����������� ��� � ��� � ����������� �� �� ����������� �� �� ����������� �������� �� �� ��������� ������������������ �� �� �� �� �������� �� �� �������������� ����������� �������������� �� �� ��������� ���������� ��������� �� �� ��������� ��������� ���������� �� �� � �� ����������� ������������������ � �� � � � � � � �������� �� �� � � �� �� � � �� �� � ��� ��������� ����� ����� � ��������� � STERNE UND WELTRAUM � Februar 2006 � ����������� �� �� � � � � � ���� ����� ����� � � � ����������� �������������� � 32 � ������ ���� ������������������ �� THEMEN DER WISSENSCHAFT Didaktisches Material zu diesem Beitrag: www.wissenschaft-schulen.de Abb. 1: 171 der bislang entdeckten Exoplaneten sind hier in der Reihenfolge ihrer Entdeckung von unten nach oben abgebildet. An der horizontalen Achse lässt sich der Abstand zum jeweiligen Zentralgestirn ablesen, die Tiefe entspricht ihrer Bahnexzentrizität und der Durchmesser zeigt ihre Masse an. Planetendämmerung Teil 2: Die Konsequenzen VON GÜNTHER WUCHTERL Wir wissen heute, dass es bei anderen Sternen viele Planeten gibt. Aber haben wir die typischen Planeten schon gefunden? Sind unsere Messmethoden dafür bereits gut genug? Haben wir schon hinreichend sorgfältig gesucht? Wenn die bekannten Exoplaneten die typischen sind, haben wir dann die Planetenentstehung im Allgemeinen verstanden? Oder sind die typischen Planeten die Planeten unseres Sonnensystems? Ist das Sonnensystem typisch? Würden wir heute ein zweites Sonnensystem finden? Was wir von einem zweiten Sonnensystem zuerst bemerken könnten, wäre ein Exo-Jupiter. Seine Schwerkraft würde sich als Geschwindigkeitsänderungen des Muttersterns am stärksten bemerkbar machen. Saturn ist in jeder Hinsicht zehnmal so schwer zu finden, der Rest des Sonnensystems ist eine eigene Herausforderung – dazu später. Können wir also einen Jupiter unter den Exoplaneten finden? Jupiters Umlaufszeit beträgt 11.9 Jahre. Derzeit gibt es einen einzigen Exoplaneten mit längerer Umlaufszeit (Abb. 2): 55 Cancri d umläuft seinen Zentralstern in einem Abstand von 5.3 Astronomischen Einheiten innerhalb von etwas mehr als 12 Jahren. Seine Masse ist mindestens 3.9-mal so groß wie jene Jupiters. Der Exoplanet mit der zweitlängsten Umlaufszeit findet sich erst bei 8.7 Jahren und bringt ebenfalls mindestens drei Jupitermassen auf die Waage. Insgesamt liegen zu bemerken, muss etwa ein Umlauf lang beobachtet werden. 55 Cancri d war erst im Juni 2002 andeutungsweise erkennbar, und erst im vergangenen Jahr konnten seine heute bekannten Eigenschaften bestimmt werden – Masse, Umlaufszeit und Exzentrizität. Am 14. August 2007 wird seit der Veröffentlichung der Entdeckung von 51 Pegasi b genau ein Jupiterjahr vergangen sein. Dann ist mit dem ersten »zwölfjährigen« Planeten mit Jupitermasse zu rechnen! In vieler Hinsicht gehören die heutigen zehnjährigen Planeten, also diejenigen mit zehn Jahren Umlaufszeit, zu den viertägigen der ersten Entdeckungsphase von 1995. Die Entdeckung der viertä Erstmals kennen wir heute 18 Planetensysteme und können einen Vergleich mit dem Sonnensystem versuchen. Der Vergleich ist nicht einfach, weil wir das Sonnensystem viel besser kennen als die ExoSysteme. Selbst im Sonnensystem hat es Jahrtausende gedauert, bis ein einigermaßen komplettes Inventar vorlag. Auf der Suche nach einem ausgewogenen Vergleich beginne ich mit dem Versuch, ein hypothetisches Exo-Sonnensystem aufzuspüren, das unserem möglichst vollständig gleicht. die Perioden von vier Exoplaneten zwischen acht und neun Jahren, ihre Massen betragen allesamt mehr als das Doppelte der Jupitermasse, und ihre Exzentrizitäten typischerweise zehnmal so hoch wie diejenige Jupiters. Der vielleicht am besten mit Jupiter vergleichbare Planet ist 47 Ursae Majoris c – seine Mindestmasse beträgt 0.76 Jupitermassen, und liegt daher höchstwahrscheinlich nahe bei einer Jupitermasse. Mit der Exzentrizität e = 0.1 ist seine Bahn schon kreisförmiger als diejenige des Merkur und nahe an der Marsbahn (e = 0.093), ist aber elliptischer als jene von Jupiter (e = 0.048), vgl. Abb. 3 und Abb. 4. Aber seine Umlaufszeit liegt mit sieben Jahren doch deutlich unterhalb jener Jupiters, und er ist seinem Stern deutlich näher. Jupiters Zwillinge sind also noch nicht gefunden. Das liegt nicht daran, dass es diese Zwillinge nicht gibt, sondern daran, wie und vor allem wie lange bisher nach Planeten gesucht wurde. Zehn Jahre sind seit der Entdeckung von 51 Pegasi b vergangen. Deshalb liegen alle Umlaufszeiten entdeckter Exoplaneten unterhalb dieses maximalen Beobachtungszeitraums. Die einzige Ausnahme ist 55 Cancri d, und dessen Stern wurde schon vor 51 Pegasi b beobachtet, ohne den Planeten zu bemerken. Um einen unsichtbaren Planeten Abb. 2: Die Anzahl der entdeckten Exoplaneten, geordnet nach Umlaufszeiten. Die Pegasi-Planeten besitzen Umlaufszeiten von wenigen Tagen. Der Anstieg der Planetenanzahl bis nahe an 1000 Tage deutet auf immer mehr große Planeten mit Umlaufszeiten bis zu einigen Jahren hin. Bei ganz langen Perioden sind die Ergebnisse nicht vollständig, weil noch nicht lange genug gesucht wurde, um weit vom Stern entfernte Planeten nachzuweisen. 