gestaltungsspielraum kommt dem zu. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge1026, ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nur gehalten, eine angemessene Verwertung sicherzustellen, die der Natur und sozialen Bedeutung des Urheberrechts entspricht1027. Wie diese 1022 Vgl. Reinbothe, WCT, S. 260; Hohagen, S. 117; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 23; Senftleben, CR 2003, S. 919. 1023 Bzgl. TRIPS – Abkommen, vgl. Hohagen, S. 85ff.; Reinbothe, ZUM 1996, S. 739; bzgl WCT, vgl. Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 1 WCT, Rn. 17; Hohagen, S. 95. 1024 Für die Implementierung von Individuallizenzierungssystemen zulasten Pauschalvergütungssystemen plädieren Geerlings, GRUR 2004, 207ff. (209f.); Diemar, Digitale Kopie, S. 140; Wagner, ZUM 2004, 723ff. (730) m.w.N.; Barta/Markiewicz, FS für Rehbinder, S. 177ff.; ähnlich auch Schippan ZUM 2004, 189ff. (189); Leinemann, S. 78; für den Bereich der Fotokopiervergütung Möller, S. 37. Dagegen statt vieler Hohagen, S. 638ff.. 1025 Dazu umfassend Hohagen, S. 519ff.. 1026 BVerfGE 79, 1 (25). 1027 BVerfGE 31, 229 (241). 227 Verwertung, also der Vergütungsanspruch des Urhebers inhaltliche Ausprägung erhalten soll, dies sei im Einzelnen Sache des Gesetzgebers1028. Eine verfassungsrechtlich eindeutige Vorgabe, wie ein Vergütungssystem seiner Art nach auszusehen habe, gibt es demnach nicht, was freilich den Gesetzgeber nicht von der zwingenden Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben entbindet. 1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage Die Sozialbindung der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie gibt dem Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung einfachgesetzlicher Eigentumspositionen die Richtung vor. Dabei hat er „ein Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben“1029. Die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers ist keine unbegrenzte, vielmehr wird diese durch das Gebot gerechter Abwägung im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung begrenzt1030. Auch die internationalen Vorgaben schreiben dem Gesetzgeber nicht konkret vor, wie er ein mögliches Vergütungssystem in nationales Recht umzusetzen habe. Der Dreistufentest der RBÜ behält es dem nationalen Gesetzgeber vor, wie der Vergütungsanspruch (dessen Existenz er zwingend als Ausgleich für die Einführung eines Vervielfältigungsrechts vorschreibt) im Einzelnen in nationales Recht umzusetzen sei1031. Ebenso wenig ergeben TRIPS – Abkommen und WCT konkrete inhaltliche Vorgaben, da diese lediglich den Dreistufentest der RBÜ übernehmen, ohne diesen inhaltlich zu modifizieren1032. Mit Einschränkungen gilt dies auch für die Vorgaben der Info - RL in Bezug auf die Vergütung des Urhebers für die Vervielfältigungsfreiheit. Die 1028 Vgl. BVerfGE 31, 229 (241); 21, 73 (83). So BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29); vgl. auch BVerfGE 31, 229 (242). Zum gesamten Fechner, S. 239; Hohagen, S. 276f.; Wendt, S. 299f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 308. 1030 Papier, Wirtschaftsordnung, Rn. 84f.; Fechner, S. 240; Wendt, S. 315; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310; vgl. auch Schricker – Melichar, Vor §§ 45 ff. Rn. 9.. 1031 Dazu bereits oben Teil 3, A. III. 1. c) und d); Hohagen, S. 113f.; vgl. auch Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 4. 1032 Vgl. oben Teil 3, A. III. 2. und 3.. 1029 228 Vorschriften der Art. 5 Abs. 2 lit. a und b Info - RL schreiben den Mitgliedsstaaten zwar zwingend vor, dass die Gestattung privater Vervielfältigungsfreiheit nur dann erfolgen könne, wenn der Urheber hierfür einen „gerechten Ausgleich“ erhält. Einen Hinweis darauf, nach welcher Art das Vergütungssystem auszugestalten sei - als Pauschal- oder als Individualvergütungssystem -, lässt sich diesem Begriff aber nicht entnehmen1033. Allerdings gewährt Erwägungsgrund (35) in seinen Sätzen 4 und 5 bereits Hinweise auf das Verhältnis zwischen Individual- und Pauschalvergütung1034: Während Satz 4 einer Doppelvergütung vorbeugen will, die entstünde, wenn Pauschalvergütungssystem individuell lizenzierte partizipieren würden, Werke stellt auch Satz 5 am ein Differenzierungsgebot auf, den Einsatz technischer Schutzmechanismen bei der Bemessung der Höhe einer Vergütung angemessen zu berücksichtigen. Über einen möglichen Vorrang pauschaler oder individueller Vergütungssysteme ist damit allerdings nichts ausgesagt1035, zeigen doch die Prämissen beider Sätze, dass der europäische Gesetzgeber von einer möglichen Koexistenz beider Vergütungssysteme ausgeht und nicht die eine Vergütungsform der anderen gegenüber bevorzugen will. Anders hingegen die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. b Info - RL, der zufolge die Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung des „gerechten Ausgleichs“ ausdrücklich berücksichtigen müssen, ob technische Schutzmaßnahmen auf das urheberrechtlich geschützte Werk Anwendung finden1036. Doch lässt sich auch aus dieser Formulierung nicht folgern, der nationale Gesetzgeber sei zur Etablierung gerade eines bestimmten (Individual- oder Pauschal-) Vergütungssystems gezwungen1037. Stattdessen soll den Mitgliedsstaaten 1033 Dazu bereits oben Teil 3, B. III. 2. c). Umfassend dazu Hohagen, S. 220; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 738; vgl. dazu auch das Urteil des EuGH zum Begriff der „angemessenen Vergütung“ in JZ 2003, S. 676. 1034 Satz 4 und 5 des Erwägungsgrundes (35) der Info - RL lauten: „In Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z. B. als Teil einer Lizenzgebühr, kann gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein. Hinsichtlich der Höhe des gerechten Ausgleichs sollte der Grad des Einsatzes technischer Schutzmaßnahmen gemäß dieser Richtlinie in vollem Umfang berücksichtigt werden.“. 1035 So auch Hohagen, S. 222. 1036 Dazu oben Teil 3, II. 3. b) cc). 1037 Dazu oben bereits ausführlich unter Teil 3, B. III. 2. c) bb); letztlich auch Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739; ders., ZUM 2002, S. 49f.; Hohagen, S. 233; zweifelnd Spindler, GRUR 2002, S. 112. Anders dagegen Geerlings, GRUR 2004, S. 112f., der m. E. vorschnell aufgrund der Erwägungsgründe (38) und (39) - die gerade nicht zum bindenden Bestandteil einer Richtlinie gehören - davon ausgeht, der europäische Gesetzgeber sähe 229 die Möglichkeit gewährt werden, Individualvergütungssysteme zu etablieren, ohne allerdings durch diese Zielvorstellung einem Pauschalvergütungssystem die Existenzberechtigung abzusprechen 1038 oder auch eines der beiden Systeme zu präferieren. Dies ergibt sich auch deutlich aus Erwägungsgrund (38)1039, der bestehende Unterschiede zwischen einzelnen nationalen Vergütungsregelungen anspricht, diesen aber eine nennenswerte Auswirkung auf das Funktionieren einer europäischen Informationsgesellschaft abspricht1040. Festzuhalten bleibt also, dass sich die Frage, ob ein Individual- oder aber ein Pauschalvergütungssystem im Zuge einer Urheberrechtsnovelle zu etablieren sei, ausschließlich am verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren hat1041, ohne insoweit durch internationale oder europarechtliche Vorgaben Überlagerung gefunden zu haben. 2. Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt die verhältnismäßige Zuordnung von Grundrechten1042. Inhaltlich muss es demnach einen verfassungslegitimen Grund für den gesetzgeberischen Eingriff geben, das die Etablierung von Individualvergütungssystemen durch den nationalen Gesetzgeber als zwingend vor. 1038 Vgl. Hohagen, S. 233f.. 1039 Erwägungsgrund (38) der Info - RL lautet: „Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit erhalten, unter Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht für bestimmte Arten der Vervielfältigung von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material zu privaten Zwecken vorzusehen. Dazu kann die Einführung oder Beibehaltung von Vergütungsregelungen gehören, die Nachteile für Rechtsinhaber ausgleichen sollen. Wenngleich die zwischen diesen Vergütungsregelungen bestehenden Unterschiede das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen, dürften sie sich, soweit sie sich auf die analoge private Vervielfältigung beziehen, auf die Entwicklung der Informationsgesellschaft nicht nennenswert auswirken. Die digitale private Vervielfältigung dürfte hingegen eine weitere Verbreitung finden und größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Daher sollte den Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend Rechnung getragen und hinsichtlich bestimmter Punkte zwischen ihnen unterschieden werden.“. 1040 Erwägungsgrund (39) sieht hingegen vor, dass das jeweils gewählte Vergütungssystem die Entwicklung technischer Schutzmaßnahmen nicht behindern sollte. Aus dieser Formulierung wie auch aus dem systematischen Standort innerhalb des nicht bindenden Teils der Richtlinie lässt sich folgern, dass darin nicht mehr zu erblicken ist, als ein unverbindlicher Ratschlag an den nationalen Gesetzgeber. In diesem Sinne auch Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739; Spindler, GRUR 2002, S. 112. 1041 So im Ansatz auch Geerlings, GRUR 2004, S. 109f.. 1042 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 298. 230 Eingriffsmittel muss ferner geeignet, erforderlich und angemessen sein, diesen verfassungslegitimen Grund zu erreichen1043. Bei der Bestimmung verfassungsgemäßer Grenzen kollidierender Grundrechte geht es also darum, den Schutzbereichen der betroffenen Grundrechte diejenigen Grenzen zu ziehen, welche sämtliche grundrechtlich geschützten Schutzgüter zu optimaler Wirksamkeit gelangen lassen1044. Ziel und struktureller Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Konstituierung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist die angemessene Kollisionslösung aller beteiligten grundrechtlich geschützten Positionen1045. Anders als sonst, erhält die Struktur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber bei der Ausgestaltung von Privatrechtsverhältnissen notwendig einen flexibleren Bezugspunkt 1046: Während üblicherweise der Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Zweck einer Maßnahme, eines Gesetzes, etc. eindeutig fixiert ist1047, gibt es bei der Ausgestaltung von Privatrechtsverhältnissen mehrere Bezugspunkte1048. Denn der mit dem zu installierenden gesetzlichen Vergütungssystem verfolgte Ausgleichsfunktion verfassungsrelevanten Zweck hinsichtlich Interessen liegt ja gerade der vielfältigen aller Beteiligten. in seiner widerstreitenden Damit wird die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber nicht entbehrlich; stattdessen muss eben „nach beiden Seiten“1049 abgewogen werden, alle beteiligten Interessen (sofern von verfassungsrechtlicher Erheblichkeit) müssen in den Ausgangspunkt der Prüfung der Verhältnismäßigkeit - also dem mit der Einführung eines Vergütungssystems verfolgten „legitimen Zweck“1050 - miteinbezogen werden. Mit der Etablierung eines Vergütungssystems sollen einerseits die Interessen der Urheber wahrgenommen werden, an der Verwertung ihrer Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 315. Vgl. Hesse, Rn. 72. 1045 Dazu die Rechtsprechung des BVerfG, der zufolge die „schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis [zu] bringen“ sind, so BVerfGE 37, 132 (142); vgl. auch BVerGE 25, 112 (117); 70, 191 (200); 79, 174 (198); 91, 294 (308). 1046 Vgl. Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 17. 1047 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 304. 1048 Vgl. Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 17. 1049 So Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 17. 1050 Dazu Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 304. 1043 1044 231 Werke wirtschaftlich zu partizipieren1051. Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Werknutzer vor allem an einem angemessenen Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken wie auch deren Interesse an einem ausreichenden Schutz ihrer informationellen Selbstbestimmung1052. Von diesem festen Bezugspunkt aus betrachtet, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob ein Individual- oder aber ein Pauschalvergütungssystem eher verhältnismäßig im verfassungsrechtlichen Sinne ist, um den angestrebten Ausgleich zwischen den genannten Positionen zu erreichen1053. a) Geeignetheit Das Kriterium der Geeignetheit ist erfüllt, wenn das eingesetzte Mittel geeignet ist, den angestrebten Zweck zu erreichen, „wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“1054. Dabei reicht indes bereits die teilweise Förderung des gesetzgeberischen Ziels aus1055. b) Erforderlichkeit Das eingesetzte gesetzgeberische Mittel ist dann erforderlich, wenn der Gesetzgeber „nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können“ 1056. Zur Beurteilung dieser Frage werden nur „gleich wirksame“ Mittel herangezogen. Die gleiche Wirksamkeit eines Mittels ist dann zu verneinen, 1051 Dazu oben im Überblick Teil 2, E.. Dazu oben im Überblick Teil 4, A. IV und Teil 4, B. III.. 1053 Es geht an dieser Stelle nicht mehr um die Frage eines Ausgleichs zwischen den verfassungsrechtlich geschützten Vervielfältigungsinteressen auf der einen und den Vergütungsinteressen auf der anderen Seite (dazu oben unter II.). Hier geht es hingegen um die Frage, welche Mittel zur Wahrnehmung des bereits gefundenen verfassungsmäßigen Ausgleichs herangezogen werden können. Diese sind je gesondert danach zu beurteilen, welches den feststehenden verfassungsrechtlichen Ausgleich am besten erreichen lässt und nicht zueinander in Korrelation zu setzen. 