Seminar: Erinnerungskultur des 20. Jahrhunderts in Polen und Deutschland Das Ausstellungsprojekt „Zug der Erinnerung“ Der Verein „Zug der Erinnerung e.V.“ mit Sitz in Friesenhagen in Rheinland-Pfalz ist ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen, mit dem Ziel, die Erinnerung an mehrere hunderttausend deutsche und europäische Kinder zu pflegen, die während des Nationalsozialismus in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Die Erinnerung daran soll unter anderem durch die gleichnamige Ausstellung lebendig gehalten werden. Der Zug der Erinnerung besteht aus zwei Waggons, in denen die Geschichte der europäischen Deportationen – darunter etwa 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche – anhand von Biografien nacherzählt wird. Dabei liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf Deutschland. Ein weiterer Teil der Ausstellung widmet sich auch den Tätern der unterschiedlichen Funktionsebenen, z.B. aus dem Reichsverkehrsministerium, der SS und der Deutschen Reichsbahn. Einzigartig an diesem Ausstellungsprojekt ist sein prozesshafter Charakter: die Ausstellung legt im doppelten Sinne einen Weg zurück. Zum einen auf der Fahrt durch ganz Deutschland, Teile Frankreichs und Polens, aber auch durch einen eigenen Ausstellungsteil, in dem leere Tafeln hängen, die Schulklassen oder Organisationen noch mit Inhalt füllen sollen. „Spurensuche“ ist hier ein wichtiges Stichwort, da Schulen etc. in das Projekt eingebunden werden sollen und den Besuchern mit Hilfe von Computern und einer Handbibliothek die Möglichkeit gegeben werden soll, selbst zu recherchieren und sich über die Ausstellung wie Erlebtes auszutauschen. Dafür stehen auf der mehrsprachigen Internetseite www.zugdererinnerung.de auch Materialien für Lehrer und Interessierte zur Verfügung. Die Ausstellung soll so auch Anreize schaffen, sich weiter mit diesem Thema auseinanderzusetzen und eigene Nachforschungen zu betreiben. Die Anregung – insbesondere vorrangig an Jugendliche – sich selbst aktiv auf Spurensuche zu begeben, kann Emotionen eigentlich kaum außen vor lassen, da Spuren ja vor allem persönliche Spuren sind. Auch das gemeinsame Gedenken der Opfer ist für die Besucher/Teilnehmer sicher eine sehr persönliche Erfahrung. Das große Interesse der Öffentlichkeit spiegelt sich in den hohen Besucherzahlen. In Görlitz hielt der "Zug der Erinnerung" am 5. Mai 2008 auf seiner 62. Station. Seit November 2007 hatten zu diesem Zeitpunkt 225.000 Besucher die Ausstellung gesehen. In Dresden waren beispielsweise 9500 Besucher im Hauptbahnhof, in Bautzen fanden sich innerhalb von zwei Tagen mehr als 3.600 Interessierte im Zug ein. In Berlin besuchten über 30.000 Besucher die Ausstellung. 10.000 Besucher waren es bereits am ersten Tag seines Aufenthalts im Ostbahnhof – bei einer bis zu dreistündigen Wartezeit. Gleichzeitig hat das Projekt auch eine hohe mediale Aufmerksamkeit, die auf den Internetseiten mit Berichten deutscher und 1 internationaler Medien umfassend dokumentiert ist. Im Fokus der Öffentlichkeit standen auch die Debatten mit der Deutschen Bahn um die Nutzung des Berliner Hauptbahnhofs sowie die Übernahme der Kosten der Streckennutzung. Obwohl sich zahlreiche Politiker und Interessenvertreter für die Nutzung des Hauptbahnhofs und eine finanzielle Unterstützung des Ausstellungszuges einsetzten, erfuhr das Projekt keinerlei Unterstützung durch die Deutsche Bahn. Am 7. Mai 2008 erreichte der Zug die KZ-Gedenkstätte Auschwitz, wo eine Gruppe von Jugendlichen in einer Gedenkveranstaltung der Opfer gedachte und der Leiterin der Gedenkstätte die gesammelten Fotos, Briefe und Dokumente übergab. Seitdem befindet sich der Zug auf dem Rückweg nach Deutschland, wo er in weiteren Städten hält. Das Ausstellungsprojekt finanziert sich durch Spenden von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Übernahme von Streckenpatenschaften. Die Kosten der Ausstellung und deren Transport auf der Schiene belaufen sich auf 90 Euro pro Kilometer. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Otto Brenner Stiftung und der Aktion Mensch umgesetzt. Es erhält keine staatliche Förderung oder Unterstützung durch die Deutsche Bahn. 2