35 30 Anzahl der Exoplaneten E igentlich ist es noch zu früh, um aus den Eigenschaften der Exoplaneten allgemeine Schlüsse zu ziehen. Aber trotzdem ist es spannend, zu spekulieren und zu prüfen, was sich in den bisher gesammelten Daten über die Population der Exoplaneten abzuzeichnen beginnt. 25 20 15 10 5 0 1 2 4 10 20 40 100 200 400 1000 2000 4000 Umlaufszeit [Tage] STERNE UND WELTRAUM 104 Februar 2006 33 Mars 47 UMa c Jupiter 55 Cnc d Abb. 3: Vergleich der Bahnen von 55 Cancri d, 47 UMa c, und Jupiter. Die Massen der Planeten sind proportional zu den Größen der Symbole. Abb. 4: Exzentrizitäten der Exoplaneten nach Entdeckungszeit. Die Exzentrizitäten waren zunächst nicht von jenen der Doppelsterne unterscheidbar, die typischerweise bei e = 0.4 liegen. Bei den neueren Entdeckungen (rechts) zeichnet sich erstmals eine Häufung bei niedrigen Werten, ähnlich wie im Sonnensystem, ab. ��� ��� ��� ��� ��� ��� ������� ������ ��� ��� ���� � �������� 34 ���� ���� ���� ���� ���� ���� �������������������������� Abb. 5: Einrunder – Exoplaneten, die jeweils gleichzeitig ihre erste beobachtete Runde begonnen haben. Jede Entdeckung wird beim Datum des rückgerechneten Beginns des ersten bekannten Umlaufs eingetragen. Das ergibt einen besseren Vergleich der zu jedem Datum bekannten Planeten. Es wird deutlich, dass Pegasi-Planeten nicht dominieren, und bei Annäherung an Jupiters Umlaufszeit von 12 Jahren deutet sich eine Häufung an. STERNE UND WELTRAUM Februar 2006 ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ������ ��� ����������������������������������� ������������� ��� Erdähnliche Planeten: Wenn das Sonnensystem typisch ist, sollten Exoplanetensysteme auch erdähnliche Planeten enthalten. Im Falle von Exo-Erden spielt die Umlaufszeit für den Nachweis keine so kritische Rolle. Alle erdähnlichen Planeten erledigen nämlich in zehn Jahren mehrere Umläufe. Das Problem sind die kleinen Massen: Erde und Venus bringen nur einige Promille der Jupitermasse auf die Waage. Die Entscheidung über ihren Nachweis fällt daher über die Massennachweisgrenze. Die nachgewiesenen Mindestmassen für Exoplaneten sind in Abb. 6 dargestellt. In zehn Jahren wurde die Grenze bei den Entdeckungen mit Hilfe von Radialgeschwindigkeitsmessungen von etwa einer Saturnmasse im Jahre 1995 um einen Faktor 20 nach unten geschraubt. Heute sind Planeten mit weniger als zehn Erdmassen in Reichweite. Setzt sich der ���� ������� Merkur Erde Tagen und ein paar verstreute bis zu hundert Tagen. Das ist die »Ernte« der letzten Beobachtungssaison, wo erstmals die Resultate einer Reihe neuer Instrumente und Suchprogramme eingehen. Diese Programme überwachen nun mehrere tausend Sterne auf der Suche nach Planeten, im Vergleich zu den mehreren hundert in der vergangenen Dekade. Aber die neuen Suchen laufen noch nicht lange genug, um die Ein- bis Zwölfjährigen bei etwa 400 bis 5000 Tagen nachweisen zu können. Ein Exo-Saturn ist noch viel schwieriger zu finden als ein Exo-Jupiter. Ihn nachzuweisen, erfordert die gut vierfache Messgenauigkeit und mehr als 30 Jahre Überwachungszeit. Insgesamt ist ein Faktor 45 nötig, um mit den gegenwärtigen Methoden an Exo-Systeme heranzukommen, die dem äußeren Sonnensystem gleichen, sowie ein Beobachtungszeitraum von 170 Jahren. Deshalb wird die Entdeckung eines äußeren ExoSonnensystems wahrscheinlich neuen Methoden vorbehalten bleiben, wie der direkten Abbildung und modernen Methoden der Positionsmessung. ���� Venus gigen dauert eben nur vier Tage, die der zehnjährigen dagegen zehn Jahre. Um eine Vorstellung zu bekommen, wie die Planetenpopulation aussehen würde, wenn man die Daten um diesen Effekt bereinigt, sehen wir uns alle Planeten an, deren erster bekannter Umlauf zur gleichen Zeit begonnen hat – etwa am 1. Oktober 1995, als 51 Pegasi b bekannt gegeben wurde (Abb. 5). Wir suchen zu jedem Datum immer die entsprechenden Einrunder. Das sind diejenigen bekannten Planeten, die ihren ersten beobachteten Umlauf (in etwa) zum gleichen Datum begannen. Das heißt, die Planeten werden jeweils einen Umlauf vor ihrem Entdeckungsdatum eingezeichnet. Damit wird ausgeglichen, dass kurzperiodische Planeten schneller zu entdecken sind als langperiodische. Das Bild, das sich in Abb. 5 zeigt, sieht völlig anders aus als die Geschichte, die wir alle kennen. Zuerst tauchen Planeten bei Umlaufszeiten von einigen hundert Tagen auf, wo sie sich im Laufe der Jahre bald häufen. Der erste bei einem Stern entdeckte Planet wäre dann 55 Cancri d, also der mit der längsten Umlaufszeit. Erst später, mit wachsender Zahl der Entdeckungen kommt die Population der Pegasi-Planeten unterhalb von zehn Tagen deutlich heraus. Gegen 2005 sehen wir nur mehr einen Haufen von Planeten nahe am Stern mit Perioden von wenigen ���� ���� ���� � �� ��� ������������������� ���� ����� Abb. 6: Anzahl der bekannten Exoplaneten, nach ihrer Masse geordnet. 