1054 BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); vgl. auch Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 304. 1055 BVerfGE 16, 147 (183). 1056 BVerfGE 25, 1 (17); 30, 292 (316), 33, 171 (187); vgl. auch Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 304. 1052 232 wenn bei gleicher Intensität des grundrechtseinschränkenden Effekts ein Mittel noch weitere nachteilige Wirkungen hat als ein anderes1057. c) Angemessenheit Dem Grundsatz der Angemessenheit (oder Verhältnismäßigkeit im engen Sinne) zur Folge, darf das eingesetzte gesetzgeberische Mittel den Betroffenen nicht „übermäßig belasten“, es darf für ihn nicht „unzumutbar“ sein1058. Dabei wird das Verhältnis zwischen Mittel und Zweck der zu beurteilenden Erforderlichkeit, Maßnahme wo nach betrachtet der Relation (anders im mehrerer Rahmen Mittel zu der einem feststehenden Zeck gefragt wird), diese dürfen nicht „außer Verhältnis“ zueinander stehen1059. Zur Beurteilung dieser Frage ist es nicht ausreichend, alleine nach der Wertigkeit der betroffenen Grundrechte oder alleine nach Art und Ausmaß der jeweiligen Beeinträchtigung zu fragen: Vielmehr müssen Eingriffsobjekt und Eingriffsqualität gemeinsam in einer einheitlichen Betrachtung als korrelierendes tertium comparationis der Angemessenheit herangezogen werden1060. Prägnant formuliert diese zwingende Gesamtschau Robert Alexy1061: „Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen [grundrechtlichen] Prinzips, um so größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein“. Der negative Prüfungsmaßstab, den das Bundesverfassungsgericht indes bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung anlegt - geprüft wird, ob die Maßnahme unangemessen ist, nicht aber positiv, ob sie auch angemessen ist -, führt zu einer verkürzten Beurteilung verfassungsrechtlichen der materiellen Anforderungen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an des den Gesetzgeber1062. Dies soll aber für die vorliegende Untersuchung nicht genügen, welche die materiellen Anforderungen des Grundgesetzes auch jenseits deren bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit zum 1057 Vgl. BVerfGE 13, 231 (241); Grabitz, AöR 98, S. 574. Vgl. BVerfGE 26, 215 (226); 27, 88 (100); 29, 221 (235). 1059 Vgl. BVerfGE 25, 236 (247); 27, 211 (219); 28, 264 (280). 1060 Vgl. Wendt, AöR 104 (1979), S. 454ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 304; Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 908. 1061 Alexy, S. 146. 1062 Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab ist mit dem vom Bundesverfassungsgericht zu respektierenden Prinzip der horizontalen Gewaltenteilung zu erklären, vgl. Grabitz, AöR 98, S. 576. 1058 233 Gegenstand haben soll. Folglich soll an dieser Stelle nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz gefragt werden. Diesem zufolge sollen die beteiligten verfassungsrechtlichen Rechtsgüter dergestalt durch den Gesetzgeber angeordnet werden, dass allen zu optimaler Wirksamkeit verholfen ist1063. Mit der Erfüllung der Anforderungen des Grundsatzes der praktischen Konkordanz ist dann auch - als „minus“ - die Frage nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip geklärt: Denn die optimale Zuordnung von Mittel und Zweck genügt stets auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips1064. 3. Konsequenzen für ein Vergütungsmodell Ausgangspunkt für die Beurteilung der Alternativität zwischen einem Pauschal- und einem Individualvergütungssystem ist also das Gebot praktischer Konkordanz unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Unverrückbarer Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung der jeweiligen Vergütungssysteme ist der mit diesen Mitteln verfolgte „legitime Zweck“: Zum einen muss auch nach Einrichtung eines Vergütungssystems gewährleistet sein, dass die private Vervielfältigungsfreiheit als verfassungsrechtliche Notwendigkeit1065 gewahrt bleibt. Zum anderen muss aber auch dem verfassungsrechtlichen Postulat einer (angemessenen 1066) Vergütung der Urheber Genüge getan werden. Beide Zwecke sind in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen, d.h. einer optimalen Entfaltung zuzuführen1067. Beide Zwecke gilt es durch die Wahl eines entsprechenden Vergütungssystems optimal zu verwirklichen. Vgl. Hesse, Rn. 317f.; kritisch zum Begriff der „Optimierung“ Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 6. 1064 Grabitz, AöR 98, S. 576, Fn. 40. 1065 Dazu oben unter B. I.. 1066 Auf die Frage der Vergütungshöhe soll in der vorliegenden Untersuchung nicht eingegangen werden. Dazu umfassend bspw. Zweiter Bericht der Bundesregierung für die Entwicklung der urheberrechtlichen Vergütung gem. §§ 54ff. (2. Vergütungsbericht), BT – Drucksache XIV/3972. 1067 Hesse, Rn. 72.; Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85 III. 2. c) α): „In […] wurde ausführlich dargelegt, dass das Übermaßverbot ein Abwägungsgebot ist, welches letztlich zur harmonisierenden Auslegung betroffener Rechtsgüter führt und damit zu deren Relativierung.“. 1063 234 a) Ein „geeignetes“ Vergütungsmodell Der „Geeignetheit“ von Individualvergütungssystemen (im Vergleich mit Pauschalvergütungssystemen) lässt sich zunächst vorhalten, dass diese angesichts ihrer technischen Unausgereiftheit gar nicht in der Lage seien, eine ausreichende Sicherung Vergütungsansprüche der der (verfassungsrechtlich Rechteinhaber zu gebotenen) gewährleisten 1068. Die Möglichkeit der Umgehung technischer Schutzmechanismen (wie bspw. DRM-Systemen) lasse sich nie ausschließen, der Durchsetzung von Vergütungsansprüchen seien damit jedenfalls jene faktischen Grenzen gesetzt1069. Doch greift dieser Einwand jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Perspektive ins Leere. Denn als „geeignet“ gilt ein Mittel schon dann, wenn eine teilweise Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels erreicht wird1070. Als ungeeignet erweist sich ein Individualvergütungssystem allerdings bereits dort, wo eine individuelle Kontrolle der Werknutzung (in Form privater Vervielfältigung) und damit deren individuelle Vergütung technisch gar nicht möglich ist (jedenfalls nicht unter ausreichender Beachtung des Schutzbereichs des Art. 13 GG1071). Jede Werknutzung, die nicht interaktiv durch den Rechteinhaber erfasst werden kann (also beispielsweise digitale offline-Werkstücke oder analoge Werkstücke), muss folglich auf das System der Pauschalvergütung zurückgreifen, das sich an einer vermuteten Werknutzung orientiert. Denn das Individualvergütungssystem beruht auf der Voraussetzung, dass jeder einzelne Nutzungsvorgang durch den Rechteinhaber kontrollierbar ist. So kommt schon aus dem Gesichtspunkt der „Geeignetheit“ jedenfalls nur ein Nebeneinander zwischen den beiden Vergütungssystemen in Betracht1072. b) Ein „erforderliches“ Vergütungsmodell Dazu. bspw. Pfennig, ZUM 2004, S. 200; Becker (Hrsg.) – Haber u.a., S. 224ff.; Hilty, GRUR 2005, S. 820; Wiegand, S. 348ff.. 1069 Grimm, DRM – Techniken, S. 94f.. 1070 Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84, II. 2. m.w.N.; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 572 unter Verweis auf BVerfGE 16, 147 (183). 