Konfirmationspredigt 2013 in Benningen am Neckar Text: Galater 3,27 Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden. Sechzehn Teile legt ein Eishockeyspieler an, bevor er seinen Schläger in die Hand nimmt und aufs Eis geht, mit sechzehn sehr speziellen Einzelelementen stattet er seinen Körper aus, um gewappnet zu sein für diese körperlich höchst anspruchsvolle Sportart. Die Ausrüstung eines Eishockeyspielers dient zum größten Teil dem Schutz des Körpers, denn Stürze, Stockschläge und heftige Karambolagen an den Banden gehören ganz selbstverständlich dazu und das kleine Spielgerät, genannt: Puck, eine Hartgummischeibe von circa 160 Gramm Gewicht, kann Geschwindigkeiten zwischen 170 und 190 Stundenkilometern erreichen – ein wahres Geschoss. Ohne Schutz bestünde sogar Lebensgefahr. Auf die rechte Kleidung kommt es hier an. Aber nicht nur Eishockeyspieler tragen eine besondere Kleidung, auch das Outfit von Euch Konfirmandinnen und Konfirmanden ist heute nicht gerade alltäglich. Ihr habt Euch in Schale geworfen, habt Euch lange überlegt, was ihr anziehen werdet, womöglich beratschlagt mit kompetenten Familienmitgliedern oder auch Freunden – und hier ist das Ergebnis: Festlich gekleidete junge Menschen. Wer eine bestimmte Kleidung anlegt, schlüpft damit nicht selten auch in eine besondere Rolle. Einige von Euch haben womöglich schon bei einer Theateraufführung mitgewirkt – in der Schule oder bei einem Weihnachtskrippenspiel. Wer mitspielt, erhält mit einem bestimmten Gewand eine bestimmte Rolle. Unter dem Gewand bleibe ich derselbe, bleibe „ich“; und dennoch passiert es nicht selten, dass das besondere Gewand und die Rolle etwas mit mir und meiner Person machen. Ich bleibe derselbe, bleibe „ich“, und werde doch – wenn ich die Rolle richtig annehme und ausfülle - auch irgendwie verändert, innerlich beteiligt und manchmal bewegt. Ich glaube, Ihr spürt das jetzt auch: Eure Kleidung ist nicht nur Äußerlichkeit, nicht nur schön, sondern das Gewand dieses besonderes Tages, der Euch bewegt und auch Eure Eltern und überhaupt alle, die Euch mögen und bis hierher begleitet haben. Auch ich trage ja eine besondere Kleidung – einen Talar mit diesem seltsam gespaltenen weißen Ding, genannt „Beffchen“, die Amtstracht eines Pfarrers – manche sagen: eines Geistlichen. Sobald ich den Talar anlege, rede ich als Geistlicher – will sagen: Als ein Mensch, der im Namen Jesu Christi zu reden hat und dessen Botschaft den „Geist“ Jesu transportieren und weitergeben möchte. Im Talar reden heißt also auch: Besonders sorgfältig abwägen, was ich sage, denn das Kriterium ist hoch: Das Gesagte, es will im Namen Jesu gesagt sein. Einen Talar anziehen und tragen, heißt also auch: Eine bestimmte Rolle anziehen. Ich kann natürlich auch anders… kann ein anderes Gewand wählen… Talar ab, stehe im Blaumann da lege Diese Kleidung anziehen und tragen, mag ich sogar ganz besonders. Mit den Händen etwas „schaffen“, Holz bearbeiten, Beton anrühren, ein Mäuerchen hochziehen und verputzen oder mit der Fräse den Boden meines Gemüsegarten in Topzustand versetzen, da geht mir ein Lächeln durch die Seele, denn da sehe ich nach ein paar Stunden wenigstens etwas von meiner Arbeit. Als ich vor gut 15 Jahren auf meiner Fachsenfelder Pfarrstelle war und eines Abends mit total verdrecktem Blaumann und völlig verschwitzt im Garten arbeitete, stand plötzlich ein mir unbekannter Mann mittleren Alters vorne am Gartentor und rief mir zu: „Ich suche den Pfarrer!“ „Kommen Sie rein!“, entgegnete ich und ging ein Stück auf ihn zu. Vor mir angekommen, wiederholte er: „Ich suche den Pfarrer.“ „Der steht vor ihnen“ antwortete ich lachend. Er sah mich verständnislos an und sagte: „Nein, den Pfarrer!“ „Ach so“, antwortete ich scheinbar verständnisvoll und fügte hinzu: „Geh’n Sie vor zu Pfarrhaustür! Er kommt gleich.“ Dann ging ich durch den Hintereingang durchs Haus hindurch und öffnete vorne in derselben Montur. Mit großen Augen sah er mich an und sagte kleinlaut: „Sie sind es ja tatsächlich!