Zahnärztliche Behandlung unter AC

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Dr. med. Ralph M. Loreth
Westpfalz-Klinikum GmbH
Medizinische Klinik III
Klinische Hämostaseologie
Kaiserslautern
Zahnärztliche Behandlung von Patienten
unter Antikoagulation
Kaiserslautern - 6. November 2008
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Qualitätszirkel
Hämostaseologie Pfalz
• In Kooperation mit dem BDDH und QZ
• Leitlinien für den Arzt in Niederlassung und Klinik
Qualitätszirkel Hämostaseologie Pfalz
c/o Klinische Hämostaseologie
Westpfalz-Klinikum GmbH
Medizinische Klinik III
Hellmut-Hartert-Straße 1
67655 Kaiserslautern
[email protected]
www.qualitaetszirkel-haemostaseologie-pfalz.de
Evidenzgrade = Stärke der Empfehlung
• Grad 1 = eindeutig = einheitliche Ergebnisse
• Grad 2 = unklar = uneinheitliche Ergebnisse
oder Studien mit gravierenden Schwächen
• Evidenzlevel
– A gute kontrollierte, randomisierte Studien
– C+ keine kontrollierten, randomisierten
Studien, aber Datenlage eindeutig
– B schwache randomisierte, kontrollierte Studien
– C Beobachtungsstudien, Fallbeschreibungen
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Evidenzgrade = Stärke der Empfehlung
•
•
•
•
1A, 1C+ und 1B: starke Empfehlung, „soll“
1C und 2A: mittelstark, „sollte“
2C+ und 2B: schwach, „kann“
2C: sehr schwach, „könnte“
• Aber:
→ 2A = es ist eindeutig klar, dass es unklar ist
→ 2C = es ist weitgehend unklar, dass und ob es unklar ist
nach P. Hellstern
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Juristische Therapievorgaben
• § 276 BGB „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“
= Jeder Patient hat zu jedem Zeitpunkt Anspruch auf den Standard eines
erfahrenen Facharztes
• Standard der Medizin
•
Wissenschaftliche Erkenntnis und Erfahrung (Studien, Evidenz)
– Anerkennung in der ärztlichen Profession
– Ärztliche Erfahrung
Keine zwingenden Vorgaben sind:
- Zulassungsstatus
- Leitlinien oder Richtlinien
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Ausgangslage
• Zunahme der Patienten unter
Antikoagulation
• Zunahme der Komorbidität
• Erhöhtes Blutungs- und
Nachblutungsrisiko
• Einführung neuer Antikoagulantien
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Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Risiko Thromboembolie
Risiko Blutung
•Vorhofflimmern
•Mech. Herzklappen
•Frühere Thromboembolien
•DES
•Thrombophilie
•Art des Eingriffs
•Begleiterkrankungen
•Alter
•Begleiterkrankungen
•Art des Eingriffs
•Art und Intensität der
Antikoagulation
•Ausmaß der Überwachung
•Stabilität der Einstellung
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Der CHADS Score zur Risikoabschätzung
bei Patienten mit Vorhofflimmern
Orale Antikoagulation: CHADS2 Score
Risikofaktoren Punktzahl
C
H
A
D
S
=
=
=
=
=
CHF (Herzinsuffizienz)
arterielle Hypertonie
Alter > 75 Jahre
Diabetes
Schlaganfall/TIA
1
1
1
1
2
Apoplexrate / Jahr
20
18.2
15
Warfarin indiziert
10 wenn Risiko ≥ 3-4%8.5
12.5
6.9
5
1.9
2.8
4.0
0
0
1
Apoplexrate
Vorteil
Risiko
=
=
2
3
4
CHADS2 Score
5
6
ca. 10%/Jahr
Schlaganfallreduktion
Schwere Blutungen pro Jahr
Intrazerebrale Blutungen pro Jahr
60-75%
2-4%
0.3-0.8%
Ab 2 Risikofaktoren ist die Indikation zur OAK zu prüfen!
