Vereinigung Schweizerischer Archivare _________ Association des archivistes suisses _________ Associazione archivisti svizzeri _________ KOORDINATIONSKOMMISSION SCHWEIZERISCHER NATIONALFONDS ZUR FÖRDERUNG DER WISSENSCHAFTLICHEN FORSCHUNG / FONDS NATIONAL SUISSE DE LA RECHERCHE SCIENTIFIQUE Zusammenfassung Der 1952 gegründete Nationalfonds ist nicht Teil der Bundesverwaltung; er hat die Form einer selbständigen privatrechtlichen Stiftung, die fast ausschliesslich vom Bund finanziert wird. Er erfüllt aber öffentlich-rechtliche Aufgaben, die ihm seit über 40 Jahren vom Bund übertragen werden und seit 1984 in Artikel 8 des Bundesgesetzes über die Forschung (AS 1984, 28) verankert sind. Als oberste Instanz wirkt der Stiftungsrat, dem Vertreter der eidgenössischen und kantonalen Behörden sowie aus Wissenschaft und Wirtschaft angehören. Die wissenschaftliche Begutachtung der Unterstützungsgesuche wird vom Nationalen Forschungsrat wahrgenommen. 14 Forschungskommissionen der Hochschulen und der wissenschaftlichen Köperschaften bringen regionale und fachspezifische Interessen zur Geltung. Sie entscheiden über die Gesuche um Nachwuchstipendien von angehenden Forschern und nehmen zu den übrigen Gesuchen, die von Forschern ihrer Hochschule oder aus dem Fachgebiet ihrer Dachgesellschaft eingereicht werden, Stellung. Im übrigen wird eine Geschäftsstelle in Bern zur Koordination und zur Erledigung der administrativen Arbeiten geführt. Das Bundesarchiv als Betreuerarchiv der Geschäftsstelle übernimmt deren Unterlagen gemäss eigenen Bewertungskriterien. Die Staatsarchive von Standortkantonen der Forschungskommissionen sind aufgefordert, die Gesuche um Nachwuchstipendien für angehende Forscher zu übernehmen, da diese nach Ablauf von 10 Jahren auf der Geschäfststelle vernichtet werden. Résumé Le Fonds National Suisse de la Recherche Scientifique, fondé en 1952, n'est pas partie intégrante de l'administration fédérale; son statut est celui d'une fondation autonome de droit privé, laquelle est quasi exclusivement financée par la Confédération. Il effectue néanmoins les tâches relevant du droit public, que la Confédération lui délègue depuis près de 50 ans, tâches ancrées depuis 1984 dans l'article 8 de la Loi fédérale sur la recherche (RO 1984, 28). Son organe supérieur est le Conseil de fondation, qui réunit des représentants des autorités fédérales et cantonales ainsi que des milieux scientifiques et économiques. L'expertise scientifique des requêtes de projet et de subsides est conduite par le Conseil de recherche national. 14 Commissions de recherche des hautes écoles et des corps scientifiques du pays représentent les intérêts des différents domaines de recherche et des régions. Elles décident de la suite à donner aux requêtes posées par les chercheurs débutants pour une bourse d'encouragement à la relève scientifique, et prennent position quant aux autres requêtes déposées par des chercheurs de leur Haute Ecole ou relevant du domaine de recherche de leur société faîtière. Le secrétariat, qui a son siège à Berne, assure la coordination et l'exécution des tâches administratives. Les Archives fédérales assurent l'encadrement du secrétariat en matière d'archivage et archivent ses documents selon leurs critères propres d'évaluation archivistique. Les Archives cantonales des cantons où les diverses Commissions de recherche ont leur siège, sont invitées à archiver les requêtes des chercheurs débutants pour une bourse d'encouragement à la relève scientifique, du fait que ces documents sont sinon détruits par le secrétariat après un délai de 10 ans. -2A Ausgangslage Um es gleich vorwegzunehmen: Der Nationalfonds ist nicht Teil der Bundesverwaltung; er hat die Form einer selbständigen privatrechtlichen Stiftung, die fast ausschliesslich vom Bund finanziert wird. Er erfüllt aber öffentlich-rechtliche Aufgaben, die ihm seit über 40 Jahren vom Bund übertragen werden und seit 1984 in Artikel 8 des Bundesgesetzes über die Forschung (AS 1984, 28) verankert sind [vgl. zur Delegation von staatlichen Kompetenzen und Aufgaben an private Verbände und Institutionen: Papier A 26]. Im Gegensatz zu vielen ausländischen Förderungsorganisationen führt der Nationalfonds nicht selbst Forschungsarbeiten durch und unterhält keine eigenen Institute; er fördert vielmehr die Forschungsprojekte ohne kommerzielle Zielsetzung