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Research Collection
Doctoral Thesis
Ueber den Einfluss von Substituenten auf die Ketengruppe
Author(s):
Schneider, Hermann
Publication Date:
1916
Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-a-000090583
Rights / License:
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ETH Library
Über den
Einfluß
Substituenten
von
auf die
Ketengruppe
QXS)
Von der
Eidgenössischen Technischen Hochschule
zur
Erlangung
in Zürich
der
Würde eines Doktors der Technischen Wissenschaften
genehmigte
Promotionsarbeit
vorgelegt
Hermann
von
Schneider, dipl.
aus
techn. Chemiker
Bern.
Referent: Herr Prof. Dr. H. STAUDINQER.
Korreferent: Herr Prof. Dr M CÉRÉSOLE.
158
ZÜRICH
Diss.-Druckerei
D
Gebr.
1916.
Leemann & Co.
Stockerstr. 64.
Zusammenfassung.
vorliegende Arbeit hat zu einer Reihe neuer interessanter
geführt, die Nichtexistenzfähigkeit einer weitern Zahl
derselben erwiesen, und die gewonnenen Erfahrungen ermöglichen
Die
Ketene
nun
Fällen, über Existenzmöglichkeit und vermutliche
in vielen
Reaktionsfähigkeit eines noch unbekannten Ketens ein sicheres
Urteil
zu
Als
fällen.
wichtigstes
dar,
suchungen
Ergebnis
daß
durch
die
legen
ausgeführten
Einführung
Unter¬
organischer
rein
aliphatischer, insbesondere aromatischer Reste, die Beständigkeit
der Ketengruppe sich erhöhen läßt, daß dagegen anorganische
Substituenten
zu
außerordentlich unbeständigen Körpern führen.
So konnte gezeigt werden, daß durch Eintritt
von Halogen
Polymerisationsfähigkeit der Ketengruppe in hohem Maße
steigert. Sauerstoffsubstitution führt zu noch weit unbeständigeren
sich die
Körpern, die
der Eintritt
sogar
nur
von
zum
kleinsten Teil
existenzfähig sind, während
Stickstoff1) und vermutlich auch
die Existenz dieser Verbindungen
von
Schwefel
verunmöglichen dürfte.
anorganische Substituenten den Charakter einer or¬
ganischen Verbindung stark beeinflussen, ist so allgemein be¬
Daß
kannt,
daß
wohl
nicht
näher
darauf
eingegangen
zu
werden
braucht.
"Weniger ist bisher beachtet worden, welch wesentliche
Beeinflussung anorganische Substitution speziell auf ungesättigte
Bindungen auszuüben vermag. Naturgemäß gelangt diese Wir¬
kung bei der
so
einfach gebauten und äußerst reaktionsfähigen
Ketengruppe besonders
Ausdruck.
x) -NR2-Gruppen wirken stärker auxochrom auf aromatische, stärker
aliphatische Verbindungen, wie -OR-Gruppen. Deshalb sollte
auch eine stärkere Wirkung auf die Ketengruppe erwarten.
antiauxochrom auf
man
zum
—
123
—
Es ist
nun vor allem interessant, beim Vergleich verschiedener
Doppelbindungen, in Bezug auf ihr Verhalten bei Eintritt or¬
insbesondere aber anorganischer Substituenten, zu
ganischer
beobachten, in welch verschiedener und häufig entgegengesetzter
—
Weise sich ihr Einfluß geltend machen kann,
und
es
sollen im
folgenden in dieser Hinsicht Vergleiche zwischen dem Verhalten
der Ketengruppe, andern ungesättigten Bindungen gegenüber,
an¬
gestellt werden:
Auf den ersten Blick scheint
vor
allem das Carbonyl 0
=
0
Vergleich mit der Ketengruppe herangezogen werden zu
müssen, und diese Parallele, für die wirklich einige Beweise auf¬
zum
zubringen sind, wurde schon des öftern diskutiert.
Sowohl Ketengruppe wie Carbonyl erlangen erhöhte Be¬
ständigkeit durch Substitution des Wasserstoffs der Grundkörper
durch Alkyl-, insbesondere durch Arylgruppen. Wie organisch
substituierte Ketene beständiger sind als das einfache Keten,
neigen organisch substituierte Derivate des Formaldehyds weit
weniger
Eine
zu
Polymerisation.
