3 Feb 2013 Von: N. A. An: "Sigmar Gabriel"

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3 Feb 2013
Von: N. A.
An: "Sigmar Gabriel" <[email protected]>, "Andrea Nahles"
<[email protected]>, "SPD Fraktion" <[email protected]>,
[email protected]
Betreff: SPD-Wald im Negev
Sehr geehrte Damen und Herren,
Am 14.09.2003 fand in der Nikolaikirche in Kiel unter der Schirmherrschaft der damaligen
Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein Frau Heide Simonis und der damaligen
Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel Frau Angelika Volquartz ein Benefizkonzert. In der
Einladung zum Konzert stand folgendes zu lesen:
„Der Erlös kommt dem Jüdischen Nationalfonds (JNF) für die Erweiterung und Pflege des
„Yitzhak-Rabin-Parks“ an der Strasse von Tel Aviv und Jerusalem zugute. Der Fonds ist
weltweit einzigartig. Er verfolgt seit Anfang des vorigen Jahrhunderts das Ziel, unfruchtbares
Land mit Hilfe moderner Pflanz- und Bewässerungsmethoden für Menschen urbar zu
machen. Seitdem sind in Israel über 400 Millionen Bäume gepflanzt worden. Seit 1996
pflanzen seine Mitglieder mit Hilfe vieler Freunde Israels Bäume zum Andenken an den
Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin“.
Was mir als unangemessen und nicht wahr auffällt, ist folgende Aussage:
„Der Fonds ist weltweit einzigartig. Er verfolgt seit Anfang des vorigen Jahrhunderts das
Ziel, unfruchtbares Land mit Hilfe moderner Pflanz- und Bewässerungsmethoden für
Menschen urbar zu machen."
Der jüdische Nationalfonds ist seit seiner Gründung eine Kolonisierungsinstitution, die damit
befasst ist, palästinensischen Boden in israelisches Territorium zu verwandeln. Dies ist durch
Kauf, Enteignung oder andere Zwangsmaßnahmen mit Hilfe des israelischen Staates
geschehen. Böden, die dem Fond gehören, dürfen von Nichtjuden weder bearbeitet, noch
verpachtet oder gekauft werden. Sie sind für die ausschließliche Nutzung und Gebrauch von
Juden vorgesehen. Diese Böden gelten dann als erlöste Böden, d.h. Böden die nicht im
Besitz von Nichtjuden sind.
Dan Diner, Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur e. V.,
dem man keine antisemitischen Tendenzen unterstellen kann, schreibt:
„Bodenkauf und -besiedlung waren also von Anfang an die Bedingungen jüdischer
Nationalstaatsbildung in Palästina. Damit aber war bereits die Verlaufsform des Konflikts
vorgezeichnet: Es war nötig geworden, anstelle der arabischen Bauernbevölkerung, den
Fellahen, jüdische Siedler mit dem Boden zu verbinden, und es mußte gleichzeitig verhindert
werden, daß jener Boden jemals wieder von Arabern zurückgekauft werden könnte. Dies
geschah vor allem dadurch, daß die zionistische Bodenkauf-Organisation, der Keren
Kayemeth Leisrael (KKL), den Juden ausdrücklich verbot, erworbenen Boden wieder zu
veräußern. Er gilt seit seinem Aufkauf als Nationaleigentum. Diese Regelung, die auch
heute im Staate Israel rechtlich wirksam ist, darf nicht mit einer Sozialisierungsmaßnahme
verwechselt werden, die den Boden verstaatlicht. Vielmehr handelt es sich um eine
Nationalisierung im ursprünglichem Sinne des Wortes, und zwar insofern, als dieser Boden
nur von einer nationalen Bevölkerungsgruppe - nämlich der jüdischen – beansprucht und
besiedelt werden darf.
...Vor der Staatsgründung, bis zum Jahre 1947, waren von der zionistischen Organisation
nur 1734000 Dunum oder 6,6% des palästinensischen Bodens käuflich erworben worden.
