Dieses „Hörbild“ entstand nach einer Lesung zum Zionismus, die in

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Dieses „Hörbild“ entstand nach einer Lesung zum Zionismus, die in München
im Rahmen der Palästinatage 2010 erfolgreich aufgeführt und in Frankfurt
wiederholt wurde, wo mich der Verleger Abraham Melzer spontan einlud,
daraus ein Hörbuch zu machen.
Der Titel „Söldner gegen die Zukunft“ entstammt dem erstaunlichen
Gedichtband „Höre, Israel!“ von Erich Fried. „Höre, Israel!“ war mein erstes
Hörbuchprojekt mit Abraham Melzer - ausgezeichnet vom Bayerischen
Rundfunk als „Hörbuch der Woche“ und „Bayern2-Favorit“.
Meine Absicht mit diesem neuen Hörstück ist es, Schlaglichter auf den
Zionismus zu werfen – mehr kann eine Lesung respektive ein Hörbild kaum
leisten - und dessen grundlegende Annahmen und Zielvorstellungen als die
Wirklichkeit verschleiernde Mythen kenntlich zu machen. Der Versuch ihrer
Realisierung in Palästina erwies sich nicht nur für die Palästinenser als äußerst
verhängnisvoll und muss wohl - nach über hundert Jahren jüdischer
Einwanderung darf man dies mit Fug und Recht behaupten –, trotz aller
beeindruckender Errungenschaften des Staates Israel, als letztendlich misslungen bezeichnet werden.
Ausgangspunkt dieses Hörbilds ist der israelische Gründungsmythos vom
„jüdischen Volk“. Der israelische Historiker Shlomo Sand (“Die Erfindung des
jüdischen Volkes“) legt dar, dass die ethnisch-religiöse Deutung der jüdischen
Geschichte „das Werk versierter Vergangenheitskonstrukteure“ ist.
Der zionistische Mythos vom „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“
offenbart die typisch europäische, rassistische Arroganz den „Eingeborenen“
gegenüber, deren Existenz schlicht nicht zur Kenntnis genommen wurde. Das
„Land ohne Volk“ war sehr wohl besiedelt und, wo immer möglich, auch
bewirtschaftet.
Der Zionismus war ja ein europäisches Projekt des 19. Jahrhunderts, gegen
dessen eingestandenermaßen nationalistisch-kolonialistische Ideologie von
Anfang an gerade von jüdischer Seite erhebliche Einwände vorgebracht wurden.
Der sog. Kulturzionismus (eines Achad Ha’am, Yitzhak Epstein oder später
Martin Bubers etwa) erkannte und benannte die verheerenden Folgen einer
beschönigend schon von Theodor Herzl, dem Begründer des Zionismus,
„Transfer“ genannten „ethnischen Säuberung Palästinas“ vor allem für die
Juden selbst.
Die Vor- und Frühgeschichte des Staates Israel wird hier zumindest kursorisch
thematisiert, weil die damals auf der Basis der exklusionistisch-expansiven
Ideologie vorgenommenen Entscheidungen und Festlegungen – und dies ist die
Kernthese des Hörstücks – nach wie vor die Politik des Landes bestimmen.
Dabei spielte die Idee der Demokratie von Anfang an – dies die zweite
Kernthese - eine eher untergeordnete Rolle. Theodor Herzl: „Die jetzigen Völker
(sind) nicht geeignet für die unbeschränkte Demokratie… Darum denke ich mir
eine aristokratische Republik.“ Und Ariel Sharon, 1993: „Es war nicht die
Absicht des Zionismus, … eine Demokratie aufzubauen. Er wurde allein
angetrieben von der Errichtung eines jüdischen Staates in Eretz-Israel [GroßIsrael], der … dem jüdischen Volk allein gehört.“ In diesem Sinne ist Israel also
eher eine Ethnokratie, das heißt eine Demokratie vorwiegend für Juden.
Aus einer solchen Geisteshaltung ergibt sich ganz zwanglos die Vorstellung,
dass die Eingeborenen, die seit undenklichen Zeiten dort lebenden Palästinenser
(die Philister der Bibel), als „Fremde “entfernt werden müssten. Ein solches
Programm war aber nur mit Gewalt durchzusetzen. Ben Gurion: „Ich bin für
Zwangsumsiedlung – darin sehe ich nichts Unmoralisches.“
Derselbe Ben-Gurion formulierte als Ziel des Zionismus: „Ganz Palästina als
jüdischer Staat.“ Von daher wird einsichtig, warum sich Israel hartnäckig –
gegen Menschen- und Völkerrecht – weigert, seine Siedlungspolitik in den
besetzten Gebieten einzustellen, und warum Israel seinen Herrschaftsanspruch
gegen den beharrlichen Widerstand der Palästinenser gewaltsam durchsetzen
gezwungen ist. Das wird beispielhaft und detailliert aufzuzeigen versucht an der
Invasion des Gazastreifens von 2008/09 und am Flotillen-Piratenakt im Jahr
2010.
Diese so umrissene Politik Israels gegenüber den Palästinensern, die sich mit
wirklich demokratischen Grundsätzen schwerlich vereinbaren lässt, führt
naturgemäß zu einer inneren Korrumpierung der israelischen Gesellschaft,
die sich inzwischen immer rechtsextremer orientiert. Professor Ze’ev Sternhell,
der renommierte Faschismusexperte und Träger des prestigeträchtigen IsraelPreises, zur gegenwärtigen israelischen Regierung: „Im Nachkriegseuropa
regierten Politiker mit vergleichbaren Ansichten das letzte Mal im Spanien
Francos … Da wird ein kruder und vielschichtiger Kampf gegen die Grundfesten der liberal-demokratischen Ordnung geführt.“
Angesichts der hier nur angedeuteten Zusammenhänge verwundert es nicht, dass
nicht wenige Israelis mit den Füßen abstimmen und zunehmend ihr Land
verlassen oder sich zumindest einen zweiten ausländischen Paß besorgen. Die
Zahl der Auswanderer übersteigt mittlerweile die Zahl der Einwanderer –
eine klare Infragestellung der zionistischen Grundidee.
Die intransigente israelische Politik den Palästinensern gegenüber hat das Land
nicht nur international in die zunehmende Isolation, sondern auch in eine
Sackgasse geführt: der Rückzug aus den besetzten Gebieten würde unweigerlich
„die Spaltung der israelischen Gesellschaft mit der möglichen Folge eines
innerjüdischen Bürgerkriegs nach sich ziehen“, andererseits würde die
Fortsetzung der Okkupation - angesichts der hohen palästinensischen
Geburtenrate – mittelfristig nichts anderes bedeuten als „die zwangsläufige
Bewegung auf eine binationale Struktur hin bzw. die offizielle Proklamation
eines Apartheidstaates, in welchem Juden als Minorität im eigenen Staat
herrschen würden. Die eine wie die andere Option“ – so Professor Moshe
Zuckermann von der Universität Tel Aviv – „führt potentiell zum Ende des
historischen zionistischen Projekts.“
Jürgen Jung, Pfaffenhofen, September 2011
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