31. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr A

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31. Sonntag im Jahreskreis A
Evangelium
31. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr A
Evangelium: Mt 23,1-12
1. Einführung (kann auch vor dem Evangelium vorgetragen werden)
Jesus ist zum seinem letzten Aufenthalt in Jerusalem. Im Rahmen der Auseinandersetzungen
Jesu mit theologischen Gruppierungen des Judentums erzählt Matthäus auch von einer scharfen
Rede Jesu gegen Schriftgelehrte und Pharisäer. Die Fehlverhalten, die benannt werden, haben
sich in der judenchristlichen Gemeinde des Matthäus breit gemacht. Gemeindemitglieder sind
also vor allem die Angesprochenen, nicht die Juden außerhalb der christlichen Gemeinde.
2. Praktische Tipps zum Vorlesen
a. Der Text im Zusammenhang: Einordnung, Textumfang
Das Sonntagsevangelium ist der erste Teil der fünften Rede Jesu im Matthäusevangelium
(nach Bergpredigt 5-7, Aussendungsrede 10,Gleichnisrede 13, Gemeinderede 18), die sich bei
Jesu letztem Aufenthalt in Jerusalem gegen die Pharisäer wendet. Gefolgt ist sie von der
Endzeitrede, Mt 24-25.
Die Rede in Mt 23 enthält im ersten Teil allgemeine Anklagen (in der 3. Person), im zweiten Teil
sieben konkrete Klagen in der Gattung „Weherufe“. (Der Weheruf kommt ursprünglich in der
Totenklage vor, wird aber von Propheten verwendet, um Menschen aufzurütteln und zur Umkehr
zu bewegen: Das Lebenshinderliche in ihrem Verhalten wird aufgezeigt mit seinen Folgen).
Zweierlei Fehlverhalten wird in V. 1-13 angeprangert: Schein statt Sein bei theologisch
Verantwortlichen in ihren religiösen Riten und Forderungen und die Geltungssucht.
b. Betonen
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
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In jener Zeit wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger
und sagte:
Die Schriftgelehrten und die Pharisäer
haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt.
Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen,
aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun;
denn sie reden nur,
tun selbst aber nicht, was sie sagen.
Sie schnüren schwere Lasten zusammen
und legen sie den Menschen auf die Schultern,
wollen selber aber keinen Finger rühren,
um die Lasten zu tragen.
(„tragen“: falsche Übersetzung; stattdessen
lesen: „bewegen“ oder „entfernen“)
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Evangelium
Alles, was sie tun,
tun sie nur, damit die Menschen es sehen:
Sie machen ihre Gebetsriemen breit
und die Quasten an ihren Gewändern lang,
bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz
und in der Synagoge die vordersten Sitze haben,
und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen
und von den Leuten Rabbi (Meister) nennen.
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Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen;
denn nur einer ist euer Meister,
ihr alle aber seid Brüder und Schwestern.
9 Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen;
denn nur einer ist euer Vater,
der im Himmel.
10 Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen;
denn nur einer ist euer Lehrer,
Christus.
11 Der Größte von euch soll euer Diener sein.
12 Denn wer sich selbst erhöht,
wird erniedrigt,
und wer sich selbst erniedrigt,
wird erhöht werden.
c. Stimmung, Modulation
Die Rede ist anklagend, sie benennt klar Fehlverhalten, in V. 5-7 wird es karikierend dargestellt
(also mit leichter Übertreibung zu lesen). Demgegenüber wird im zweiten Teil des Abschnitts
das „Ihr“ als Gegenpol gesetzt und ist deshalb besonders zu betonen, zusammen mit den drei
Ehrentiteln „Rabbi, Vater, Lehrer. Der dreimaligen Verneinung („nicht, niemand, nicht“) steht
das dreimalige „einer“ gegenüber.
Im Abschnitt V. 11f werden die Gegensätze als Zielperspektive formuliert; deshalb ist darauf zu
achten, dass sie deutlich benannt werden: Größte – Diener, selbst erhöht – erniedrigt, selbst
erniedrigt – erhöht.
d. Besondere Vorleseform
Um die beiden teile gut zur Geltung zu bringen, können zwei verschiedene Personen die teile V.
1-7 und V. 8-12 vortragen.
Eine andere Möglichkeit ist, Abschnitt für Abschnitt vorzutragen und nach jedem die wichtigen
Aspekte zu wiederholen:
Tun selbst nicht, was sie sagen.
Was sie tun, sollen die Menschen sehen.
Ihr keine Ehrentitel, Gott ehren
Statt Größe Dienst.
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3. Textauslegung aus der Reihe „Gottes Volk“
Die sogenannte „Antipharisäerrede" ist eine vom Matthäusevangelisten erstellte Rede, wie vor
allem der Vergleich mit dem Lukasevangelium zeigt (vgl. 11,39f.42f..46f.52).