30 Abb. 7: Bahnen und Massen im Pulsarplanetensystem PSRB1257+12 b, c, d im Vergleich zum inneren Sonnensystem. Die Exzentrizitäten sind zehnfach überhöht. Die Größe der Punkte ist proportional zu den Planetenmassen. Anzahl der Exoplaneten 25 20 15 10 5 0 0 500 1000 1500 2000 Masse [Erdmassen] Trend fort, so wäre 2008 eine Erdmasse nachweisbar! Heute sind diese Messungen aber noch deutlich vom Nachweis eines Planeten entfernt, der jenen des inneren Sonnensystems ähnelt. Die meisten Werte liegen bei wenigen Jupitermassen und darunter. Nahe an der Grenze zu Braunen Zwergen, bei etwa 13 Jupitermassen, gibt es praktisch keine Planeten. Das ist ein Hinweis darauf, dass Planeten und Braune Zwerge zwei völlig unterschiedlichen Gruppen angehören. Obwohl die kleinsten Massen am schwierigsten nachzuweisen sind, steigt die Anzahl der bekannten Planeten in Richtung abnehmender Masse lange an. Selbst bei den kleinsten nachgewiesenen Massen, die Genauigkeiten erfordern, die noch selten erreicht werden, gibt es anscheinend gleichmäßig viele Planeten. Die Schlussfolgerung ist klar: Selbst bei den bestbeobachteten Sternen sind wir noch nicht in der Lage, Planeten nachzuweisen, wenn ihre Bahnen und Massen jenen der Erde oder des Jupiter gleichen. Wir haben die ersten 170 Exoplaneten schon jetzt gefunden, weil sie ganz anders sind als die Planeten im Sonnensystem. Doch ein kleines Stückchen Information haben wir noch: Das Planetensystem des Pulsars PSR-1257+12. Es wurde auf Grund von Geschwindigkeitsmessungen mit Radiopulsen nachgewiesen. Diese Methode erzielt eine überragende Genauigkeit, die es erlaubt, selbst die Masse eines einzelnen Objekts von AsteroidenGröße im Pulsar-Orbit nachzuweisen. Damit sind wir in der Lage, wie im Sonnensystem bis unter die Grenze der Planetenmassen zu gelangen. Und das Pulsarsystem zeigt alle Eigenschaften unseres Planetensystems (Abb. 7): Es gibt dort terrestrische Planeten mit wenigen Erdmassen, und der kleinste Körper hat 1/50 Erdmasse, vergleichbar mit der Mondmasse! Die Bahnen sind kreisähnlicher als jene von Merkur, Mars, Jupiter, Saturn und Uranus. Das heißt, in dem einen Fall, in dem die überragende Messgenauigkeit bei weitem ausreicht, um Sonnensystem- 2500 3000 ähnliche Planetensysteme nachzuweisen, finden wir ein System, das in allen untersuchten Eigenschaften dem Sonnensystem gleicht. Das ist zumindest ein Hinweis darauf, dass das Sonnensystem ein typisches Planetensystem sein könnte! Erde Venus B1257+12 Verstehen wir die Planetenentstehung? Für das Verständnis der Exoplaneten sind vor allem zwei Fragen wichtig: 1. Welche Massen sind für Planeten aus dem Entstehungsprozess zu erwarten? 2. Welche der entstandenen Planetensysteme sind so stabil, dass sie Milliarden Jahre überdauern können? Denn nur solche Planetensysteme können bei den Sternen am Himmel angetroffen werden, deren Alter dem typischen Alter der meisten Sterne entspricht. Entstehungstheorie des Sonnensystems ohne Exoplaneten: Vor der Entdeckung der Exoplaneten waren die nahezu kreisförmigen Bahnen im Sonnensystem ein letztlich ungeklärtes Rätsel der Planetenentstehung. Sie sind es nach wie vor. Die Modelle für das Wachstum der Planeten sagen nämlich in den Endphasen deutlich elliptischere Bahnen vorher, als sie im Sonnensystem anzutreffen sind. Um das Sonnensystem zu erklären, muss es einen noch unbekannten Mechanismus geben, der elliptische Bahnen kreisförmiger macht. Klarerweise war damit aber auch die Frage offen, wie weit verbreitet Kreisbahnen sein würden. Es gab Versuche, die Planetenmassen dadurch zu erklären, dass sich gegen Ende des Wachstums Lücken in den protoplanetaren Scheiben bilden würden, die ein weiteres Wachstum verhindern. Aber die Werte für die so ermittelten Grenzmassen von Planeten hingen von unbekannten und praktisch unbestimmbaren Eigenschaften der protoplanetaren Scheibe ab. Außerdem ergab sich bei einer Anpassung der Jupitermasse eine falsche Saturnmasse. Die Massen von Planeten würden sicherlich bis zur Jupitermasse b c d Merkur reichen, aber eine Obergrenze war nicht bestimmbar. Das war ein Hinweis auf die Möglichkeit größerer Massen, aber niemand spekulierte über konkrete Werte. Die Planeten sollten auch im Wesentlichen wie im Sonnensystem angeordnet sein, mit den erdähnlichen weiter innen, weil dort weniger Staub vorhanden sein würde, um Planetenkerne groß genug wachen zu lassen, damit Gas aus der zirkumstellaren Scheibe zu Gasplaneten gebunden werden könnte. Was dann kam, war viel überraschender als unser Nichtwissen erwarten ließ – die viertägigen Pegasi-Planeten, sowie Exzentriker mit sehr lang gezogenen elliptischen Bahnen, und gleichzeitig Superplaneten mit mehr als acht Jupitermassen. Seltsame Planeten und seltsame Theorien Die Pegasi-Planeten: Nach der Entdeckung von 51 Pegasi b ergab sich aus theoretischen Überlegungen rasch, dass der Planet in seiner Bahn stabil war. Er würde weder während der bisherigen Entwicklungsgeschichte des Sterns verdampfen, noch in den Stern hineinspiralen. Die starken Gezeitenkräfte würden eine periodische Entfernung und Annäherung an den Stern bremsen und so seine Bahn rasch kreisförmig machen – ein Effekt, der auch von Doppelsternen gut bekannt ist. Die Kreisbahn war also in diesem Fall STERNE UND WELTRAUM Februar 2006 35 Migration – oder was? Wenn man einen Planeten aus dem Jupiter-Abstand, von 5.2 Astronomischen Einheiten in die Bahn von 51 Pegasi b bringen möchte, benötigt man einen Transportmechanismus, also einen physikalischen Prozess, der den mittleren Abstand der Planeten von ihrem Zentralstern ändert. Seit der Entdeckung der Pegasi-Planeten hat sich dafür der Ausdruck Planetenmigration oder einfach Migration verbreitet. Solche Prozesse sind nichts Außergewöhnliches. Nur ein einzelner Planet hat einen konstanten