8 Kapitel 5 - Saarland.de

Werbung
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 1
5 Kausale fachliche Zusammenhänge und auf die Vor-Ort-Gegebenheiten im
Saarland anzuwendendes Fachwissen
5.1 Allgemeine Vorbemerkung
Sowohl für die Erstellung des erweiterten Grundwassermodells Saar als eines der wichtigsten
methodischen „Handwerkszeuge“ als auch für das unter Zuhilfenahme dieses methodischen Instrumentes in vorliegendem Gutachten beschriebene Erarbeiten von Einschätzungen und Prognosen hinsichtlich der theoretisch vorstellbaren, der eventuell zu erwartenden oder der wahrscheinlichen Auswirkungen des Grubenwasseranstieges wurde eine Abstufung der inhaltlichen
Betrachtungstiefe als erforderlich angesehen.
Während die „Reifung“ primär das hydrogeologische Modell betrifft, bedeutet der Einbau der
Grubenhohlräume eine komplett neue Anforderung, ebenso die Simulation des Wasseraustauschs zwischen bergmännisch geschaffenen Hohlräumen und dem diese umgebenden Gebirge.
Folgende Schritte erlaubten eine aufwandsseitig und hinsichtlich der fachlichen Detaillierung
sinnvolle, sich ergänzende Erarbeitung der Ergebnisse des vorliegenden Gutachtens:
•
Erläuterung und Anwendung von bekannter Theorie und Lehrbuchwissen auf die konkreten Gegebenheiten im Saarland
In diesem Arbeitsbaustein werden zunächst - meist textlich argumentativ, bisweilen durch zusätzliche graphische Darstellungen - einige für das Verständnis des späteren Berichtsteils erforderliche Begrifflichkeiten und Fachtermini geklärt. Dann werden erste und im Hinblick auf
die Zielsetzung des vorliegenden Gutachtens durchaus bereits als wesentlich zu bezeichnende Kernfragen formuliert und beantwortet, welche in öffentlichen Diskussionen wegen einer
fehlenden oder unzutreffenden Kenntnis von Fakten und kausalen Zusammenhängen wiederholt zu erheblichen Missverständnissen und Fehleinschätzungen führten.
•
Anwendung einer ersten Detaillierungsstufe und Betrachtung der Situation vor Ort mit
Hilfe analytischer Ansätze in verschiedenen Einzelfällen
Zu einem Teil der im ersten Spiegelstrich angesprochenen Themen können anhand von einfachen oder komplexeren Formeln auch weitergehende und etwas genauere Betrachtungen
und Einschätzungen im Sinne einer quantitativen Schätzung vorgenommen werden. Wie bei
vielen derartigen rechnerischen Ansätzen in der Hydrogeologie, Boden- und Felsmechanik
oder artverwandten Wissenschaften werden dabei jedoch meist mehrere Voraussetzungen
und Vereinfachungen gemacht, wie etwa Homogenität, Isotropie, Vernachlässigung von
Randbedingungen usw.; ähnlich wie bei Überschlagsrechnungen im alltäglichen Leben, die-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 2
nen solche analytischen Ansätze auch dazu, die Größenordnung bzw. Erwartung eines später mit größerem Aufwand angestrebten Resultats festzulegen.
•
Einsatz und Anwendung des erweiterten Grundwassermodells Saar zur Differenzierung und Quantifizierung der Ergebnisse auf Grundlage numerischer Berechnungen
Im Gegensatz zu den allermeisten analytischen Lösungsansätzen führen mittels numerischer
Simulation auch Berechnungen für einen heterogenen oder anisotropen Untergrund sowie für
komplizierte Randbedingungen in der Regel zum Erfolg. Außerdem ist der Detaillierungsgrad
erheblich größer und die Resultate sind belastbarer. Vieles hängt bei derartigen Modellen davon ab, wie gut die anfängliche Datengrundlage ist. Für Fragestellungen und Gebietsgrößen
wie im vorliegenden Fall ist das Erreichen eines Modells in der Qualität eines sogenannten
Aquifersimulators weder erforderlich noch durchführbar. Stattdessen muss hier von einem
Modell gesprochen werden, das in einigen Teilbereichen als Prognosemodell, in anderen
Teilbereichen als Prinzipmodell anzusehen ist.
In späteren Jahren wird es aufgrund der eingehenden Daten und Veränderungen vor Ort
möglich sein, auch außerhalb der Bereiche mit früherem Kohleabbau zunehmend mehr Bereiche von der Qualität eines Prinzipmodells in die eines Prognosemodells übergehen zu lassen.
Grundsätzlich wird jeder der obigen Aufzählungspunkte separat im vorliegenden Ergebnisbericht
abgehandelt. Dort, wo es inhaltlich angebracht erscheint, werden die ersten beiden Punkte jedoch zusammengezogen.
Das vorliegende Kapitel umgrenzt die Erwartungshaltung hinsichtlich verschiedener Eigenschaften von Untergrund und Grundwasser sowie die quantitative Bandbreite von Daten und Parametern und ermöglicht es damit schon, spätere Resultate als wahrscheinlich zutreffend, noch vorstellbar oder wenig wahrscheinlich bzw. unrealistisch einzuschätzen.