Auffallenderweise ist sie an die Jünger und das Volk gerichtet (V. 1). Jesus diskutiert nicht mehr
mit den Pharisäern und Schriftgelehrten, sondern spricht nur noch über sie. Dies macht schon
darauf aufmerksam, dass es nicht in der Absicht des Evangelisten lag, lediglich ein Negativurteil
über die Pharisäer abzugeben. Außerdem sind historische Reden dieser Schärfe unter den
damaligen religiösen Gruppen im Judentum (und darüber hinaus) durchaus üblich, geht es doch
darum, zu zeigen, dass die Gesetzesauslegung der angegriffenen Gruppe trotz gegenteiliger
Behauptung nicht der Weg ist, der zum Heil führt. Die Angriffe der Qumranleute gegen die
Pharisäer sind dafür ein gutes Beispiel (vgl. CD [Damaskusschrift] 1,18-2,1). In diesem Sinn ist
auch der Ausdruck „Heuchler" (eigentlich „Schauspieler", der nur den Anschein des richtigen
Weges erweckt) zu verstehen, nicht im moralisch-individuellen Sinn.
Insgesamt ist die Rede zum einen eine Auseinandersetzung der judenchristlichen matthäischen
Gemeinde mit den Pharisäern, die als einzige jüdische Gruppe nach der Zerstörung Jerusalems
übrig geblieben waren und „sich auf den Lehrstuhl des Mose gesetzt hatten" (V. 2). Ihnen wird vor
allem vorgeworfen, den Menschen unnötige Lasten aufzuerlegen (vgl. V 4; „um die Lasten zu
tragen“ ist eine falsche Übersetzung. Das griechische Verb „kinesai" bedeutet „bewegen,
entfernen").
Dem entsprechen die im Verlauf der Rede später auftauchenden „Wehe-Rufe (ab V. 13). Zum
anderen dient die gesamte Rede dazu, in der eigenen Jüngergemeinde „pharisäischem" Denken
zu wehren, dem unnötigen Belasten der Menschen mit Geboten und Verboten. Es wird aber zum
anderen auch angemahnt, in der Kirche keine Umgangsformen zuzulassen, wie sie im
Zusammenhang mit dem öffentlichen Ansehen von Lehrautoritäten im Judentum leicht
entstanden sind. Deshalb werden die geläufigen jüdischen Titulaturen wie Rabbi, Vater, Führer,
abgelehnt. Solches soll nicht den Blick auf die geschwisterliche Gemeinde und den einen Vater im
Himmel verstellen.
Dem Prediger bietet diese Perikope die Gelegenheit, anhand des Wortfeldes „Pharisäer,
Pharisäismus, pharisäisch“ ein differenzierteres Verhältnis der Christen zum Judentum zu
entwickeln. Ein anderes Thema wäre die Darstellung wichtiger Momente einer christlichen
Gemeinde, wie sie auf dem dunklen Hintergrund des gleichwohl verständlichen
pharisäischen Denkens deutlich werden.
(Heinz Geist/Bernhard Krautter, Gottes Volk 8/1999,50f)
Zum Thema „Pharisäer-Kritik:
Die Perikope leistete schon immer ihren Beitrag zum christlichen Zerrbild des Judentums,
wonach Pharisäer zum Synonym für Heuchler und Scheinheilige wurden. Tatsächlich sind
diese Verse des Matthäus als antijüdische Polemik konzipiert. Die Grundaussage, dass es mehr
auf die Taten als auf die Lehre ankommt, wird vor dem Hintergrund der Heucheleien von
Pharisäern und Schriftgelehrten getroffen. Dieser Vorwurf ist jedoch, so pauschal und absolut
formuliert, ungerecht. Eine Predigt könnte demgegenüber einen Einblick in das religiöse
Denken und Tun dieser Gruppierungen geben, denen Jesus sicherlich sehr nahe stand und mit
denen er immer wieder den Dialog gesucht hat.
Kontext der Perikope ist, dass es in der christlichen Gemeinde schon früh die Neigung zu
Hierarchisierung und Titelsucht gab. Die Orientierung an Gott, dem einzigen himmlischen
Vater, und Jesus Christus, dem einzigen Lehrer, verbietet jedoch jede Benennung, die in
der Gemeinde Leiter und Untergeordnete unterscheidet. Dabei werden scheinbar
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unwesentliche Dinge wie der Gebrauch von Titeln zu Konkretionen des Bekenntnisses. So sehr
Matthäus also auch das Judentum als Negativfolie benutzt, seine Kritik richtet sich zuerst an
die eigenen Leute. In diesem Sinne dient die Polemik nicht direkt der Selbstbestätigung derer,
die wissen, dass sie anders und besser sind als andere, sondern sie fordert auf, anders und besser
zu werden, und ist so ein Versuch, im Namen des Glaubens an den einen himmlischen Vater
und den einen Meister Christus den christlichen Tendenzen zur Institutionalisierung und
Hierarchisierung entgegenzuwirken (so Ulrich Luz).
(Alexander Diensberg, Gottes Volk 8/2008, 77f)
Dipl.- Theol. Anneliese Hecht
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