themenderwissenschaft - Spektrum der Wissenschaft

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STERNE UND WELTRAUM
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THEMEN DER WISSENSCHAFT
Didaktisches Material zu
diesem Beitrag:
www.wissenschaft-schulen.de
Abb. 1: 171 der bislang entdeckten Exoplaneten sind hier
in der Reihenfolge ihrer Entdeckung von unten nach oben
abgebildet. An der horizontalen Achse lässt sich der Abstand zum jeweiligen Zentralgestirn ablesen, die Tiefe entspricht ihrer Bahnexzentrizität
und der Durchmesser zeigt ihre
Masse an.
Planetendämmerung
Teil 2: Die Konsequenzen
VON GÜNTHER WUCHTERL
Wir wissen heute, dass es bei anderen Sternen viele Planeten gibt.
Aber haben wir die typischen Planeten schon gefunden? Sind unsere Messmethoden dafür bereits gut genug? Haben wir schon hinreichend sorgfältig gesucht? Wenn die bekannten Exoplaneten die
typischen sind, haben wir dann die Planetenentstehung im Allgemeinen verstanden? Oder sind die typischen Planeten die Planeten
unseres Sonnensystems?
Ist das Sonnensystem typisch?
 Würden wir heute ein zweites Sonnensystem finden? Was wir von einem
zweiten Sonnensystem zuerst bemerken könnten, wäre ein Exo-Jupiter. Seine
Schwerkraft würde sich als Geschwindigkeitsänderungen des Muttersterns am
stärksten bemerkbar machen. Saturn ist
in jeder Hinsicht zehnmal so schwer zu
finden, der Rest des Sonnensystems ist
eine eigene Herausforderung – dazu später. Können wir also einen Jupiter unter
den Exoplaneten finden?
Jupiters Umlaufszeit beträgt 11.9 Jahre. Derzeit gibt es einen einzigen Exoplaneten mit längerer Umlaufszeit (Abb. 2):
55 Cancri d umläuft seinen Zentralstern
in einem Abstand von 5.3 Astronomischen Einheiten innerhalb von etwas
mehr als 12 Jahren. Seine Masse ist mindestens 3.9-mal so groß wie jene Jupiters.
Der Exoplanet mit der zweitlängsten Umlaufszeit findet sich erst bei 8.7 Jahren und
bringt ebenfalls mindestens drei Jupitermassen auf die Waage. Insgesamt liegen
zu bemerken, muss etwa ein Umlauf lang
beobachtet werden. 55 Cancri d war erst
im Juni 2002 andeutungsweise erkennbar, und erst im vergangenen Jahr konnten seine heute bekannten Eigenschaften
bestimmt werden – Masse, Umlaufszeit
und Exzentrizität. Am 14. August 2007
wird seit der Veröffentlichung der Entdeckung von 51 Pegasi b genau ein Jupiterjahr vergangen sein. Dann ist mit dem
ersten »zwölfjährigen« Planeten mit Jupitermasse zu rechnen!
In vieler Hinsicht gehören die heutigen zehnjährigen Planeten, also diejenigen mit zehn Jahren Umlaufszeit, zu den
viertägigen der ersten Entdeckungsphase von 1995. Die Entdeckung der viertä
Erstmals kennen wir heute 18 Planetensysteme und können einen Vergleich mit
dem Sonnensystem versuchen. Der Vergleich ist nicht einfach, weil wir das Sonnensystem viel besser kennen als die ExoSysteme. Selbst im Sonnensystem hat es
Jahrtausende gedauert, bis ein einigermaßen komplettes Inventar vorlag. Auf der
Suche nach einem ausgewogenen Vergleich beginne ich mit dem Versuch, ein
hypothetisches Exo-Sonnensystem aufzuspüren, das unserem möglichst vollständig gleicht.
die Perioden von vier Exoplaneten zwischen acht und neun Jahren, ihre Massen
betragen allesamt mehr als das Doppelte
der Jupitermasse, und ihre Exzentrizitäten typischerweise zehnmal so hoch wie
diejenige Jupiters. Der vielleicht am besten mit Jupiter vergleichbare Planet ist
47 Ursae Majoris c – seine Mindestmasse beträgt 0.76 Jupitermassen, und liegt
daher höchstwahrscheinlich nahe bei einer Jupitermasse. Mit der Exzentrizität e
= 0.1 ist seine Bahn schon kreisförmiger
als diejenige des Merkur und nahe an der
Marsbahn (e = 0.093), ist aber elliptischer
als jene von Jupiter (e = 0.048), vgl. Abb.
3 und Abb. 4. Aber seine Umlaufszeit
liegt mit sieben Jahren doch deutlich unterhalb jener Jupiters, und er ist seinem
Stern deutlich näher.
Jupiters Zwillinge sind also noch nicht
gefunden. Das liegt nicht daran, dass es
diese Zwillinge nicht gibt, sondern daran,
wie und vor allem wie lange bisher nach
Planeten gesucht wurde. Zehn Jahre sind
seit der Entdeckung von 51 Pegasi b vergangen. Deshalb liegen alle Umlaufszeiten
entdeckter Exoplaneten unterhalb dieses
maximalen Beobachtungszeitraums. Die
einzige Ausnahme ist 55 Cancri d, und
dessen Stern wurde schon vor 51 Pegasi
b beobachtet, ohne den Planeten zu bemerken. Um einen unsichtbaren Planeten
Abb. 2: Die Anzahl der entdeckten Exoplaneten, geordnet nach
Umlaufszeiten. Die Pegasi-Planeten besitzen Umlaufszeiten von
wenigen Tagen. Der Anstieg der
Planetenanzahl bis nahe an 1000
Tage deutet auf immer mehr große Planeten mit Umlaufszeiten
bis zu einigen Jahren hin. Bei
ganz langen Perioden sind die Ergebnisse nicht vollständig, weil
noch nicht lange genug gesucht
wurde, um weit vom Stern entfernte Planeten nachzuweisen.
35
30
Anzahl der Exoplaneten
E
igentlich ist es noch zu früh, um
aus den Eigenschaften der Exoplaneten allgemeine Schlüsse zu ziehen. Aber trotzdem ist es spannend, zu
spekulieren und zu prüfen, was sich in
den bisher gesammelten Daten über die
Population der Exoplaneten abzuzeichnen beginnt.
