8 Messbarkeit und Bildwahrscheinlichkeit Inhaltsverzeichnis (Ausschnitt) 8 Messbarkeit und Bildwahrscheinlichkeit Messbare Abbildungen Bildwahrscheinlichkeit Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 185 8 Messbarkeit und Bildwahrscheinlichkeit Messbare Abbildungen 8.1 Messbare Abbildungen I Häufig von Interesse: Nicht der Ausgang eines Zufallsexperiments selbst, sondern eine Funktion dieses Ausgangs, d.h. eine Abbildung X : Ω → Ω0 vom Ergebnisraum Ω in eine andere Menge Ω0 . Beispiele: I I I I Augensumme beim gleichzeitigen Werfen von zwei Würfeln Anzahl Wappen“ bei mehrmaligem Münzwurf ” Resultierender Gewinn zu gegebener Tippreihe beim Lottospiel Anzahl der weißen Kugeln bei wiederholter Ziehung von Kugeln aus Urne mit schwarzen und weißen Kugeln (mit oder ohne Zurücklegen) Wahrscheinlichkeitsbegriff des ursprünglichen Zufallsexperiments (Ω, F, P) soll in die Wertemenge/Bildmenge Ω0 der Abbildung X transportiert“ ” werden. Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 186 8 Messbarkeit und Bildwahrscheinlichkeit Messbare Abbildungen 8.1 Messbare Abbildungen II Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses A0 ⊆ Ω0 wie folgt: I I Feststellen, welche Elemente ω ∈ Ω unter der Abbildung X auf Elemente ω 0 ∈ A0 abgebildet werden. Wahrscheinlichkeit von A0 ergibt sich dann als Wahrscheinlichkeit der erhaltenen Teilmenge {ω ∈ Ω | X (ω) ∈ A0 } von Ω, also als P({ω ∈ Ω | X (ω) ∈ A0 }). Definition 8.1 (Urbild) Es seien X : Ω → Ω0 eine Abbildung, A0 ⊆ Ω0 . Dann heißt X −1 (A0 ) := {ω ∈ Ω | X (ω) ∈ A0 } das Urbild von A0 bzgl. X . Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 187 8 Messbarkeit und Bildwahrscheinlichkeit Messbare Abbildungen 8.1 Messbare Abbildungen III Zur Funktionsfähigkeit des Wahrscheinlichkeitstransports“ nötig: ” Geeignetes Mengensystem ( σ-Algebra) F 0 über Ω0 , welches kompatibel“ ” zur σ-Algebra F über Ω und zur Abbildung X ist. Kompatibilitätsanforderung“ ergibt sich nach Konstruktion: ” Damit P({ω ∈ Ω | X (ω) ∈ A0 }) = P(X −1 (A0 )) für A0 ∈ F 0 definiert ist, muss X −1 (A0 ) ∈ F gelten für alle A0 ∈ F 0 . Beschriebene Eigenschaft der Kombination F, F 0 und X heißt Messbarkeit: Definition 8.2 (Messbarkeit, messbare Abbildung) Es seien (Ω, F) und (Ω0 , F 0 ) zwei Messräume. Eine Abbildung X : Ω → Ω0 heißt F − F 0 −messbar, wenn gilt: X −1 (A0 ) ∈ F für alle A0 ∈ F 0 . Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 188 8 Messbarkeit und Bildwahrscheinlichkeit Bildwahrscheinlichkeit 8.2 Bildwahrscheinlichkeit Definition 8.3 (Bildwahrscheinlichkeit) Es seien (Ω, F, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, (Ω0 , F 0 ) ein Messraum, X eine F − F 0 −messbare Abbildung. Dann heißt das durch PX : F 0 → R; PX (A0 ) := P(X −1 (A0 )) definierte Wahrscheinlichkeitsmaß PX Bildwahrscheinlichkeit von P bezüglich X . (Ω0 , F 0 , PX ) ist damit ebenfalls ein Wahrscheinlichkeitsraum. Gilt F = P(Ω), so ist offensichtlich jede Abbildung X : Ω → Ω0 F − F 0 −messbar für beliebige σ-Algebren F 0 über Ω0 . Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 189 8 Messbarkeit und Bildwahrscheinlichkeit Bildwahrscheinlichkeit 8.2 Einbettung der deskriptiven Statistik in die Wahrscheinlichkeitsrechnung Ist Ω die (endliche) Menge von Merkmalsträgern einer deskriptiven statistischen Untersuchung, F = P(Ω) und P die Laplace-Wahrscheinlichkeit P : P(Ω) → R; B 7→ #B , #Ω so kann jedes Merkmal X mit Merkmalsraum A = {a1 , . . . , am } als P(Ω) − P(A)−messbare Abbildung X : Ω → A verstanden werden. (A, P(A), PX ) ist dann ein diskreter Wahrscheinlichkeitsraum mit Wahrscheinlichkeitsfunktion p(aj ) = r (aj ) bzw. — äquivalent — PX ({aj }) = r (aj ) für j ∈ {1, . . . , m}. Durch (A, P(A), PX ) wird damit die Erhebung des Merkmalswerts eines rein zufällig (gleichwahrscheinlich) ausgewählten Merkmalsträgers modelliert. Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 190 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Inhaltsverzeichnis (Ausschnitt) 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Borelsche sigma-Algebra Wahrscheinlichkeitsverteilungen Verteilungsfunktionen Diskrete Zufallsvariablen Stetige Zufallsvariablen (Lineare) Abbildungen von Zufallsvariablen Momente von Zufallsvariablen Quantile von Zufallsvariablen Spezielle diskrete Verteilungen Spezielle stetige Verteilungen Verwendung spezieller Verteilungen Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 191 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Borelsche σ-Algebra 9.1 Borelsche σ-Algebra I Häufiger Wertebereich von Abbildungen aus Wahrscheinlichkeitsräumen: R P(R) als σ-Algebra (aus technischen Gründen) aber ungeeignet! Alternative σ-Algebra über R: Borelsche“ σ-Algebra B ” B ist die kleinste σ-Algebra über R, die alle Intervalle (a, b) (a, b] [a, b) [a, b] (−∞, a) (−∞, a] (a, ∞) [a, ∞) für a, b ∈ R (mit a < b) enthält. Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 192 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Borelsche σ-Algebra 9.1 Borelsche σ-Algebra II Aufgrund der Eigenschaften von σ-Algebren sind auch alle I I I Einpunktmengen {x} für x ∈ R, endliche Mengen {x1 , . . . , xm } ⊆ R, abzählbar unendliche Mengen sowie endliche und abzählbare Schnitte und Vereinigungen von Intervallen in B enthalten. Abbildungen X : Ω → R aus einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P) heißen (eindimensionale) Zufallsvariablen, wenn sie F − B−messbar sind: Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 193 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Wahrscheinlichkeitsverteilungen 9.2 Eindimensionale Zufallsvariablen und deren Verteilung I Definition 9.1 (Zufallsvariable, Verteilung, Realisation) Seien (Ω, F, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, X : Ω → R eine F − B−messbare Abbildung. Dann heißen X (eindimensionale) Zufallsvariable über (Ω, F, P) und die gemäß Definition 8.3 gebildete Bildwahrscheinlichkeit PX : B → R; B 7→ P(X −1 (B)) Wahrscheinlichkeitsverteilung oder kürzer Verteilung von X . (R, B, PX ) ist damit ebenfalls ein Wahrscheinlichkeitsraum. Liegt nach Durchführung des Zufallsexperiments (Ω, F, P) das Ergebnis ω ∈ Ω vor, so heißt der zugehörige Wert x = X (ω) die Realisierung oder Realisation von X . Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 194 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Wahrscheinlichkeitsverteilungen 9.2 Eindimensionale Zufallsvariablen und deren Verteilung II PX (B) gibt nach Definition 8.3 für B ∈ B die Wahrscheinlichkeit an, als Ausgang des zugrundeliegenden Zufallsexperiments ein ω ∈ Ω zu erhalten, das zu einer Realisation X (ω) ∈ B führt. Demzufolge sind folgende Kurzschreibweisen geläufig: I I I P{X ∈ B} := P({X ∈ B}) := PX (B) für alle B ∈ B, P{X = x} := P({X = x}) := PX ({x}) für alle x ∈ R, P{X < x} := P({X < x}) := PX ((−∞, x)) für alle x ∈ R, analog für P{X ≤ x}, P{X > x} und P{X ≥ x}. In vielen Anwendungen interessiert man sich nur noch für die Bildwahrscheinlichkeit PX der Zufallsvariablen X bzw. den (resultierenden) Wahrscheinlichkeitsraum (R, B, PX ). Häufig wird X dann nur noch durch die Angabe von PX festgelegt und auf die Definition des zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsraums (Ω, F, P) verzichtet. Verteilungen PX von Zufallsvariablen als Abbildungen von B nach R allerdings schlecht handhabbar. Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 195 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Verteilungsfunktionen 9.3 Verteilungsfunktionen Man kann zeigen, dass Wahrscheinlichkeitsmaße PX auf B bereits (z.B.) durch die Angabe aller Wahrscheinlichkeiten der Form PX ((−∞, x]) = P({X ≤ x}) für x ∈ R eindeutig bestimmt sind! Daher überwiegend Identifikation“ der Verteilung PX mit Hilfe einer ” Abbildung R → R mit x 7→ PX ((−∞, x]) für x ∈ R: Definition 9.2 (Verteilungsfunktion) Es seien X eine Zufallsvariable über dem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P) und PX die Wahrscheinlichkeitsverteilung von X . Dann heißt die Abbildung FX : R → R; FX (x) := PX ((−∞, x]) = P({X ≤ x}) Verteilungsfunktion der Zufallsvariablen X . Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 196 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Verteilungsfunktionen 9.3 Eigenschaften von Verteilungsfunktionen I Die Verteilungsfunktion FX einer (eindimensionalen) Zufallsvariablen X hat folgende Eigenschaften: 1 FX ist monoton wachsend, d.h. für x, y ∈ R gilt: x <y 2 ⇒ FX (x) ≤ FX (y ) FX ist rechtsseitig stetig, d.h. für alle x ∈ R gilt: lim FX (x + h) = FX (x) h→0 h>0 3 lim FX (x) =: FX (∞) = 1 x→∞ 4 lim FX (x) =: FX (−∞) = 0 x→−∞ Als abkürzende Schreibweise für die linksseitigen Grenzwerte verwendet man FX (x − 0) := lim FX (x − h) h→0 h>0 Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) für alle x ∈ R. Folie 197 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Verteilungsfunktionen 9.3 Eigenschaften von Verteilungsfunktionen II Analog zur empirischen Verteilungsfunktion (deskriptive Statistik, Folie 46) können Intervallwahrscheinlichkeiten leicht mit der Verteilungsfunktion FX einer Zufallsvariablen X berechnet werden. Für a, b ∈ R mit a < b gilt: I PX ((−∞, b]) = P({X ≤ b}) = FX (b) I PX ((−∞, b)) = P({X < b}) = FX (b − 0) I PX ([a, ∞)) = P({X ≥ a}) = 1 − FX (a − 0) I PX ((a, ∞)) = P({X > a}) = 1 − FX (a) I PX ([a, b]) = P({a ≤ X ≤ b}) = FX (b) − FX (a − 0) I PX ((a, b]) = P({a < X ≤ b}) = FX (b) − FX (a) I PX ([a, b)) = P({a ≤ X < b}) = FX (b − 0) − FX (a − 0) I PX ((a, b)) = P({a < X < b}) = FX (b − 0) − FX (a) Insbesondere gilt für x ∈ R auch: PX ({x}) = P({X = x}) = FX (x) − FX (x − 0) Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 198 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Diskrete Zufallsvariablen 9.4 Diskrete Zufallsvariablen Einfacher, aber geläufiger Spezialfall für Zufallsvariable X über Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P): Wertebereich X (Ω) := {x ∈ R | x = X (ω) für (mindestens) ein ω ∈ Ω} ist endlich oder abzählbar unendlich (bzw. etwas allgemeiner: es gibt eine endliche oder abzählbar unendliche Menge B mit P({X ∈ B}) = 1). Analog zu Definition 6.3 heißen solche Zufallsvariablen diskret“. ” Definition 9.3 (Diskrete ZV, Wahrscheinlichkeitsfunktion, Träger) Seien (Ω, F, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, X eine Zufallsvariable über (Ω, F, P) und B ⊆ R endlich oder abzählbar unendlich mit P({X ∈ B}) = 1. Dann nennt man I X eine diskrete Zufallsvariable, I pX : R → [0, 1]; pX (x) := PX ({x}) die Wahrscheinlichkeitsfunktion von X , I T (X ) := {x ∈ R | pX (x) > 0} den Träger von X sowie alle Elemente x ∈ T (X ) Trägerpunkte von X und deren zugehörige Wahrscheinlichkeitsfunktionswerte pX (x) Punktwahrscheinlichkeiten. Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) Folie 199 9 Eindimensionale Zufallsvariablen Diskrete Zufallsvariablen 9.4 Beispiel Anzahl Wappen“ bei dreimaligem Münzwurf ” Zufallsexperiment: Dreimaliger Münzwurf mit fairer Münze ( Wappen“ oder Zahl“) ” ” I I I Ω = {WWW , WWZ , WZW , WZZ , ZWW , ZWZ , ZZW , ZZZ } F = P(Ω) |A| P : F → R; P(A) = |Ω| Zufallsvariable X : Ω → R: Anzahl der auftretenden Wappen, also X (WWW ) = 3, X (WWZ ) = 2, X (WZW ) = 2, X (WZZ ) = 1, X (ZWW ) = 2, X (ZWZ ) = 1, X (ZZW ) = 1, X (ZZZ ) = 0. Für X (Ω) = {0, 1, 2, 3} gilt offensichtlich P(X (Ω)) = 1, also X diskret. Konkreter ist T (X ) = {0, 1, 2, 3} und die Punktwahrscheinlichkeiten sind pX (0) = 1 , 8 pX (1) = Deskriptive Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung (SS 2016) 3 , 8 pX (2) = 3 , 8 pX (3) = 1 . 8 Folie 200