Auch heute haben im Staate Israel Gesetze Geltung, die eine Veräußerung, Übertragung
sowie eine Bearbeitung jener Böden durch Nichtjuden, d.h. Araber, verbieten, die rechtlich
dem KKL gehören oder als »Staatsböden« geführt werden. Dabei handelt es sich – neben
der Satzung des Nationalfonds - um das »Konstitutionelle Gesetz über Grundbesitz«, das
»Gesetz über Grundbesitz in Israel« und das »Landverwaltungsgesetz Israels« vom 19. bzw.
15. Juli 1960. Der Geltungsbereich dieser Gesetze erstreckt sich auf ca. 92% der
Landesfläche oder 18000 Quadratkilometern von 20255 in den Grenzen vor dem Junikrieg
1967.“ ( Siehe Dan Diner, Fischer Weltgeschichte, Band 36/1981, S.166ff.)
Der frühere Vorsitzende der Liga für Menschenrechte in Israel, Prof. Israel Shahak, ein
überlebender der nationalsozialistischen Konzentrationslager schreibt:
" Der Staat Israel diskriminiert offiziell Nichtjuden gegenüber Juden in vielen
Lebensbereichen, von denen ich folgende drei als die wichtigsten betrachte: Wohnrecht,
Arbeitsrecht und das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die Diskriminierung im
Wohnrecht gründet sich auf der Tatsache, daß etwa 92% des israelischen Landes
Staatseigentum sind und von der israelischen Landbehörde entsprechend den vom Jewish
National Fund (JNF), einem Ableger der World Zionist Organization, erlassenen Vorschriften
verwaltet werden. In diesen Vorschriften verweigert der Jewish National Fund jedermann,
der nicht jüdisch ist, das Recht auf Niederlassung, auf Geschäftseröffnung und oft auch zur
Arbeit. Und zwar nur deshalb, weil er kein Jude ist. Gleichzeitig ist es Juden aber erlaubt,
sich überall in Israel niederzulassen und geschäftlich tätig zu sein. Solche Maßnahmen
gegen Juden in einem anderen Staat würden sofort und zu Recht als Antisemitismus
gebrandmarkt werden und zweifellos massive öffentliche Proteste hervorrufen" (Israel
Shahak, "Jewish History, Jewish Religion", 1994, Seite 7)
Der jüdisch-israelische Sozialwissenschaftler Uri Davis antwortete in einem Interview, vom
21.11.2002 auf die Frage:
„In Israel existieren keine Gesetze, die zwischen jüdischer und nichtjüdischer Bevölkerung
unterscheiden wie in Südafrika?“
wie folgt:
„Israel ist wie Südafrika ein kolonialer Siedlerstaat. Und in allen kolonialen Besiedlungen
spielt die Kontrolle über den Boden eine entscheidende Rolle. Auch der israelischpalästinensische Konflikt ist primär ein Konflikt zwischen der einheimischen arabischen
Bevölkerung und dem kolonialen Siedlerstaat Israel, der sich selbst als jüdischer Staat
ausgibt und deshalb undemokratisch ist. In dieser Region ist das gesetzliche System so
ausgestaltet, dass 93 % des Landes per Gesetz und Parlamentsbeschlüssen jüdischen
SiedlerInnen zur Nutzung und Kultivierung vorbehalten ist. Nicht-Juden/JüdInnen haben nur
Zugang zu weniger als 7 Prozent des Landes von Israel. Als nichtjüdische Bevölkerung sind
davon hauptsächlich die arabisch-palästinensischen BewohnerInnen betroffen. Wenn wir die
israelische Apartheid unter diesem Aspekt betrachten, dann ist sie extremer als in Südafrika.
Auf dem Höhepunkt der Apartheid in Südafrika waren per Gesetz 87 Prozent des Landes
weissen SiedlerInnen zur Nutzung vorbehalten, 13 Prozent standen für die Nicht-Weissen
zur Verfügung und konzentrierten sich hauptsächlich auf Bantustans. Das Kriterium des
südafrikanischen Apartheidregimes war, ob jemand Weiss oder Nicht-Weiss ist, in Israel ist
es die Unterscheidung zwischen Juden/JüdInnen und Nicht-Juden/Jüdinnen.