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15
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5
0
1
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4
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Umlaufszeit [Tage]
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Mars
47 UMa c
Jupiter

55 Cnc d
Abb. 3: Vergleich der Bahnen von
55 Cancri d, 47 UMa c, und Jupiter. Die Massen der Planeten sind
proportional zu den Größen der
Symbole.

Abb. 4: Exzentrizitäten der Exoplaneten nach Entdeckungszeit.
Die Exzentrizitäten waren zunächst nicht von jenen der Doppelsterne unterscheidbar, die typischerweise bei e = 0.4 liegen.
Bei den neueren Entdeckungen
(rechts) zeichnet sich erstmals
eine Häufung bei niedrigen Werten, ähnlich wie im Sonnensystem, ab.
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Abb. 5: Einrunder – Exoplaneten,
die jeweils gleichzeitig ihre erste beobachtete Runde begonnen
haben. Jede Entdeckung wird
beim Datum des rückgerechneten Beginns des ersten bekannten Umlaufs eingetragen. Das
ergibt einen besseren Vergleich
der zu jedem Datum bekannten
Planeten. Es wird deutlich, dass
Pegasi-Planeten nicht dominieren, und bei Annäherung an Jupiters Umlaufszeit von 12 Jahren
deutet sich eine Häufung an.
STERNE UND WELTRAUM
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 Erdähnliche Planeten: Wenn das
Sonnensystem typisch ist, sollten Exoplanetensysteme auch erdähnliche Planeten
enthalten. Im Falle von Exo-Erden spielt
die Umlaufszeit für den Nachweis keine
so kritische Rolle. Alle erdähnlichen Planeten erledigen nämlich in zehn Jahren
mehrere Umläufe. Das Problem sind die
kleinen Massen: Erde und Venus bringen
nur einige Promille der Jupitermasse auf
die Waage. Die Entscheidung über ihren
Nachweis fällt daher über die Massennachweisgrenze.
Die nachgewiesenen Mindestmassen
für Exoplaneten sind in Abb. 6 dargestellt.
In zehn Jahren wurde die Grenze bei den
Entdeckungen mit Hilfe von Radialgeschwindigkeitsmessungen von etwa einer Saturnmasse im Jahre 1995 um einen Faktor 20 nach unten geschraubt.
Heute sind Planeten mit weniger als zehn
Erdmassen in Reichweite. Setzt sich der
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Merkur
Erde
Tagen und ein paar verstreute bis zu hundert Tagen. Das ist die »Ernte« der letzten Beobachtungssaison, wo erstmals die
Resultate einer Reihe neuer Instrumente und Suchprogramme eingehen. Diese
Programme überwachen nun mehrere
tausend Sterne auf der Suche nach Planeten, im Vergleich zu den mehreren hundert in der vergangenen Dekade. Aber
die neuen Suchen laufen noch nicht lange
genug, um die Ein- bis Zwölfjährigen bei
etwa 400 bis 5000 Tagen nachweisen zu
können.
Ein Exo-Saturn ist noch viel schwieriger zu finden als ein Exo-Jupiter. Ihn
nachzuweisen, erfordert die gut vierfache Messgenauigkeit und mehr als 30
Jahre Überwachungszeit. Insgesamt ist
ein Faktor 45 nötig, um mit den gegenwärtigen Methoden an Exo-Systeme heranzukommen, die dem äußeren Sonnensystem gleichen, sowie ein Beobachtungszeitraum von 170 Jahren. Deshalb
wird die Entdeckung eines äußeren ExoSonnensystems wahrscheinlich neuen
Methoden vorbehalten bleiben, wie der
direkten Abbildung und modernen Methoden der Positionsmessung.
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Venus
gigen dauert eben nur vier Tage, die der
zehnjährigen dagegen zehn Jahre. Um
eine Vorstellung zu bekommen, wie die
Planetenpopulation aussehen würde,
wenn man die Daten um diesen Effekt
bereinigt, sehen wir uns alle Planeten an,
deren erster bekannter Umlauf zur gleichen Zeit begonnen hat – etwa am 1. Oktober 1995, als 51 Pegasi b bekannt gegeben wurde (Abb. 5). Wir suchen zu jedem Datum immer die entsprechenden
Einrunder. Das sind diejenigen bekannten
Planeten, die ihren ersten beobachteten
Umlauf (in etwa) zum gleichen Datum
begannen. Das heißt, die Planeten werden jeweils einen Umlauf vor ihrem Entdeckungsdatum eingezeichnet. Damit
wird ausgeglichen, dass kurzperiodische
Planeten schneller zu entdecken sind als
langperiodische.
Das Bild, das sich in Abb. 5 zeigt, sieht
völlig anders aus als die Geschichte, die
wir alle kennen. Zuerst tauchen Planeten bei Umlaufszeiten von einigen hundert Tagen auf, wo sie sich im Laufe der
Jahre bald häufen. Der erste bei einem
Stern entdeckte Planet wäre dann 55 Cancri d, also der mit der längsten Umlaufszeit. Erst später, mit wachsender Zahl der
Entdeckungen kommt die Population der
Pegasi-Planeten unterhalb von zehn Tagen deutlich heraus. Gegen 2005 sehen
wir nur mehr einen Haufen von Planeten
nahe am Stern mit Perioden von wenigen
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
Abb. 6: Anzahl der bekannten
Exoplaneten, nach ihrer Masse
geordnet.
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30
Abb. 7: Bahnen und Massen
im Pulsarplanetensystem PSRB1257+12 b, c, d im Vergleich
zum inneren Sonnensystem. Die
Exzentrizitäten sind zehnfach
überhöht. Die Größe der Punkte
ist proportional zu den Planetenmassen.
