21.2 Alkohole 21.2.1 509 Methanol Toxische Wirkung. Methanol ist eine farblose, brennbare Flüssigkeit, die in Geruch und Geschmack von Ethanol nicht zu unterscheiden ist. Methanol wirkt wie Ethanol und wird durch die Alkoholdehydrogenase oxidiert: Es entstehen Formaldehyd und Ameisensäure, welche zur metabolischen Acidose und Schädigung des Zentralnervensystems führt. Über den Gastrointestinaltrakt und die Lunge erfolgt eine rasche Resorption, eine mäßige Resorption erfolgt über die Haut. Vorkommen. Methanol findet Verwendung als Lösungsmittel und als Ausgangsmaterial für Formaldehyd. Zusätzlich wird es in Bremsflüssigkeiten und als Enteisungsmittel für Kraftfahrzeugscheiben verwendet. Es entsteht durch trockene Destillation von Holz im Vorlauf und wird umgangssprachlich als Holzgeist bezeichnet. Fatalerweise wird Methanol auch als Alkoholersatz von Alkoholabhängigen missbraucht. Indikation 7 Verdacht auf eine Methanolintoxikation, Einnahmemenge nicht sicher unter 0,1 ml/kg KG 7 metabolische Acidose und Methanolintoxikationsverdacht 7 unklares Koma mit nicht richtungsweisender Anamnese Untersuchungsmaterial und Präanalytik 7 Urin, Plasma, Serum; gut verschlossen im Kühlschrank längere Zeit haltbar Bestimmungsmethode 7 quantitative Bestimmung im Fachlabor erfragen 7 Ergänzend sollte die Anionenlücke (s. S. 205) bestimmt werden. Referenzwerte und diagnostische Bedeutung 7 unbedenkliche Dosis per os bis zu 0,1 g/kg KG, was 0,13 ml/kg KG entspricht 7 toxische Dosis beim Erwachsenen beginnt bei 0,1 g/kg KG, ab 4 – 10 ml ist eine Erblindung möglich 7 letale Dosis nahe 1 g/kg KG 7 Nachweisgrenze von Serummethanol X 0,5 mg/l 7 leichte Intoxikation X 200 mg/l 7 schwere Intoxikation X 500 mg/l 7 Verteilungsvolumen 0,6 l/kg KG, Methanolhalbwertszeit 2,5 Stunden unter Hämodialyse Umrechnung: 10 mg/l entsprechen 0,3 mmol/l; Methanol in mg/dl = Methanol in mmol/l ˇ 0,31 Klinische Interpretation und toxikologische Bedeutung Methanol hat eine geringere Affinität zur Alkoholdehydrogenase als Ethanol und wird deutlich langsamer metabolisiert. Bei der Schädigung des ZNS überwiegt die Schädigung des Nervus opticus. Anfangs bestehen beim Patienten Rauschzustände und Oberbauchschmerzen. Im weiteren Verlauf können unbehandelt aus: Dörner u.a., Klinische Chemie und Hämatologie @ 2009 Georg Thieme Verlag KG 21 510 21 Klinisch-toxikologische Analytik Koma, Erblindung und optische Halluzinationen auftreten. Todesfälle sind ebenfalls berichtet. Antidot Antidottherapie mittels Ethanoltherapie, wobei das Ziel das Erreichen und die Aufrechterhaltung einer Alkoholkonzentration von 0,5 – 0,8‰ ist. Antidottherapie mit 4-Methylpyrazol (Fomepizole): Direkte kompetitive Hemmung der Alkoholdehydrogenase (ADH) durch Fomepizole und damit Verhinderung des „Giftungsprozesses“ im Organismus. Ergänzend ist die Gabe von Folsäure (50 mg alle 4 Stunden) zu empfehlen, um die Umwandlung von Formiat in Kohlendioxid und Wasser zu beschleunigen. 