mittleren Abstand von seinem Stern. Viele dieser Prozesse spielen bei der Entstehung des Sonnensystems eine große Rolle. So entstehen die beiden Kometenspeicher des Sonnensystems, jenseits Neptuns und in der Oortschen Kometenwolke, dadurch, dass die überzähligen Planetenbausteine von den Gasplaneten des Sonnensystems nach außen befördert werden. Sie können auch nach innen befördert werden: In dieser Richtung sind aber die Spuren solcher Prozesse praktisch verwischt. Denn die meisten der einwärts migrierten Kometen werden in der Sonne versenkt und versengt, und wir sehen nichts mehr davon; die Übrigen stoßen mit Planeten zusammen und könnten zum Beispiel auf der Erde für maximal 15 Prozent des Ozeanwassers verantwortlich sein. Es ist also auch kein Problem, um einen Faktor hundert näher an die Sonne heran zu kommen. Auch die erdnahen Kleinplaneten »migrieren« aus dem Hauptgürtel auf uns zu. Alle diese Migrationsprozesse betreffen die sehr kleinen Körper, die von den großen »herumgestoßen« werden: Eine Auswärts-Wanderung von Uranus und Neptun ist wahrscheinlich für die Anhäufung der Plutinos inklusive Pluto verant36 STERNE UND WELTRAUM Februar 2006 ��� ��� ��� ��� ������������� ��� ��� ��� ��� ������ ��� ���� ��� � � �� ��� ������������������� wortlich, die bei jenen Umlaufszeiten zu finden ist, die im Verhältnis 2:3 zu Neptuns Umlaufzeit stehen. Pluto ist also quasi Zeuge dafür, dass es im frühen Sonnensystem eine Migration großer Körper gab. Aber sie war schwach und nach außen gerichtet! Wie sollten Planeten wie Jupiter als Ganzes um einen Faktor hundert nach innen wandern, um die Umlaufbahn von 51 Pegasi zu erreichen? Zwar können viele Kleine auch einen Großen bewegen, aber um Planeten herumzustoßen, ist eine Menge Material nötig! Eine Möglichkeit besteht darin, für jeden Pegasi-Planeten eine ganze Menge großer Planeten zu postulieren, die dann so lange untereinander Billard spielen, bis einer von ihnen nahe am Stern landet und später als Pegasi-Planet gefunden werden kann. Dagegen spricht inzwischen, dass es Pegasi-Planeten nicht nur bei wenigen Tagen Umlaufszeit gibt, wo ihre Bahnen wie bei Doppelsternen automatisch kreisförmig werden, sondern auch weiter draußen, wo der Mechanismus stark elliptische, fast kometenähnliche Bahnen erwarten ließe, die aber nicht gefunden werden (Abb. 8). Warum viele der Exoplanetenbahnen ähnlich elliptisch sind wie jene von Doppelsternen, ist nicht klar. Aus dem Entstehungsprozess ist das nicht zu erklären, der Effekt wird vermutlich von Wechselwirkungen mit anderen, auch stellaren, Begleitern verursacht. Die andere Möglichkeit, Migration zu treiben, nutzt die Wechselwirkungen zwischen den Planeten und den Gasscheiben, aus denen sie entstehen (siehe S. 22 ff. in diesem Heft). Der Mechanismus war zwar schon vor 1995 bekannt, aber niemand nahm ihn ernst, weil die daraus abgeleiteten Wandergeschwindigkeiten zum Stern hin rasch zunehmen. Wehe dem Planeten, der nach innen zu wandern begänne, er würde bald auf dem Weg in den Stern sein. Seit der Mechanismus für die Pegasi-Planeten vorschlagen wurde, sind die Reparaturarbeiten an diesem Problem im Gange. Zuerst hieß es einfach, dass die ge- ein Ergebnis der Geschichte des Planeten und einer Stabilisierung seiner Bahn, weniger ein Entstehungseffekt. 51 Pegasi b war vor allem deshalb der erste seltsame Planet, weil protoplanetare Scheiben, die dem Sonnennebel (d. h. der zirkumsolaren Scheibe aus Gas und Staub, aus der unser Planetensystem entstanden ist) ähneln, in seinem Abstand zum Zentralstern nicht genügend viel Material enthalten, um einen Planeten zu bauen. Zwei Erklärungen für den gefundenen sternnahen Gasplaneten liegen auf der Hand. Entweder musste er dort entstanden sein, wo nach unseren Erfahrungen aus dem Sonnensystem genug Material für die Entstehung von Gasplaneten vorhanden ist, also ab der Jupiterbahn, und anschließend irgendwie nach innen gelangt sein, oder nicht alle protoplanetaren Nebel waren ähnlich wie der Sonnennebel aufgebaut. ������� ���� �� ��� Abb. 8: Die Exzentrizität der Exoplaneten als Funktion ihrer Periode. fundenen Planeten die letzten Überlebenden eines planetaren Massakers sind, bei dem ganze Serien von Planeten in ihren Muttersternen verschwinden. Letztlich beruhigt sich die Sache doch und die letzten Planeten bleiben in ihren Bahnen hängen. Dann müssten aber weiter draußen die Planeten häufiger sein, weil sie dort langsamer wandern. Tatsächlich häufen sie sich aber bei Umlaufszeiten zwischen einem und zehn Tagen (Abb. 2). Außerdem müssten die Planetenleichen die äußeren Schichten der Sterne verschmutzen, die Photosphären der Sterne mit dünnen Konvektionszonen sollten mit den Planetenresten angereichert sein. Davon gibt es aber keine Spur. Die Geister der Migration: Das heißt, es müssen die Geister der Migration, die gerufen wurden, nun irgendwie auch davongejagt werden. Das Stichwort lautet Parkmechanismus. Zunächst dachte man an Effekte nahe beim Stern, etwa an einen Innenrand der Scheibe. Aber inzwischen finden sich Gasplaneten bei allen Sternabständen, sodass die Migration an praktisch allen Orten ausgebremst werden müsste. Dies geschieht in der »theoretischen Praxis« durch Variation einer Unzahl von Parametern, die in die Migrationsrechnungen eingehen. Wenn alle