5.2 Begriffe Hauptgrundwasserleiter, Deckgebirge und Grundwasser-Sohle; zur Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus anderen Regionen
Nach der Fertigstellung des erweiterten Grundwassermodells Saar ist der Aufbau des Modellnetzes im Bereich des Saarkarbons so gestaltet, dass das Zufließen von Grubenwasser in die durch
den ehemaligen Kohleabbau geschaffenen Hohlräume u. a. bilanzmäßig mit dem Modell simuliert
werden kann und eine Interaktion zwischen dem die Hohlräume umgebenden oder überlagernden Gebirge möglich ist. Damit kann neben vielen anderen Gesichtspunkten auch eine Einschätzung der Folgen und der Entwicklungen für das Grundwasser an sich, aber auch und vor allem
für das zu Trinkwasserzwecken vorgesehene Grundwasser aus den Wassergewinnungsgebieten,
vorgenommen werden.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 3
5.2.1 Grundwasserleiter, Hauptgrundwasserleiter im Saarland
Im Saarland wird Grundwasser zur Verwendung als Trinkwasser hauptsächlich aus dem so genannten Hauptgrundwasserleiter (HGwL) gewonnen. Dieser setzt sich aus den Kreuznacher
Schichten des Oberrotliegenden (Erdzeitalter des Perm) und den Schichten des Mittleren Buntsandsteins (Erdzeitalter der Trias) zusammen. Beide Schichten bestehen überwiegend aus porösen Sandsteinen. Grundsätzlich ist ein Grundwasserleiter ein geologisches Substrat, welches
zum einen genügend Hohlräume beinhaltet, um eine größere Wassermenge zu speichern und
zum zweiten Verbindungen dieser Hohlräume untereinander besitzt, so dass das gespeicherte
Wasser auch in ausreichender Menge und Geschwindigkeit transportiert werden kann. Das
Verbreitungsgebiet des HGwL erstreckt sich, vereinfachend beschrieben, auf den Bereich der
Saargemünd-Zweibrücker-Mulde im Südosten des Saarlandes, den Warndt und größere linksseitig der Saar gelegene Landesteile, die Merziger Grabenmulde bis etwa zum Losheimer Bach
sowie das rechtsseitig der Saar gelegene Gebiet zwischen Bous, Schwarzenholz und Nalbach.
Auch der Lebacher und St. Wendeler Graben werden von ihm großteils aufgebaut. Außerhalb der
genannten Bereiche findet keine großräumlich relevante Wassergewinnung statt. Im Warndt liegt
der HGwL über dem Karbongebirge und erreicht eine Mächtigkeit von (größenordnungsmäßig) ca.
200 m. Rechts der Saar fehlt, von kleineren Flächen abgesehen, eine Überdeckung des Karbongebirges mit dem HGwL. Allerdings ist auf dem südöstlich der Hauptüberschiebung bzw. Randstörung des Saarbrücker Kohlesattels über dem in sehr große Tiefe abgesunkenen Karbon der
HGwL im Bereich der Muldenachse zum Teil noch bis zu ca. 500 m mächtig vorzufinden, dünnt
aber Richtung Kohlesattel stark aus.
5.2.2 Deckschichten und Deckgebirge
An dieser Stelle sei wegen später erforderlicher Bezugnahme auf die unterschiedliche Bedeutung
des Begriffs „Deckgebirge“ bzw. „Deckschichten“ hingewiesen. Bei hydrogeologischen und geohydraulischen Themenstellungen werden wegen der Schwergewichtung der Thematik Grundwasser unter Hinweis auf die DIN 4049-3 unter Deckschichten alle zwischen dem Grundwasserspiegel und der Geländeoberfläche liegenden Schichten verstanden, während im Bergbau meist
das dem Karbongebirge überlagernde kohleunproduktive Gebirge ohne Beachtung des Grundwasserspiegels so bezeichnet wird. Deckgebirge im bergmännischen Sinn fehlt im Bereich des
Saarbrücker Kohlesattels fast völlig.
5.2.3 Grundwassersohle und Grenzletten
Verschiedene stratigraphische Einheiten des Karbongebirges im Saarland schließen an der Erdoberfläche meist ab in Form von mächtigen und mehrere Meter tief reichenden, lehmigen Verwitterungsschichten. Solch bindige Schichten existieren in größeren Bereichen auch an erdgeschichtlich alten Erdoberflächen. Zwischen Karbon/Permokarbon und den Buntsandsteinschichten ist in vielen Bereichen der so genannte Grenzletten ausgebildet, eine in der Regel nur wenige
Meter mächtige Lehmschicht, die aufgrund ihrer Korngröße und Konsistenz wie eine nahezu
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 4
(nicht völlig!) undurchlässige Dichtung wirkt und die Grundwasserleiter-Sohle des HGwL dort
bildet. Sie verhindert, dass das Grundwasser des Buntsandsteins ungehindert in das tiefer liegende Karbongestein oder die Grubenhohlräume abfließt, bzw. später in größerem Ausmaß Grubenwasser von unten nach oben strömt. Nur dort, wo dieser Grenzletten verletzt ist, sickerten
sehr beträchtliche Wassermengen nach unten ab (im Südost-Warndt zeitweise bis zu 60 m³/min).
Der Grenzletten fehlt rechtsseitig der Saar in einigen Bereichen.
5.2.4 Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus anderen Regionen
Im Hinblick auf die Abschätzung von Beeinträchtigungen oder potenziellen Gefährdungen durch
den späteren Grubenwasseranstieg wird häufig Bezug auf Geschehnisse und Beobachtungen in
anderen Regionen bzw. Bergwerken Bezug genommen. Dabei wurden anlässlich von Vorträgen
und Diskussionen im Zusammenhang mit dem Grubenwasseranstieg in rechts der Saar gelegenen Bergwerken Beispiele aus Südafrika, Nordfrankreich (Nord-Pas-de-Calais), aber auch näher
gelegener wie etwa in Faulquemont, La Houve, Vouters, Marienau, Simon, St. Charles genannt.