CHF = congestive heart failure
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
JAMA 2001; 285: 2864-70
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Stratifizierung des individuellen TERisikos
TE-Risiko
Hohes oder mittleres Risiko
TVT, LAE oder embolischer Insult im letzten Monat Rezidivrisiko 40%
Künstliche Herzklappe
Mitralklappe oder 1. Generation Aortenklappe: TE-Risiko ∼ 8%/Jahr (abhängig von
Typ, Position und Vorgeschichte)
Schwangerschaft plus mechanische Herzklappe: TE-Risiko 4-33%, Mortalität 1-4%
VHF mit Risikofaktor oder Apoplex in der Anamnese
Durchschnittliches Schlaganfallrisiko: 4-8%
Bei zusätzlichen Risikofaktoren bis zu 20% (Alter, Hypertonus, TIA oder Apoplex in
der Anamnese)
Arterielle Embolie im letzten Monat
Schlaganfallrisiko 15% im ersten Jahr
Thrombophilie und VTE in der Anamnese (FV-Leiden, APS)
Niedriges Risiko
TVT oder LAE vor mehr als 3 Monaten
Rezidivrisiko 0,04% je Tag
Neuere Generation künstlicher Herzklappen und Bioprothesen
TE-Risiko 0,7 (AK) bis 3,6 (MK) je 100 Pat.J.
Lone AF ohne KHK und frühere Embolie
Schlaganfallrisiko 0,5%/Jahr
nach: Spyropoulos, Bauernsachs, Omran, Cohen. CMRO Vol. 22,No. 6,2006,1109-22.
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Blutungs-Risiko
Stratifizierung des individuellen
Blutungs-Risikos
Hohes oder mittleres Risiko
Neurochirurgische Eingriffe
Verheerende Folgen von Blutungen erfordern eine hohe Sicherheit
Karzinomchirurgie
Erhöhtes TE- und Blutungsrisiko
Eingriffe am UG-Trakt
Herzchirurgie und Katheterismus
Eingriff unter Antikoagulation mit Heparin, HLM
Zahnärztliche Eingriffe
Multiple Extraktionen, große Mundchirurgie (INR < 1,5)
Polypektomie
Blutungsinzidenz 1-4%
Niedriges Risiko
Augenärztliche Eingriffe
Für die meisten Eingriffe muss die OAC nicht unterbrochen werden
Komplexere Eingriffe haben ein erhöhtes Blutungsrisiko!
Laparoskopische Chirurgie oder Cholezystektomie
Einfache zahnärztliche Eingriffe
OAC muss nicht unterbrochen werden. Lokale Maßnahmen (z.B.
Tranexamsäure).
Dermatologische Eingriffe nach: Spyropoulos, Bauernsachs, Omran, Cohen. CMRO Vol. 22,No. 6,2006,1109-22.
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Strategien bei oraler Antikoagulation
• Umstellung auf NM-Heparin (NMH)
–
–
–
–
vermehrt thromboembolische Ereignisse
höhere Kosten (4,09 € versus 0,23 € [Dunn 2006/Schwabe 2006] )
Verlängerter stationärer Aufenthalt
N.B. TAH nicht durch NMH ersetzbar
• Beibehaltung der oralen Antikoagulation
– Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen lassen sich
unter kontrollierter Fortführung der oralen
Antikoagulation durchführen
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Strategien bei oraler Antikoagulation
• Umstellung auf NM-Heparin (NMH)
–
–
–
–
vermehrt thromboembolische Ereignisse
höhere Kosten (4,09 € versus 0,23 € [Dunn 2006/Schwabe 2006] )
Verlängerter stationärer Aufenthalt
N.B. TAH nicht durch NMH ersetzbar
• Beibehaltung der oralen Antikoagulation
– Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen lassen sich
unter kontrollierter Fortführung der oralen
Antikoagulation durchführen
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Absetzten und Aufnehmen einer
OAC-Behandlung benötigt Zeit
• Unter Phenprocoumon dauert die Abklingphase zum
Erreichen einer präoperativen INR von 1,5 ca. 6 Tage.
• Bei Wiederaufnahme dauert das Erreichen einer INR
von 2-3 ca. 6 Tage.