Stricke reißen, nimmt man einfach an, dass der protoplanetare Nebel, der die Migration treibt, rechtzeitig entfernt wird – dann stoppen die Planeten. Die Migrationstheorie erinnert mich an die Rettung der Phänomene mit Hilfe der Epizyklen. Die Planeten durchliefen am Himmel ihre Schleifen, sie sollten sich aber auf Kreisen um die Erde drehen – also mussten immer mehr Kreise her, um die Beobachtungen zu erklären. Genauso rettet die Migrationstheorie die Erklärung der Exoplaneten, aber der Preis ist meiner Meinung Nebel der passende Nebel, und niemand würde Pegasi-Planeten seltsam finden. Statt uns mit vielen Schwierigkeiten herumzuschlagen, wie man die Migration stoppt, müssen wir uns einfach von der Idee verabschieden, dass alle Planetensysteme aus Nebeln stammen, die so aussehen, wie wir uns unseren solaren Urnebel vorstellen. Es ist also eine Art kosmogonischer Heliozentrismus, der das Problem erzeugt. Wir sollten uns davon verabschieden, es wäre nicht das erste Mal. Migration oder nicht Migration? Diese Frage wird wohl kaum in nächster Zeit theoretisch geklärt werden. Stattdessen habe ich drei empirische Tests für die Migrationstheorie vorgeschlagen: 1. Die Existenz »Heißer Neptune«, das heißt solcher Planeten, welche die Masse Neptuns besitzen, aber ihren Zentralstern auf sehr engen Bahnen, mit Perioden von wenigen Tagen umkreisen, 2. die Existenz von Planeten in engen Doppelsternsystemen, 3. die dynamische Vollheit von Planetensystemen. Inzwischen kennen wir für alle diese Tests Planeten am Himmel, mit denen sie durchgeführt werden können. ist die Wechselwirkung Planet-Scheibe zu ineffizient, und die Migration funktioniert nicht. Der Neptun muss durch diese Scheibe hindurch in Richtung Stern wandern. Aufgrund seiner Masse sammelt er dabei Material auf, und zwar sehr effektiv. Am Ziel angelangt, hat er dann mindestens die doppelte Masse eines Proto-Neptuns (das sind mindestens 40 Erdmassen), er ist demnach kein Heißer Neptun mehr. Also müssen Heiße Neptune vor Ort entstanden sein, und die Migration kommt für sie als Erklärung nicht in Frage. Um das Argument streng gültig zu machen, muss man die wahren Massen kennen, während zur Zeit nur Mindestmassen bekannt sind. Aber mit dem Start des Transit-Weltraumteleskops COROT im kommenden August wird die Entdeckung Heißer Neptune und die Bestimmung ihrer wahren Massen möglich sein. Dann wird vom Weltraum aus nach Durchgängen gesucht. Die sind bei Neptunen von der Erde aus extrem schwer zu messen, weil die Neptune nur ein Drittel so groß sind wie Jupiter. Für COROT sollte die Beobachtung eines Neptun-Transits überhaupt kein Problem sein, deshalb Heiße Neptune: Die Planeten µ Arae b, 55 Cancri e und GJ 436 b sind vermutlich Heiße Neptune, mit denen der Test durchgeführt werden kann. Gliese 876 d ist es sehr wahrscheinlich auch. Die Masse Heißer Neptune ist so groß, dass sie Gas aus dem Nebel aufsammeln würden, so lange noch etwas davon vorhanden ist. Wenn aber ein solcher Heißer Neptun weit draußen entsteht, als kühler Proto-Neptun, und danach nach innen migriert, dann muss zu diesem Zeitpunkt noch eine Gas- und Staubscheibe vorhanden sein, die mindestens so viel Masse enthält wie er selbst. Anderenfalls Abb. 9: Der Ausdünnungseffekt der Migration. Ein Planetensystem entsteht jenseits der Eisgrenze (rechts). Die Planeten stehen dicht, im Abstand von einigen Hill-Radien, so wie im Sonnensystem. Anschließend migrieren sie einwärts. Die weiter innen startenden Planeten sind schneller und legen in einem bestimmten Zeitraum eine größere Strecke zurück als ihre Geschwister weiter draußen. Nach der Migration sind die Abstände vergrößert, das System ist nicht mehr dicht. Dichtes System entsteht 1 AE Innen migrieren Planeten rascher Zeit nach zu hoch: Es sind zu viele Zusatzannahmen nötig. Ich bevorzuge eine andere Erklärung. Für mich ist das Sonnensystem nicht einfach wegzuwischen: Da gibt es keine Spur einer dramatischen Migration der Gasplaneten, schon gar nicht nach innen. Daraus schließe ich, dass irgendwo in den vielen Näherungen und Idealisierungen der Migrationsrechnungen der Wurm steckt. Ich nehme deshalb an, dass die Migrationsgeschwindigkeiten stark überschätzt werden. Tatsächlich gibt es Unklarheiten sogar über die Richtung der Migration, und die Geschwindigkeiten wurden unter gewissen Umständen bereits um Faktoren von bis zu 30 nach unten korrigiert. Selbst in den Migrationsrechnungen, welche die Entstehung der Exoplaneten erklären sollen, werden bereits routinemäßig ad-hoc-Faktoren an den Geschwindigkeiten angebracht, weil der Mechanismus zu effektiv ist. Ich vermute, dass die Migration aufgrund der Wechselwirkung zwischen Planet und Scheibe viel ineffizienter oder kurzzeitiger ist als angenommen, und dass die Planeten nicht so weit herum kommen. Konsequenterweise muss ich dann die Annahme fallen lassen, dass alle protoplanetaren Scheiben so aufgebaut sind wie unser Sonnennebel. Wenn nahe an dem Stern genug Material vorhanden ist, lässt sich zeigen, dass Gasplaneten dort problemlos wachsen können. Die entscheidende Frage ist dann einfach: War wirklich genügend viel Material vorhanden? Niemand kann das derzeit beantworten. Kehren wir aber zurück zum Sonnensystem. War da genügend viel Material an jedem Ort vorhanden? Unsere