Natürlich wurde auch auf die Situation im abgeschlossenen Warndt-Bergbau und den dortigen,
bereits weit fortgeschrittenen Grubenwasseranstieg eingegangen. Die Betrachtung solcher Beispiele andernorts, vor allem aber in regionaler Nähe zum Modellraum, kann wichtige Grundlagen
für den Aufbau des erweiterten Grundwassermodells Saar liefern.
Das Bergwerk Faulquemont wurde bereits 1974 geschlossen und der Wasseranstieg endete im
Jahr 1990. Als letzte französische Grubenschließungen im an das Saarland angrenzenden Bereich seien Forbach (1997), Vouters und Reumaux (2000) sowie Merlebach (2003) genannt. Das
Abbaugebiet La Houve wurde im Jahr 2001 teilweise stillgelegt und es fand dort ein maßgeblicher Grubenwasseranstieg statt. Im Abbaubereich Folschviller ist bereits seit 1980 der Wasseranstieg vollständig durchgeführt. Beim Bergwerke La Houve wurde der endgültige Grubenwasseranstieg im Dezember 2006 eingeleitet. Im Dezember 2008 stieg Wasserspiegel dort über Niveau der Grenze Permokarbon/Buntsandstein (+127 m NGF) an, am 26.11.2009 wurde bei Niveau von 187 m NGF mit dem Pumpen begonnen. Das Wasserhaltungsniveau wurde dort so
gewählt, dass kein Austausch/Aufstieg von Grubenwasser in den Buntsandstein erfolgt. Abgepumptes Grubenwasser wird über eine Aufbereitungsanlage in die Vorflut abgeleitet.
In der Tat macht es Sinn, Erfahrungen von gezielt ausgesuchten Beispielfällen heranzuziehen.
Allerdings muss man sich bewusst sein, dass allenfalls allgemeine Beobachtungen und Erkenntnisse standortübertragbar sind und diese von standortindividuellen überlagert werden, für die die
Übertragbarkeit normalerweise nicht gegeben ist oder zuvor eingehend geprüft werden muss. So
wird etwa am Beispiel Warndt deutlich, dass trotz der unmittelbaren Nähe und Nachbarschaft zu
den übrigen Gruben an der Saar in verschiedenen Punkten sehr unterschiedliche Verhältnisse
bestehen, wie etwa das dort recht mächtige und hier weitgehende Fehlen von Deckgebirge mit
gebirgsmechanisch und hydrogeologisch gänzlich anderen Eigenschaften sowie die unterschiedlichen Lagerungsverhältnisse im Karbon selbst (im Warndt oft Sattelstrukturen mit sehr steilem
Einfallen).
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 5
Möglicherweise muss auch die geologische Entstehungsgeschichte einer Lagerstätte ein Vergleichskriterium sein, weil sich die daraus ableitbaren oder zu folgernden Eigenschaften und Verhaltensweisen beträchtlich differieren können. Die paralisch (Randmeerbereich) entstandene
Lagerstätte an der Ruhr weicht in vielen Punkten von der limnisch (intramontanes Süßwasserbecken) entstandenen an der Saar ab, etwa was die Horizontbeständigkeit betrifft.
Stets standortindividuell sind die tektonische Situation mit unterschiedlich stark ausgeprägten
Sprüngen und Verwerfungen (die sowohl hinsichtlich Erschütterungen und Hebungsdifferenzen
als auch potenziell in Bezug auf die Grundwasserspiegellage oft kritisch zu beurteilen sind), der
Durchbauungsgrad (der u. a. einen kausalen Zusammenhang zur Thematik Auftrieb hat) sowie
bestimmte Auffälligkeiten und Besonderheiten (z. B. bzgl. abweichender GebirgsspannungsVerteilung oder Gasandrangzonen) zu sehen.
Unter vielen Blickwinkeln aber sind die Erfahrungen heranzuziehen, welche die Bergbehörde und
das frühere Abbauunternehmen im Zuge mehrerer Grubenwasser-Teilanstiege in Teilfeldern im
Saarbrücker Sattel selbst in der Vergangenheit gewinnen konnten, weil dort sehr ähnliche Rahmenbedingungen wie im Bereich der noch für den Wasseranstieg vorgesehenen bergbaulichen
Hohlräume bestanden bzw. bestehen. Ebenso ist anzumerken, dass sich mehrere wichtige Rahmenbedingungen bei allen noch für einen Wasseranstieg vorgesehenen Gruben untereinander
nicht oder nur unwesentlich unterscheiden. Lediglich hinsichtlich einiger weniger Punkte, wie des
bekannten erschütterungsempfindlichen Bereichs im Bergwerk Saar (Ensdorf), der sehr starken
Unterbauung im Bereich der südöstlichen Fettkohle-Abbaubereiche oder den ebenfalls dokumentierten, sich merklich von anderen Bergwerken unterscheidenden Wasserandrang in den Gruben
Luisenthal (gering) oder Reden-Göttelborn (hoch), ist die o. g. vorherige Überprüfung einer Übertragbarkeit vorzunehmen.