Es stimmt, dass es im Vergleich zu Südafrika im israelischen Rechtswesen schwieriger ist,
die Apartheid zu erkennen. Am einfachsten ist es, das israelische Apartheidsystem an
seinen konkreten Auswirkungen zu erkennen. Diese sind deutlich sichtbar, was sehr viel zu
tun hat mit dem Verteilkonflikt von Land und Wasserressourcen zwischen Siedlerstaat und
einheimischer Bevölkerung.
Wer dagegen in einer israelischen Gesetzessammlung, die auch auf Englisch vorliegen, in
den Inhaltsverzeichnissen nach Gesetzen sucht, die zwischen Juden/JüdInnen und Nicht-
Juden/Jüdinnen unterscheiden, wird nicht fündig werden. Wer südafrikanische
Apartheidgesetzen studiert, findet relativ einfach zahllose Gesetze, die schon im Namen
verraten, dass sie zwischen Weissen und Nichtweissen unterscheiden. In dieser Hinsicht
sind Untersuchungen über das israelische Apartheidsystem viel komplizierter. Die
israelischen Gesetzgeber, das Parlament und die Leitung der Zionistischen Weltorganisation
(WZO), der Jewish Agency oder des jüdischen Nationalfonds haben beachtliche
Anstrengungen unternommen, um Israel als einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten
erscheinen zu lassen, um sich damit die internationale Unterstützung zu sichern. Die
politische Unterstützung, die der Staat Israel unter westlichen Staaten immer noch geniesst,
wäre viel schwieriger aufrechtzuerhalten, wenn Israel wie das ehemalige Südafrika
offensichtlich als Apartheidstaat erscheinen würde. Deshalb wurden enorme Anstrengungen
unternommen, um die rechtliche und praktische Realität zu verschleiern. Anstatt Gesetze zu
erlassen, die zwischen Juden und Nicht-Juden unterscheiden, wurde ein System mit zwei
Kategorien geschaffen, die eine Arbeitsteilung zwischen Staat und verschiedenen
Organisation wie der Zionistischen Weltorganisation, der Jewish Agency und dem jüdischen
Nationalfonds vorsehen. Diese Organisationen vertreten nach ihrem Statut bei der
Landverteilung, bei der Besiedlung und bei der Unterstützung der jüdischen Immigration nur
jüdische Interessen. Der Staat hat diesen Organisationen einen offiziellen Status eingeräumt,
und sie übernehmen de facto Staatsaufgaben. Durch diese Arbeitsteilung kann der Staat
behaupten, dass er niemanden diskriminiert, während diese Aufgabe den zionistischen
Organisationen übertragen ist.“
(http://www.soal.ch/dossiers/Pal%E4stina/Interview%20Uri%20Davis.html)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Deutschland hat sicherlich eine unbestreitbare Verantwortung gegenüber den Opfern des
nationalsozialistischen Wahnsinns. Aber hat Deutschland nicht auch eine Verantwortung
gegenüber den Opfern der Opfer, den Palästinensern? Verlangt die Verantwortung nicht
auch etwas mehr Feingefühl gegenüber den Palästinensern? Oder besteht der deutsche
Beitrag darin, durch Spenden zur Anpflanzung von Wäldern die sich darunter befindenden
Spuren und Reste der 1948 anlässlich der Staatsgründung Israels zerstörten 388
Dörfer der Palästinenser zu verdecken und heute?
Zu einer Zeit, in der die israelische Politik weltweit zunehmend kritisiert wird, ist es
gleichzeitig erschreckend und belustigend zu sehen, wie der Apartheidspolitik israelischer
Institutionen – in diesem Fall die Apartheidspolitik des Jüdischen Nationalfonds – unter dem
Deckmantel der Begrünung der Negevwüste zunehmende Akzeptanz bei der Bevölkerung
verschafft wird.
Gruss
N. A.
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