1071 Dazu Maracke, S. 475, Fn. 550; S. 492, Fn. 645, mit weiterführenden Hinweisen. 1072 Im Ergebnis auch Geerlings, GRUR 2004, S. 209; Pfennig, ZUM 2004, S. 200. 1068 235 Einem Pauschalvergütungssystem lässt sich aus der Perspektive des Erforderlichkeitsprinzips entgegenhalten, dass dies verglichen mit einem Individualvergütungssystem stärker in Vermögenspositionen einzelner Werknutzer eingreift. Denn die wirtschaftliche Belastung des Werknutzers richtet sich beim Pauschalvergütungssystem nach einer vermuteten Werknutzung1073. Hieraus Gleichheitssatz problematische ergibt sich eine vor dem allgemeinen Ungleichbehandlung desjenigen Werknutzers, der von seiner Vervielfältigungsfreiheit nur gelegentlich Gebrauch macht, gegenüber demjenigen, der sein Vervielfältigungsrecht extensiver nutzt1074. So betrachtet stellt das Individualvergütungssystem ein geeigneteres Vergütungssystem dar, da es eine exakte Erfassung der individuellen Nutzung und damit der jeweils gebotenen wirtschaftlichen Vergütung ermöglicht1075. Doch auch ein Individualvergütungssystem erscheint - jedenfalls in seinen bislang diskutierten und praktizierten Formen unter Ausschluss der Beteiligung von Verwertungsgesellschaften1076 - vor dem Erforderlichkeitsgrundsatz verglichen mit einem Pauschalvergütungssystem angreifbar. Denn in dem Maße, in dem Individualvergütungssysteme die Verwertungsgesellschaften aus der Verwertungskette von Urheberrechten verdrängen1077, soweit besteht auch eine Gefährdung der (verfassungsrechtlich geschützten) vermögensrechtlichen Interessen der Urheber selbst. Diese sind bei der Rechtewahrnehmung auf die Betreiber der Individualvergütungssysteme angewiesen1078 und befinden sich damit gegenüber den wirtschaftlich mächtigeren Inhalteanbietern in einer Abhängigkeitssituation, welche eine gerechte Verteilung der Nutzungserlöse nicht erwarten lässt1079. Anders im Rahmen des geltenden 1073 Grundlegend Kirchhoff, Gesetzgebungsauftrag, S. 31ff.. Das BVerfG hat diese Praxis des geltenden Urheberrechts in BVerfGE 31, 255 (266ff.) vor dem Konflikt mit dem allgemeinen Gleichheitssatz allerdings ausdrücklich gebilligt. 1075 Geerlings, GRUR 2004, S. 209; Wiegand, S. 355. 1076 Dazu Pfennig, ZUM 2004, S. 199f.. 1077 Bislang sind es die Rechteverwerter, also Unternehmen, nicht die kreativen Urheber, die DRM Systeme entwickeln und betreiben, vgl. Peukert, UFITA 2002, S. 700; dazu auch Hilty, GRUR 2005, S. 820. 1078 Zu diesem empirischen Befund, Hilty, GRUR 2005, S. 822. 1079 Vgl. Pfennig, ZUM 2004, S. 199f.; Peukert, UFITA 2002, S. 700f.; ders. ZUM 2003, S.1053; Dietz, ZUM 1998, S. 448; Schulze, GRUR 2005, S. 831f.; zu den Grenzen privatautonomer Gestaltungsfreiheit in solchen Fällen oben bereits Teil 4, B. II. 2. c) bb). Insoweit könnte freilich Kompensation durch ein entsprechend restriktives (aus Sicht der 1074 236 Pauschalvergütungsmodells, wo die Verteilung des Gesamterlöses der Pauschalgebühren durch Verwertungsgesellschaften1080 die treuhänderische gesteuert wird Tätigkeit und so eher der eine angemessene Verteilung der Erlöse an die Urheber zu erwarten ist. Pauschal- wie Individualvergütungssystem weisen vor dem Erforderlichkeitsgrundsatz also beiderseits Schwächen auf. Denn beide Vergütungsmodelle weisen in verschiedener verfassungsrechtlicher Hinsicht jeweils eine geringere Eingriffsintensität als das Vergleichsmodell auf. Eine Begrenzung des Gesetzgebers auf nur ein erforderliches Mittel verlangt das Erforderlichkeitsprinzip aber nicht1081. Stattdessen reicht es aus, wenn die zu beurteilenden Alternativen des Gesetzgebers nicht evident dem Erforderlichkeitsprinzip widersprechen1082. Dies ist bei beiden Vergütungsmodellen nicht der Fall. c) Ein „angemessenes“ Vergütungsmodell Die Frage der Angemessenheit eines Pauschalvergütungsmodells erweist sich jedenfalls in den Bereichen, in denen die Anwendung eines Individualvergütungsmodells aus technischen Gründen von vorneherein nicht in Betracht kommt1083, als unproblematisch. Es ist kaum ein anderes Modell vorstellbar, das einerseits die verfassungsrechtlich garantierte Vervielfältigungsfreiheit und andererseits den ebenso verfassungsrechtlich verbürgten Vergütungsanspruch unter weitestgehender Schonung der Inhalteanbieter) Urhebervertragsrecht geschaffen werden. Zu dieser Möglichkeit kritisch Hilty, GRUR 2005, S. 820f.. 1080 Vgl. bspw. § 2 Abs. 1 und 2 der Satzung der GEMA in der Fassung vom 23./24. Juni 2003 (abrufbar unter: http://www.gema.de/media/de/jahrbuch04/183satzung_der_gema.pdf, abgerufen am 19. September 2005): „1. Zweck des Vereins ist der Schutz des Urhebers und die Wahrnehmung seiner Rechte im Rahmen dieser Satzung. Seine Einrichtung ist uneigennützig und nicht auf die Erzielung von Gewinn gerichtet. 2. Dem Verein obliegt die treuhänderische Verwaltung der ihm von seinen Mitgliedern und Dritten durch uni- oder bilaterale Verträge zur Verwertung übertragenen Rechte.“. 1081 Denn dies würde die Gewichtung und damit Wertung der Auswirkungen der zu beurteilenden verschiedenen Eingriffsmittel erforderlich machen; die normative Betrachtung sollte aber der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitskontrolle vorbehalten bleiben, vgl. Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84, II. 3. b). 1082 Stern, a.a.O., mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfGE 17, 232 (244f.); vgl. auch Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 24. 1083 Dazu oben unter a). 237 Rechte der Werknutzer (insbesondere das Recht auf Privatsphäre) in Einklang bringen kann1084. Differenzierter ist die Frage der Angemessenheit allerdings zu beurteilen, wo Individual- und Pauschalvergütungssystem grundsätzlich nebeneinander in Betracht kommen, also im Bereich der interaktiven Nutzungskontrolle digitaler Werkstücke. aa) Bisher gängige Individualvergütungsmodelle Nach der hier vertretenen Ansicht werden DRM-Systeme in ihrer derzeitigen Form1085, durch welche Individualvergütungssysteme realisiert werden sollen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der privaten Gründen Vervielfältigungsfreiheit nicht gerecht. Implementierung aus Deswegen eines zwei nachfolgend verbietet sich Individualvergütungssystems die aufgeführten gesetzliche (neben einem Pauschalvergütungssystem; für analoge bzw. nicht interaktive Werkstücke scheidet die Individualvergütung schon mangels technischer Eignung aus1086), jedenfalls in seiner bislang diskutierten Form. (a) Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Vervielfältigungsfreiheit Zum einen setzen Individualvergütungssysteme in Form von DRM-Systemen die Nutzungskontrolle durch den Rechteinhaber über das jeweilige Werkstück voraus, um die individuelle Abrechnungsmöglichkeit der jeweiligen Werknutzung und damit die wirtschaftliche Partizipierung der Rechteinhaber hieran überhaupt garantieren zu können1087. Dies aber bedeutet faktisch eine Rückkehr des Urheberrechts zum Ausschließlichkeitsrecht, das es seinem Inhaber ermöglicht, jeden Dritten 1084 Vgl. Geerlings, GRUR 2004, S. 209f.; zur Billigung des Pauschalvergütungssystems durch das BVerfG vgl. BVerfGE 31, 255 (262ff.). 