Anzahl der Exoplaneten
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5
0
0
500
1000
1500
2000
Masse [Erdmassen]
Trend fort, so wäre 2008 eine Erdmasse
nachweisbar! Heute sind diese Messungen
aber noch deutlich vom Nachweis eines
Planeten entfernt, der jenen des inneren
Sonnensystems ähnelt. Die meisten Werte liegen bei wenigen Jupitermassen und
darunter. Nahe an der Grenze zu Braunen
Zwergen, bei etwa 13 Jupitermassen, gibt
es praktisch keine Planeten. Das ist ein
Hinweis darauf, dass Planeten und Braune Zwerge zwei völlig unterschiedlichen
Gruppen angehören. Obwohl die kleinsten Massen am schwierigsten nachzuweisen sind, steigt die Anzahl der bekannten
Planeten in Richtung abnehmender Masse lange an. Selbst bei den kleinsten nachgewiesenen Massen, die Genauigkeiten
erfordern, die noch selten erreicht werden, gibt es anscheinend gleichmäßig viele Planeten.
Die Schlussfolgerung ist klar: Selbst
bei den bestbeobachteten Sternen sind
wir noch nicht in der Lage, Planeten nachzuweisen, wenn ihre Bahnen und Massen
jenen der Erde oder des Jupiter gleichen.
Wir haben die ersten 170 Exoplaneten
schon jetzt gefunden, weil sie ganz anders
sind als die Planeten im Sonnensystem.
Doch ein kleines Stückchen Information haben wir noch: Das Planetensystem
des Pulsars PSR-1257+12. Es wurde auf
Grund von Geschwindigkeitsmessungen mit Radiopulsen nachgewiesen. Diese Methode erzielt eine überragende Genauigkeit, die es erlaubt, selbst die Masse
eines einzelnen Objekts von AsteroidenGröße im Pulsar-Orbit nachzuweisen.
Damit sind wir in der Lage, wie im Sonnensystem bis unter die Grenze der Planetenmassen zu gelangen. Und das Pulsarsystem zeigt alle Eigenschaften unseres Planetensystems (Abb. 7): Es gibt dort
terrestrische Planeten mit wenigen Erdmassen, und der kleinste Körper hat 1/50
Erdmasse, vergleichbar mit der Mondmasse! Die Bahnen sind kreisähnlicher
als jene von Merkur, Mars, Jupiter, Saturn
und Uranus. Das heißt, in dem einen Fall,
in dem die überragende Messgenauigkeit
bei weitem ausreicht, um Sonnensystem-
2500
3000
ähnliche Planetensysteme nachzuweisen,
finden wir ein System, das in allen untersuchten Eigenschaften dem Sonnensystem gleicht. Das ist zumindest ein Hinweis darauf, dass das Sonnensystem ein
typisches Planetensystem sein könnte!
Erde
Venus
B1257+12
Verstehen wir die
Planetenentstehung?
Für das Verständnis der Exoplaneten sind
vor allem zwei Fragen wichtig:
 1. Welche Massen sind für Planeten aus
dem Entstehungsprozess zu erwarten?
 2. Welche der entstandenen Planetensysteme sind so stabil, dass sie Milliarden Jahre überdauern können? Denn nur
solche Planetensysteme können bei den
Sternen am Himmel angetroffen werden, deren Alter dem typischen Alter der
meisten Sterne entspricht.
 Entstehungstheorie des Sonnensystems ohne Exoplaneten: Vor der Entdeckung der Exoplaneten waren die nahezu
kreisförmigen Bahnen im Sonnensystem
ein letztlich ungeklärtes Rätsel der Planetenentstehung. Sie sind es nach wie vor.
Die Modelle für das Wachstum der Planeten sagen nämlich in den Endphasen deutlich elliptischere Bahnen vorher, als sie im
Sonnensystem anzutreffen sind. Um das
Sonnensystem zu erklären, muss es einen noch unbekannten Mechanismus geben, der elliptische Bahnen kreisförmiger
macht. Klarerweise war damit aber auch
die Frage offen, wie weit verbreitet Kreisbahnen sein würden.
Es gab Versuche, die Planetenmassen dadurch zu erklären, dass sich gegen
Ende des Wachstums Lücken in den protoplanetaren Scheiben bilden würden, die
ein weiteres Wachstum verhindern. Aber
die Werte für die so ermittelten Grenzmassen von Planeten hingen von unbekannten und praktisch unbestimmbaren
Eigenschaften der protoplanetaren Scheibe ab. Außerdem ergab sich bei einer Anpassung der Jupitermasse eine falsche
Saturnmasse. Die Massen von Planeten
würden sicherlich bis zur Jupitermasse
b
c
d
Merkur
reichen, aber eine Obergrenze war nicht
bestimmbar. Das war ein Hinweis auf die
Möglichkeit größerer Massen, aber niemand spekulierte über konkrete Werte.
Die Planeten sollten auch im Wesentlichen wie im Sonnensystem angeordnet
sein, mit den erdähnlichen weiter innen,
weil dort weniger Staub vorhanden sein
würde, um Planetenkerne groß genug
wachen zu lassen, damit Gas aus der zirkumstellaren Scheibe zu Gasplaneten gebunden werden könnte. Was dann kam,
war viel überraschender als unser Nichtwissen erwarten ließ – die viertägigen Pegasi-Planeten, sowie Exzentriker mit sehr
lang gezogenen elliptischen Bahnen, und
gleichzeitig Superplaneten mit mehr als
acht Jupitermassen.
Seltsame Planeten
und seltsame Theorien
 Die Pegasi-Planeten: Nach der Entdeckung von 51 Pegasi b ergab sich aus theoretischen Überlegungen rasch, dass der
Planet in seiner Bahn stabil war. Er würde
weder während der bisherigen Entwicklungsgeschichte des Sterns verdampfen,
noch in den Stern hineinspiralen. Die
starken Gezeitenkräfte würden eine periodische Entfernung und Annäherung
an den Stern bremsen und so seine Bahn
rasch kreisförmig machen – ein Effekt,
der auch von Doppelsternen gut bekannt
ist. Die Kreisbahn war also in diesem Fall
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 Migration – oder was? Wenn man
einen Planeten aus dem Jupiter-Abstand,
von 5.2 Astronomischen Einheiten in die
Bahn von 51 Pegasi b bringen möchte,
benötigt man einen Transportmechanismus, also einen physikalischen Prozess,
der den mittleren Abstand der Planeten
von ihrem Zentralstern ändert. Seit der
Entdeckung der Pegasi-Planeten hat sich
dafür der Ausdruck Planetenmigration
oder einfach Migration verbreitet.