Ausdehnung dieser Vergleiche auf anorganische Sub¬
zu Trugschlüssen.
stituenten führt jedoch leicht
Ins
Carbonyl eingeführt, erweisen sich dieselben
von
noch
bedeutend stabilisierenderem Einfluß als organische Reste. Haben
doch
Säurechloride, Säureester und Amide ein viel beständigeres
Carbonyl als Aldehyde und Ketone.2) Man sollte nun glauben,
die gleiche stabilisierende Wirkung müßte sich auch in der Keten¬
gruppe geltend machen und auf Grund dieser Überlegung wurden
viele
vergebliche Versuche unternommen, zu diesen Ketenen zu
nun gezeigt werden konnte, sind anorganisch sub¬
gelangen. Wie
stituierte Ketene äußerst
unbeständig. Die Wirkung anorganischer
Reste
hier
äußert
sich
also
in
einer
entgegengesetzten Weise
wie beim Carbonyl.
Dehnen wir
unsere
Betrachtung auf weitere Doppelbindungen
stoßen wir bei der C
S-Gruppe auf ganz ähnliche Er¬
scheinungen, wie sie die ihr verwandte Carbonylgruppe bietet.
Im allgemeinen sind die Verbindungen der C
S Reihe viel un¬
als
beständiger
Carbonylderivate.
aus,
so
=
=
2) Staudinger
und Kon,
A.
384, 38.
-
124
—
—
Aliphatische Reste führen zu sehr leicht polymerisierenden
Körpern, den Thioaldehyden und Thioketonen. Erst Phenyls ubstitution vermag die C
S-Gruppe etwas zu stabilisieren. Von
die Beständigkeit weit mehr erhöhender Wirkung sind aber auch
=
hier
anorganische Substituenten. So ist bei den Thiosäurederivaten
eine Befähigung
zu
Polymerisation
vereinzelt
nur
Dem Verhalten der C —0- und der C
weiter die C
=
NR-Gruppe
zur
=
S
beobachten.
zu
-Gruppe stellt sich
Seite.
Schiff'sche Basen, die sich von aliphatischen Aldehyden ab¬
leiten, sind in freiem Zustand sehr unbeständig, doch läßt sich
durch Eintritt der Phenylgruppe auch hier die Beständigkeit
wesentlich erhöhen.
Eine vollständige Stabilisierung bewirken
Imidvor allem anorganische Substituenten: Imidoäther,
chloride, Amidine zeigen nicht die geringste Neigung zu Poly¬
jedoch
merisation.
Gleichfalls sehr deutlich ausgeprägt findet sich endlich die
stabilisierende Wirkung anorganischer Substitution in den Deri¬
vaten der
Nitrosogruppe.3)
Noch mehr als der C
=
S-Gruppe ist dem N
=
0-Komplex
gewisse Unbeständigkeit eigen, so daß auch hier der Grund¬
körper sowie seine aliphatisch substituierten Glieder wohl in¬
eine
folge ihrer Zersetzlichkeit nicht bekannt sind. Erst der stabili¬
sierende Einfluß des Phenylkernes vermag die N
0-Gruppe
=
einigermaßen
zu
äußerst leicht
stützen. Immerhin neigt auch Nitrosobenzol noch
zu
Polymerisation.
Um
mehr überrascht auch
so
hier der große stabilisierende Einfluß anorganischer Substituenten.
Nitrosylchlorid, Salpetrigsäureester, Nitrosamine haben ihre Fähig¬
keit
Polymerisation vollkommen eingebüßt.
zur
Auf
ganz
andere
Weise äußert sich
verschiedenen Substituenten auf die C
=
nun
der Einfluß der
C-Doppelbindung.
im Laufe dieser Arbeit verschiedentlich festgestellt
konnte, lassen sich, betreffs ihrer Wirkung, sowohl auf
Wie
werden
die
C=C
=
0-
als auch
auf die
C
einfache
=
C-Gruppe weit¬
gehende Vergleiche ziehen.
N Doppelbindung mit
8) In den Vergleich mußte noch die N
bezogen werden, doch liegen über Azokorper zu wenig Untersuchungen
=
-
ein¬
vor.
125
—
Bei
zwar
Substitution
einfachen
der
Äthylenbindung
erscheinen
die Verhältnisse etwas verwickelter, da die Reaktionsfähig¬
keit dieser Körper nicht
auch
—
von
nur von
der Art, sondern in hohem Maße
der Stellung der Substituenten abhängig ist. Allgemein
zeigen, wie eine große Zahl
von
Beispielen beweist, symmetrisch
substituierte Äthylenderivate viel größere Beständigkeit als asym¬
metrisch gebaute.4)
Zum Vergleich mit den Ketanen lassen sich natürlich
die asymmetrisch substituierten
Äthylenverbindungen
nur
heranziehen.
Der Einfluß
organischer Substituenten, speziell des Phenylim
hat
Vergleich zu anorganischen Substituenten, analog
restes,
wie bei der
Ketengruppe, eine gewisse stabilisierende Wirkung.