“ Die Benninger lassen sich da inzwischen nicht mehr täuschen: Egal, in welchen Klamotten sie mich sehen, sie sehen dennoch stets auch den unsichtbaren Talar. Worauf ich hinausmöchte, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden: Auch ihr tragt ja ein unsichtbares Gewand – ob Ihr das wisst? Als wir über die Taufe gesprochen haben, ward Ihr auch ziemlich überrascht, als ich Euch sagte, dass Ihr neben Eurem Euch wohlbekannten Namen noch einen unsichtbaren Namen habt; denn nicht „im Namen Jesu“ sondern „auf den Namen Jesu“ seid ihr getauft worden. Hinter Eurem Namen, den Euch Eure Eltern gegeben haben, steht seitdem – unsichtbar – der Name Jesu, zu sehen nur mit den Augen des Glaubens. Und dass Ihr und nicht nur Ihr, sondern alle, die getauft sind, auch noch ein unsichtbares Gewand tragen, kann ich belegen. Der Apostel Paulus schreibt nämlich im Galaterbrief des Neuen Testament: Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Wir haben Christus angezogen, tragen ihn, wie ein Gewand. Für mich ein großartiges Bild des Glaubens. Seit meiner Taufe trage ich Christus als Gewand. Was mag das bedeuten? Und wie kann uns und heute besonders Euch eben dieses unsichtbare Christus-Gewand zum Schatz und zur Hilfe Eures Lebens werden? Schiele Richtung Talar Vielleicht ziehe ich ja meinen Talar lieber wieder an, denn so ein Gewand hat ja was… geöffnet hole Talar vom Bügel, streife ihn über, lasse ihn noch Wenn katholische Amtsbrüder sich zur Feier der Messe einkleiden, dann nennen sie ihr liturgisches Gewand nicht Talar, sondern Kasel – sie streifen die Kasel über. Kasel kommt aus dem Lateinischen und Italienischen: Casa heißt Haus und Kasel darum Häuschen. Ein Häuschen oder Haus ist da, um darin zu wohnen. Darum: Wer Christus angezogen hat, darf in seinem Haus wohnen. Er schenkt Euch Schutz und Geborgenheit, die Geborgenheit des Glaubens: Ich bin nicht heimatlos – meine Heimat ist Jesus Christus. Eine Heimat haben ist ein echter Schatz: zu wissen, wo ich hingehöre und wo man meinen Namen kennt und mich als Person schätzt; bei Christus bin ich wer, in seinem Haus habe ich Wohnrecht, mehr noch: Bin erwartet und geliebt. Nun will ich meine Talar-Kasel aber wieder ganz in Ordnung bringen, denn nun geht es um ein Festkleid. Knöpfe Talar zu und bringe Beffchen an Jetzt ist mein Gewand wieder in Ordnung, jetzt kann ich es auch als Festgewand tragen. Christus angezogen haben heißt nämlich auch: Ein unsichtbares Festgewand tragen. Ein Festgewand tragen dürfen, erfüllt mit Stolz – das kann auch erleben, wer einem Menschen begegnet, der etwa Mitglied der Feuerwehr geworden ist und nun zum ersten Mal die Paradeuniform tragen darf. Aufrecht geht er und zeigt stolz sein neues Gewand. Mit meinem Festgewand zeige ich, wozu ich mich bekenne, was mir etwas wert ist und wofür ich eintrete. Christus: Er ist Euer Festgewand. Er ist mein Festgewand. Ich trage das Gewand dessen, der diese ganze Welt hält und trägt und erlöst. Zu keinem Geringeren darf ich gehören. Und als Festgewand wird es sogar zu meiner Berufskleidung – will sagen: Ich bin zu etwas berufen. Ihr seid berufen! Wozu? Den Schatz des Glaubens weiterzusagen und weiterzugeben. Der Schatz kann dabei viele Namen haben, Hoffnung etwa, Glaubenshoffnung, oder Trost – andere trösten, oder Barmherzigkeit oder ein lösenden Wort, das Ihr im rechten Moment nur habt, weil Christus es Euch schenkt: Ein Ja vielleicht, wo alle nein sagen, ein gerettet, wo alle verloren sagen, ein „ich mag dich dennoch“, wo alle sich abwenden. Der Schatz des Christusglaubens als Berufung. Und zuletzt, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, heißt Christus angezogen haben: Ihr tragt eine starke, ja unüberwindliche Schutzkleidung – ähnlich der der Eishockeyspieler. Unsere Welt hat harte Seiten, sehr harte; in Eurem Leben werden Euch viele Härten begegnen, die viele Namen haben können: Gnadenloser Konkurrenzkampf etwa oder die Botschaft, du bist nur, was du leistest und bist nur wert, was du dir erarbeitest. Härte. Christus steht für eine andere Botschaft. Das Christus-Gewand, das dich ziert und schützt, darf Dir immer neu sagen: Ich bin im Hause Jesu, bin Teil seines Herzens und seiner Sorge; falle ich, so hebt er mich auf; zweifle ich, so schenkt er mir neuen Mut; ist mein Leben beschmutzt durch Schwäche, Fehltritte und Versagen, so sagt er mir: Du trägst dennoch mein Gewand der Taufe, es ist rein, du bist rein, rein gemacht, immer wieder… ich will, dass du vor meinem himmlischen Vater stehst in meinem Gewand. Denn auf Erden bist zum Glück bestimmt und im Himmel zur Ewigkeit. Mein Christusgewand wird Dich zu beidem führen. Sei gewiss. Damit gehe durchs Leben. Dein Leben wird davon Zeugnis geben. Amen. Martin Kaschler