Unter Beachtung der obigen Einschränkungen und Prüfung der Voraussetzungen zur Übertragbarkeit der Erkenntnisse muss aber zusammenfassend festgestellt werden, dass die von vereinzelten Personen ab und an noch immer geäußerten Aussagen, im Rahmen des Grubenwasseranstiegs käme der Bevölkerung die Rolle eines „Versuchskaninchens“ gleich, so nicht zutreffen:
Nicht zuletzt sind aufgrund bereits wiederholt in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der
Aufgabe von Gruben bzw. Feldteilen hergestellter Abschlussdämme mit dahinter durch Zusickerung und Wasseranstau gebildeten, teilweise beträchtlichen Standwasseranstiegen in den alten
Abbauhohlräumen wichtige Erfahrungen gesammelt worden. Wenngleich diese Wasserverfüllungen sich in verschiedenen Punkten von einem in Relation dazu schnellen Grubenwasseranstieg
unterscheiden, sind viele Wirkungen identisch. Neu sind der große Maßstab der Maßnahme und
die Komplexität verschiedener Zusammenhänge.
Rechtsseitig (nördlich) der Saar sei etwa das Bergwerk Reden mit einer größten früheren Abbautiefe im Niveau von etwa -1.000 m NN genannt, in dem (Stand 2015) der untere Bereich bis ca. 592 m NN mit Standwasser gefüllt ist. Die östlich bzw. nordöstlich davon gelegenen Gruben ste-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 6
hen ebenfalls durch den Zutritt von Sickerwasser und die Abschlussdämme bereits heute weitgehend vollständig unter Wasser.
Das Bergwerk Viktoria mit einer maximalen früheren Abbautiefe im Niveau von -494 m NN ist
(Stand 2015) bis -131 m NN wassererfüllt. Im Feld Dilsburg (zu Grube Göttelborn gehörend) erreichte der Abbau ein Tiefenniveau von -698 m NN, der Wasserstand 2015 lag bei -384 m NN. Im
Bergwerk Ensdorf/Duhamel wurde bis -961 m NN abgebaut, das Standwasser erreichte 2015 ein
Niveau von -628 m NN. Auch die Grube Camphausen hat einen Standwasseranstieg im dreistelligen Meterbereich zu verzeichnen.
Linksseitig (südlich) der Saar wurde im Bereich Warndt - mit einer größten früheren Abbautiefe
bei -874 m NN - 2015 der Grubenwasserspiegel bei +101 m NN gemessen.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 7
5.3 Bedeutung von Sprüngen und Verwerfungen, Schollenstruktur im Karbongebirge
Neben den bergbaubedingten gebirgsmechanischen Veränderungen des Karbongebirges über
und im nahen Umfeld des früheren Abbaus in Form von bruchhaften Verformungen (Risse, Spalten, Brüche, bestimmte Setzungen und Senkungen), elastischen oder elasto-plastischen Verformungen infolge eines veränderten Spannungszustandes existieren im Festgesteinsuntergrund
des Saarlandes auch naturbedingte Unstetigkeitszonen infolge bruchhafter Verformung. Dies
sind Störungen und Verwerfungen, - im Bergbau als „Sprünge“ bezeichnet -, an welchen sich im
Gebirge in geologischer Vergangenheit, aber auch heute noch akkumulierte Spannungen abgebaut haben oder noch abbauen. An ihnen hat die geogene Spannung den Betrag der Druck-,
Zug- oder Biegezugfestigkeit des Gesteins überschritten. In vielen Fällen haben zudem zum Abbau der Spannungen an den beidseitig an die Störung angrenzenden Gesteinen Relativbewegungen stattgefunden, die von wenigen Zentimetern bis mehreren Zehnern Meter, in manchen
Fällen auch weit über hundert Meter, betragen können.
Zwar gibt es auch ziemlich flach einfallende Störungen, meist stehen sie aber recht steil. Bedeutende Störungen zerteilen das Gebirge in Schollen. Innerhalb einer Scholle sind die Lagerungsverhältnisse mehr oder weniger homogen. Je nachdem ob eine Scholle herausgehoben wurde
oder abgesenkt wurde, spricht man von einem Horst oder einem Graben.
Abgesehen von bruchhaften Verformungen des Gebirges existieren im Saarkarbon auch plastische Verformungen in Form von flachen oder steilen Sätteln, Mulden und der großen südlichen
Randüberschiebung des Saarbrücker Sattels, an der das südöstlich gelegene Steinkohlengebirge
weit über einen Kilometer in die Tiefe abgesunken ist. Alle genannten plastischen Verformungen
können ihrerseits wiederum Sprünge beinhalten.
Das tektonische Inventar (vor allem die großen Sprünge) kann eine große Bedeutung hinsichtlich
der Wassersituation haben, spielt darüber hinaus in manchen Fällen auch eine Rolle hinsichtlich
(unregelmäßiger) Hebungen und Senkungen, während für die Ausgasung auch oder insbesondere die kleineren, bruchhaft entwickelten Auffälligkeiten (Risse, Bruchglocke über dem Abbaubereich) Relevanz haben. Sprünge können im Hinblick auf die (Grund-)Wasserbewegung zwei diametral sich unterscheidende Funktionen besitzen: Sie können entweder als offener Spalt für das
Fließen von großen Wassermengen in kurzer Zeit über große Distanzen verantwortlich sein und
als eine Art unterirdische Drainagefläche dienen. Andererseits übernehmen sie in den weitaus
häufigeren Fällen eine gegenteilige Funktion, nämlich die als Strömungshindernis, vergleichbar
der Mauer eines unterirdischen Staudammes.
