PharmaForum Metastasiertes Kolorektalkarzinom Überlebensvorteil durch intensivierte Therapie in der Erstlinie beim mCRC Nach heutigem Wissensstand gehört die RAS-Mutationstestung bei Patienten mit mCRC vor Beginn der Erstlinientherapie zum Behandlungsstandard. RAS-Mutationen aktivieren den EGF-Signalweg, sodass Patienten von der Blockierung des Signalwegs oberhalb dieser aktivierenden Mutation nicht profitieren können. «Die primäre Bestimmung des RAS-Mutationsstatus (KRAS und NRAS) wird bei Patienten mit mCRC empfohlen. Patienten mit einer RAS-Mutation haben keinen Vorteil durch eine Anti-EGFR-Therapie», lautet das entsprechende, im Februar 2015 erneut bestätigte Statement der AIO-KRK-Leitgruppe [2]. Liegt keine RAS-Mutation vor (RAS-Wildtyp), so können Patienten sowohl von der Anti-EGFR als auch der Anti-VEGF-Strategie profitieren. Die klinische Evidenz weist allerdings darauf hin, dass die Therapie mit einem EGFR-Antikörper bei Eignung der Patienten zu bevorzugen ist. Überlebenswahrscheinlichkeit, % 1,0 0,75 Cetuximab zeigt in der Erstlinientherapie überlegenes Gesamtüberleben Ausschlaggebend für die Empfehlung der AIO sind die Ergebnisse der FIRE-3-Studie*, die «head-to-head» die Therapiestrategien Cetuximab + FOLFIRI versus Bevacizumab + FOLFIRI bei 592 Patienten mit mCRC und KRAS(Exon2)Wildtyp untersuchte [3]. Der primäre Endpunkt der FIRE-3-Studie war das Tumoransprechen laut RECIST 1.1-Kriterien. Dieser Endpunkt wurde nicht erreicht; bezüglich der Ansprechrate wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den Studienarmen gesehen (62,0 vs. 58,0%; Odds Ratio 1,18). Allerdings konnte bereits innerhalb der ITT-Population, d.h. bei Ras-Wildtyp und Ras-mutierten Patienten, ein um 3,7 Monate signifikant verlängertes OS unter Cetuximab-haltiger Therapie gegenüber der Vergleichstherapie festgestellt werden (Hazard Ratio (HR) 0,77; p = 0,017) [3]. Eine Untersuchung der Patienten mit KRAS- und NRAS-Mutationen zeigte, dass diese Patienten von einer EGFR-gerichteten Therapie nicht profitieren. 80,2% der Patienten der FIRE-3-Studie konnten erfolgreich auf weitere RAS-Mutationen untersucht werden. Eine neue RAS-Mutation, d.h. eine KRAS(Exon3+4)- oder eine NRAS(Exon2–4)-Mutation, wurde bei 15,8% der auswertbaren Patienten nachgewiesen. In der finalen Auswertung der RAS-Wildtyp-Population war die Ansprechrate unter Anti-EGFR-Strategie mit 65,3% versus 58,7% weiterhin nicht signifikant (p = 0,18), das OS jedoch von median 25,0 auf 33,1 Monate um 8,1 Monate signifikant unter Cetuxmimabhaltiger Therapie verlängert (HR 0,70; p = 0,0059) (s. Abb. 1) [1]. Ereignisse n/N (%) Median (Monate) 95%-KI 107/199 (53,8%) 33,1 24,5–39,4 133/201 (66,2%) 25,0 23,0–28,1 HR 0,697 (95%-KI 0,54–0,90) p (log-rank) = 0,0059 0,5 ʑ 8,1 Monate 0,25 FOLFIRI + Cetuximab FOLFIRI + Bevacizumab 0,0 12 24 36 48 60 Zeit, Monate seit Therapiebeginn 72 Abb. 1. FIRE-3-Studie: Gesamtüberleben der RAS-Wildtyp-Population bei Behandlung mit Cetuximab + FOLFIRI (blaue Linie) versus Bevacizumab + FOLFIRI (rote Linie); modifiziert nach [1]. © 2015 S. Karger GmbH, Freiburg Fax + 49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Tieferes Ansprechen und frühe Tumorschrumpfung korrelieren mit Gesamtüberleben Die Studiengruppe um