Diese gelangt jedoch in beiden Reihen erst bei Eintritt
zwei Phenylen
von
Geltung. Styrol wie Phenylketen sind sehr un¬
beständig, unbeständiger als die nicht substituierten Verbindungen,
während
zur
Diphenyläthylen und Diphenylketen
nur
schwer
poly-
merisieren.
Über anorganisch
bindungen liegen
substituierte
zwar
nur
asymmetrische Äthylenver¬
spärliche Mitteilungen
vor,
aber
es
ergibt sich daraus mit Sicherheit, daß sowohl Halogen- wie auch
Sauerstoffsubstitution ihre Reaktionsfähigkeit außerordentlich
höhen, wie
z.
er¬
B. das Verhalten des Vinylbromids, Vinylacetats *)
lehrt.
Über Polymerisation
von
Vinyläthern ist leider
noch
wenig
bekannt, ebenso sind einfache Ketenacetale6) noch nicht zugäng¬
lich,
was
aber
nur
auf
ihre
große
Polymerisationsfähigkeit
schließen läßt.
Diese Tatsachen dürften auch eine
enorme
neue
Erklärung für die
Reaktionsfähigkeit der Kohlenstoffdoppelbindung in der
*) Das symmetrische Dichloräthylen zeigt viel größere Beständigkeit als
asymmetrische. Nur asymmetrische Äthylenhalogenide neigen zu Poly¬
merisation; endlich erweist sich das asymmetrische Diphenyläthylen viel re¬
das
aktionsfähiger als Stilben.
5) Vinylacetat polymerisiert
zu
Harzen.
Vergl.
Elberfelder
Farbwerke,
C. 1916, 594, 865.
6) Über ein Ketenacetalderivat, das sehr reaktionsfähig
vergleiche Reitter, Ber.31,
2722.
zu
sein
scheint,
126
—
Sie ist demzufolge als Wirkung der
Ketengruppe selbst bieten.
Sauerstoffsubstitution
Äthylenbindung aufzufassen.
auf deren
Es ist also nicht allein die
des
Reaktionsfähigkeit
große
wesentlich ist die
—
Zwillingsdoppelbindung, die die
bedingt, sondern
Ketenmoleküls
Verkettung des anorganischen Sauerstoffatoms
mit der
C-Bindung.
ungesättigten C
Alienkohlenwasserstoffe, die analoge Zwillingsdoppelbindung
=
besitzen, sind
zwar
noch wenig bekannt, scheinen aber nicht die
mannigfaltige Reaktionsfähigkeit der Ketene
zu
zeigen.
Falls die Wirkung des Sauerstoffatoms nicht durch Symmetrie¬
wird, müßte sie sich in verstärktem
verhältnisse ausgeglichen
doppelmolekularen Kohlenoxyd geltend machen, so
daß sich verstehen ließe, daß dieser Körper nicht existenzfähig
Maße
beim
Aus gleichem Grunde dürfte auch dessen Acetal höchst
beständig sein.
ist.
Wie
un¬
schon im Laufe der Arbeit erwähnt wurde, erstreckt
sich der Vergleich zwischen Ketenen und den einfachen asym¬
Äthylenderivaten nicht nur auf die monomolekularen
Körper, sondern es weisen auch deren Polymerisationsprodukte
metrischen
vielfache Ähnlichkeit auf.
Neigen organisch substituierte Ketene und teilweise auch
asymmetrische Äthylenverbindungen, wie z. B. Diphenyläthylen,
zur
Bildung doppelmolekularer Cyklobutanderivate,
anorganisch
stets
nur
so
kann bei
substituierten Ketenen und asymmetrischen Äthylen
die
Entstehung hochmolekularer amorpher Polymeri¬
sationsprodukte nachgewiesen werden.
Wie die
Äthylenbindung, zeigt
auch die Nitrilgruppe C
=
N
vielfache Analogie mit Ketenen.
Organische Reste erhöhen merklich die Beständigkeit des
Cyanwasserstoffs, während der Eintritt eines anorganischen Substituenten, wie die Beispiele des Chlorcyans, sowie des Cyanamids
bezeugen, verstärkte Neigung zu Polymerisation bewirken.
Derartige Vergleiche
anorganischer
über
Substituenten
die
auf
Wirkung organischer und
Doppelbindungen sind bisher
noch nicht gezogen worden.
Sie führen also
bindungen
sich
in
zum
zwei
auffallenden Resultat, daß die Doppel¬
Gruppen
einteilen
lassen,
auf
welche
—
127
—
organische und anorganische Substituenten
ganz
verschiedenartig
einwirken.
C
I.
