B S V Ö Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich

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BSVÖ
Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich
Stellungnahme
zu den Verhandlungen um einen WIPO-Vertrag über den verbesserten Zugang
zu Büchern und anderen Druckerzeugnissen für Menschen mit funktionellen
Lesebehinderungen
Selbst im Jahr 2012 haben Personen mit einer Sehbehinderung, anderen körperlichen oder auch
kognitiven Behinderungen noch immer einen nur sehr begrenzten Zugang zu Büchern und anderen
Druckerzeugnissen. In reicheren Ländern sind nur etwa 5 Prozent der Bücher in barrierefreien
Formaten zugänglich gemacht, in ärmeren Weltregionen sind es sogar weniger als 1 Prozent.
Die große Mehrheit der Bücher und Zeitschriften in barrierefreien Formaten wie Braille, Großdruck
oder Audio wird nicht von den Verlagen selbst, sondern von gemeinnützigen Spezialeinrichtungen des
Blindenwesens produziert. Neben Österreich gibt es laut dem sogenannten Sullivan-Bericht (abrufbar
unter http://www.wipo.int/meetings/en/doc_details.jsp?doc_id=75696) 56 weitere Staaten, in
denen überhaupt eine gesetzlich verankerte Ausnahme vom nationalen Urheberrecht für die
Adaptierung von Werken im Sinne der Barrierefreiheit existiert.
Die in einem bestimmten Land für Blinde, Sehbehinderte und andere Menschen mit funktionellen
Lesebehinderungen barrierefrei gemachten Bücher können jedoch nicht grenzüberschreitend
verwendet werden. Eine Vielzahl von unterschiedlichen urheberrechtlichen Bestimmungen auf
nationalstaatlicher Ebene verhindert eine effiziente internationale Nutzung der mit hohen Kosten
erstellten barrierefreien Formate. Dies hat zur Folge, dass ein und dasselbe Werk mehrfach für die
Erfordernisse
von
behinderten
Menschen adaptiert
werden muss
und
die
jeweiligen
Selbsthilfeorganisationen in den verschiedenen Ländern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten
nur wenige Bücher zur Adaptierung auswählen können.
Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) sieht in dem von der Weltblindenunion
(WBU) im Jahr 2009 vorgelegten Entwurf eines Vertrages zum verbesserten Zugang zu Büchern und
anderen Druckerzeugnissen (abrufbar unter
BSVÖ
Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich
http://www.wipo.int/edocs/mdocs/copyright/en/sccr_18/sccr_18_5.pdf)
im
Rahmen
der
Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) das geeignetste Instrument der Problematik zu
begegnen.
Ein rechtlich verbindliches internationales Abkommen unter Ägide der WIPO würde dazu dienen,
auch in den gut zwei Dritteln der Länder weltweit, in denen bisher keine gesetzlich festgeschriebene
Ausnahme vom nationalen Urheberrecht für die Produktion barrierefreier Formate existiert, eine
solche Ausnahme zu schaffen.
Zudem würde der WIPO-Vertrag die unterschiedlichen nationalen Urheberrechtsbestimmungen
harmonisieren und damit einem grenzüberschreitenden, nicht-kommerziellen Austausch von bereits
barrierefrei gemachten Werken eine legale Grundlage geben. Hunderttausende Bücher würden für
Millionen
von
Blinden,
Sehbehinderten
und
anderen
Menschen
mit
funktionellen
Lesebehinderungen zugänglich gemacht. Nicht rechtlich verbindliche Empfehlungen, sogenanntes
„soft law“, haben sich wiederholt als ineffektiv erwiesen und werden daher vom BSVÖ abgelehnt.
Als Ausdruck des politischen Willens der Bürger der Europäischen Union (EU) hat auch das
Europäische Parlament im Februar 2012 mit eindeutiger Mehrheit einen Entschließungsantrag zum
Zugang von Menschen mit funktionellen Lesebehinderungen zu Büchern und Printmedien
angenommen.
Die Unterstützung für einen WIPO-Vertrag ist Ausdruck dafür, dass die in der Charta der Grundrechte
der EU sowie die im Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der
Vereinten Nationen (CRPD) verankerten Rechte von Menschen mit Behinderungen ernst genommen
werden. Insbesondere die Artikel 21 und 30 der CRPD betonen das Recht von Menschen mit
Behinderungen auf den Zugang zu Informationen und kulturellen Gütern durch die Bereitstellung
barrierefreier Formate.
Österreich, welches die CRPD im Jahr 2008 ratifiziert hat, steht in der Pflicht, sich für ihre Umsetzung
einzusetzen und damit auch die Verhandlungen für einen WIPO-Vertrag im Sinne blinder und
sehbehinderter Menschen voranzutreiben.
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