Professor Volker Heinemann, Klinikum der Universität München, untersuchte verschiedene Parameter, die den Zusammenhang zwischen dem fehlenden Unterschied im Ansprechen und dem klinisch relevanten Unterschied in der Überlebenszeit der Patienten erklären könnten. Es wurde diskutiert, dass das Ansprechen laut RECIST-Kriterien nur die halbe Wahrheit abbildet und stattdessen die Tiefe der Remission sowie ein frühes Auftreten der Remission ausschlaggebend für das OS sein könnten. Dies konnte nun bestätigt werden. Die Tiefe des Ansprechens (depth of response; DpR), definiert als maximale relative Tumorschrumpfung von Baseline zu Nadir, war in der FIRE-3-Studie signifikant mit dem OS korreliert: Unter Cetuximab + FOLFIRI betrug die mediane DpR 48,9%, unter Bevacizumab + FOLFIRI 32,3% (p < 0,0001) in der RAS-Wildtyp-Population. Eine frühe Tumorschrumpfung (early tumor shrinkage; ETS), definiert als Tumorschrumpfung ≥ 20% bis Woche 6, wurde bei 68,2% der Patienten im Cetuximab-Arm und bei 49,1% der Patienten im Bevacizumab-Arm gesehen. Das Erreichen einer ETS war in beiden Studienarmen assoziiert mit einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben (PFS) und einem signifikant längeren OS [1]. Zweitlinientherapie und adjuvante Therapie beeinflussten FIRE-3-Ergebnisse nicht Der signifikante Unterschied im OS warf auch die Frage nach einem möglichen Effekt der Zweitlinientherapie auf. Eine der ersten Subgruppenauswertungen der FIRE-3-Studie zeigte, dass ein vergleichbarer Anteil der Patienten im Cetuximab- und Bevacizumab-Arm eine Zweitlinientherapie erhielten (78,5% vs. 76,4%) [4]. Die Regime waren ausgewogen: 92,8 vs. 85,4% der RAS-Wildtyp-Patienten erhielten Fluoropyrimidine, 64,5 vs. 65,7% Oxaliplatin sowie 19,6 vs. 12,4% Irinotecan. 43,5% der Patienten des Cetuximab-Arms erhielten in der Zweitlinie Bevacizumab und 39,4% im Bevacizumab-Arm einen Anti-EGFR-Antikörper. Die Forschungsgruppe wertete diese Ergebnisse auch nach Mono- und KombinationsDownloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 7:33:07 PM In der Diskussion um die optimale Erstlinientherapie beim metastasierten Kolorektalkarzinom (mCRC) verdichten sich die Daten auf einen substanziellen Überlebensvorteil durch eine EGFRgerichtete Therapie versus einer VEGF-gerichteten Strategie. Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren hatten im direkten Vergleich von Cetuximab (Erbitux®) versus Bevacizumab, jeweils mit FOLFIRI als Chemotherapiepartner, ein um 8,1 Monate verlängertes medianes Gesamtüberleben (OS) [1]. Diverse Auswertungen der FIRE-3-Studie bestätigen dieses Ergebnis und führten zu einer Empfehlung der AIO-KRK-Leitgruppe, dass bei Vorliegen eines RAS-Wildtyps der primäre Einsatz eines anti-EGFR-Antikörpers im Therapiekonzept berücksichtigt werden sollte [2]. PharmaForum FIRE-3 0,70 (0,53–0,92) PEAK 0,63 (0,39–1,02) CALGB 0,90 (0,70–1,10 0,77 (0,63–0,95) p = 0,016 0,5 0,75 1 anti-EGFR besser • Meta-Analyse: 3 randomisierte PhaseII/III-Vergleichsstudien • Vergleich: anti-EGFR vs. anti-VEGF • jeweils in Kombination mit Chemotherapie • Studienteilnehmer: 1103 (RAS-Wildtyp) ہÜberlegenes objektives Ansprechen und Gesamtüberleben unter Anti-EGFR-Therapie in der Erstlinientherapie des mCRC mit RAS-Wildtyp. 