Presse-Aussendung Offener Brief der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching Mitglied der ANSE Association of National Organisations for Supervision in Europe Flüchtlingskrise: ÖVS ruft dringend zu Professionalität auf Konflikt-Spezialisten fordern energisch eine höhere Professionalität bei der Unterstützung von Flüchtlingen, aber auch Betreuern. In einem offenen Brief an die Regierung bezeichnet die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching ÖVS die Lage als „beschämend“. Österreich hätte durchaus die Möglichkeit, das herrschende Chaos in den Griff zu bekommen und die Betreuung ordentlich zu organisieren. „Der Umgang mit Flüchtlingen, selbst mit allein gelassenen Jugendlichen, ist verantwortungslos“, betont Esther Gruber-Seidl, Vorsitzende der ÖVS. „Politische Entscheidungen werden verzögert und verschoben, bis die Zustände unerträglich sind. Auch die Mitarbeiter von Flüchtlingslagern und Hilfsorganisationen bleiben sich selbst überlassen, sie müssen allein zurechtkommen, egal wie. Wer achtet auf ihre psychische Gesundheit?“ Die ÖVS ist der Berufsverband für Supervision und Coaching, das ist Beratung in problematischen beruflichen Situationen. Supervision kommt vorwiegend in der Medizin, in Sozialberufen, in pädagogischen und therapeutischen Berufen zum Einsatz, entweder in Gruppenarbeit oder einzeln (Coaching). „Schwierigen und belastenden Umständen in Sozialeinrichtungen stehen wir ja tagtäglich gegenüber, aber was sich derzeit mit den Flüchtlingen abspielt, sprengt alle Vorstellungen“, sagt Gruber-Seidl. „Wir können und wollen dem nicht schweigend zusehen und haben uns daher entschlossen, einen offenen Brief an den Bundeskanzler und die Regierung zu richten.“ Der Brief der ÖVS bezeichnet den Umgang mit dem Flüchtlingsproblem in Österreich als „unmenschlich, unseriös“ und als unvereinbar mit den Menschenrechten. „Die beteiligten Organisationen, ihre MitarbeiterInnen und in erster Linie die Flüchtlinge leiden darunter, dass politische Entscheidungen nicht getroffen und Verantwortlichkeiten verschleppt werden“, so der Brief im Wortlaut. „Österreich hat durchaus die Möglichkeit, die Flüchtlingsarbeit auf hohem Niveau professionell zu organisieren und strukturell abzusichern.“ Die ÖVS bietet den zuständigen Behörden und Organisationen ihre Unterstützung und Kooperation an. Die ÖVS verlangt von der Regierung ein klares Konzept und eine rasche, gemeinsame Anstrengung, frei von parteipolitischen Interessen. Die beteiligten Organisationen seien überfordert, ihre Mitarbeiter dauerhaft überlastet. Derzeit springen viele freiwillige Helfer in die Bresche und übernehmen Aufgaben, die die Institutionen nicht mehr bewältigen. Dadurch würden aber, warnt die ÖVS, „unkontrollierte Graubereiche der Hilfeleistung“ entstehen. Der offene Brief der ÖVS im Original: www.oevs.or.at/2015/09/statement/ Über die ÖVS Die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching ÖVS ist ein Berufsverband, dem derzeit mehr als 1.250 qualifizierte Supervisoren angehören. Supervision/Coaching ist eine professionelle Beratungs- und Unterstützungsmethode bei beruflichen Herausforderungen und Problemen, für Einzelpersonen, Teams und Organisationen. Die ÖVS hat ihren Sitz in Wien und verfügt über Vertretungen in allen Bundesländern. Die Vereinigung wurde 1994 gegründet, um die Qualität von Supervision/Coaching in Österreich zu sichern und anerkannte Qualitätskriterien einzuführen. Mitglieder müssen eine ÖVS-zertifizierte Ausbildung nachweisen und ihr Können alle drei Jahre belegen. www.oevs.or.at Bildtext Esther Gruber-Seidl, Vorsitzende der ÖVS Foto: Pfluegl (Veröffentlichung