Die
und
0, C
S, C
=
Klasse
NR, N
=
liefern
0.
bei
Einführung
organischen Resten reaktionsfähige,
polymerisierende
stituenten
=
dieser
Vertreter
Wasserstoff
leicht
=
während
Körper,
zum
anorganische
von
Teil
Sub¬
durchweg deren Beständigkeit wesentlich erhöhen.
C
II.
=
C, C
=
C
=
0, C
=
N
Gerade umgekehrt äußert sich die eben erwähnte Wirkung
besonders der anorganischen Substituenten bei der Äthylen- und
Ketengruppe, und
gruppe
an;
die sich
ihrem Verhalten schließt sich weiter die Nitril-
hier führen anorganische Substituenten
vor
den organisch substituierten durch
zu
Körpern,
größere Poly¬
merisationsfähigkeit entsprechend größerer Unbeständigkeit
aus¬
zeichnen.
Siehe Tabellen S. 128—129.
Über die Wirkungen anorganischer Substituenten, insbesondere
über deren Beziehungen
bereits
Untersuchungen
zu
Änderungen im Farbcharakter, liegen
vor.
Speziell wurde die Wirkung der Amido, sowie der Hydroxyl¬
gruppe ins
Auge gefaßt.
Witt7) hat nachgewiesen, daß dies© beiden Gruppen für das
Zustandekommen eines
Farbstoffes
und nannte sie Auxochrome.
In
von
großer Bedeutung sind
umfangreichen Arbeiten hat im
weitern Kaufmann8)
nachgewiesen, daß diese Auxochrome bei
Einführung in chromogeme Gruppen stark farbvertiefend wirken.
Doch zeigt
tritt,
wenn
er
im
weitern, daß
nur
dann diese Wirkung ein¬
Substitution eines Auxochroms im aromatischen Kern
erfolgt, Chromogen und Auxochrom folglich durch zwischen¬
liegende Gruppen verbunden sind; daß dagegen bei direkter
Bindung
von
Auxochrom und Chromophor umgekehrt eine Farb¬
erhöhung eintritt.
') Witt, Ber. 9, 522.
8) Vergl. Über Farbe und Konstitution chemischer Verbindungen.
gart, 1904.
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130
—
—
Reaktionsfähigkeit unge¬
sättigter Bindungen hebt ferner Staudinger9) hervor, daß eine
In
seinen
Untersuchungen
über
Parallele zwischen Farbe und Reaktionsfähigkeit besteht, indem
er
nachweist, daß eine Erhöhung des ungesättigten Charakters
und damit
der Reaktionsfähigkeit
einer Verbindung häufig
von
einer Farbvertiefung begleitet ist.
Meine Untersuchungen über den Einfluß organischer und
anorganischer Substituenten auf die Ketengruppe können nun
weiter klärend auf diese
Frage wirken.
Wenn Kaufmann betont, daß eine direkte Bindung
Chromopbor mit Auxochrom die Farbe erhöht, so gilt dies
für die unter der I. Klasse
zusammengefaßten Verbindungen,
von
nur
wo
gleichzeitig mit Farberhöhung geringere Reaktionsfähigkeit sich
nachweisen läßt.
Keine
Gültigkeit dagegen
der Äthylen- und der Ketengruppe,
im
eine
wo
hat dieser Satz bei
diese direkte Verknüpfung
Gegenteil eine beträchtliche Farbvertiefung und
Steigerung
des
vor
allem
ungesättigten Charakters bedingt, welch
Polymerisationsfähigkeit zum Ausdruck
letztere in der vermehrten
gelangt.
Diese Beobachtung kann
nun
eine Erklärung bieten für die
Tatsache, daß die auxochromen Gruppen gerade im aromatischen
wirken, dagegen nicht, was Kaufmann auf¬
Kern farbvertiefend
fiel, in direkter Bindung mit Chromophoren.
Werden
eingeführt,
die
so
auxochromen
Gruppen im aromatischen Kern
erhöht sich dessen ungesättigter Charakter.
Das
geht daraus hervor, daß Phenole, resp. Phenoläther, Amine viel
reaktionsfähiger sind als Benaol selbst.
nun einen chromogenen Körper, der farblos ist
Beispiel Benzophenon, und führen im aromatischen Kern
Haben wir
wie
zum
auxochroroe
Gruppen ein, so werden durch deren Einfluß die
Äthylenbindungen, damit aber auch die Phenylkerne
ungesättigter und diese Wirkung überträgt sich auch auf die
C
0 Gruppe.
Die Wirkung auxochromer Gruppen auf aromatische Ver¬
bindungen besteht also darin, daß dieselben den ungesättigten
einzelnen
=
-
Charakter verstärken.
9) Vergl.
Staudinger
und
Kon, A. 384, 45.
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