Solche Prozesse sind nichts Außergewöhnliches. Nur ein einzelner Planet hat
einen konstanten mittleren Abstand von
seinem Stern. Viele dieser Prozesse spielen bei der Entstehung des Sonnensystems
eine große Rolle. So entstehen die beiden
Kometenspeicher des Sonnensystems,
jenseits Neptuns und in der Oortschen
Kometenwolke, dadurch, dass die überzähligen Planetenbausteine von den Gasplaneten des Sonnensystems nach außen
befördert werden. Sie können auch nach
innen befördert werden: In dieser Richtung sind aber die Spuren solcher Prozesse praktisch verwischt. Denn die meisten
der einwärts migrierten Kometen werden
in der Sonne versenkt und versengt, und
wir sehen nichts mehr davon; die Übrigen stoßen mit Planeten zusammen und
könnten zum Beispiel auf der Erde für
maximal 15 Prozent des Ozeanwassers
verantwortlich sein. Es ist also auch kein
Problem, um einen Faktor hundert näher
an die Sonne heran zu kommen. Auch die
erdnahen Kleinplaneten »migrieren« aus
dem Hauptgürtel auf uns zu.
Alle diese Migrationsprozesse betreffen die sehr kleinen Körper, die von den
großen »herumgestoßen« werden: Eine
Auswärts-Wanderung von Uranus und
Neptun ist wahrscheinlich für die Anhäufung der Plutinos inklusive Pluto verant36
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wortlich, die bei jenen Umlaufszeiten zu
finden ist, die im Verhältnis 2:3 zu Neptuns Umlaufzeit stehen. Pluto ist also
quasi Zeuge dafür, dass es im frühen Sonnensystem eine Migration großer Körper
gab. Aber sie war schwach und nach außen
gerichtet! Wie sollten Planeten wie Jupiter
als Ganzes um einen Faktor hundert nach
innen wandern, um die Umlaufbahn von
51 Pegasi zu erreichen? Zwar können viele Kleine auch einen Großen bewegen,
aber um Planeten herumzustoßen, ist
eine Menge Material nötig!
Eine Möglichkeit besteht darin, für jeden Pegasi-Planeten eine ganze Menge
großer Planeten zu postulieren, die dann
so lange untereinander Billard spielen,
bis einer von ihnen nahe am Stern landet und später als Pegasi-Planet gefunden
werden kann. Dagegen spricht inzwischen, dass es Pegasi-Planeten nicht nur
bei wenigen Tagen Umlaufszeit gibt, wo
ihre Bahnen wie bei Doppelsternen automatisch kreisförmig werden, sondern
auch weiter draußen, wo der Mechanismus stark elliptische, fast kometenähnliche Bahnen erwarten ließe, die aber nicht
gefunden werden (Abb. 8). Warum viele
der Exoplanetenbahnen ähnlich elliptisch
sind wie jene von Doppelsternen, ist nicht
klar. Aus dem Entstehungsprozess ist das
nicht zu erklären, der Effekt wird vermutlich von Wechselwirkungen mit anderen,
auch stellaren, Begleitern verursacht.
Die andere Möglichkeit, Migration zu
treiben, nutzt die Wechselwirkungen zwischen den Planeten und den Gasscheiben, aus
denen sie entstehen (siehe S. 22 ff. in diesem Heft). Der Mechanismus war zwar
schon vor 1995 bekannt, aber niemand
nahm ihn ernst, weil die daraus abgeleiteten Wandergeschwindigkeiten zum Stern
hin rasch zunehmen. Wehe dem Planeten, der nach innen zu wandern begänne,
er würde bald auf dem Weg in den Stern
sein. Seit der Mechanismus für die Pegasi-Planeten vorschlagen wurde, sind die
Reparaturarbeiten an diesem Problem im
Gange. Zuerst hieß es einfach, dass die ge-

ein Ergebnis der Geschichte des Planeten und einer Stabilisierung seiner Bahn,
weniger ein Entstehungseffekt. 51 Pegasi
b war vor allem deshalb der erste seltsame Planet, weil protoplanetare Scheiben,
die dem Sonnennebel (d. h. der zirkumsolaren Scheibe aus Gas und Staub, aus
der unser Planetensystem entstanden ist)
ähneln, in seinem Abstand zum Zentralstern nicht genügend viel Material enthalten, um einen Planeten zu bauen.
Zwei Erklärungen für den gefundenen
sternnahen Gasplaneten liegen auf der
Hand. Entweder musste er dort entstanden sein, wo nach unseren Erfahrungen
aus dem Sonnensystem genug Material
für die Entstehung von Gasplaneten vorhanden ist, also ab der Jupiterbahn, und
anschließend irgendwie nach innen gelangt sein, oder nicht alle protoplanetaren Nebel waren ähnlich wie der Sonnennebel aufgebaut.
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Abb. 8: Die Exzentrizität der Exoplaneten als Funktion ihrer Periode.
fundenen Planeten die letzten Überlebenden eines planetaren Massakers sind, bei
dem ganze Serien von Planeten in ihren
Muttersternen verschwinden. Letztlich
beruhigt sich die Sache doch und die letzten Planeten bleiben in ihren Bahnen hängen. Dann müssten aber weiter draußen
die Planeten häufiger sein, weil sie dort
langsamer wandern. Tatsächlich häufen
sie sich aber bei Umlaufszeiten zwischen
einem und zehn Tagen (Abb. 2). Außerdem müssten die Planetenleichen die äußeren Schichten der Sterne verschmutzen, die Photosphären der Sterne mit
dünnen Konvektionszonen sollten mit
den Planetenresten angereichert sein. Davon gibt es aber keine Spur.
 Die Geister der Migration: Das heißt,
es müssen die Geister der Migration, die
gerufen wurden, nun irgendwie auch davongejagt werden. Das Stichwort lautet
Parkmechanismus. Zunächst dachte man
an Effekte nahe beim Stern, etwa an einen Innenrand der Scheibe. Aber inzwischen finden sich Gasplaneten bei allen
Sternabständen, sodass die Migration an
praktisch allen Orten ausgebremst werden müsste. Dies geschieht in der »theoretischen Praxis« durch Variation einer
Unzahl von Parametern, die in die Migrationsrechnungen eingehen. Wenn alle
Stricke reißen, nimmt man einfach an,
dass der protoplanetare Nebel, der die
Migration treibt, rechtzeitig entfernt wird
– dann stoppen die Planeten. Die Migrationstheorie erinnert mich an die Rettung
der Phänomene mit Hilfe der Epizyklen.