1085 Dazu Grimm, DRM – Techniken, S. 85ff.; Hess, S. 15ff.; Schippan, ZUM 2004, S. 189f.. 1086 Dazu oben unter a). 1087 Hess, S. 15ff.: „Als Kombination aus Soft- und Hardware verfolgen DRMS daher im engen Sinn eine vollständige Kontrolle über Verbreitung und Nutzung von Content. Im weiten Sinn erlauben DRMS eine individuelle und differenzierte Abrechnung von Content.“. 238 von jeder beliebigen Art der Nutzung auszuschließen 1088. Doch ist die Ausgestaltung des Urheberrechts als Ausschließlichkeitsrecht im Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit verfassungsrechtlich nicht verbürgter zulässig, da Anspruch insoweit auf ein private Vervielfältigungstätigkeit besteht1089. (b) Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Des Weiteren hat die Implementierung von DRM-Systemen zur Durchsetzung von Individualvergütungssystemen den Eingriff in den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zur Folge1090. Denn diese Systeme bieten die Möglichkeit zur Erstellung von individuellen Nutzerprofilen1091, eine anonyme Werknutzung ist also nicht mehr möglich. Ferner ist die Verwendung dieser personenbezogenen Daten für den Werknutzer infolge der „Grenzenlosigkeit“ des Sozialraums Internet (als wesentlichem Vertriebskanal urheberrechtlicher Werke, für die ein Individualvergütungssystem überhaupt in Betracht kommt) weder überschau- noch kontrollierbar. Mit der hier vertretenen Ansicht, dass der Einsatz von DRM-Systemen in den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, ist freilich einer normativen Bewertung zwischen dem Eingriffsmittel „Individualvergütungssystem“ und dem verfolgten Zweck „Ausgleich zwischen den Vergütungssinteressen der Rechteinhaber und den Nutzungsinteressen der Werknutzer“ von vorneherein der Boden entzogen. Denn die Grenze der Angemessenheitskontrolle bildet jedenfalls die Wesensgehaltsgarantie, die auch im Wege der Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht überwunden werden darf1092. Vor dieser Erwägung scheidet Individualvergütungssystems also unter die Implementierung Verwendung derzeit eines praktizierter DRM-Systeme aus verfassungsrechtlichen Gründen aus. 1088 Vgl. Reinbothe, ZUM 2002, S. 49; Hoeren, Verbraucherschutz, S. 41ff.. Dazu umfassend oben unter B. I.. 1090 Dazu umfassen oben Teil 4, B. I. 2. a) bb) und Teil 4, B. II. 2. b) bb). 1091 So bspw. auch Wiegand, S. 356. 1092 Vgl. Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85 III. 2. c) α); dazu auch Krüger, DÖV 1955, S. 599. 1089 239 bb) Das geltende Pauschalvergütungsmodell Verglichen mit diesen Erwägungen, die gegen die Etablierung eines Individualvergütungssystems sprechen, scheinen die Bedenken gegen die Angemessenheit eines Pauschalvergütungssystems zur Durchsetzung des gefundenen Interessensausgleichs, der die Vervielfältigungsfreiheit genauso wie eine angemessene Vergütung der Urheber erzielen soll, geringer. Hieran ist zwar zu bemängeln, dass einem pauschalen Vergütungssystem aus Sicht der Werknutzer eine gewisse Belastungsungerechtigkeit innewohnt1093, da die Zahlungsverpflichtung eben an vermutete und nicht an die tatsächliche Werknutzung anknüpft. Doch ist die einzige Alternative, welche diese Belastungsungerechtigkeit auszuräumen vermag, nämlich die Vergütung anhand der tatsächlichen Nutzung, nur unter massiven Eingriffen in die Privatsphäre1094 (für den Bereich analoger bzw. offline vertriebener Werkstücke) oder aber unter den genannten (verfassungsrechtlich ebenso wenig tolerierbaren) Eingriffen in die Informationsfreiheit bzw. in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung1095 (für den Bereich online vertriebener Werkstücke) möglich. Eine weitere Schwierigkeit Pauschalvergütungssystems ergibt bei sich Beibehaltung aus dem Erfordernis eines der urheberrechtlichen Systemkonformität. Wenn ein urheberrechtliches Werk an der Verteilung der Nutzungsvergütung teilhaben möchte, dann darf es konsequenterweise nicht mit einem Kopierschutz versehen sein 1096. Denn die Vergütung wird ja gerade für die Möglichkeit der Vervielfältigung des nämlichen Werkes erhoben. Damit dürfte es allerdings sehr schwierig werden, die (anderen) urheberrechtlichen Schranken des (privaten) Vervielfältigungsrechts1097 technisch überhaupt umzusetzen. Ein solches technisches Schutzdefizit wiederum ermöglichte den Missbrauch der Vervielfältigungsfreiheit zu Zwecken, die nicht verfassungsrechtlich (oder 1093 Dazu oben unter b). Dazu oben unter B. I. 2.. 1095 Dazu oben unter aa). 1096 Vgl. Wiegand, S. 366 m.w.N.; ein solcher würde freilich ohnehin dem gesetzlichen Schutzauftrag zur Gewährleistung privater Vervielfältigungsfreiheit widersprechen. Dazu oben unter B.. 1097 Es sei nur an die oben unter B. II. genannten Beschränkungen privater Vervielfältigungsfreiheit erinnert. 1094 240 zumindest urheberrechtlich) legitimiert sind und konterkarierte damit den gefundenen verfassungsrechtlichen Ausgleich einseitig zu Lasten der Urheber. cc) Eigenes alternatives Individualvergütungsmodell Die Ausführungen zeigen, dass ein Individualvergütungsmodell in seiner derzeit durch die Verwendung von DRM-Systemen geprägten Form aus verfassungsrechtlichen Gründen das geltende Pauschalvergütungsmodell auch nicht teilweise (also für den Bereich interaktiv kontrollierbarer digitaler Werkstücke) ersetzen kann. Doch auch das Pauschalvergütungsmodell garantiert keineswegs in optimaler Weise den anzustrebenden Ausgleich zwischen Urheber- und Nutzerinteressen, sondern führt angesichts der Gefahren digitaler Vervielfältigungsmöglichkeiten zu einer einseitigen Überforderung der Rechteinhaber. Es soll daher ein Modell skizziert werden, welches die Vorteile des Individualvergütungssystems gewährt und gleichzeitig dessen verfassungsrechtlichen Bedenken minimiert. Durch die Einbindung urheberrechtliche der Verwertungsgesellschaften1098 Verwertungskette Vergütungsansprüche könnten die als „Treuhänder“ verfassungsrechtlichen in die gebotener Bedenken, welche sich zum einem aus der Gefährdung der verfassungsrechtlich garantierten Vervielfältigungsfreiheit, zum anderen aus den drohenden Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergeben, reduziert werden. 