• Der Patient bleibt somit für mindestens 6 Tage ungeschützt.
• Studien, die das Rezidivrisiko der ungeschützten Zeit
bewerten, gehen von einem Fenster von ca. 4 Tagen aus, da
in allen Studien Warfarin mit kürzerer HWZ verwendet wurde.
• Somit ist das Rezidivrisiko bei einem Absetzen der
Phenprocoumon-Therapie wahrscheinlich höher als in den
vorliegenden Studien angegeben ist.
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Ziele des Bridging
• Verkürzung des thromboembolischen
Zeitfensters ohne OAC-Schutz
– von 6 Tagen (bei Phenprocoumon)
auf 1-2 Tage (je nach postoperativer Hämostase)
• Minimierung des thromboembolischen
Risikos möglichst ohne Erhöhung des
Blutungsrisikos
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Dunn et al. 2006 J Thromb Thrombolysis 21(1); 85-89
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Empfehlungen zum Bridging mit NMH
Omran H et al. Niedermolekulares Heparin oder unfraktioniertes Heparin bei der
Umstellung dauerhaft oral antikoagulierter Patienten vor interventionellen Eingriffen.
Med Welt 2001; 52:259-63.
Dunn AS et al. Perioperative management of patients receiving oral anticoagulants.
Arch Intern Med 2003; 163:901-08.
Jaffer AK et al. When patients on warfarin need surgery. Cleveland Clinic J Med 2003;
70:973-84.
Omran H et al. A prospective and randomized comparison of the safety and effects of
therapeutic levels of enoxaparin versus unfractionated heparin in chronically
anticoagulated patients undergoing elective cardiac catheterization. Thromb Haemost
2003; 90:267-71.
Ansell J et al. The pharmacology and management of the vitamin K antagonists. The 7th
ACCP conference on antithrombotic and thrombolytic therapy. Chest 2004; 126:204S233S.
Meyer B et al. Periinterventionelles Management der oralen Antikoagulation:
Fallbeispiele und Empfehlungen. Schweiz Med Forum 2003;9:213-218.
Friess D et al. Periinterventionelles Management bei oraler Antikoagulation: Wie sie
Blutungs- und Thromboembolierisiko realistisch abwägen. Cardiovasc 2004;20-22.
Douketis JD et al. Arch Interen Med (2004) 164:1319-1326.
Bauernsachs R et al. Überbrückung der oralen Antikoagulation bei interventionellen
Eingriffen. Dtsch Ärztebl 2007, 104, (18); 1237-44.
Omran H et al. Perioperative überbrückende Antikoagulation mit Enoxaparin. Med Klinik
2007; 102:809-15.
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Empfehlungen zum Bridging mit Enoxaparin
bei mittlerem TE-Risiko (INR 2 – 3)
•
•
•
•
halbe therapeutische Dosis
2x täglich
periinterventionell adaptiert
im Zweifelsfall hämostaseologische Mitbetreuung
n. d. BRAVE-Register, Omran et al Med Klin 2007;102:809-15. n=278
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
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Empfehlungen zum Bridging mit Enoxaparin bei
hohem und höchstem TE-Risiko (INR 2,5 – 3,5)
•
•
•
•
•
Volle therapeutische Dosis
2x täglich
½ Dosis am Vorabend des OP´s
periinterventionell adaptiert
im Zweifelsfall hämostaseologische Mitbetreuung
n. d. BRAVE-Register, Omran et al Med Klin 2007;102:809-15. n=501
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Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Empfehlungen zum Bridging mit Tinzaparin
•
•
•
•
•
Therapeutische Dosis
1x täglich
letzte Dosis 24h vor OP
periinterventionell adaptiert
im Zweifelsfall hämostaseologische Mitbetreuung
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie n=650
WKK KL
mod. nach Douketis JD et al ., Arch Intern Med (2004), 164:1319-1326
Empfehlungen zum Bridging mit NMH
• In der Regel körpergewichtsadaptierte Dosierung
entsprechend den präparatespezifischen Empfehlungen
zur Therapie.