innerhalb und ausserhalb der Hochschulen. Da sich die Forschungsaufwendungen des Bundes ansonsten im wesentlichen auf Ressortforschungen in den Bereichen Militär und Landwirtschaft beschränken und zudem ca. 70 Prozent der gesamten Forschungsaufwendungen in der Schweiz von der Privatwirtschaft aufgewendet werden, kommt dem Nationalfonds als staatlichem Instrument der umfassenden Forschungsförderung eine zentrale Bedeutung zu. B Geschichte und Organisation Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung wurde am 1. August 1952 gegründet. Unter der treibenden Kraft von Alexander von Muralt (19031990) hatten Vertreter aller schweizerischen Hochschulen sowie von wissenschaftlichen Dachgesellschaften seit 1948 auf dieses Ziel hingearbeitet. Nach dem 2. Weltkrieg war mit einem Schlag augenscheinlich geworden, welch hohen Stand die wissenschaftliche und technologische Forschung in den kriegsführenden Ländern erreicht hatte und wie gross demgegenüber der Forschungsrückstand der Schweiz war. Dieser Rückstand fusste allerdings auch auf den strukturellen Unzulänglichkeiten, mit welchen der Forschungsplatz Schweiz seit längerem zu kämpfen hatte. Die Hochschulen als traditionelle Werkplätze der auftragsfreien Grundlagenforschung waren allesamt sowohl personell als auch infrastrukturell unterdotiert, denn die gesamte finanzielle Last eines Universitätsbetriebes lastete auf den alleinigen Schultern der Universitätskantone; da sich diese zudem einer steigenden Zahl von Studierenden gegenübersahen, wurden die vorhandenen Mittel fast ausschliesslich von der Lehre verschlungen. Diese Rahmenbedingungen verunmöglichten ferner eine auf Forschungsgemeinschaften basierende moderne Forschungsarbeit und führten zur Abwanderung begabter Nachwuchskräfte ins Ausland. Dem wollte der Nationalfonds entgegenwirken, als er mit dem Ziel, einerseits konkrete Forschungsprojekte, andererseits den wissenschaftlichen Nachwuchs und schliesslich auch die Zusammenarbeit mit dem Ausland zu fördern, seine Tätigkeit aufnahm. Da auch die politischen Instanzen erkannt hatten, dass ohne Grundlagenforschung eine Zweckforschung nicht möglich ist, erwuchs dem Vorhaben kaum Opposition. In einer ersten Phase konzentrierte der Nationalfonds seine Anstrengungen vor allem auf die Verbesserung der Forschungssituation an den Universitäten und Hochschulen. Mancherorts wurde der Lehrkörper zulasten des Nationalfonds verstärkt, indem sogenannte Forschungsprofessuren (persönliche Beiträge an qualifizierte Forscher) eingerichtet wurden. -3Erst als den Universitätskantonen Bundessubventionen zuflossen, kam es 1968 zu einer Praxisänderung: Fortan sollten keine längerfristigen Verpflichtungen mehr eingegangen, im Gegenzug aber die Nachwuchsförderung intensiviert werden. Seit 1975 wird nicht mehr bloss die Grundlagenforschung unterstützt, sondern auch die anwendungsorientierte Forschung im Interesse des Bundes vorangetrieben: Mit den Nationalen Forschungsprogrammen sollen Lösungen für die aktuellen Probleme des Landes erarbeitet werden. Die Themenbereiche sowie der finanzielle und inhaltliche Rahmen werden vom Bundesrat festgelegt, der via das Eidgenössische Departement des Innern (Bundesamt für Bildung und Wissenschaft) die Aufsicht über die konkreten Ausführungspläne behält. Neben den persönlichen Beiträgen, den Nachwuchsstipendien (unterteilt in Stipendien für angehende und solche für fortgeschrittene Forscher) und den Nationalen Forschungsprogrammen kennt der Nationalfonds heute die Forschungsbeiträge zu einem konkreten Projekt und die Publikationsbeiträge; im übrigen widmet er sich der Pflege internationaler Kontakte. An der Organisationsstruktur des Nationalfonds hat sich seit 1952 kaum etwas verändert. Als oberste Instanz wirkt der Stiftungsrat, dem Vertreter der eidgenössischen und kantonalen Behörden sowie aus Wissenschaft und Wirtschaft angehören. Die wissenschaftliche Begutachtung der Unterstützungsgesuche wird vom Nationalen Forschungsrat wahrgenommen, der - mit Ausnahme eines Fünftels der Mitglieder, die direkt vom Bundesrat gewählt werden - vom Stiftungsrat gewählt wird und diesem jährlich Bericht erstattet; formell müssen Jahresrechnung und Jahresbericht jedoch vom Bundesrat genehmigt werden. 