Thieme: Checkliste Orthopädie

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Skelettsystemerkrankungen
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9.13 Osteoporose
Komplikationen
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▶ Vermehrte Blutungsneigung (Vorsicht bei Frakturen und Operationen).
Prognose
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▶ Langsame Progredienz, spontaner Stillstand möglich.
▶ Sarkomatöse Entartung mit rascher Metastasierung in < 1 %.
9.13 Osteoporose
Grundlagen
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▶ Definition: Systemischer oder lokaler krankhafter Schwund an Knochenmasse;
Folge ätiologisch und pathogenetisch unterschiedlicher Einwirkungen auf den Knochen:
● Vermehrter Abbau infolge gesteigerter Osteoklastenfunktion.
● Zu geringer Aufbau durch Osteoblastenschwäche.
▶ Abgrenzung zur Osteopenie: Altersentsprechende Rarefizierung des Skeletts ohne
qualitative Veränderung der Knochensubstanz (Abnahme der Knochenmenge beim
gesunden Erwachsenen ab dem 30. Lebensjahr um bis zu 1 % pro Jahr).
Klassifikation
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▶ Primäre Osteoporose (95 % aller Osteoporosen): Pathologische Steigerung der normalen Involutions- und Altersveränderungen.
● Ätiologie multifaktoriell und nicht geklärt.
● Verhältnis Frauen : Männer = 8 : 2 (30 % aller Frauen > 60 Jahre betroffen).
▶ Merke: Risikofaktoren der postmenopausalen Osteoporose: Vermehrter Alkoholkonsum, Rauchen, Inaktivität, niedriger BMI, Immobilität, vorzeitige Menopause.
▶ Sekundäre Osteoporose:
● Generalisierte Stoffwechselstörung: Störung des hormonellen Gleichgewichts zwischen anabolen und katabolen Hormonen.
– Steroidosteoporose: Hemmung des Knochenanbaues und gesteigerter Knochenabbau.
– Cushing-Syndrom: Überangebot von Glukokortikoiden, Drosselung der Eiweißsynthese und damit der Bildung der organischen Knochenmatrix.
– Hyperthyreose.
– Diabetes mellitus.
– Rheumatische Krankheiten.
– Hypogonadismus.
● Lokale Stoffwechselstörung: Durch lokale Entzündungen, Tumoren, Sudeck-Dystrophie.
● Inaktivitätsosteoporose:
– Bettlägerigkeit.
– Ruhigstellung nach Frakturen oder Krankheiten (nach Immobilisierung > 3 Monate bei älteren Patienten ist die Osteoporose kaum mehr reversibel).
– Astronauten.
Klinik
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▶ Sitzhöhe vermindert, Körpergröße nimmt ab.
▶ Tannenbaumphänomen: Charakteristische Hautfalten am Rücken durch Größenabnahme.
▶ Witwenbuckel: Verstärkte thorakale Kyphose durch Wirbelkörperverformungen
und Annäherung der Rippenbögen an die Darmbeinkämme.
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Keilwirbel
angedeuteter
Keilwirbel
Plattwirbel
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Skelettsystemerkrankungen
9.13 Osteoporose
Fischwirbel
Abb. 9.4 . Formen der Wirbeldeformierungen bei Osteoporose: Keil-,
Fisch- und Plattwirbel.
▶ Baastrup-Phänomen: Verstärkte Lendenlordose, bis sich die Dornfortsätze berühren. Begünstigt das Entstehen von arthrotischen Randsklerosen an den Dornfortsätzen. Dornfortsätze druck- und klopfempfindlich.
▶ Schmerzen: Akute und chronische Schmerzen, ossär und muskulär durch vermehrte Muskelspannung, Hartspann und Myogelosen.
▶ Frakturen: Schenkelhals, Wirbelkörper, Radius loco classico, subkapitaler Humerus,
Rippen, Metatarsalia.
▶ Klinische Tests: „Chair rising Test“ (Aufrichtung aus der sitzenden Position unter
alleiniger Benutzung der Beine), ggf. geriatrisches Assessment.
Diagnostik
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▶ Labor:
● Primäre Osteoporose: Kalzium, Phosphat, alkalische Phosphatase (AP), TSH, Kreatinin, Blutbild, GOT, GPT.
● Sekundäre Osteoporose: entsprechend der Ätiologie.
▶ Röntgen:
● Spongiosa vermehrt transparent, Spongiosabälkchen rarefiziert (im Röntgenbild
aber erst erkennbar, wenn die Knochendichte um > 30 % reduziert ist), Fensterrahmenphänomen.
● Alte und frische Frakturen nebeneinander.
● Nachweis von Wirbelfrakturen im seitlichen Röntgenbild: Deckplattenimpressionen, Keilwirbel, Fischwirbel, Plattwirbel (Abb. 9.4).
▶ Osteodensitometrie: Zur quantitativen frühen Erfassung, Therapieindikationsstellung und Verlaufskontrolle.