Die Planeten durchliefen am Himmel ihre
Schleifen, sie sollten sich aber auf Kreisen
um die Erde drehen – also mussten immer mehr Kreise her, um die Beobachtungen zu erklären. Genauso rettet die Migrationstheorie die Erklärung der Exoplaneten, aber der Preis ist meiner Meinung
Nebel der passende Nebel, und niemand
würde Pegasi-Planeten seltsam finden.
Statt uns mit vielen Schwierigkeiten herumzuschlagen, wie man die Migration
stoppt, müssen wir uns einfach von der
Idee verabschieden, dass alle Planetensysteme aus Nebeln stammen, die so aussehen, wie wir uns unseren solaren Urnebel
vorstellen. Es ist also eine Art kosmogonischer Heliozentrismus, der das Problem erzeugt. Wir sollten uns davon verabschieden, es wäre nicht das erste Mal.
Migration oder nicht Migration?
Diese Frage wird wohl kaum in nächster
Zeit theoretisch geklärt werden. Stattdessen habe ich drei empirische Tests für die
Migrationstheorie vorgeschlagen:
 1. Die Existenz »Heißer Neptune«, das
heißt solcher Planeten, welche die Masse
Neptuns besitzen, aber ihren Zentralstern auf sehr engen Bahnen, mit Perioden
von wenigen Tagen umkreisen,
 2. die Existenz von Planeten in engen
Doppelsternsystemen,
 3. die dynamische Vollheit von Planetensystemen. Inzwischen kennen wir für
alle diese Tests Planeten am Himmel, mit
denen sie durchgeführt werden können.
ist die Wechselwirkung Planet-Scheibe
zu ineffizient, und die Migration funktioniert nicht. Der Neptun muss durch diese
Scheibe hindurch in Richtung Stern wandern. Aufgrund seiner Masse sammelt er
dabei Material auf, und zwar sehr effektiv.
Am Ziel angelangt, hat er dann mindestens die doppelte Masse eines Proto-Neptuns (das sind mindestens 40 Erdmassen),
er ist demnach kein Heißer Neptun mehr.
Also müssen Heiße Neptune vor Ort entstanden sein, und die Migration kommt
für sie als Erklärung nicht in Frage.
Um das Argument streng gültig zu
machen, muss man die wahren Massen
kennen, während zur Zeit nur Mindestmassen bekannt sind. Aber mit dem Start
des Transit-Weltraumteleskops COROT
im kommenden August wird die Entdeckung Heißer Neptune und die Bestimmung ihrer wahren Massen möglich
sein. Dann wird vom Weltraum aus nach
Durchgängen gesucht. Die sind bei Neptunen von der Erde aus extrem schwer zu
messen, weil die Neptune nur ein Drittel
so groß sind wie Jupiter. Für COROT sollte die Beobachtung eines Neptun-Transits überhaupt kein Problem sein, deshalb
 Heiße Neptune: Die Planeten µ Arae
b, 55 Cancri e und GJ 436 b sind vermutlich Heiße Neptune, mit denen der Test
durchgeführt werden kann. Gliese 876
d ist es sehr wahrscheinlich auch. Die
Masse Heißer Neptune ist so groß, dass
sie Gas aus dem Nebel aufsammeln würden, so lange noch etwas davon vorhanden ist. Wenn aber ein solcher Heißer
Neptun weit draußen entsteht, als kühler Proto-Neptun, und danach nach innen migriert, dann muss zu diesem Zeitpunkt noch eine Gas- und Staubscheibe
vorhanden sein, die mindestens so viel
Masse enthält wie er selbst. Anderenfalls

Abb. 9: Der Ausdünnungseffekt
der Migration. Ein Planetensystem entsteht jenseits der Eisgrenze (rechts). Die Planeten
stehen dicht, im Abstand von
einigen Hill-Radien, so wie im
Sonnensystem. Anschließend migrieren sie einwärts. Die weiter
innen startenden Planeten sind
schneller und legen in einem
bestimmten Zeitraum eine größere Strecke zurück als ihre Geschwister weiter draußen. Nach
der Migration sind die Abstände
vergrößert, das System ist nicht
mehr dicht.
Dichtes System entsteht
1 AE
Innen migrieren Planeten rascher
Zeit
nach zu hoch: Es sind zu viele Zusatzannahmen nötig.
Ich bevorzuge eine andere Erklärung.
Für mich ist das Sonnensystem nicht
einfach wegzuwischen: Da gibt es keine
Spur einer dramatischen Migration der
Gasplaneten, schon gar nicht nach innen. Daraus schließe ich, dass irgendwo
in den vielen Näherungen und Idealisierungen der Migrationsrechnungen der
Wurm steckt. Ich nehme deshalb an, dass
die Migrationsgeschwindigkeiten stark
überschätzt werden. Tatsächlich gibt es
Unklarheiten sogar über die Richtung
der Migration, und die Geschwindigkeiten wurden unter gewissen Umständen
bereits um Faktoren von bis zu 30 nach
unten korrigiert. Selbst in den Migrationsrechnungen, welche die Entstehung
der Exoplaneten erklären sollen, werden
bereits routinemäßig ad-hoc-Faktoren an
den Geschwindigkeiten angebracht, weil
der Mechanismus zu effektiv ist.
Ich vermute, dass die Migration aufgrund der Wechselwirkung zwischen
Planet und Scheibe viel ineffizienter oder
kurzzeitiger ist als angenommen, und
dass die Planeten nicht so weit herum
kommen. Konsequenterweise muss ich
dann die Annahme fallen lassen, dass
alle protoplanetaren Scheiben so aufgebaut sind wie unser Sonnennebel. Wenn
nahe an dem Stern genug Material vorhanden ist, lässt sich zeigen, dass Gasplaneten dort problemlos wachsen können.
Die entscheidende Frage ist dann einfach:
War wirklich genügend viel Material vorhanden? Niemand kann das derzeit beantworten.