14 Forschungskommissionen der Hochschulen (Universitäten Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Neuenburg und Zürich; Hochschule St. Gallen, ETH Lausanne, ETH Zürich) und der wissenschaftlichen Köperschaften (Naturforschende Gesellschaft [Zürich], Akademie der medizinischen Wissenschaften [Basel], Akademie der Geisteswissenschaften [Bern], Akademie der technischen Wissenschaften [Lausanne]) sowie eine Forschungskommission für die italienischsprechende Schweiz (Dalpe) bringen regionale und fachspezifische Interessen zur Geltung. Sie entscheiden über die Gesuche um Nachwuchstipendien von angehenden Forschern und nehmen zu den übrigen Gesuchen, die von Forschern ihrer Hochschule oder aus dem Fachgebiet ihrer Dachgesellschaft eingereicht werden, Stellung. Im übrigen wird eine Geschäftsstelle in Bern zur Koordination und zur Erledigung der administrativen Arbeiten geführt. -4C Archivierungssituation In der Archivierungspraxis des Nationalfonds widerspiegelt sich die oben erwähnte Organisationsstruktur, die einerseits der modernen Forschung eine Möglichkeit zur zentralen Koordination und Finanzierung von Projekten bietet, andererseits den föderalistischen Grundprinzipien der Schweiz Rechnung trägt. Die Gesuche um persönliche Beiträge, Forschungsbeiträge, Publikationsbeiträge und Nachwuchsstipendien für fortgeschrittene Forscher sowie die Projektskizzen für Nationale Forschungsprogramme, die allesamt direkt der Geschäftsstelle des Nationalfonds einzureichen sind, werden bislang hier dauerhaft aufbewahrt. Ebenso archiviert die Geschäftsstelle die Administrativakten sowie die Unterlagen zu den internationalen Kontakten. Die Gesuche um Nachwuchsstipendien für angehende Forscher, die den lokalen Forschungskommissionen eingereicht werden müssen und nur in Kopie bei der Geschäftsstelle vorliegen, werden bei letzterer nach Ablauf von 10 Jahren vernichtet. Eine einheitliche Archivierungspraxis für die einzelnen Forschungskommissionen fehlt. D Archivierungsempfehlung Grundsätzliches Wie schon erwähnt: Der Schweizerische Nationalfonds stellt die zentrale Forschungsförderung der offiziellen Schweiz dar. Eine Geschichte des Forschungsstandortes Schweiz wird, insbesondere wenn sich ihr die Archive der privaten Wirtschaft nicht öffnen sollten, auf die Unterlagen des Nationalfonds angewiesen sein. Die Gesuche enthalten in der Regel: Personalbogen mit Lebenslauf, ausführlicher Unterstützungsantrag, Atteste, Empfehlungen, Expertenberichte, Unterstützungsentscheid, Abrechnungen, Zwischenberichte, Abschlussbericht (Synthese der Forschungsergebnisse) und sollten integral aufbewahrt werden. Prospektiv sei dennoch festgehalten: Im Falle einer nur auswahlsweisen Übernahme der Dossiers ist unbedingt darauf zu achten, dass rein quantitativ die verschiedenen Disziplinen (Geisteswissenschaften, exakte Wissenschaften, Medizin etc.) ihrem Gesamtanteil entsprechend berücksichtigt werden. Selbstverständlich müssen auch abgewiesene Gesuche archiviert werden. Bund Das Bundesarchiv hat sich als Betreuerarchiv der Geschäftsstelle zur Verfügung gestellt. Sollte diese nicht mehr in der Lage sein, die Unterlagen wie bisher in eigener Regie zu archivieren, wird das Bundesarchiv die Gesuche um persönliche Beiträge, Forschungsbeiträge, Nachwuchsstipendien für fortgeschrittene Forscher sowie die Unterlagen zu den Nationalen Forschungsprogrammen zur dauerhaften Archivierung übernehmen. Nur in einer Auswahl sollen die Gesuche um Publikationsbeiträge übernommen werden. Die Administrativakten werden vor einer Übernahme durch das Bundesarchiv gemäss dessen einschlägigen Kriterien bewertet werden. -5- Kantone Die Gesuche um Nachwuchstipendien für angehende Forscher, die direkt den lokalen Forschungskommissionen eingereicht und auf der Geschäftsstelle in Bern nach Ablauf von 10 Jahren vernichtet werden, sollten auch dezentral verwahrt werden, beschlagen diese doch weitgehend den eigenen, lokalen akademischen Nachwuchs; zudem widerspiegeln sie in einem gewissen Sinne Stand und Tendenz nicht nur der Forschung, sondern auch der Lehre an den diversen Hochschulen, ein Aspekt, der in den Administrativakten der Hochschulen oft untergeht. Die Staatsarchive von Standortkantonen der Forschungskommissionen (vgl. Seite 2) sollten sich deshalb, wenn sie sich nicht aktiv um die Überlieferung kümmern können oder möchten, einer Übernahme dieser Dossiers nicht verschliessen, wenn ihnen diese angeboten werden. Stand: Mai 1996 Basel, im Juni 1996/dk