Alleine die Tatsache, dass auch über Störungen ein maßgeblicher Anteil des zeitweise über 20
Mio. m³ betragenden Wasservolumens den untertägigen Grubenbauten zuströmt, beweist die
erstgenannte der beiden genannten Funktionen. Dennoch, - für die Einschätzung der als Regelfall anzusehenden Situation des annähernd horizontalen oder Schichtflächen-parallelen Grundwasserfließens im Untergrund für die Zeit nach Ende des Wasseranstiegs und außerhalb der
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 8
früheren Abbaubereiche ist grundsätzlich aus vielerlei Gründen von der zweiten Funktion, die der
hydraulischen Barriere einer Störung, auszugehen.
Aus mehreren dieses Faktum begründenden Argumenten sei an dieser Stelle beispielhaft eines
der wesentlichen kurz erläutert: Die Normalschichtenfolge des Saarkarbons zeigt sehr deutlich,
dass fein- und feinstkörniges Sedimentgestein einen hohen Anteil am Gesamtaufbau innehat.
Zwischen mächtigen Folgen von Schluffsteinen, Tonsteinen und Feinsandsteinen sind nur horizontweise nicht allzu mächtige gröbere Sandsteine und Konglomerate geschaltet.
Die Gesteine der erstgenannten Gruppe verfügen über nur sehr geringe Durchlässigkeiten gegenüber Wasser, die der letzten besitzen je nach Kornbindemittelart und -anteil bisweilen durchaus höhere Werte. Während allerdings die Störungen, welche verschiedentlich vom Karbon über
die südliche Randverwerfung bis in den Buntsandstein verlaufen, dort bei einer als betragsmäßig
gleich angenommenen Verwurfshöhe in der Regel Sandstein einer bestimmten Tiefenlage gegen
Sandstein einer anderen Tiefenlage versetzen und damit einen Anschluss vergleichbar durchlässiger Gesteine garantieren, ist dies im Karbon nicht der Fall.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer nicht marginalen Verwurfshöhe eine geringmächtige
durchlässigere Grobsandstein- oder Konglomeratschicht auf eine solche mit gleicher Durchlässigkeit auf der anderen Scholle trifft, ist als eher gering zu veranschlagen. Folglich muss bis zu
dem Punkt, ab dem es Argumente gibt, die gegen eine Zuordnung einer Verwerfung als hoher
Strömungswiderstand sprechen, von dieser Eigenschaft ausgegangen werden.
Sprünge und Verwerfungen können sowohl wie messerscharf geschnittene Einzelfugen auftreten,
aber auch als eine mehrere Dezimeter oder Meter breite Zerrüttungszone, eventuell mit mehreren
Einzelflächen. Zudem sind manche Sprünge als offene Fugen ausgebildet, während andere sowie viele, mancherorts nahezu alle oberflächennahen Bereiche mit meist bindigen Füllungen oder
Belägen („Bestegen“) versehen sind.
Die häufige Beobachtung, dass Störungen sowohl vertikal als auch horizontal ihre Funktion als
Drainage oder Stauer ändern können, kann andererseits auch bedeuten, dass im Zuge des Aufbaus und des Arbeitens mit dem erweiterten Grundwassermodell Saar ihre Wirkung unter dem
Aspekt der Maßstäblichkeit (großräumliches Regionmodell) an Relevanz verliert oder sich nur auf
bestimmte Gebirgsschollen begrenzt. Im Falle eventueller späterer Detailbetrachtungen von Gebieten (lokale Modelle als Teile des erweiterten Grundwassermodells Saar) kann diese Relevanz
nochmals anwachsen, wenn etwa die Störung für dieses Teilgebiet bekannte oder erwartete Auffälligkeiten hinsichtlich der Wasserführung besitzt.
5.4 Hydraulische Situation an Verwerfungen, gespanntes und ungespanntes Grundwasser
Für die Beurteilung der Folgen des Grubenwasseranstieges muss das Auftreten von gespanntem
Grundwasser unter Umständen große Beachtung finden, weswegen nachfolgend einige grundle-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 9
gende fachliche Erläuterungen hierzu gebracht und auf die konkrete Lage im Saarkarbon
bezogen werden.
Im Gegensatz zum ungespannten (= freies) Grundwasser, sind beim gespannten Grundwasser
die Lage von Grundwasseroberfläche und Grundwasserdruckfläche in einem betrachteten Bereich nicht identisch, sondern liegt letztgenannte (meist) höher und nicht mehr im Grundwasserleiter. Dies bedeutet, dass Grundwasser an bestimmten Stellen (etwa in einer offenen Kluft) in
der Lage ist, gegen die Wirkung der Schwerkraft über größere Vertikaldistanzen nach oben zu
steigen oder auch auf eine das Ansteigen nach oben behindernde Fläche (etwa eine undurchlässige Schicht) eine beträchtliche Kraft auszuüben. Zwischen freiem und gespanntem Grundwasser
gibt es auch Übergänge (halbungespanntes und halbgespanntes Wasser). Wenn der Druckspiegel über der Geländeoberfläche liegt, spricht man von artesisch gespanntem Wasser.