Entstehungsmodelle für das Sonnensystem nehmen das bisher auch einfach an. Der ursprüngliche Nebel wird aus dem rekonstruiert, was wir heute vorfinden. Die Rekonstruktion ist plausibel, weil bei jungen Sternen Gas- und Staubscheiben mit entsprechenden Massen gefunden werden. Aber um festzustellen, wo genau das Material innerhalb eines Gebiets vom Ausmaß des Sonnensystems liegt, reichen die Teleskope nicht aus. Wenden wir die gleiche Logik auf die Pegasi-Planeten an. Wenn wir nach dem Konzept der Rekonstruktion einen Nebel für 51 Pegasi konstruieren, dann finden wir genug Material vor. Es gibt kein Massenproblem, weil der Nebel aus dem rekonstruiert wird, was man benötigt, um den beobachteten Planeten zu erklären. Das Problem entsteht erst, wenn versucht wird, die Entstehung des Pegasi-Planeten in einem »Sonnensystem-Nebel« zu erklären. Befänden wir uns also in einem System mit Pegasi-Planeten, so wäre unser Nach dem Ende der Migration ist das System nicht mehr so dicht 1 AE Eisgrenze Abstand vom Stern STERNE UND WELTRAUM Februar 2006 37 �� �������� �������� � �� ��������� � ������� ������� � �� �� ����� � �������������������������� � � � � �� ����� � � �� ����� � � � ����������������������� � � � � � � bereiten wir im Rahmen der DLR-Beteiligung an COROT diesen Test vor. Mögliche Heiße Neptune scheinen auch recht häufig zu sein, denn bis jetzt wurde bei jedem Stern, der mit der entsprechenden Genauigkeit vermessen wurde, einer gefunden. Auch im Massenspektrum der bereits entdeckten Planeten deutet sich da eine neue Hauptgruppe von Planeten an. (siehe Abb. 6) Der Doppelstern-Schneepflug: HD 188753 ist ein System mit DoppelsternSchneepflug. Genau genommen ist es ein Dreifachsystem, aber das spielt hier keine Rolle. Ein Doppelstern umkreist den Planetenstern so eng, dass er jenseits der Schneegrenze die Scheibe mit seiner Schwerkraft regelrecht wegschiebt (siehe Teil 1). Infolgedessen gibt es dort kein Baumaterial für Planetenkerne. Nach der Migrationstheorie ist aber genau dieses Baumaterial jenseits der Schneegrenze der Vorteil für die Planetenentstehung weit draußen. Dort sollen sich die Pegasi-Planeten bilden und anschließend zum 38 ������ ������ ������ ���� � ������� ������ �� ����� ���� �������������������������� �� STERNE UND WELTRAUM Februar 2006 �� �� Stern wandern. Wo es aber kein Baumaterial gibt, entsteht auch kein Planet. Deshalb kann der Planet HD 188753 Ab auch nicht von dort per Migration an seinen Ort gelangt sein. Er ist nahe an seinem Fundort entstanden. Migrationstheoretiker kontern, dass ja das Mehrfachsystem vielleicht erst nach der Planetenentstehung zusammengesetzt wurde. Ich bin gespannt auf solche Modelle. Allzuoft dürfte es solche Planeten dann aber nicht geben, da zu ihrer Zusammensetzung eine Serie von bestimmten, nicht gerade wahrscheinlichen Ereignissen nötig ist. Was ist dann aber mit GJ 86, der ganz ähnliche Verhältnisse zeigt (siehe Teil 1)? Volle Planetensysteme Der dritte Test geht vom Sonnensystem aus. Damit sich ein Planet von einem anderen Planeten einigermaßen unbeeinflusst bewegen kann, darf er nie in dessen HillSphäre eindringen. Das muss auch umgekehrt gelten – die beiden Sphären dürfen nicht überlappen. Das bedeutet zum Bei- �� �� ����������������������� spiel, dass Jupiter und ein weiterer Planet gleicher Masse in einem gegenseitigen Abstand von mindestens zwei Hill-Radien Jupiters, das sind 0.7 Astronomische Einheiten, um die Sonne laufen müssten. Zudem müsste noch sichergestellt werden, dass die Hill-Sphären nicht irgendwann entlang der elliptischen Bahnen überlappen können – etwa wenn es zu einer Begegnung der Planeten kommt, während der innere im sonnenfernsten, der äußere im sonnennächsten Punkt seiner Bahn steht. Unter dieser Bedingung ist aber erst sichergestellt, dass die Schwerkraft anderer Planeten im Aufenthaltsraum eines Planeten höchstens gleich jener der Sonne ist. Damit sie immer erheblich geringer bleibt und nur eine kleine Störung bewirkt, muss der minimale Abstand zu anderen Planeten noch größer sein. Die Frage ist, ab welchem Abstand die Störung hinreichend klein wird, sodass die Bewegung zweier Planetennachbarn über lange Zeit stabil bleibt. Der Fall zweier Planeten ist mittlerweile recht genau untersucht. Danach �� �� Abb. 10: Platzbedarf von Planeten anhand ihrer SchwerkraftEinflußsphären: Im Sonnensystem stehen benachbarte Planeten mindestens 10 Hill-Sphären voneinander entfernt. Nach unserer Kenntnis von der Dynamik und Stabilität des Sonnensystems ist das so dicht wie nur möglich. Zum Vergleich sind die Abstände und Hill-Sphären bekannter Exoplanetensysteme eingezeichnet. Wenn überhaupt ein Unterschied zum Sonnensystem besteht, dann der, dass die ExoSysteme noch dichter sind. (Berechnung der Einflussbereiche von Miriam Backens) �� garantieren Abstände der Bahnen von jeweils zwei bis vier R Hill permanente Stabilität. Aber es gibt Hinweise darauf, dass für mehrere Planeten keine noch so großen gegenseitigen Abstände permanente Stabilität garantieren. Stabilität über Milliarden Jahre dürfte für das Sonnensystem zwischen je zwei benachbarten Planetenbahnen einen Abstand von 13 R Hill erfordern. Wegen der zusätzlichen Bedingungen für die Abstände zu den Resonanzen, also den Orten, an denen zum Beispiel die