21.2.2 Ethanol Toxische Wirkung. Ethanol wirkt direkt depressorisch auf das ZNS. Zusätzlich werden die Schutzreflexe gedämpft und somit besteht bei der Ethanolvergiftung eine hohe Aspirationsgefahr. Hypoglycämie und Hypothermie sind weitere gefährliche Auswirkungen. Vorkommen. Ethanol ist das bekannteste Genuss- und Rauschmittel und auch Bestandteil vieler Pflege- und Reinigungsmittel sowie Kosmetika. Stellenweise findet sich auch in Arzneimitteln ein hoher Alkoholgehalt. Ethanol ist die häufigste Cosubstanz im Rahmen von Suizidversuchen. Ethanol wird auch als Antidot bei der Methanol- und der Ethylenglycolvergiftung eingesetzt (s. S. 509 S. 511). Indikation 7 Alkoholrausch beim Erwachsenen 7 akzidentielle Alkoholaufnahme bei Kindern Untersuchungsmaterial und Präanalytik 7 Ausatemluft zur Bestimmung des Atemalkoholgehaltes (mittels Alkomat) 7 Serum oder Plasma; gut verschlossen im Kühlschrank 6 Monate haltbar 7 (Urin; mit Zusatz von 10 g/l NaF 30 Tage haltbar) 21 Bestimmungsmethode 7 Bestimmung der Blutalkoholkonzentration mit Alkoholdehydrogenase-Reaktion als laborchemische Routinemethode 7 Berechnung der Blutalkoholkonzentration in Promille: – Ethanol (‰) = Ethanol (g) ˇ (KG [kg] × 0,7); Faktor bei Frauen 0,6 anstelle von 0,7 – aufgenommene Menge Ethanol = Volumen (ml) × Vol% × 0,008 (g) 7 gerichtsfeste Bestimmung im Fachlabor erfragen. 7 Bestimmung der Osmolarität im Serum; Faustregel: Pro gesteigerte 30 mosmol/l ist rechnerisch 1‰ Blutalkoholkonzentration anzunehmen, wenn die übrigen laborchemisch erfassten osmotisch wirksamen Substanzen wie Natrium, Glucose und Harnstoff im Normbereich liegen. aus: Dörner u.a., Klinische Chemie und Hämatologie @ 2009 Georg Thieme Verlag KG 21.2 Alkohole 511 Referenzwerte und diagnostische Bedeutung 7 Die Ethanolwirkung korreliert nicht immer mit der Höhe des Promillespiegels. 7 Als potenziell letale Dosis wird beim Erwachsenen 5 – 8 g/kg KG angenommen. Bei Kindern liegen die toxischen Konzentrationen deutlich niedriger. 7 Der durchschnittliche Erwachsene baut 7 – 10 g Alkohol (120 – 250 mg/kgkG und h) ab, wobei eine hohe interindividuelle Variabilität besteht. 7 Verteilungsvolumen rund 0,7 l/kg KG Klinische Interpretation und toxikologische Bedeutung Ethanol ist eine weitverbreitete Droge. Im Alkoholrausch treten nur ein kurzes Exzitationsstadium, häufiges Erbrechen, schnell einsetzende Hypoglykämie aufgrund der Unterdrückung der Gluconeogenese, Hypokaliämie und deutliche Minderung der Schutzreflexe und des Reaktionsvermögens auf. Hieraus resultieren Atemdepression und erhöhte Aspirationsgefahr. Die Lebertoxizität ist gesteigert bei Hepatitis oder Leberzirrhose. In Kombination mit Psychopharmaka und Kokain findet sich eine erhöhte zentralnervöse Wirkung. Das Acetaldehydsyndrom entsteht nach Einnahme von z. B. Antidiabetika, Carbamaten, Faltentintling. Antidot Da kein spezifisches Antidot bekannt ist, symptomatische Behandlung. Ethanol ist grundsätzlich dialysabel, das Verfahren aber nur in seltenen Einzelfällen notwendig. 21.2.3 Ethylenglycol Toxische Wirkung. Ethylenglycol selbst gilt nicht als besonders toxisch. Es wird jedoch durch die Alkoholdehydrogenase im Organismus gegiftet und es kommt zur Akkumulation von toxischen Metaboliten, wie z. B. Glycolsäure oder Oxalsäure, die zur metabolischen Acidose, Nierenschädigung und zu kardialen Komplikationen führen. Vorkommen. Ethylenglycol ist Bestandteil von Frostschutzmitteln und hydraulischen Flüssigkeiten (Bremsflüssigkeiten), wobei in Motoren die etwas weniger giftige Form des Polyethylenglycols verwendet wird. Auch Ölofenentrußer enthält Ethylenglycol. Aufgrund des süßen Geschmacks besteht eine große Gefahr der akzidentiellen Vergiftung. Indikation 7 Verdacht der Aufnahme von 0,1 – 0,2 g Ethylenglycol/kg KG oder mehr Untersuchungsmaterial und Präanalytik 7 Urin, Serum, Plasma Bestimmungsmethode 7 quantitative Bestimmung im Fachlabor erfragen aus: Dörner u.a., Klinische Chemie und Hämatologie @ 2009 Georg Thieme Verlag KG 21