Für das Auftreten von gespanntem Grundwasser sind mehrere Voraussetzungen Bedingung: Es
müssen eine praktisch undurchlässige Sohl- und Deckschicht, ein hydraulisches Gefälle und ein
Strömungswiderstand oder -hindernis existieren. Solche Voraussetzungen sind im Saarkarbon in
mehreren stratigraphischen Einheiten aufgrund höherpermeabler gröberklastischer Sedimente
als Zwischeneinschaltungen in feinklastischem Gestein sowie der lateralen Begrenzung der wasserführenden Schicht am Schollenrand durch einen Sprung in vielfacher Weise gegeben. Im Bereich tiefer Geländeeinschnitte kann grundsätzlich auch eine lehmige Verwitterungsschicht eines
Hanges für gespanntes Grundwasser und möglicherweise die Entstehung von StauquellenHorizonten verantwortlich sein.
Die hydraulische Wirkung und Verhaltensweise von Wasser in Klüften und gespanntem Grundwasser unterscheidet sich sehr wesentlich von der Strömung in einem Porenaquifer mit freiem
Grundwasser! Dies kann hinsichtlich eventuell anzugehender Schadensminderungsmaßnahmen
etwa zur Beherrschung oder Vermeidung von potentiellen Vernässungen oder Auftriebserscheinungen im Einzelfall sowohl positive als auch negative Folgen mit sich bringen. Zwei Beispiele
sollen dies verdeutlichen:
Für den Fall, dass bei o. g. Zielsetzung die Notwendigkeit einer Bohrung mit Abpumpen von
Grundwasser anstünde, muss man bedenken, dass bei freiem Grundwasser und mittlerem
Durchlässigkeitskoeffizienten sowie Speichervermögen die Entwicklung des quasistationären
Absenktrichters bei einer angenommenen mittelhohen Pumprate von bspw. 10 l/s (36 m³/h bzw.
ca. 315 Tm³/a) eine Reichweite von wenigen Zehnern Metern hätte. Nach dem Einschalten der
Pumpe würde dazu eine Zeit von größenordnungsmäßig ein bis zwei Wochen vergehen. Je nach
Art der Oberflächennutzung (etwa in Form von Bebauung oder Industrieanlagen) könnte folglich
die raumzeitliche Wirkung im konkreten Fall als nur mittelmäßig angesehen werden.
Bei gespanntem Grundwasser in einem Aquifer mit gleichen Eigenschaften würde dagegen die
Reichweite des dort flacheren Absenktrichters (nur Druckpotenzial bzw. Wegnahme von nach
oben gerichteten Kräften auf die Grenzfläche zwischen Aquifer und undurchlässiger Schicht im
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 10
Hangenden) eine Reichweite von mehreren hundert Metern erlangen und das nicht nach Tagen
oder Wochen, sondern bereits nach wenigen Stunden!
Zudem sei an einem Beispiel die Wirkung von Sprüngen (hier exemplarisch als mittelgroße offene Fuge mit 1 mm Öffnungsweite angenommen) unter hydraulischem Gesichtspunkt verdeutlicht:
Während für das Fließen von Wasser in porösem Medium meist das Darcy-Gesetz in der bekannten Form der Abhängigkeit der Entnahme von der Durchlässigkeit, der durchströmten Fläche
und dem hydraulischen Gefälle anzusetzen ist, gilt für Klüfte der Ansatz des so genannten kubischen Gesetzes, welches (vereinfacht ausgedrückt) die Abhängigkeit der Transmissivität von der
dritten Potenz der Kluftbreite beinhaltet. So lässt sich z. B. abschätzen, dass eine optisch nur
mäßig auffallende Kluft mit obiger Öffnungsweite eine vergleichbare hydraulische Wirkung hat
wie eine rund 10 m mächtige Sandsteinschicht mit einer guten Durchlässigkeit von kf = 1·10-4 m/s.
Schließlich sei unter diesem Punkt angeführt, dass selbst dort, wo keine lithologisch bedingten
starken Durchlässigkeitskontraste im Untergrund vorliegen (dieser also beispielsweise aus einem
vertikal nicht weiter differenzierten Sandstein besteht), je nach morphologischen Gegebenheiten
(etwa Hangbereich am Talrand) durch Grundwasseraufschlüsse (Brunnen, Abwehrbohrung, alter
Schacht o. ä.) in der Tiefe ein Bereich hohen Potenzials erschlossen wird, mit der Konsequenz,
dass dann sogar artesische Verhältnisse an dem Grundwasseraufschluss herrschen können. Die
nachfolgende Skizze soll dies verdeutlichen, in der durchgezogene Linien mit Pfeilen Stromlinien
des Grundwassers darstellen, das von der morphologischen Höhe zum Vorfluter fließ. Potenziallinien sind gestrichelt gezeichnet. Die linke Bohrung ist dort nur im unteren Bereich verfiltert. Anstelle des Brunnens wäre auch eine nur im oberen Teufenbereich und lediglich auf den Kluftflächen stark verlehmte Kluft mit offener mittiger Fuge vorstellbar.
Abb. 5.1: Querschnitt durch eine morphologische Erhebung zwischen zwei Vorflutern mit Darstellung des Grundwasserspiegels, der Grundwasserpotenziallinien und der Grundwasserstromlinien, die senkrecht zu den Potenziallinien verlaufen. Wird im Bereich der Vorfluter
das tiefe Grundwasser mit hohem Druckpotenzial erschlossen, dann kann es zu einem
artesischen Auslauf aus der dortigen Bohrung bzw. Brunnen oder Schacht kommen.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 11