● DXA (= Dual Energy X-Ray Absorptiometry) (LWS, Hüfte): 2 unterschiedliche
Strahlenintensitäten schalten Verfälschungen durch Weichteile aus.
– Einzige empfohlene Messmethode zur Diagnosestellung der Osteoporose
(WHO, DVO 2009, European Guidance 2008).
– Strahlenarm, preiswert, reproduzierbar, geringer Zeitaufwand.
– Spezifität 80 %, Sensitivität 30 %.
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9.13 Osteoporose
Skelettsystemerkrankungen
●
●
T- Score: Vergleich des gemessenen Dichtewertes mit dem Wert eines jungen
Erwachsenen (maximale Knochendichte). Interpretation s. Tab. 9.1.
Z-Score: Vergleich des gemessenen Dichtewertes mit dem altersentsprechenden
Normalkollektiv. Abweichungen (> – 1,5 SD) weisen darauf hin, dass neben dem
Alter weitere Faktoren zur Knochendichteabnahme beitragen, wie Knochenstoffwechsel, Schilddrüse, Unterernährung, Medikamente, Rauchen.
Tab. 9.1
●
Einteilung der Osteoporoseschweregrade (anhand DXA).
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Schweregrad
Knochendichteabweichung (T-Score)
Normalbefund
≥ – 1 SD
Osteopenie
< – 1, ≥ – 2,5 SD
Osteoporose
< – 2,5 SD
manifeste schwere Osteoporose
< – 2,5 SD mit einer oder mehreren „Fragility Fractures“
QCT: Quantitative Computertomografie zur genauen quantitativen Messung der
Spongiosa- und Kortikalisdichte; Durchführung an Wirbelsäule und/oder Hüfte.
● Periphere QCT (pQCT; Durchführung z. B. an der Ferse) und quantitative Ultraschall-Osteodensitometrie (QUS) werden zur Diagnosestellung der Osteoporose
nicht empfohlen.
▶ Beachte: Weder QCT noch pQCT oder QUS sind zur Diagnosestellung der Osteoporose geeignet.
▶ Szintigrafie: Bei Verdacht auf maligne Erkrankung.
▶ Biopsie: Morphometrie zur Abgrenzung einer Osteomalazie und von malignen Erkrankungen.
▶ Histologie:
● Primäre Osteoporose: 3-fach höherer Verlust an Spongiosa gegenüber einem Normalkollektiv, während die Kortikalis kaum betroffen ist. Die Spongiosatrabekel
sind normal, aber spärlicher und lockerer.
● Senile Osteoporose: Trabekulärer und kortikaler Abbau des Knochens.
●
Differenzialdiagnosen
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▶
▶
▶
▶
Osteomalazie.
Multiples Myelom.
Hyperparathyreoidismus.
Knochenmetastasen.
Prävention
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▶
▶
▶
▶
▶
▶
Kalziumreiche Ernährung (1 000 mg/d), möglichst mit der Nahrung.
Ausreichende Vitamin-D3-Zufuhr (1 000 I.E./d).
Beseitigung von Risikofaktoren (Nikotin, Alkohol, Koffein, Zucker).
Bewegung, sportliche Betätigung.
Sturzprophylaxe, Hüftprotektoren.
Evaluation Medikation (z. B. orale Glukokortikoide, Antiepileptika).
Konservative
Therapie
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▶ Akute Phase:
● Schmerztherapie: Analgetika und NSAR. Ruhigstellung zur Schmerztherapie nur
kurzfristig.
● Passive Physiotherapie: Elektrotherapie, detonisierende Massagen.
● Rasche Mobilisierung.
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Skelettsystemerkrankungen
9.14 Osteomalazie/Rachitis
▶ Chronische Phase:
● Rückendisziplin und Rückenschule, aktive Gymnastik.
● Evtl. Behandlung einer gleichzeitig bestehenden larvierten Depression.
● Hilfsmittel: Lendenmieder, Spinomed-Orthese, Einlagen nach Fußbettung, Pufferabsätze, Ballenrolle, Hüftprotektor.
▶ Medikamentöse Therapie:
● Indikation zur Therapie:
– T-Wert (DXA) am proximalen Femur (Gesamtfemurregion) und/oder LWS
(Mittelwert LWK 1 – 4): SD ≤ – 2,5 mit Risikofaktoren (Details siehe DVO-Leitlinie 2009).
– Vorliegen von Wirbelkörperfraktur(-en).
● Dauer der Therapie: 3 – 5 Jahre, je nach Risikoprofil.
● Wirkstoffe:
– Kalzium (1 000 mg/d) mit Vitamin D (1 000 I.E./d) als Basistherapie.
– Bisphosphonate: Alendronat (Fosamax 70 mg p. o. 1 ×/Woche, Risedronat
35 mg p. o. 1 ×/Woche, Ibandronat 150 mg p. o. 1 ×/Monat oder 3 mg i. v. vierteljährlich, Zoledronat 5 mg i. v. Jahresinfusion.