• Je nach aktuellem Thromboembolierisiko und OPbedingtem Blutungsrisiko ist der Zeitpunkt und die
Dosierung der ersten postoperativen NMH-Gabe
individuell in Absprache mit dem Operateur festzulegen.
• Der optimale Zeitpunkt zum Beginn einer erneuten
oralen Antikoagulation ist ebenfalls in Absprache mit
dem Operateur individuell festzulegen.
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Loreth/Hämostaseologie WKK KL
•
8.1.4.2.6. INTERRUPTION OF ANTICOAGULATION FOR DIAGNOSTIC OR THERAPEUTIC PROCEDURES.
From time to time, it may be necessary to interrupt oral anticoagulant therapy in preparation for elective surgical
procedures. In patients with mechanical prosthetic heart valves, it is generally appropriate to substitute
unfractionated or low-molecular-weight heparin to prevent thrombosis (479,480). In patients with AF who do
not have mechanical valves, however, based on extrapolation from the annual rate of
thromboembolism in patients with nonvalvular AF, it is the consensus of the Writing Committee
that anticoagulation may be interrupted for a period of up to 1 wk for surgical or diagnostic
procedures that carry a risk of bleeding without substituting heparin. In high-risk patients (particularly
•
those with prior stroke, TIA, or systemic embolism) or when a series of procedures requires interruption of oral
anticoagulant therapy for longer periods, unfractionated or low-molecular-weight heparin may be administered
intravenously or subcutaneously.
The use of low-molecular-weight heparin instead of unfractionated heparin in patients with AF is based largely on
extrapolation from venous thromboembolic disease states and from limited observational studies (481). In general,
lowmolecular-weight heparins have several pharmacological advantages over unfractionated heparin. These
include a longer half-life, more predictable bioavailability (greater than 90% after subcutaneous injection),
predictable clearance (enabling once- or twice-daily subcutaneous administration), and a predictable
antithrombotic response based on body weight, which permits fixed-dose treatment without laboratory monitoring
except under special circumstances such as obesity, renal insufficiency, or pregnancy (482). Treatment with lowmolecular-weight heparin is associated with a lower risk of heparin-induced thrombocytopenia than unfractionated
heparin (483). The favorable properties of low-molecularweight heparins may simplify the treatment of AF in acute
situations and shorten or eliminate the need for hospitalisation to initiate anticoagulation. Self-administration of
lowmolecular-weight heparins out of hospital by patients with AF undergoing elective cardioversion is a promising
approach that may result in cost savings (484).
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8th ACCP Conference 2008
Bridging:
Grad of Recommendation
2C (1C)
risk/benefit unclear
observation studies
expert opinions
very weak recommendations
Chest 2008;133:299-239
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Strategien bei oraler Antikoagulation
• Umstellung auf NM-Heparin
–
–
–
–
vermehrt thromboembolische Ereignisse
höhere Kosten (4,09 € versus 0,23 € [Dunn 2006/Schwabe 2006] )
Verlängerter stationärer Aufenthalt
N.B. TAH nicht durch NMH ersetzbar
• Beibehaltung der oralen Antikoagulation
– Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen lassen sich in
der Regel unter kontrollierter Fortführung der oralen
Antikoagulation durchführen
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Zahnärztliche Eingriffe unter OAC
Wahl, 1998
• Bei über 2 400 dentoalveolären Eingriffen bei mehr als 950 Patienten
unter Fortführung der oralen Antikoagulation traten nur bei zwölf
Patienten (1,3 Prozent) Nachblutungen auf, die auf lokale
Maßnahmen nicht ansprachen und eine systemische Intervention
erforderlich machten. Die genauere Analyse der Fälle ergab, dass bei
den betroffenen Patienten die INR-Werte oberhalb des
therapeutischen Bereiches lagen.
Devani et al., 1998; Ramstrom et al., 1993; Souto et al., 1996
• In mehren prospektiven Studien wurde nachgewiesen, dass
oralchirurgische Eingriffe auch ohne Umstellung auf Heparin im
therapeutischen Bereich vorgenommen werden können, wenn die
aktuellen Gerinnungswerte am OP-Tag bekannt sind sowie geeignete
Maßnahmen zur lokalen Blutstillung getroffen werden.