5.5 Ist das saarländische Karbongebirge ein Grundwasser-Nichtleiter?
Verschiedene, unter dem Gliederungspunkt 3 „Literatur“ dieses Gutachtens angeführte und/oder
erläuterte Publikationen sowie zahlreiche Lehrbücher einerseits, persönliche Erfahrungen des
Unterzeichners aufgrund von Untersuchungen im Labor (Permeationsversuche unter Gebirgsdrucksimulation, (WAGNER, J., [83]) und im Gelände (Pumpversuche in Karbonschichten) zum
zweiten und die sehr umfangreichen realmaßstäblichen Beobachtungen der früheren Abbauunternehmen zum dritten erlauben zwei zunächst widersprüchlich erscheinende Blickwinkel:
5.5.1 Fakten, die auf geringe Durchlässigkeit hinweisen
Die meisten der im saarländischen Steinkohlengebirge vorkommenden Gesteine sind aufgrund
ihrer Kornverteilung, ihres Kornbindemittels und der geringen Porosität grundsätzlich als geringbis sehr gering permeabel einzustufen bzw. bei Heranziehen der üblichen Bewertungslisten als
undurchlässig. Einmal ist dies (aufgrund der Trocknungswirkung der Bewetterung sowie einer
Trockenhaltung durch gezielte Wasserhaltung allerdings nur eingeschränkt) ableitbar bei der
Inaugenscheinnahme vieler in den Kohlegruben anstehenden Oberflächen der Strecken, die
oft/meist staubtrocken sind (wobei aber nochmals auf die trocknende Wirkung der Bewetterung
hinzuweisen ist).
Auch die Tatsache, dass verschiedene Strukturen im Saarkarbon, etwa die Klarenthaler Kuppe,
das Ziehwald-Feld und weitere, aufgrund von Durchlässigkeitskontrasten zur geringer durchlässigen hangenden Schicht zu Gasanreicherungen geführt haben, ist als Argument heranzuziehen.
Ferner sind im Schrifttum umfangreiche Korrelationen zwischen Korngröße/Gesteinsart und Permeabilität tabellarisch aufgelistet, die diese Einschätzung untermauern.
Schließlich hat der Unterzeichner im Zuge eigener Permeabilitätsuntersuchungen mit Gas als
Strömungsfluid unter Simulation verschiedener Gebirgsdrücke an zahlreichen Gesteinskernen
aus dem saarländischen Steinkohlengebirge, darunter auch Kohlebohrkerne, Versuche durchgeführt und niedrige Werte quantifizieren können, die zudem eine merkliche Abhängigkeit vom Gebirgsdruck (lt. Handnotiz Verringerung um den Faktor 8 bis 10 für Schluffstein bei 100 m simuliertem Überlagerungsdruck) aufweisen. Die gemessenen Gaspermeabilitäten können hinsichtlich
der scheinbar die Permeabilitätskonstante erhöhenden Gleitströmung korrigiert werden und gelten dann auch für Wasser.
Auch wenn verschiedene Einflussfaktoren (Lithologie, Tiefe, Stratigraphie) zu beachten sind,
können für die Permeabilität fein- und feinstkörniger Gesteine (Feinsandstein, Schluffstein, Tonstein) im Stefan Werte in der Größenordnung von 10-3 md bis wenige (1- 3) md, meist zwischen
10-2 bis 1 md angesetzt werden (1 md entspricht ca. 10-15 m2 bzw. etwa einem kf -Wert von 10-8
m/s).
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 12
Eine Differenzierung zwischen Westfal und Stefan ist nicht verlässlich möglich. Allenfalls wird in
der Literatur der Hinweis geliefert, dass im Westfal das Verhältnis zwischen horizontaler und vertikaler Permeabilität etwas größer ist als im Stefan. Für verschiedene rechnerische Ansätze (instationäre Simulation, Stofftransport) erforderliche Porositäten sind je nach Stratigraphie, Teufe
und Lithologie zwischen maximal 15 % in oberflächennahen Stefanschichten und 3 bis 4 % im
unteren Stefan anzusetzen.
Je 100 m Teufenzunahme gehen dort die Werte um 1,4 Vol.-% zurück. Die Werte im Westfal
liegen selten über 5 %, meist zwischen 1 bis 3 % und gehen je 100 m Teufenzunahme im Mittel
um 0,3 Vol-% zurück. Sie sind damit als niedrig zu bewerten, was die angegebenen geringen
Durchlässigkeitswerte bestätigt.
5.5.2 Fakten, die auf hohe Durchlässigkeit hinweisen
Wie bereits erwähnt, gibt es in der Schichtenfolge des Saarkarbons durchaus, wenn auch aufgrund ihrer verglichen mit den übrigen Gesteinen meist geringen Mächtigkeit eher geringen hydraulischen Profil- und Gebietsrelevanz, Zwischeneinschaltungen gröber körnigerer Sedimente,
die als mäßig gute Grundwasserleiter bezeichnet werden können. Grund für die hydrogeologisch
geringe und wasserwirtschaftlich praktisch nicht vorhandene Relevanz ist einmal die oben im
Text schon erwähnte Schollenstruktur des Karbons, so dass an vielen Schollenrändern die Wasser leitenden Schichten aufgrund eines Höhenversatzes abrupt enden. Daneben ist als Grund
auch zu erwähnen, dass die Zwischeneinschaltung gleichzeitig eine Verhinderung einer Grundwasserneubildung bzw. Speisung des Wasservorrats wegen der äußerst geringen Permeabilität
hangender und liegender Begleitschichten bedeutet.
Von diesen üblichen Gegebenheiten werden jedoch in einigen Gebieten des Saarkarbons Abweichungen festgestellt, und zwar dann, wenn derartige mäßig gut Grundwasser leitende und speichernde Schichten in Oberflächennähe anstehen. Wegen ihres geringeren Fein- bzw.
