Rede anlässlich der 2. Deutschen Jugendkonferenz zum Weißbuch „Jugendpolitik in der Europäischen Union“ im Abschlussplenum am 24. März 2002 in Weimar 2 Sehr geehrte Frau Gröner, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Sie haben in 3 Tagen intensiver Auseinandersetzung und Zusammenarbeit in sehr offenen Arbeitsformen den Raum der Möglichkeiten, Wünsche, Forderungen, Beschränkungen ausgelotet, den das Weißbuch „Neuer Schwung für die Jugend Europas“ für eine künftige Jugendpolitik auftut, in Deutschland und in Europa. 3 Es gibt eine beeindruckende Fülle von Vorschlägen, Projekten, Ideen, Maßnahmen, Regelungen, Empfehlungen, auch Kritik an Bestehendem und mit Visionen für neue jugendgerechte politische Entscheidungsprozeduren in Deutschland und Europa. Einen ersten Geschmack davon habe ich eben in einer der Arbeitsgruppen bekommen. Ich möchte Ihnen daher an dieser Stelle für Ihr Engagement, ihre Arbeit und Ihre Ergebnisse herzlich danken. 4 Systematisch kann ich und will ich jetzt nicht Ihre ganze Abschlusserklärung „abarbeiten“ – dazu bietet der weitere Weißbuchprozess noch reichlich Anlass und Gelegenheit. Zu einigen Aspekten der weiteren Arbeit möchte ich jedoch aus der Sicht der Bundesregierung hier ein paar Bemerkungen machen: Was wir anstreben, auch mit unserem jugendpolitischen Regierungsprogramm „Chancen im Wandel“, ist die Verankerung von Jugendpolitik als Querschnittspolitik; dies soll nun auch in Europa angegangen werden. 5 Geduld ist hier besonders gefragt, weil weitgehend Neuland beschritten wird und feststehende institutionelle und rechtliche Bedingungen berücksichtigt werden müssen. Ihre Erwartungen und Forderungen eröffnen aber einen breiten Horizont, der sicher als Herausforderung wahrgenommen wird. Meine Kernthese, aus der vieles Weitere folgt: Was wir in Deutschland und Europa brauchen, ist eine neue Jugendbeteiligungskultur. 6 Dafür bietet das Weißbuch (bei aller möglichen Kritik im Einzelnen) – wie ich meine – einen hervorragenden Rahmen. Schon im Entstehungsprozess hat es durch die breiten Konsultationen vor allem mit den Jugendlichen hier Anstöße gegeben. Und der Schwung geht weiter und gewinnt mehr Kraft – das beweist diese – Ihre – Konferenz. Die neuen Verfahren der Zusammenarbeit (offene Methode der Koordinierung) müssen wir flexibel auf die Erfordernisse des Jugendbereichs anpassen, erproben und weiterentwickeln. 7 Die Vertragsgrenzen (keine Lenkung, keine Harmonisierung) sind zu beachten, ebenso wie das Subsidiaritätsprinzip. Gleichzeitig wollen wir einen „europäischen Mehrwert“ durch Synergien erreichen. Die Zusammenarbeit wird aber in jedem Fall eine Bereicherung für die jeweilige Jugendpolitik im eigenen Lande bringen, denn wir können von unseren Nachbarn und ihren guten Beispielen und Erfahrungen, von denen wir bislang oft zu wenig wissen, viel Nachahmenswertes lernen, gerade im Bereich der Jugendpartizipation und -information. 8 A propos Jugendpartizipation: Mit der Bundesinitiative Beteiligungsbewegung, dessen (vorläufiger) krönender – und europäischer – Schlussakkord diese 2. Deutsche Jugendkonferenz ja ist, haben wir neue Wege in Deutschland beschritten (Beteiligungswoche/Politiktage), ebenso mit dem „Jugendbericht von der Basis“ (akiju). Wir werden diese Erfahrungen auswerten und Jugendbeteiligung weiterentwickeln. 9 Wir werden neue Wege gehen und dabei die bewährten Beteiligungsformen nutzen: Jugendringe, Jugendräte, Jugendparlamente und viele andere Modelle, die vor allem auf örtlicher Ebene eingeführt wurden. Dabei muss immer spürbarer für sie – die jungen Leute – werden, dass ihre Interessen, Ansichten, Lösungsvorschläge gehört, ernst genommen und aufgegriffen werden von der „etablierten“ Politik und den Politikerinnen und Politikern. Wenn der gesellschaftlich-politische Prozess als eigenes „Spielfeld“ der jungen Menschen gesehen werden soll, impliziert das zweierlei: 10 - es geht um die Freude beim „Mitreden – Mitmachen“, die bei aller Ernsthaftigkeit der Bemühungen nicht zu kurz kommen, - es geht auch um Spiel-REGELN, die von allen Beteiligten (gelernt und) beachtet werden müssen. Langfristig und nachhaltig kann man Ziele in der demokratischen Gesellschaft in der Regel nur gemeinsam mit Gleichgesinnten verfolgen und umsetzen. Und dafür arbeiten die Jugendorganisationen in ihrer programmatischen Breite und Vielfalt und verdienen dafür Anerkennung und Unterstützung. 11 Durch Dachverbände werden diese Interessen gebündelt und gegenüber „Europa“, Bund und Ländern vertreten. Die Jugendorganisationen müssen aber auch daran arbeiten, ihre Legitimation der Vertretung von Jugendlichen zu behalten, indem sie sich auch für die jungen Leute offen zeigen, die zunächst nicht an Verbandsund Organisationsstrukturen interessiert sind. Das ist gerade bei dieser Tagung, finde ich, gut gelungen. Wenn wir in diesem Sinne gemeinsam und engagiert, jeder auf seiner Seite, die gesellschaftliche und politische Weiterentwicklung zu unserer 12 eigenen Sache machen und sie pflegen, ist die wünschenswerte neue Jugendbeteiligungskultur in Deutschland und Europa realisierbar. Sie haben hier in Weimar daran mitgewirkt – tragen wir die Botschaft weiter und verstärken sie, jeder in seinem Umfeld. Ich danke Ihnen.