Kehren wir aber zurück zum Sonnensystem. War da genügend viel Material
an jedem Ort vorhanden? Unsere Entstehungsmodelle für das Sonnensystem
nehmen das bisher auch einfach an. Der
ursprüngliche Nebel wird aus dem rekonstruiert, was wir heute vorfinden. Die Rekonstruktion ist plausibel, weil bei jungen
Sternen Gas- und Staubscheiben mit entsprechenden Massen gefunden werden.
Aber um festzustellen, wo genau das Material innerhalb eines Gebiets vom Ausmaß des Sonnensystems liegt, reichen die
Teleskope nicht aus.
Wenden wir die gleiche Logik auf die
Pegasi-Planeten an. Wenn wir nach dem
Konzept der Rekonstruktion einen Nebel
für 51 Pegasi konstruieren, dann finden
wir genug Material vor. Es gibt kein Massenproblem, weil der Nebel aus dem rekonstruiert wird, was man benötigt, um
den beobachteten Planeten zu erklären.
Das Problem entsteht erst, wenn versucht
wird, die Entstehung des Pegasi-Planeten
in einem »Sonnensystem-Nebel« zu erklären. Befänden wir uns also in einem System mit Pegasi-Planeten, so wäre unser
Nach dem Ende der Migration ist
das System nicht mehr so dicht
1 AE
Eisgrenze
Abstand vom Stern
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bereiten wir im Rahmen der DLR-Beteiligung an COROT diesen Test vor. Mögliche Heiße Neptune scheinen auch recht
häufig zu sein, denn bis jetzt wurde bei
jedem Stern, der mit der entsprechenden
Genauigkeit vermessen wurde, einer gefunden. Auch im Massenspektrum der
bereits entdeckten Planeten deutet sich da
eine neue Hauptgruppe von Planeten an.
(siehe Abb. 6)
 Der Doppelstern-Schneepflug: HD
188753 ist ein System mit DoppelsternSchneepflug. Genau genommen ist es
ein Dreifachsystem, aber das spielt hier
keine Rolle. Ein Doppelstern umkreist
den Planetenstern so eng, dass er jenseits
der Schneegrenze die Scheibe mit seiner
Schwerkraft regelrecht wegschiebt (siehe Teil 1). Infolgedessen gibt es dort kein
Baumaterial für Planetenkerne. Nach der
Migrationstheorie ist aber genau dieses
Baumaterial jenseits der Schneegrenze
der Vorteil für die Planetenentstehung
weit draußen. Dort sollen sich die Pegasi-Planeten bilden und anschließend zum
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STERNE UND WELTRAUM
Februar 2006
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Stern wandern. Wo es aber kein Baumaterial gibt, entsteht auch kein Planet. Deshalb kann der Planet HD 188753 Ab auch
nicht von dort per Migration an seinen
Ort gelangt sein. Er ist nahe an seinem
Fundort entstanden.
Migrationstheoretiker kontern, dass ja
das Mehrfachsystem vielleicht erst nach
der Planetenentstehung zusammengesetzt wurde. Ich bin gespannt auf solche
Modelle. Allzuoft dürfte es solche Planeten dann aber nicht geben, da zu ihrer Zusammensetzung eine Serie von
bestimmten, nicht gerade wahrscheinlichen Ereignissen nötig ist. Was ist dann
aber mit GJ 86, der ganz ähnliche Verhältnisse zeigt (siehe Teil 1)?
Volle Planetensysteme
Der dritte Test geht vom Sonnensystem
aus. Damit sich ein Planet von einem anderen Planeten einigermaßen unbeeinflusst
bewegen kann, darf er nie in dessen HillSphäre eindringen. Das muss auch umgekehrt gelten – die beiden Sphären dürfen
nicht überlappen. Das bedeutet zum Bei-
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spiel, dass Jupiter und ein weiterer Planet
gleicher Masse in einem gegenseitigen Abstand von mindestens zwei Hill-Radien
Jupiters, das sind 0.7 Astronomische Einheiten, um die Sonne laufen müssten. Zudem müsste noch sichergestellt werden,
dass die Hill-Sphären nicht irgendwann
entlang der elliptischen Bahnen überlappen können – etwa wenn es zu einer Begegnung der Planeten kommt, während
der innere im sonnenfernsten, der äußere im sonnennächsten Punkt seiner Bahn
steht. Unter dieser Bedingung ist aber erst
sichergestellt, dass die Schwerkraft anderer Planeten im Aufenthaltsraum eines
Planeten höchstens gleich jener der Sonne ist. Damit sie immer erheblich geringer bleibt und nur eine kleine Störung
bewirkt, muss der minimale Abstand zu
anderen Planeten noch größer sein. Die
Frage ist, ab welchem Abstand die Störung hinreichend klein wird, sodass die
Bewegung zweier Planetennachbarn über
lange Zeit stabil bleibt.
Der Fall zweier Planeten ist mittlerweile recht genau untersucht. Danach
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Abb. 10: Platzbedarf von Planeten anhand ihrer SchwerkraftEinflußsphären: Im Sonnensystem stehen benachbarte Planeten mindestens 10 Hill-Sphären
voneinander entfernt. Nach unserer Kenntnis von der Dynamik und Stabilität des Sonnensystems ist das so dicht wie nur
möglich. Zum Vergleich sind die
Abstände und Hill-Sphären bekannter Exoplanetensysteme eingezeichnet. Wenn überhaupt ein
Unterschied zum Sonnensystem
besteht, dann der, dass die ExoSysteme noch dichter sind. (Berechnung der Einflussbereiche
von Miriam Backens)
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garantieren Abstände der Bahnen von
jeweils zwei bis vier R Hill permanente
Stabilität. Aber es gibt Hinweise darauf,
dass für mehrere Planeten keine noch
so großen gegenseitigen Abstände permanente Stabilität garantieren. Stabilität über Milliarden Jahre dürfte für das
Sonnensystem zwischen je zwei benachbarten Planetenbahnen einen Abstand von 13 R Hill erfordern. Wegen der
zusätzlichen Bedingungen für die Abstände zu den Resonanzen, also den Orten, an denen zum Beispiel die Umlaufszeiten in rationalen Verhältnissen zueinander stehen, müssen wahrscheinlich noch größere Abstände, etwa 15
R Hill, gefordert werden, damit Planeten
sich gegenseitig auf Dauer nicht ins Gehege kommen.