Wahl MJ et al Arch Intern Med 1998;158:1610-1619
Devani P et al Br J Oral Maxillofac Surg 1998;36:107-111
Ramstrom G et al J Oral Maxillofac Surg 1993;51:1211-12116
Souto JC et al J Oral Maxillofac Surg 1996; 54:27-32
Giglio J Clinicans`s manual of oral and maxillofacial surgery, Chicago 1997
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Zahnärztliche Eingriffe unter OAC
Giglio, 1997
• Einzelzahnextraktionen und kleine operative Eingriffe
können bei einer INR<4 vorgenommen werden. Für
umfangreichere Maßnahmen sollte jedoch der aktuelle
INR-Wert <3 sein.
Zanone, 2003
• Prospektive Studie mit 500 Patienten. Zahnextraktion.
Stopp OAC versus OAC fortgeführt ⇒ Klinisch relevante
Blutungen 1,2% // 1,6%
Wahl MJ et al Arch Intern Med 1998;158:1610-1619
Devani P et al Br J Oral Maxillofac Surg 1998;36:107-111
Ramstrom G et al J Oral Maxillofac Surg 1993;51:1211-12116
Souto JC et al J Oral Maxillofac Surg 1996; 54:27-32
Giglio J Clinicans`s manual of oral and maxillofacial surgery, Chicago 1997
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Zahnärztliche Eingriffe unter OAC
J Thromb Haemost 2006; 4
Sacco R. et al
…This randomized study shows that, using simple and inexpensive
measures for local hemostasis, it is not necessary to reduce OAT intensity in
patients undergoing oral surgery….
J Thromb Haemost 2006; 4
Al-Mubarak S et al
…In conclusion, dental extractions can safely performed in patients on
warfarin therapy without altering the dose of anticoagulant, provided the INR
is ≤ 3.0 and effective local hemostasis has been ensured….
⇒Von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
wird dieses Vorgehen entsprechend befürwortet!
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Loreth/Hämostaseologie WKK KL
www.dgzmk.de
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Welche Eingriffe können unter
OAC durchgeführt werden?
• Extraktionen (bis zu 3 Zähne)
• Gingivachirurgie
• Überkronungen, Brücken
• Zahnsteinentfernung
• Chirurgische Entfernung eines Zahns
NHS 3/2004
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Voraussetzungen
• Gerinnungsanamnese
• Aktueller INR-Wert
• Vorbereitung und Nachbetreuung in
engmaschiger Kooperation zwischen Hausarzt
und Operateur.
• Der Patient sollte aufgrund seines
Allgemeinzustandes in der Lage sein, im Falle
einer Nachblutung die Praxis oder Klinik
aufzusuchen.
• Der verantwortliche Zahnarzt soll im Notfall
erreichbar sein.
• Anwendung lokal blutstillender Maßnahmen
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Sicherstellung der lokalen Hämostase
• Blutstillung bei kombinierte KnochenWeichteilwunde mit kapillärer Blutung
– Tamponade durch Druck und/oder Ausfüllen der
Spongiosaräume (mechanisch)
– Thrombozytenaggregation an der Oberfläche
– Aktivierung der plasmatischen Gerinnung mit Bildung
eines Fibringerinnsels
– Hemmung der Fibrinolyse
• Atraumatische Wundversorgung / Verbandsplatten
• Lokale Hämostyptika
• Antifibrinolytika
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Lokale Hämostyptika
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Therapieoptionen
• Tranexamsäure (Cyklokapron®*)
• DDAVP (Minirin®)
• 4-(Aminomethyl)benzoesäure (Pamba®**,Gumbix®)
• ε-Aminokapronsäure (Amicar®)
• Blut- und Plasmaderivate
*Vertrieb als Ugurol und Anvitoff 2005 eingestellt
** Vertrieb läuft seit 1/2008 aus
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Tranexamsäure
(Lysinanaloga)
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Tranexamsäure (Cyklokapron®)
•
Tranexamsäure ist die zyklische Form der ε-Aminokapronsäure.