Umlaufszeiten in rationalen Verhältnissen zueinander stehen, müssen wahrscheinlich noch größere Abstände, etwa 15 R Hill, gefordert werden, damit Planeten sich gegenseitig auf Dauer nicht ins Gehege kommen. Klar ist: ein Planet benötigt von allen Hill-Sphären der Nachbarplaneten einen minimalen Abstand irgendwo zwischen 2 und 15 Hill-Radien. Wenn er auf einer elliptischen Bahn um seinen Stern läuft, muss diese Bedingung auch bei den engsten Begegnungen erfüllt bleiben. Die Planeten im Sonnensystem sind so dicht verteilt, dass keine weiteren hineinpassen (siehe »Die Ordnung der Planetenbahnen«, Teil 2, SuW 12/2002, S. 32– 41). Wenn alle Planetensysteme so entstehen wie das Sonnensystem, dann sollten auch Exoplanetensysteme in diesem Sinne dicht sein. Was passiert aber, wenn solche Systeme der Migration unterworfen werden? Migration in Richtung auf den Stern verläuft immer schneller, je näher der Planet dem Stern kommt. Ein weiter innen umlaufender Planet läuft also wesentlich schneller sternwärts als einer weiter draußen. Der Abstand zwischen zwei Planeten vergrößert sich also mit der Zeit. Dadurch werden Planetensysteme, die weit außen entstehen, durch die Migration nach innen wie Käse auseinander gezogen. Ganz außen passiert wenig und die Planeten kleben praktisch nahe an ihren Entstehungsorten noch fest, während die schnellen innen schon bald am Stern kratzen. Dazu kommt, dass der Einflussbereich der Schwerkraft eines Planeten, der bestimmt, wann Planeten »dicht« nebeneinander sitzen, näher am Stern kleiner wird. Die Planeten müssten sich auf dem Weg nach innen eigentlich aneinander annähern, um dort wieder ein dichtes System zu bilden. Nach starker Migration sind also Systeme, die weit außen dicht waren, an ihren endgültigen Orten, also viel weiter innen, nicht mehr dicht. Wie sieht das bei den bisher bekannten Exo-Systemen aus? Ihre Dichte kann man am besten dadurch beurteilen, dass man die Abstände der Planeten mit ihren gravitativen Einflussbereichen vergleicht. Das Ergebnis ist, dass die Exo-Systeme mindestens so dicht sind wie das Sonnensystem (vgl. Abb. 10). Das spricht dagegen, dass Migration eine wichtige Rolle spielt. HD 149026 b, der kernige Planet: Im Frühjahr 2005 konnte der Durchgang eines knapp zuvor entdeckten Planeten vor seinem Zentralstern gemessen werden. Dabei stellte sich heraus, dass der Planet für seine Masse von 114 Erdmassen recht klein ist. Das heißt, seine Dichte ist recht hoch. Das lässt auf einen Kern aus schweren Elementen von etwa 70 Erdmassen schließen. Keine der bisherigen Theorien konnte das erklären, weder mit, noch ohne Migration. Zum besseren Verständnis der Exoplaneten und im Rahmen der DLR-Beteiligung an COROT haben Christopher Broeg, Bojan Pečnik und Johannes Schönke mit mir eine neue Methode entwickelt, die offenen Fragen der Planetenentstehung in Angriff zu nehmen. Dabei wird nicht die Entwicklung einzelner Protoplaneten in bestimmten Nebeln berechnet, sondern aus beliebigen proto- planetaren Nebel werden alle möglichen Protoplaneten konstruiert. Das Resultat sind die Entstehungsbedingungen für alle denkbaren Planeten und ein Überblick über alle theoretisch möglichen Planeten. Hauptziel dieser Arbeiten ist eine Vorhersage des Massenspektrums der Planeten und die Ableitung einer allgemeinen Theorie der Planetenentstehung aus den Ergebnissen der COROT-Mission. Der Stern HD 149026 war der erste Test dafür. Christopher Broeg berechnete die relevanten Entstehungsbedingungen für den Planeten HD 149026 b und fand einen Protoplaneten, der HD 149026 b in Kern- und Hüllenmasse genau glich, und dabei im gleichen Abstand von seinem Stern stand wie heute HD 149026 b. Damit wurde der Nebel identifiziert, der den entsprechenden Planeten erzeugen kann. Anschließend wurde die komplette Entwicklung durchgerechnet und bestätigt, dass HD 149026 b vor Ort wachsen kann. Die neuen Methoden und die Entstehung vor Ort liefern also die einzige bislang bekannte Erklärung für diesen Planeten. Ich denke, dass der riesige Kern auch ein Schlüssel für die Migrationsfrage sein wird: Alle bisherigen Rechnungen ergeben, dass die für die Entstehung von Gasplaneten weiter draußen nötigen Kerne um die zehn Erdmassen groß sind. Es ist deshalb völlig unklar, wie weitab vom Stern ein Kern zu der enormen Größe desjenigen von HD 149026 b wachsen sollte, ohne schon vorher eine riesige, mindestens doppelt so große Gashülle anzusammeln. Wenn Migration doch dominiert, ist HD 149026 b der seltsamste Planet, der je gefunden wurde. Auf dem Weg zu 1000 Planeten Wir kennen noch immer relativ wenige Planeten – es sind die »hellen« Exemplare der Planetendämmerung, jene, die vergleichsweise leicht zu finden waren. Doch die Vielfalt der Planeten ist groß und wir benötigen deshalb viel mehr Planeten, um die wesentlichen Gesetzmäßigkeiten ihrer Klasse zu erkennen. Die meisten Forscher im Exoplaneten-Kreis rechnen damit, dass bis zum Jahr 2010 tausend Exoplaneten bekannt sein werden. Wohin gehen die Trends, und was sind die nächsten Schritte bis dahin? Die Rückkehr zum Sonnensystem: Eine wichtige Frage ist die der Bahnformen. Die Exzentrizitäten der Planeten beginnen sich langsam statistisch von jenen der Doppelsterne zu unterscheiden: niedrige Exzentrizitäten der Exoplaneten sind bei