1098 Ein ähnliches Modell skizziert auch Wiegand, S. 355f., allerdings ohne dies näher zu erläutern bzw. auf dessen verfassungsrechtlichen Hintergrund einzugehen. Ähnlich auch Peukert, UFITA 2002/III, S. 709. 241 Skizze: Verwertungsgesellschaft Weitergabe des Kopierschlüssels Weitergabe des Kopierschlüssels Personalisierte Nutzer- und Nutzungsdaten + Vergütung f. Vervielfältigung Lieferung des Werkstücks ohne Kopierschlüssel Werk- Privater mittler Werknutzer Anonymer Erwerb Das urheberrechtliche Werkstück wird von Seiten der Werkmittler auf dem Markt mit einem Kopierschutz versehen angeboten. Die private Vervielfältigungsmöglichkeit ergibt sich nur mittels eines Kopierschlüssels, der gesondert vom Kauf des Werkstücks zu erwerben ist. Dieser Kopierschlüssel wird von den Werkmittlern an die Verwertungsgesellschaften weitergeleitet. Bei Anfrage wird der nämliche Werkschlüssel gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung an den Werknutzer weitergeleitet, vornehmen kann. Die Verwertungsgesellschaften der so damit erzielten entsprechend eine private Erlöse der Vervielfältigung werden pro Werk von den erzeugten Vervielfältigungen treuhänderisch an die beteiligten Urheber verteilt. Die Vorteile eines solchen Modells lassen sich wie folgt skizzieren: Die geschilderten Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung1099 lassen sich auf ein erträgliches Maß reduzieren. Zwar 1099 Dazu oben Teil 4, B. II. 2. b). 242 würden auch bei diesem Modell bei der Verwertungsgesellschaft zwangsläufig personalisierte Nutzerdaten anfallen1100. Doch wären die Informationen, wer welches Werk erworben hat und wer dieses Werk wie nutzt, nicht in einer Hand vereinigt; diese Entkopplung von Nutzer- und Nutzungsdaten verspricht eine sehr viel effektivere Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zumal die treuhänderisch agierenden Verwertungsgesellschaften1101 schon nicht vermuten lassen, dass sie ein besonderes Interesse an der kommerziellen Nutzung personalisierter Nutzerdaten staatlicher Vorschriften haben. Zudem Kontrolle1102, wäre die weitaus unterstehen Einhaltung leichter zu Verwertungsgesellschaften bundesdatenschutzrechtlicher kontrollieren, das beklagte Vollzugdefizit1103 wäre in diesem Bereich geringer. Ein weiterer Vorteil eines solchen Modells liegt darin, dass es nicht zu der beschriebenen Abhängigkeit der Urheber1104 gegenüber den Werkmittlern als Betreibern der Individualvergütungssysteme kommt. Denn die Verteilung der Vervielfältigungsgebühren läge in Händen der Verwertungsgesellschaften als Treuhänder der Urheber selbst; jene verfolgen keine eigenen wirtschaftlichen Interessen, eine Übervorteilung der Urheber scheint weitestgehend ausgeschlossen. Auch stellt dieses Modell keine Rückkehr zum - verfassungsrechtlich verwehrten - Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers hinsichtlich der privaten Vervielfältigung seines Werkes dar. Denn die Schlüsselerteilung und damit die Einräumung der Möglichkeit privater Vervielfältigung obliegt nicht den Rechteinhabern selbst, sondern dritten Verwertungsgesellschaften; es besteht also keine Möglichkeit der Rechteinhaber selbst Dritte von der Nutzung ihrer Werke auszuschließen1105. Die Verwertungsgesellschaften 1100 Denn es ist stets eine Personalisierung des Kopierschlüssels erforderlich, wenn - den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - gewährleistet werden soll, dass nur der Werknutzer und nicht ein beliebiger Dritter die Vervielfältigung zur ausschließlich eigenen, privaten Verwendung vornehmen könne soll. 1101 Vgl. Schricker – Reinbothe, WahrnG Vor §§ 1 ff., Rn. 6. 1102 Vgl. §§ 1, 2, 18 ff. WahrnG. 1103 Dazu oben Teil 4, B. II. 2. c) cc). Zumal den Verwertungsgesellschaften nicht der Weg offen stünde, sich dem bundesdeutschen Datenschutzgesetzgeber durch „Flucht ins Ausland“ zu entziehen. 1104 Oben unter b); auch Hilty, GRUR 2005, S. 823, 828, spricht sich für einen Zwang zur kollektiven Rechtewahrnehmung vor dem Hintergrund der effektiven Wahrung der Urheberrechte (ggü. den Rechteverwertern!) aus. 1105 Dies ist aber konstitutives Merkmal eines Ausschließlichkeitsrechts, vgl. Schricker – Schricker, Einl., Rn. 19; Gamm, § 11, Rn. 8ff.. 243 hingegen unterliegen bei der Zulassung privater Vervielfältigungsmöglichkeit staatlicher Kontrolle. Bei diesem Modell finden die Verwertungsgesellschaften also zu ihrer ursprünglichen Aufgabe1106 zurück, die individuellen Werknutzungen einzeln zu erfassen. Dabei kommt es zu einer weitaus stärkeren Schonung der Grundrechte von Urhebern und insbesondere Werknutzern, als es bei der Implementierung von Individualvergütungsmodellen unter Ausschluss der Beteiligung der Verwertungsgesellschaften käme. Abschließend bleibt daher festzuhalten, dass eine gesetzliche Implementierung von Individualvergütungsmodellen jedenfalls nach den derzeit diskutierten oder bereits praktizierten zweiseitigen Modellen (also einem Individualvergütungssystem unter Ausschluß der Verwertungsgesellschaften) aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt. Denkbar erscheint aber die gesetzliche Verankerung eines Individualvergütungssystems unter Einschaltung der Verwertungsgesellschaften, welche insbesondere die Gewähr für einen ausreichenden Schutz der Werknutzer hinsichtlich deren Rechte auf informationelle Selbstbestimmung bieten würde. Auch wäre das verfassungsrechtlich verbürgte Recht der Werknutzer auf Vornahme privater Vervielfältigungen weitestgehend durch staatliche Kontrolle geschützt. Schließlich würde auch den Urheberinteressen gedient, welche sich bei der Vergütungsverteilung nicht der wirtschaftlichen Übermacht potenter Werkmittler ausgesetzt sähen. D. Ergebnisse der Untersuchung Die wesentlichen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen sich thesenartig wie folgt zusammenfassen: 1. Die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG verlangt zwingend die vermögensrechtliche Zuordnung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit geistigen Eigentums an den Urheber bzw. Rechteinhaber. Dies setzt aber anders als beim Sacheigentum - nicht auch die uneingeschränkte 1106 Dazu Loewenheim – Melichar, § 45, Rn. 28. 