•
10-fach höhere Wirksamkeit wie die ε-Aminokapronsäure.
•
Verzögert die Auflösung von Fibrin durch Hemmung der
Plasminbildung am Fibrin.
•
Hemmung der plasmininduzierten Spaltung der GpIb/IX/V-Rezeptoren
auf Thrombozyten.
•
Orale Bioverfügbarkeit 30-50%
•
Plasmaproteinbindung 3% (ausschließlich an Plasmin)
•
HWZ 2,3 h
•
Ausscheidung 95% renal
•
100% plazentagängig
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Tranexamsäure (Cyklokapron®)
• Applikationsformen:
– Oral
• 500 mg Tbl – 50 Tbl. 47,95€
• Dosierung 3x2 Tbl.
– i.v.
• 500 mg/5ml Amp. – 10 Amp. 71,86 €
– 0,5-1 g i.v. (ca. 10-15 mg/kg KG) alle 8-12 h
– oder 0,5 g i.v., dann ggf. 0,25 g/h i.v.
– Auch höhere Dosierungen sind beschrieben.
• Lokale Spülungen (5%ige Lösung).
• Nebenwirkungen:
– Thromboseneigung gering erhöht (0,01 – 0,1%).
– Exantheme (0,1-1%), GIT, Sehstörungen, Schwindel (0,01-0,1%)
• Kontraindikation: Blutungen in den Harnwegen.
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Lokale Anwendung von Tranexamsäure
• Nach einmaliger Mundspülung mit einer 5%igen Lösung
über 2 min ist die Substanz noch nach 6 Stunden im
Speichel nachweisbar (Sindet-Pedersen NEJM 1987)
• 1 Ampulle auf 100 ml Wasser
• 1 Tablette in mindestens 10 ml Wasser auflösen
• Spülung der OP-Wunde mit einer 1:2-Lösung
• Getränkter Aufbisstupfer
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
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Lokale Anwendung von Tranexamsäure
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Lokale Anwendung von Tranexamsäure
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
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Wirkung von Desmopressin
(DDAVP)
DDAVP
1-Desamino-Cys-8-D-Arginin-Vasopressin
ADH-ähnliche Wirkung
Harnausscheidung ↓ ↓ ↓
(Blutdruck → oder ↑)
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Zusätzliche Wirkung in
der Gerinnung
Ausschüttung aus Endothelspeichern
FVIII:C↑
vWF↑
tPA↑
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Wirkung von Desmopressin
(DDAVP)
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DDAVP (Minirin®, Octostim®)
•
•
Setzt von-Willebrand-Faktor (vWF) aus dem Endothel frei.
Induziert die Expression von tissue factor auf Endothelzellen und Monozyten
mit konsekutiver Verstärkung der plasmatischen Gerinnung.
Applikationsformen:
• i.v. (Minirin: 10 Amp. 184,05€ ), s.c.
• nasal (Octostim N1 393,27 €)
Dosierung:
• 0,3-0,4 µg/kg KG (1 Amp. Je 10 kg KG) als Kurzinfusion über 30 min, 60
Minuten vor Schnitt, evtl. postoperativ wiederholen.
• Nasal 300 µg (2 Hübe).
• Eliminationshalbwertszeit 3,5 -4,5 Stunden.
• Effekt auf die Hämostase bis zu 12 h.
• Maximal für 5-7 Tagen anwendbar.
•
•
•
•
Führt in hämostaseologischer Dosis zu relevanter Antidiurese.
Kann zur Blutdruckabfall und „Flush“-Symptomatik führen.
Passagere Hyperfibrinolyse!
Cave: Beim von-Willebrand-Syndrom Typ 2B kann eine Thrombozytopenie
auftreten.