honorarfrei) Presse-Rückfragen: WIDTER PR Michael Widter, MAS (+43 1) 332 63 38 -11 · [email protected] 2. September 2015 Fotos: www.widter.com Offener Brief der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching Mitglied der ANSE Association of National Organisations for Supervision in Europe Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Faymann, sehr geehrte Bundesregierung! Die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching ÖVS betrachtet den Umgang mit der Flüchtlingsthematik in Österreich als unmenschlich, unseriös und unvereinbar mit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO (UNDHR) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (ECHR). Die beteiligten Organisationen, ihre MitarbeiterInnen und in erster Linie die Flüchtlinge leiden darunter, dass politische Entscheidungen nicht getroffen und Verantwortlichkeiten verschleppt werden. Wir begegnen einer schier endlosen Flut von Bildern und Informationen, denen wir uns nicht entziehen können: Kinder, die durch Stacheldrahtzäune gezerrt werden, Minderjährige ohne Begleitung, Schlepper-Verfolgungsjagden auf österreichischen Autobahnen, Diskussionen um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in einem geeinten Europa, täglich neue Ideen von Beschäftigung und Unterbringung von Flüchtlingen, schleppende Asylverfahren, Diskussionen um die politische Zuständigkeit, Leid, Elend, Tod. Ungewissheit und Hilflosigkeit der Betroffenen. Die MitarbeiterInnen von Flüchtlingsbetreuungsorganisationen – ob ehrenamtlich oder beruflich – geraten in ihrer Arbeit unter den aktuellen Rahmenbedingungen an ihre Grenzen sowie an die Grenzen des Zumutbaren. Es ist beschämend, dass sich die politisch verantwortlichen Parteien nicht auf ein gemeinsames Bemühen und eine gemeinsame Lösung zur Bewältigung des Flüchtlingsstromes einigen können. Wie sollen Organisationen und Institutionen in Österreich arbeiten, wenn strukturelle Defizite politisch nicht behoben werden? Ein klares Konzept ist überfällig! Es ist nicht notwendig, in Österreich Menschen in Zeltstädten unterzubringen! Es ist unwürdig, in Österreich mit dem Elend von Menschen parteipolitisch Geschäfte zu machen! Es ist unerträglich, dass in Österreich die BetreuerInnen und über einen so langen Zeitraum persönlich und strukturell überlastet werden! Wer achtet auf die psychische Gesundheit von Helfern und MitarbeiterInnen? Wie können Organisationen, Institutionen und Behörden ihrer betrieblichen Fürsorgepflicht nachkommen? Österreich hat durchaus die Möglichkeit, die Flüchtlingsarbeit auf hohem Niveau professionell zu organisieren und strukturell abzusichern. Nötig ist jedoch der politische Wille, die Anforderungen der Flüchtlingsthematik gemeinsam, frei von persönlichen und politischen Motiven, professionell und ambitioniert zu bewältigen und ein sichtbares Zeichen in Europa und für Europa zu setzen. Zahlreiche Menschen in Österreich ergreifen selbst die Initiative und leisten ehrenamtliche und freiwillige Unterstützungsarbeit, weil sie die politische Hilflosigkeit nicht länger ertragen. Dadurch trägt die Politik allerdings die Verantwortung, dass keine unkontrollierten Graubereiche der Hilfeleistung entstehen. Die Organisationen und ihre MitarbeiterInnen brauchen eine strukturierte Absicherung und Unterstützung für ihre Arbeit mit geflüchteten und traumatisierten Menschen. Die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching ÖVS weist mit Nachdruck auf die Verantwortung von Parteien und Gesellschaft hin und bietet den beteiligten Organisationen und Personen ihre Unterstützung und Kooperation an. DSAin Esther Gruber-Seidl Vorsitzende der ÖVS