– Strontiumranelat 2 g oral täglich.
– Teriparatid (1 – 34) 20 μg s. c. 1 ×/d, Parathormon (1 – 84) 100 μg s. c. 1 ×/d.
– Raloxifen 60 mg oral 1 ×/d.
– Östrogenpräparate (HRT) in der Regel nur, wenn vasomotorische Beschwerden
vorliegen.
– RANKL-Antikörper Denosumab 2 ×/Jahr s. c.
▶ Osteodensitometrische Verlaufskontrollen etwa alle 2 Jahre.
Operative
Therapie
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▶ Endoprothese bei Schenkelhalsfraktur, Osteosynthese bei pertrochantären Frakturen (Nagel), Plattenosteosynthese bei Radiusfrakturen und proximalen Humeruskopffrakturen.
▶ Kyphoplastie, Vertebroplastie bei Wirbelkörperfrakturen.
Prognose
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▶ Die Behandlungsstrategie der Osteoporose zielt vorrangig auf die Verhütung von
Frakturen und Folgefrakturen.
9.14 Osteomalazie/Rachitis
Grundlagen
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▶ Synonym: Englische Krankheit.
▶ Definition: Mangelnde Mineralisation der Knochengrundsubstanz bei normaler Osteoblastentätigkeit und ausreichendem Osteoid aufgrund von Vitamin-D-Mangel.
Der Knochen bleibt deshalb weich.
▶ Ätiologie: Vitamin-D-Mangel (Malabsorption, Maldigestion), Nieren- und Leberinsuffizienz, Resistenz der Zielorgane (Knochen), renaler Phosphatverlust.
▶ Klassifikation:
● Rachitis: Osteomalazie zwischen dem 3. Monat und der Pubertät. Die fehlende
mechanische Festigkeit der Epiphysenfugen führt zu typischen Verbiegungen.
● Osteomalazie: Nach Wachstumsabschluss führt der generalisierte weiche Knochen durch multiple schleichende Frakturen zu Deformationen.
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Skelettsystemerkrankungen
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9.15 Hyperparathyreoidismus
Klinik
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▶ Rachitis:
● Säbelförmige Verbiegung der langen Röhrenknochen.
● Auftreibungen der distalen Epiphysenfugen an Handgelenk und Knöchel.
● Rosenkranz: Verdickungen am Knochen-Knorpel-Übergang der Rippen.
▶ Osteomalazie:
● Generalisierte Schmerzen am ganzen Skelett.
● Skoliosen und Kyphosen durch Zusammensintern der Wirbelkörper.
● Kartenherzbecken (Einsinken des Sakrums in das Becken), Protrusio acetabuli.
● Coxa vara.
● Looser-Umbauzonen an Scham- und Sitzbein, Schenkelhals.
Diagnostik
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▶ Labor:
● Serumkalzium und Serumphosphat erniedrigt.
● Alkalische Phosphatase im floriden Stadium erhöht.
● Kalziumausscheidung im Urin erniedrigt.
▶ Röntgen:
● Rachitis: Becherförmige Ausweitung der Metaphyse, starke Verbreiterung der
Epiphyse.
● Osteomalazie: Knochenstruktur verwaschen, Frakturen fehlen. Minimalfrakturen
mit Kallusbildung (Looser-Umbauzonen oder Milkman-Syndrom).
Differenzialdiagnosen
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▶ Renale Osteomalazie.
▶ Osteogenesis imperfecta (s. S. 142).
Therapieprinzipien/Prognose
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▶ Zufuhr hoher Dosen von Vitamin D3 (3 000 – 10 000 I.E./d).
▶ Gabe aktiver Vitamin-D-Metaboliten (Alfacalcidol, Calcitriol).
▶ Beachte: Gute Prognose bei frühzeitiger Substitution.
▶ Bereits bestehende Knochendeformitäten korrigieren sich beim Kleinkind meist
spontan.
9.15 Hyperparathyreoidismus
Grundlagen
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▶ Synonyme: Osteodystrophia fibrosa (cystica) generalisata.
▶ Definition: Stoffwechselstörung mit generalisierter Knochenveränderung aufgrund
erhöhter Ausschüttung von Parathormon und verstärkter Osteoklastentätigkeit.
Auftreten in jedem Alter, vorwiegend bei jüngeren Frauen.
▶ Klassifikation:
● Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT): Hyperplasie oder Adenom der Nebenschilddrüse.
● Sekundärer Hyperparathyreoidismus: Bei Fehlernährung und Vitamin-D-Mangel,
chronischer Nephropathie.
● Tertiärer Hyperparathyreoidismus: Hyperplasie der Parathyreoidea nach sekundärer Hyperparathyreoidose.
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aus: Imhoff u. a., Checkliste Orthopädie (ISBN 9783131422828) © 2011 Georg Thieme Verlag KG
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