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
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Evidenzbasierter Einsatz von DDAVP und
Tranexamsäure
Substanz und klinische Situation
Evidenzgrad
Desmopressin (DDAVP)
milde Hämophilie oder vW-Syndrom (Typ 1)
medikamentös induzierte Störung der primären
Hämostase (ASS, Thienopyridine)
kongenitale Thrombozytopathie
Urämie
Leberzirrhose
C
C
C
Aprotinin
Kardiochirurgie
orthotope Lebertransplantation
sekundäre Hyperfibrinolyse
A
?
?
Tranexamsäure
primäre Menorrhagien
obere gastrointestinale Blutung
Zahnextraktionen bei Patienten mit
Gerinnungsstörungen
Blutungen bei Thrombozytopenie
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
B
C
A
A
A
B
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Rückenmarksnahe Anästhesie
Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin (DGAI)
Medikament
Letzte Medikamentengabe
Vor
Punktion/Katheterentfernung
UFH
Prophylaxe
Therapie
NMH
Prophylaxe
Therapie
Fondaparinux
Nächste Medikamentengabe
Nach
Punktion/Katheterentfernung
1h
4h
4-6h
2-4h
12h
24h
36-42h
6-12h
4h
2h
Hirudin
8-10h
2-4h
ASS
keine
keine
Clopidogrel
7 Tage
Nach K.-Entfernung
Ticlopidin
10 Tage
Nach K.-Entfernung
Keine
keine
Argatroban
NASR
Anästh Intensivmedizin 2007, 48: 109-124
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Zahnärztliche Eingriffe unter TAH
• Kein erhöhtes Nachblutungsrisiko unter ASS 100
(Ardekian et al 2000; Daniel et al 2002; Jha et al 1989)
• In einer prospektiven Untersuchung an 65
Patienten unter ASS 100 trat nur in einem Fall
(1,54%) eine interventionsbedürftige Nachblutung
auf (Hemelik et al 2006)
• ASS + Clopidogrel ⇒ deutlich erhöhtes
Blutungsrisiko (Diener et al 2004)
• 5 bis 7 Tage vor zahnärztlichen Eingriffen nach
Rücksprache mit den behandelnden Kardiologen
ab-, beziehungsweise umsetzen (Wynn et al 2001)
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Das „sensible Fenster“ nach
Koronarintervention
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Kardiales TE-Risiko (dispositionell)
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Empfehlungen zur Kombinationstherapie TAH
und OAC bei oral antikoagulierten Patienten
nach Stent-Implantation
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
Loreth/Hämostaseologie WKK KL
Thromboembolie- und Blutungsrate bei
Kombinationstherapie TAH und OAC
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
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Perioperatives Procedere bei dualer
Plättchenhemmung
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Chest 2008;133:299-239
Zahnärztliche Behandlung von Patienten unter Antikoagulation
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Zahnärztliche Eingriffe unter TAH
• Immer individuelles Vorgehen
• ASS nach Möglichkeit beibehalten
• Bei dualer Plättchenhemmung
Vorgehen in Absprache mit dem
Kardiologen
• Zusätzliche hämostaseologische
Mitbetreuung
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Zum Mitnehmen
• Individuelle Risikoabwägung stets erforderlich
• I.d.R. individuelles Vorgehen
• Bridging ist selten erforderlich
• Die orale Antikoagulation kann in der Regel beibehalten
werden
• Eine Senkung der INR in den unteren therapeutischen
Bereich ist eine brauchbare Option
• ASS wird ebenfalls in der Regel beibehalten
• Duale Plättchenhemmung – Absprache mit dem
Kardiologen
• Lokal blutstillende Maßnahmen obligat
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Mainz
Rheinland-Pfalz
Kaiserslautern
Ludwigshafen
Prof. Dr. med. F. W. Albert
Univ.-Prof. Dr. med. H. Eichler
Prof. Dr. med. P. Hellstern
Dr. med. R. M. Loreth
Prof. Dr. med. A. Matzdorff
PD Dr. med. D. Peetz
Prof. Dr. med. Dr. phil. H. Schinzel
Prof. Dr. med. U. Seyfert
Saarland
Homburg
Saarbrücken
[email protected]
www.qualitaetszirkel-haemostaseologiepfalz.de
www.kompetenznetz-haemostaseologie.de
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