Klar ist: ein Planet benötigt von allen
Hill-Sphären der Nachbarplaneten einen
minimalen Abstand irgendwo zwischen
2 und 15 Hill-Radien. Wenn er auf einer
elliptischen Bahn um seinen Stern läuft,
muss diese Bedingung auch bei den engsten Begegnungen erfüllt bleiben.
Die Planeten im Sonnensystem sind
so dicht verteilt, dass keine weiteren hineinpassen (siehe »Die Ordnung der Planetenbahnen«, Teil 2, SuW 12/2002, S. 32–
41). Wenn alle Planetensysteme so entstehen wie das Sonnensystem, dann sollten
auch Exoplanetensysteme in diesem Sinne dicht sein. Was passiert aber, wenn
solche Systeme der Migration unterworfen werden? Migration in Richtung auf
den Stern verläuft immer schneller, je näher der Planet dem Stern kommt. Ein
weiter innen umlaufender Planet läuft also wesentlich schneller sternwärts als einer weiter draußen. Der Abstand zwischen zwei Planeten vergrößert sich also
mit der Zeit. Dadurch werden Planetensysteme, die weit außen entstehen, durch
die Migration nach innen wie Käse auseinander gezogen. Ganz außen passiert
wenig und die Planeten kleben praktisch
nahe an ihren Entstehungsorten noch
fest, während die schnellen innen schon
bald am Stern kratzen. Dazu kommt,
dass der Einflussbereich der Schwerkraft
eines Planeten, der bestimmt, wann Planeten »dicht« nebeneinander sitzen, näher am Stern kleiner wird. Die Planeten
müssten sich auf dem Weg nach innen eigentlich aneinander annähern, um dort
wieder ein dichtes System zu bilden.
Nach starker Migration sind also Systeme, die weit außen dicht waren, an ihren endgültigen Orten, also viel weiter innen, nicht mehr dicht. Wie sieht das bei
den bisher bekannten Exo-Systemen aus?
Ihre Dichte kann man am besten dadurch
beurteilen, dass man die Abstände der
Planeten mit ihren gravitativen Einflussbereichen vergleicht. Das Ergebnis ist,
dass die Exo-Systeme mindestens so dicht
sind wie das Sonnensystem (vgl. Abb. 10).
Das spricht dagegen, dass Migration eine
wichtige Rolle spielt.
 HD 149026 b, der kernige Planet: Im
Frühjahr 2005 konnte der Durchgang eines knapp zuvor entdeckten Planeten vor
seinem Zentralstern gemessen werden.
Dabei stellte sich heraus, dass der Planet
für seine Masse von 114 Erdmassen recht
klein ist. Das heißt, seine Dichte ist recht
hoch. Das lässt auf einen Kern aus schweren Elementen von etwa 70 Erdmassen
schließen. Keine der bisherigen Theorien konnte das erklären, weder mit, noch
ohne Migration. Zum besseren Verständnis der Exoplaneten und im Rahmen der
DLR-Beteiligung an COROT haben Christopher Broeg, Bojan Pečnik und Johannes Schönke mit mir eine neue Methode
entwickelt, die offenen Fragen der Planetenentstehung in Angriff zu nehmen. Dabei wird nicht die Entwicklung einzelner
Protoplaneten in bestimmten Nebeln berechnet, sondern aus beliebigen proto-
planetaren Nebel werden alle möglichen
Protoplaneten konstruiert. Das Resultat
sind die Entstehungsbedingungen für alle
denkbaren Planeten und ein Überblick
über alle theoretisch möglichen Planeten.
Hauptziel dieser Arbeiten ist eine Vorhersage des Massenspektrums der Planeten und die Ableitung einer allgemeinen Theorie der Planetenentstehung aus
den Ergebnissen der COROT-Mission. Der
Stern HD 149026 war der erste Test dafür. Christopher Broeg berechnete die
relevanten Entstehungsbedingungen für
den Planeten HD 149026 b und fand einen Protoplaneten, der HD 149026 b in
Kern- und Hüllenmasse genau glich, und
dabei im gleichen Abstand von seinem
Stern stand wie heute HD 149026 b. Damit wurde der Nebel identifiziert, der
den entsprechenden Planeten erzeugen
kann. Anschließend wurde die komplette Entwicklung durchgerechnet und bestätigt, dass HD 149026 b vor Ort wachsen kann. Die neuen Methoden und die
Entstehung vor Ort liefern also die einzige bislang bekannte Erklärung für diesen
Planeten. Ich denke, dass der riesige Kern
auch ein Schlüssel für die Migrationsfrage sein wird: Alle bisherigen Rechnungen
ergeben, dass die für die Entstehung von
Gasplaneten weiter draußen nötigen Kerne um die zehn Erdmassen groß sind. Es
ist deshalb völlig unklar, wie weitab vom
Stern ein Kern zu der enormen Größe desjenigen von HD 149026 b wachsen sollte,
ohne schon vorher eine riesige, mindestens doppelt so große Gashülle anzusammeln. Wenn Migration doch dominiert,
ist HD 149026 b der seltsamste Planet, der
je gefunden wurde.
Auf dem Weg zu 1000 Planeten
Wir kennen noch immer relativ wenige
Planeten – es sind die »hellen« Exemplare der Planetendämmerung, jene, die vergleichsweise leicht zu finden waren. Doch
die Vielfalt der Planeten ist groß und wir
benötigen deshalb viel mehr Planeten,
um die wesentlichen Gesetzmäßigkeiten
ihrer Klasse zu erkennen. Die meisten
Forscher im Exoplaneten-Kreis rechnen
damit, dass bis zum Jahr 2010 tausend
Exoplaneten bekannt sein werden. Wohin gehen die Trends, und was sind die
nächsten Schritte bis dahin?
 Die Rückkehr zum Sonnensystem:
Eine wichtige Frage ist die der Bahnformen. Die Exzentrizitäten der Planeten
beginnen sich langsam statistisch von jenen der Doppelsterne zu unterscheiden:
niedrige Exzentrizitäten der Exoplaneten
sind bei größeren Umlaufszeiten häufiger als es bei Doppelsternen der Fall ist.