244 Verfügungsfreiheit über das Objekt geistigen Eigentums, also ein absolut wirkendes Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers hinsichtlich jedweder Vervielfältigung durch Dritte voraus. Denn infolge seiner Unkörperlichkeit wird die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung geistigen Eigentums nicht ausschließlich durch die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts gewahrt. Stattdessen ist es ausreichend, wenn für Eingriffe in die Verfügungsbefugnis des Urhebers über das Objekt geistigen Eigentums eine wirtschaftliche Kompensation gewährt wird. Dazu oben Teil 2, B. III.. 2. Auch die Kunstfreiheit Rahmenbedingungen verlangt, der dass wirtschaftlichen der Gesetzgeber Verwertung die des Schaffensergebnisses künstlerischer Betätigung in Form urheberrechtlich geschützter Werke schafft und sichert. Der Schutz der Verfügungsfreiheit über das urheberrechtlich geschützte Geisteswerk hingegen kann Art. 5 Abs. 3 GG ebenso wenig entnommen werden wie Art. 14 GG. Dazu oben Teil 2, D. II.. 3. Sofern der verfassungsrechtlich gebotene Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen insbesondere der Werknutzer und Urheber die private Vervielfältigungsfreiheit erfordert, verlangt die Schrankenqualifikation des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, dass dieser Eingriff in Eigentumspositionen - sofern er die vermögensrechtliche Zuordnung des Geisteswerks an den Rechteinhaber in Frage stellt - eine entsprechende wirtschaftliche Ausgleichspflicht begründet. Dazu oben Teil 2, E. II. 1. b). 4. Auch die völkerrechtlichen Vorgaben erlauben den Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers zugunsten privater Vervielfältigungsfreiheit, sofern hierfür ein angemessener wirtschaftlicher Ausgleich gewährt wird. Dasselbe gilt für die Vorgaben der Info - RL. Diese lassen einen Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers zu privaten Zwecken zu. Allerdings ist danach dem Urheber ein „gerechter Ausgleich“ zu gewähren, ohne dabei allerdings Vorgaben zu machen, wie dieser gerechte Ausgleich auszusehen habe. Dazu insbesondere oben Teil 3, A. IV. und B. IV.. 245 5. Der sachliche grundsätzlich den Schutzbereich Zugang Kopierschutzmechanismen, „jedermann“ entzogen Informationsfreiheit nicht auch der zu Informationsfreiheit solchen DRM-Techniken sein den sollen. Werken, etc., dem gewährt die durch Zugriff durch Allerdings verlangt die unentgeltlichen Zugang zu Informationsquellen. Dazu oben Teil 4, A. I. 2. und 3.. 6. Der Bedeutungszuwachs von „Information“ verlangt die stärkere Betonung des staatlichen Schutzauftrags, die Informationsfreiheit des Einzelnen verstärkt durch staatliches bzw. gesetzgeberisches Eingreifen zu sichern. Dazu oben Teil 4, III. 3. a). 7. In Anbetracht der Bedeutung, welche die Möglichkeit der Herstellung privater Vervielfältigungsexemplare in der heutigen Informationsgesellschaft angesichts der gegebenen technischen Rahmenbedingungen sowie der gesteigerten „Informationsabhängigkeit“ des Einzelnen innehat, würde eine Ausgestaltung des Urheberrechts, welche die private Vervielfältigung rechtlich oder tatsächlich unmöglich machte, einen Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit der Werknutzer darstellen. Angesichts dessen ist eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers zu bejahen, die Informationsfreiheit der Werknutzer bei der Ausgestaltung eines urheberrechtlichen Instituts zur Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit angemessen zu berücksichtigen, ohne hierdurch freilich ein konkretes Ergebnis vorzugeben. Dazu oben Teil 4, III. 3. b), c) und d). 8. Die technischen Möglichkeiten, die sich durch die Verwendung der vielgestaltigen DRM-Techniken ergeben, stellen eine Bedrohung für den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer dar. Dieser Wesensgehalt bestimmt sich nicht danach, ob es durch entsprechende Datenverarbeitung zur Erstellung von Persönlichkeitsbildern kommen kann. Vielmehr ist der Wesensgehalt dann berührt, wenn hinsichtlich personenbezogener Informationen 246 Verwendungsmöglichkeiten bestehen, welche für den Grundrechtsinhaber weder überschau- noch beeinflussbar sind und daher geeignet sind, sein Verhalten als Informationsobjekt einem vermeintlichen oder tatsächlichen Bild seiner selbst entsprechend zu beeinflussen. Eigene Abhilfemöglichkeiten der Werknutzer zur Abwehr dieses drohenden Eingriffs in den Wesensgehalt, welche die Annahme einer grundrechtlichen Schutzpflicht entbehrlich machten, bestehen nicht. Dazu insbesonder oben Teil 4, B. II. 2. b) und c). 9. Das Sozialstaatsprinzip als Staatszielbestimmung lässt die bloß passive Gewähr grundrechtlicher Freiheiten durch den Gesetzgeber nicht ausreichen. Stattdessen sollen auch die faktischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass grundrechtliche Freiheit in der Lebenswirklichkeit Umsetzung erfahren kann. Eine Ausgestaltung des Urheberrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht, welches die Möglichkeit privater Vervielfältigungstätigkeit vollständig in die Hände der Rechteinhaber legte, würde dieser Staatszielbestimmung ebenso widersprechen wie die, durch die uneingeschränkte Verwendung von DRMSystemen drohende Privatisierung des Rechtsschutzes (vor tatsächlichen oder vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen Vervielfältigungstätigkeit). Auch das durch Kulturstaatsprinzip private verlangt zur Verwirklichung kultureller Daseinsvorsorge die Schaffung angemessener Partizipationsmöglichkeiten an Kulturgütern, also an urheberrechtlich geschützten Werken. Schutzpflichten Konkrete können beiden Aussagen oder gar Staatszielbestimmungen besondere indes nicht entnommen werden. Dazu oben Teil 4, C. III. 1. und 2.. 10. Zugunsten des verfassungsrechtliche Urhebers Pflicht kann abgeleitet aus Art. 14 werden, die GG nur die angemessene wirtschaftliche Verwertung geistigen Eigentums zu gewährleisten. Das gleiche gilt für den Schutz des Urhebers aus der Kunstfreiheit. Zugunsten der Werknutzer lässt sich am Rahmen der gebotenen Ausgleichsfindung die Sozialpflichtigkeit geistigen Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG anführen, welche die Berücksichtigung berechtigter Werknutzerinteressen bei der 247 gesetzlichen Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit verlangt. Die mögliche Ausgestaltung des Urheberrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht im Hinblick auf private Vervielfältigungstätigkeit (wie auch die uneingeschränkte Verwendung von DRM-Systemen) stellt einen Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit der Werknutzer dar. Deswegen ergibt sich die Notwendigkeit der Zulassung privater Vervielfältigungsfreiheit als verfassungsrechtliches Postulat, unabhängig davon, ob es sich um eine analoge oder digitale Werkvorlage handelt. Rechtpolitische Bestätigung findet dieses Ergebnis im verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre und im Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer. Denn nur die Freigabe privater Vervielfältigungstätigkeit lässt die Notwendigkeit der Nutzungskontrolle urheberrechtlicher Werke und der damit einhergehenden Bedrohung der genannten Verfassungsgüter erst gar nicht entstehen. Ein Widerspruch zur Annahme eines verfassungsrechtlichen Auftrags zur Gewährleistung privater Vervielfältigungsfreiheit findet sich auch nicht in den einschlägigen völker- oder europarechtlichen Vorschriften. Dazu oben Teil 6, B.. 11. Abweichend von der bisherigen Interpretation des „privaten Gebrauchs“ in § 53 Abs. 1 UrhG soll nach der hier vertretenen Auffassung die Weitergabe stehende privat Dritte hergestellter nicht von Vervielfältigungsexemplare diesem Begriff umfasst an nahe sein. Denn verfassungsrechtliche Gründe, welche die Weitergabe an (nahe stehende) Dritte hinreichend rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Dazu oben Teil 6, B. II. 1.b). 