größeren Umlaufszeiten häufiger als es bei Doppelsternen der Fall ist. Die Werte unterhalb der Exzentrizität der Umlaufsbahn Merkurs von 0.2 beginnen STERNE UND WELTRAUM Februar 2006 39 sich zu füllen (siehe Abb. 4 und 8). Das Sonnensystem beginnt in die Vielfalt der Bahnformen der Exoplaneten einzutauchen. Der große Exzentriker aus dem Jahre 2001, HD 80606 b mit seinem fast kometenhaften Wert von 0.927 ist ein Einzelfall geblieben. Solche extremen Exzentrizitäten können vermutlich nicht aus der Entstehungstheorie erklärt werden, wahrscheinlich sind sie das Ergebnis von Wechselwirkungen mit Begleitern oder von »schweren Jungs« unter den Planeten miteinander. Die massereichen unter den Planeten sind auch leichter zu finden, sodass das eine natürliche Erklärung für die »Exzentriker« wäre. Auch bei den Planetenmassen geht der Trend in Richtung Sonnensystem, genauer: in Richtung Jupitermasse. Die meisten bekannten Exoplaneten liegen nun bei der ein- bis zweifachen Masse Jupiters, die Hälfte darunter. Um die Superplaneten wie 70 Vir b, mit mehr als sieben Jupitermassen ist es still geworden. Weniger als zehn Prozent der Exoplaneten gehören zu diesen Schwergewichten. Noch immer steigt die Anzahl der Exoplaneten zu kleinen Massen steil an – und das, obwohl die Messungen in den letzten Jahren immer genauer wurden, eine Häufung der Exoplaneten bei größeren Massen also längst erfasst werden könnte, und bei kleinen Massen die Entdeckungen eigentlich am schwierigsten sind. Mit den neuen hochgenauen Suchprogrammen werden (unterhalb der Jupitermasse) offenbar gleichmäßig bei allen Massen (siehe Abb. 6) Planeten gefunden, bis hinunter zur gegenwärtigen Nachweisgrenze bei den Neptun-ähnlichen Planeten . Erdähnliche Planeten: Der nächste entscheidende Schritt bei der Entdeckung der Exoplaneten wird der Vorstoß in den Bereich erdähnlicher Planeten sein. Das wird voraussichtlich zuerst mit Hilfe hochgenauer Messungen von Helligkeitsänderungen von Sternen bei Planetendurchgängen erfolgen. Von der Erde aus ist die Genauigkeit solcher Messungen durch die Atmosphäre etwa auf Saturnmasse begrenzt, und es ist nicht einfach, viele Sterne ununterbrochen zu überwachen. Die geplanten Weltraumteleskope COROT und K EPLER vermeiden atmosphärische Störungen und werden über 150 Tage, beziehungsweise mehrere Jahre hinweg, ununterbrochen auf dieselben Sterne blicken können. So kann kein Planet in einem unbeobachteten Moment vor seinem Stern vorbeihuschen. Internetadressen und Literaturhinweis Die Enzyklopädie der extrasolaren Planeten: http://vo.obspm.fr/exoplane tes/encyclo/ Massen und Bahnen bekannter Exoplaneten: http://exoplanets.org/alma nacframe.html Allgemein verständliche Einführung zu Exoplaneten: http://www.time warp-radio.de/Planeten/Exopla nets/exoplanets.html 40 STERNE UND WELTRAUM Februar 2006 Der Satellit COROT: http://corot.de und http://smsc.cnes.fr/corot/ Der Satellit KEPLER: http://www.kepler. arc.nasa.gov/ SuW-Dossier 1/2004 – Planetensysteme. Verlag Spektrum der Wissenschaft, 104 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen und Graphiken. ISBN 3-936278-77-6. Abb. 11: Das Weltraumteleskop COROT ist ein Projekt der französischen Weltraumagentur CNES, unter Beteiligung Österreichs, Deutschlands und einer Reihe weiterer europäischer Länder sowie der ESA. Deutschland ist mit dem DLR an dem Projekt beteiligt. Zuerst wird das unter Federführung der CNES entwickelte Weltraumteleskop COROT (Abb. 11) starten, voraussichtlich im Oktober 2006, dann, zwei Jahre später, soll KEPLER (NASA) im Juni 2008 folgen. COROT ist durch seine hochgenaue Photometrie für Durchgänge von Planeten vor ihrem Zentralstern bis hinunter zu Erdradien empfindlich und für den Nachweis großer terrestrischer Planeten mit Umlaufszeiten bis zu 50 Tagen ausgelegt. KEPLER wird mit seiner langen Beobachtungszeit eines einzelnen, riesigen Sternfelds im Sternbild Schwan auch erdähnliche Planeten mit Umlaufszeiten von einem Jahr, also im Erdorbit erreichen – das wäre die Brücke zur Exo-Erde. Bei einem Blindtest mit Simulationen des Instruments auf COROT, der vorgesehenen Sternfelder und der Störsignale, wie sie etwa von Sternflecken verursacht werden, konnten noch Planeten mit 1.6 Erdradien eindeutig nachgewiesen werden. Damit kommt nicht nur schlagartig das gesamte Massenspektrum der Gasplaneten in den Nachweisbereich, sondern auch der Übergang zu den terrestrischen Planeten. Eigentlich hat die Suche schon begonnen, denn mit dem Berliner Exoplaneten-Suchteleskop (BEST) werden vom Observatoire de l’Haute Provence, wo vor zehn Jahren mit 51 Pegasi b die Geschichte der Planeten anderer Sterne begann, und dem Tautenburger Exoplaneten-Suchteleskop (TEST), die für COROT ausgewählten Sternfelder bereits vorbeobachtet. Mit dem Ende des ersten Jupiterjahres nach 51 Pegasi b, am 14. August 2007, könnten wir einen Exo-Jupiter und einen ersten terrestrischen Exoplaneten haben. Die Chancen stehen gut. □ Günther Wuchterl arbeitet an der Universitäts-Sternwarte Jena an der Theorie der Stern- und Planetenentstehung. Für das DLR ist er an der Vorbereitung der Suche nach Exoplaneten mit dem Weltraumteleskop COROT beteiligt. Gemeinsam mit dem Verein Kuffner-Sternwarte erreichte er die Rettung und Erhaltung der historischen Wiener Sternwarte.