Die Werte unterhalb der Exzentrizität der
Umlaufsbahn Merkurs von 0.2 beginnen
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sich zu füllen (siehe Abb. 4 und 8). Das
Sonnensystem beginnt in die Vielfalt der
Bahnformen der Exoplaneten einzutauchen. Der große Exzentriker aus dem Jahre
2001, HD 80606 b mit seinem fast kometenhaften Wert von 0.927 ist ein Einzelfall geblieben. Solche extremen Exzentrizitäten können vermutlich nicht aus
der Entstehungstheorie erklärt werden,
wahrscheinlich sind sie das Ergebnis von
Wechselwirkungen mit Begleitern oder
von »schweren Jungs« unter den Planeten
miteinander. Die massereichen unter den
Planeten sind auch leichter zu finden, sodass das eine natürliche Erklärung für die
»Exzentriker« wäre.
Auch bei den Planetenmassen geht der
Trend in Richtung Sonnensystem, genauer: in Richtung Jupitermasse. Die meisten
bekannten Exoplaneten liegen nun bei
der ein- bis zweifachen Masse Jupiters,
die Hälfte darunter. Um die Superplaneten
wie 70 Vir b, mit mehr als sieben Jupitermassen ist es still geworden. Weniger als
zehn Prozent der Exoplaneten gehören
zu diesen Schwergewichten. Noch immer steigt die Anzahl der Exoplaneten zu
kleinen Massen steil an – und das, obwohl
die Messungen in den letzten Jahren immer genauer wurden, eine Häufung der
Exoplaneten bei größeren Massen also
längst erfasst werden könnte, und bei
kleinen Massen die Entdeckungen eigentlich am schwierigsten sind. Mit den neuen hochgenauen Suchprogrammen werden (unterhalb der Jupitermasse) offenbar
gleichmäßig bei allen Massen (siehe Abb.
6) Planeten gefunden, bis hinunter zur
gegenwärtigen Nachweisgrenze bei den
Neptun-ähnlichen Planeten .
 Erdähnliche Planeten: Der nächste entscheidende Schritt bei der Entdeckung der Exoplaneten wird der Vorstoß in den Bereich erdähnlicher Planeten sein. Das wird voraussichtlich zuerst
mit Hilfe hochgenauer Messungen von
Helligkeitsänderungen von Sternen bei
Planetendurchgängen erfolgen. Von der
Erde aus ist die Genauigkeit solcher Messungen durch die Atmosphäre etwa auf
Saturnmasse begrenzt, und es ist nicht
einfach, viele Sterne ununterbrochen zu
überwachen. Die geplanten Weltraumteleskope COROT und K EPLER vermeiden
atmosphärische Störungen und werden
über 150 Tage, beziehungsweise mehrere Jahre hinweg, ununterbrochen auf
dieselben Sterne blicken können. So
kann kein Planet in einem unbeobachteten Moment vor seinem Stern vorbeihuschen.
Internetadressen und Literaturhinweis
Die Enzyklopädie der extrasolaren Planeten: http://vo.obspm.fr/exoplane
tes/encyclo/
Massen und Bahnen bekannter Exoplaneten: http://exoplanets.org/alma
nacframe.html
Allgemein verständliche Einführung
zu Exoplaneten: http://www.time
warp-radio.de/Planeten/Exopla
nets/exoplanets.html
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Der Satellit COROT: http://corot.de und
http://smsc.cnes.fr/corot/
Der Satellit KEPLER: http://www.kepler.
arc.nasa.gov/
SuW-Dossier 1/2004 – Planetensysteme. Verlag Spektrum der Wissenschaft, 104 Seiten mit zahlreichen
Farbabbildungen und Graphiken.
ISBN 3-936278-77-6.
Abb. 11: Das Weltraumteleskop
COROT ist ein Projekt der französischen Weltraumagentur CNES,
unter Beteiligung Österreichs,
Deutschlands und einer Reihe
weiterer europäischer Länder sowie der ESA. Deutschland ist mit
dem DLR an dem Projekt beteiligt.
Zuerst wird das unter Federführung
der CNES entwickelte Weltraumteleskop
COROT (Abb. 11) starten, voraussichtlich
im Oktober 2006, dann, zwei Jahre später, soll KEPLER (NASA) im Juni 2008 folgen.
COROT ist durch seine hochgenaue Photometrie für Durchgänge von Planeten vor
ihrem Zentralstern bis hinunter zu Erdradien empfindlich und für den Nachweis großer terrestrischer Planeten mit
Umlaufszeiten bis zu 50 Tagen ausgelegt.
KEPLER wird mit seiner langen Beobachtungszeit eines einzelnen, riesigen Sternfelds im Sternbild Schwan auch erdähnliche Planeten mit Umlaufszeiten von einem Jahr, also im Erdorbit erreichen – das
wäre die Brücke zur Exo-Erde.
Bei einem Blindtest mit Simulationen
des Instruments auf COROT, der vorgesehenen Sternfelder und der Störsignale,
wie sie etwa von Sternflecken verursacht
werden, konnten noch Planeten mit 1.6
Erdradien eindeutig nachgewiesen werden. Damit kommt nicht nur schlagartig
das gesamte Massenspektrum der Gasplaneten in den Nachweisbereich, sondern auch der Übergang zu den terrestrischen Planeten. Eigentlich hat die Suche
schon begonnen, denn mit dem Berliner
Exoplaneten-Suchteleskop (BEST) werden
vom Observatoire de l’Haute Provence,
wo vor zehn Jahren mit 51 Pegasi b die
Geschichte der Planeten anderer Sterne
begann, und dem Tautenburger Exoplaneten-Suchteleskop (TEST), die für COROT
ausgewählten Sternfelder bereits vorbeobachtet. Mit dem Ende des ersten Jupiterjahres nach 51 Pegasi b, am 14. August
2007, könnten wir einen Exo-Jupiter und
einen ersten terrestrischen Exoplaneten
haben. Die Chancen stehen gut.
□
Günther Wuchterl arbeitet an der Universitäts-Sternwarte Jena
an der Theorie der
Stern- und Planetenentstehung. Für das
DLR ist er an der Vorbereitung der Suche
nach Exoplaneten mit
dem Weltraumteleskop
COROT beteiligt. Gemeinsam mit dem Verein Kuffner-Sternwarte erreichte er die Rettung und Erhaltung der historischen Wiener Sternwarte.
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