12. Abweichend von der bisher (überwiegend) als zulässig betrachteten Anzahl von 7 Vervielfältigungsexemplaren wird hier für die Reduzierung auf ein zulässiges Vervielfältigungsexemplar plädiert. Denn den Anforderungen der Informationsfreiheit der Werknutzer ist bereits mit einem Vervielfältigungsexemplar genüge getan; verfassungsrechtliche Gründe, welche für die Gestattung weiterer Exemplare sprächen, sind nicht ersichtlich. Dazu oben Teil 6, B. II. 3.. 248 13. Die verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, die private Vervielfältigungsfreiheit auf gesetzlicher Basis anzuerkennen, droht durch technische Schutzmaßnahmen ausgehebelt zu werden. Denn es ist damit eine Privatisierung des „Rechtsschutzes“ vor privater Vervielfältigungstätigkeit zu befürchten, welche es dem Rechtsinhaber ermöglicht, mit Hilfe urheberrechtlicher Werke Wertentscheidungen zu technischer ohne Maßnahmen Rücksicht unterlaufen. auf die Nutzung verfassungsrechtliche Deswegen reicht die einfache Gewährung einer urheberrechtlichen Schrankenregelung zur Gestattung privater Vervielfältigungstätigkeit nicht aus. Vielmehr muss eine solche Schrankenregelung auch gegenüber technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark ausgestaltet werden. Dazu oben Teil 6, B. II. 4. a). 14. Sofern Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL diesbezüglich ein anderes Ergebnis vorsieht, ist dieser verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er sich nur auf solche Werkvorlagen bezieht, welche sich auf dem Server des Inhalteanbieters bzw. im Übermittlungsvorgang an der Werknutzer befinden. Nicht hingegen umfasst sind solche Werkvorlagen, welche sich bereits beim Werknutzer befinden. Dazu oben Teil 6, B. II. 4. b) cc). 15. Vor diesem Hintergrund ist die derzeit geltende Regelung des § 95 b Abs. 1 UrhG als Privatkopieschranke verfassungswidrig hinsichtlich zu digitaler qualifizieren, Zielmedien da sie entgegen die den verfassungsrechtlichen Gewährleistungspflichten nicht durchsetzungsstark ausgestaltet. § 95 b Abs. 3 UrhG ist hingegen wie Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL verfassungskonform auszulegen. Dazu oben Teil 6, B. II. c). 16. Jede Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken stellt eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit geistigen Eigentums dar. Diese unzumutbare Belastung der Eigentumsgarantie des Urhebers würde ohne entsprechende wirtschaftliche Ausgleichspflicht den Schutzzweck der Eigentumsgarantie 249 nämlich die Sicherstellung eines Freiheitsraumes im vermögensrechtlichen Bereich zum Zwecke eigenverantwortlicher Lebensgestaltung - aushöhlen. Hieraus ergibt sich die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, im Gegenzug zur Gewährung privater Vervielfältigungsfreiheit eine Vergütungspflicht hierfür zugunsten des Urhebers gesetzlich zu verankern. Dazu oben Teil 6, C. I.. 17. Die Frage, ob einem Pauschal- oder einem Individualvergütungssystem der Vorzug bei der Gewährleistung der verfassungsrechtlich geforderten Vergütungspflicht zu geben ist, bestimmt sich ausschließlich nach den Vorgaben des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dabei ist ein optimaler Ausgleich zwischen der verfassungsrechtlich notwendigen Gewähr privater Vervielfältigungsfreiheit einerseits und dem verfassungsrechtlichen Postulat einer angemessenen Urhebervergütung andererseits zu finden. Dazu oben Teil 6, C. II. 1.. 18. Als ungeeignet erweist sich das Individualvergütungsmodell dort, wo die individuelle Kontrolle der jeweiligen Werknutzung bereits technisch ausscheidet. Dies ist bei all jenen Werkstücken der Fall, die keinen interaktiven Datenaustausch zwischen Werknutzer und Rechteinhaber zulassen (also insbesondere bei analogen Werkstücken). Es kommt daher bestenfalls ein Nebeneinander beider Vergütungssysteme in Betracht. Dazu oben Teil 6, C. II. 3. a). 19. Den Maßstab der Erforderlichkeit angelegt, erweisen sich beide Vergütungsmodelle als angreifbar. Das Pauschalvergütungsmodell basiert auf einer - vor dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht unproblematischen vermuteten Werknutzung, welche das Individualvergütungsmodell umgeht. Das Individualvergütungsmodell wiederum lässt - jedenfalls bei Ausgestaltung unter Ausschluss der Verwertungsgesellschaften - eine wirtschaftliche Rechteverwertern Benachteiligung ernsthaft der Urheber befürchten. gegenüber Anders hier den das Pauschalvergütungsmodell. Dazu oben Teil 6, C. II. 3. b). 250 20. Auch für den Bereich, in welchem Individualvergütungsmodelle infolge ihrer technischen Eignung überhaupt in Betracht kommen, scheidet deren gesetzliche Implementierung aus verfassungsrechtlichen Gründen aus. Denn faktisch macht die Verwendung derzeit praktizierter DRM-Systeme (als technisches Individualvergütungsmodell) das Urheberrecht zum absoluten Ausschließlichkeitsrecht, kraft welchem alleine der Rechteinhaber über Art und Umfang der jeweiligen Werknutzung entscheidet. Ein Ergebnis, das mit der Annahme der verfassungsrechtlichen Verbürgung privater Vervielfältigungsfreiheit nicht zu vereinbaren ist. Ferner stellt die Verwendung der derzeit gängigen DRM-Systeme einen Eingriff in den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die Wesensgehaltgarantie bildet Abwägungswege Verhältnismäßigkeitsprüfung der aber jene Grenze, die nicht auch im überwunden werden darf. Dazu oben Teil 6, C. II. 3. c) aa). 21. Für die Anwendungsbereiche, für welche die Implementierung eines Individualvergütungsmodells geeignet ist, wird daher für ein alternatives Regelungsmodell plädiert. Verwertungsgesellschaften Dieses in die sieht die Einbindung Verwertungskette (auch) von für Individualvergütungsmodelle vor. Damit wäre einerseits den Werknutzern gedient, da es hiermit nicht zu einem absoluten Ausschließlichkeitsrecht in Händen der Rechteinhaber käme, welche andernfalls jede private Vervielfältigung beschriebenen kontrollieren Eingriffe in könnten. den Auch stünden Wesensgehalt des nicht die Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu befürchten. Schließlich wäre mit einem solchen Modell geschützten auch die Besserstellung Vermögensinteressen der der Urheber verfassungsrechtlich gegenüber den Rechteverwertern besser garantiert. Dazu oben Teil 6, C. II. 3. c) cc). 251