1,5 anti-VEGF besser therapie-Regimen aus und fand insgesamt in Bezug auf die Zweitlinientherapie keinen Hinweis auf einen Unterschied, der den Überlebenseffekt erklären würde. Eine aktuelle Auswertung der FIRE-3-Studie, die PD Dr. Sebastian Stintzing, Klinikum der Universität München, beim ASCO GI in San Francisco präsentierte, befasste sich nun mit den 75 Patienten, die mit einer adjuvanten Chemotherapie vorbehandelt worden waren [5]. Bei RAS-Wildtyp-Patienten, die adjuvant vorbehandelt waren, wurde ein signifikant höheres Ansprechen im Cetuximab-Arm verglichen mit dem Bevacizumab-Arm beobachtet (27% vs. 16%; p = 0,01). Das PFS laut RECIST-Kriterien war mit 10,2 versus 9,9 Monaten nicht verschieden. Bezüglich des OS wurde eine 30%ige Risikoreduktion für die Patienten im CetuximabArm mit einer Differenz von median 12,7 Monaten (38,3 vs. 25,6 Monate; HR 0,70) gesehen. Das Signifikanz-Niveau wurde, aufgrund des kleinen Patientenkollektivs, nicht erreicht (p = 0,22). Diese Ergebnisse ließen keine Rückschlüsse auf die Rolle der adjuvanten Behandlung bezüglich der Effektivität der Erstlinientherapie zu, betonen die Autoren. Jedoch bestätigen sie die Ergebnisse, die für die gesamte Studienpopulation beobachtet wurden. Wirksamkeit entscheidet über Erstattung in der Erstlinie in UK Die Erstattungsfähigkeit von Bevacizumab in der Erstlinientherapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms wurde im Januar 2015 nach Prüfung durch den CDF (Cancer Drug Fund) in England aufgrund ungenügendem klinischen Nutzen zurückgenommen. Der klinische Nutzen von Cetuximab wurde in Kombination mit FOLFIRI oder FOLFOX als positiv beurteilt, sodass Cetuximab auch in England weiterhin in allen zugelassenen Kombinationen bei RAS-Wildtyp-mCRC in der Erstlinie erstattet wird. Quelle: Cancer Drugs Fund Decision Summaries January 2015. Abb. 2. Erstlinientherapie bei mCRC mit RAS-Wildtyp, signifikanter OS-Vorteil unter Anti-EGFRTherapie, mod. nach [8]. CALGB/SWOG 80405 – Vollständigere Auswertung ist abzuwarten Auch die amerikanische Studie CALGB/ SWOG 80405 verglich Cetuximab und Bevacizumab bei 1137 KRAS(Exon2) Wildtyp-Patienten. Der Chemotherapiepartner war im Gegensatz zur FIRE-3-Studie nicht vorgegeben; 73% der Patienten erhielten FOLFOX und 27% FOLFIRI. Der primäre Endpunkt war das OS. Es konnte in der ITT-Population kein OS-Unterschied zwischen den beiden Therapiearmen festgestellt werden. Im Median betrug das OS unter Cetuximab plus Chemotherapie 29,9 Monate und unter Bevacizumab plus Chemotherapie 29,0 Monate [6]. 55% der eingeschlossenen Patienten konnten bezüglich des erweiterten RAS-Mutationsstatus ausgewertet werden [7]. Es wurden bei 15,3% dieser Patienten neue RAS-Mutationen identifiziert. Innerhalb der RAS-Wildtyp-Population betrug das mediane OS 32,0 Monate im Cetuximab-Arm und 31,2 Monate im Bevacizumab-Arm. Um die Ergebnisse der CALGB-Studie mit der FIRE-3-Studie vergleichen zu können, seien weitere Auswertungen, wie die Tumorschrumpfung und der Einsatz von Zweitlinientherapien, abzuwarten, bemerkten die Autoren. Meta-Analyse stützt Anti-EGFRStrategie als primäre Therapieoption beim mCRC In einer aktuell im Journal «Clinical Colorectal Cancer» veröffentlichten Meta-Analyse wurde ein signifikanter Überlebensvorteil zugunsten der EGFR-Antikörper vs. VEGF-Antikörper gezeigt (Abb.2)[8]. Die Wissenschaftler führten eine Recherche zum Vergleich von EGFR- versus VEGF-Erstlinientherapie beim mCRC in Veröffentlichungen der letzten 12 Monate bei MEDLINE, PubMed, EMBASE und den Kongress-Proceedings durch. In die Meta-Analyse wurden 3 randomisierte Studien (FIRE-3, PEAK, CALGB) mit 2014 Studienteilnehmern aufgenommen. Es zeigte sich für © 2015 S. Karger GmbH, Freiburg Fax + 49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Patienten mit KRAS-Wildtyp-Tumoren ein überlegenes Ansprechen unter Anti-EGFR-Therapie verglichen mit der Anti-VEGF-Therapie (OR 1,31; p = 0,004). Dieser Effekt trat verstärkt bei Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren auf (OR 1,46; p = 0,004). Es wurde kein Unterschied im Therapieerfolg zwischen den Therapiestrategien in Bezug auf das PFS beobachtet, das OS war unter Erstlinien-Anti-EGFR-Therapie wiederum signifikant verlängert. Die Reduktion des Risikos, zu Versterben, betrug im Vergleich von EGFR- und VEGF-gerichteter Therapie für Patienten mit KRAS-Wildtyp-Tumoren 21% (HR 0,79; p = 0,026) und für Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren 23% (HR 0,77; p = 0,016). Fazit für die Praxis Durch die intensivierte Therapie mit der antiEGFR-gerichteten Substanz Cetuximab wurde bei mCRC-Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren ein Überlebensvorteil von median 8,1 Monaten gegenüber der VEGF-gerichteten Therapie mit Bevacizumab beobachtet. Dies scheint mit einer früheren Tumorschrumpfung und einer tieferen Remission unter Cetuximab verglichen mit Bevacizumab in Zusammenhang zu stehen. Die schnelle und anhaltende Reduzierung der Tumorlast ist ein wichtiger Aspekt in Bezug auf die Lebensqualität der Patienten, die bei der Therapieentscheidung ebenfalls relevant ist. Dr. Ine Schmale, Westerburg *Investigator Sponsored Trial, finanziert durch Merck Serono GmbH. Die preliminäre RAS wt Analyse der CALGB 80405 (55% der KRAS wt ITT) zeigte einen nicht signifikanten Trend zugunsten von Cetuximab + CT (HR 0,9; p = 0,4) [7]. Literatur 1 2 3 4 5 6 7 8 Stintzing S et al.: Ann Oncol 2014;25(suppl4):abstr LBA11. http://www.aio-portal.de/tl_files/aio/stellungnahmen/Statement%20der%20AIO-KRK%20Leitgruppe_RASwt_ update%2018_02_2015.pdf. Heinemann V et al.: Lancet Oncol 2014;15:1065–1075. Modest DP et al.: Ann Oncol 2014;25(suppl4):abstr 508PD. Stintzing S et al.: J Clin Oncol 2015;33(suppl3):abstr 515. Venook A et al.: J Clin Oncol 2014;32(15s):abstr LBA3. Lenz H et al.: Ann Oncol 2014;25(suppl4):abstr 501O. Khattak MA et al.: Clinical Colorectal Cancer 2015; doi:org/10.1016/j.clcc.2014.12.011. Impressum Metastasiertes Kolorektalkarzinom Überlebensvorteil durch intensivierte Therapie in der Erstlinie beim mCRC PharmaForum in ONCOLOGY RESEARCH AND TREATMENT 38 l 6 l 15 © 2015 by S. Karger Verlag für Medizin und Naturwissenschaften GmbH Wilhelmstraße 20A 79098 Freiburg, Deutschland Mit freundlicher Unterstützung durch Merck Serono GmbH Verlag, Herausgeber, Redaktion und Verlagsgeschäftsführung übernehmen keine Verantwortung für den Inhalt dieser Rubrik. Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 7:33:07 PM Hazard Ratio (95%-KI) 05-2015 Studie