Feinstkorngehaltes verwittern sie weniger tief und nicht in Form der andernorts häufig anzutreffenden lehmigen Decken. Es kommt folglich zu erhöhten Grundwasserneubildungsraten. In solchen meist kleinen Teilgebieten wurden im Zuge von Baumaßnahmen bei Pumpversuchen in
Grundwassermessstellen Transmissivitätswerte ermittelt, die mit denen aus Kreuznacher Schichten vergleichbar sind (Bsp.: Obere Heusweiler Schichten am Ortsausgang Reisbach Richtung
Saarwellingen). Vereinzelt wurden in solchen Bereichen auch - wenn auch wenig ergiebige - Notbrunnen zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser in Krisenzeiten abgeteuft. Allerdings zeigen
die in den Bohrungen/Brunnen zeitlich rasch zurückgehenden Fördermengen auch dort an, dass
es nachteilige Randbedingungen gibt, die in der Regel als Schollenrand zu interpretieren sind.
Die bisher unter diesem Gliederungspunkt erläuterten Fakten sind kennzeichnend für die natürlichen, ungestörten Bedingungen im Saarkarbon, die es erlaubt haben, letzteres in seiner Gesamtheit als Grundwassernichtleiter zu bezeichnen, auch wenn es ein geogenes, tektonisches
Riss- und Spalten-System mit bedingter hydraulischer Kommunikation gibt.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 13
Durch den Kohlebergbau in der Vergangenheit sind aber massive Veränderungen im Untergrund
eingetreten, die nicht nur in Form der vielen Strecken und Verbindungen, Schächte und Abbauhohlräumen eine für das in den Untergrund gelangende Wasser gänzlich andere Situation geschaffen haben. Vielmehr sind auch im zwischen den Schollenrändern relativ kompakten Gebirge
durch bergbauinduzierte Zusatzspannungen verursachte plastische, elasto-plastische und bruchhafte Veränderungen eingetreten, die zur Bildung zusätzlichen Porenraumes führten und vielfach
dem Begriff „Bruchglocke“ über einem Abbaubereich zugeordnet werden. Wenngleich die hydraulischen Eigenschaften des neu gebildeten Systems von bergbaubedingten Fugen, Rissen und
Spalten nicht im Detail bekannt sind und es in der Literatur für Gebiete außerhalb des Saarlandes
nur in Einzelfällen belastbare Vorstellungen dazu gibt, muss im Saarkarbon eine die Durchlässigkeit für Fluide (sowohl Wasser als auch Gas) erhöhende aber nicht exakt zu quantifizierende
Wirkung zwingend angenommen werden, was möglicherweise u. a. anhand höherer Gasaustritte
dokumentiert werden kann. Der Versuch einer Quantifizierung ist nach Wissen des Unterzeichners im Saarland noch nicht vorgenommen worden.
Auch die Tatsache, dass eine Schichtenfolge mit gering- bis quasi undurchlässigen Zwischeneinschaltungen durchsickert wird (z. B. die Leittonsteine), beweist diese Annahme. Während bei
horizontaler Durchströmung eines Schichtenpakets diejenige Schicht mit der höchsten
Durchlässigkeit den Gesamtdurchfluss wesentlich bestimmt, ist es bei der Betrachtung einer
vertikalen Durchströmung diejenige mit der geringsten Durchlässigkeit. Die für einen
Schichtenkomplex mit unterschiedlich mächtigen und verschieden durchlässigen Einzelschichten
resultierende vertikale Durchlässigkeit kann vereinfachend mit folgenden Formeln abgeschätzt
werden:
kv =
kv:
m:
mi:
ki:
kmin:
mk min:
m ⋅
1
mi
∑
i =1 ki
n
bzw.
kv =
kmin ⋅
m
mk min
resultierende vertikale Durchlässigkeit [m/s]
Mächtigkeit des Gesamtschichtenpakets [m]
Mächtigkeit der Einzelschichten [m]
Durchlässigkeit der Einzelschichten [m/s]
Durchlässigkeit der geringstpermeablen Einzelschicht [m/s]
Mächtigkeit der geringstpermeablen Einzelschicht [m]
Ansätze für eine quantitative Abschätzung der summarischen Durchlässigkeit von natürlichem
und bergbauinduziertem Porensystem ergeben sich jedoch unter Hinweis auf das jährlich den
Gruben zusickernde und zuströmende hohe Wasservolumen in der Größenordnung von ca. 17,4
Mio. m³ pro Jahr.
Alleine diese Zahl lässt die Verpflichtung aufkommen, zumindest die Karbonbereiche, in denen
früher Abbau stattfand (zuzüglich eines diese umgebenden Bereichs, in denen Abbauwirkungen
eintreten/eintraten) nicht mehr als Grundwassernichtleiter, sondern nur noch als Grundwasserhemmer zu bezeichnen. Eine größenordnungsmäßige Quantifizierung der Durchlässigkeitseigen-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 14
schaften ist zukünftig (langfristig) mittels numerischem Modell vorstellbar. Dabei spielen für die
Durchlässigkeit die Einflüsse von Stratigraphie, Lithologie, Teufe, Durchbauungsgrad und Wassersättigung eine sich gegenseitig beeinflussende Rolle.
5.5.3 Bedeutung von Schächten unter dem hier angesprochenen Blickwinkel
An dieser Stelle sei, hier allerdings ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der hydraulischen
Relevanz, die Rolle von Schächten in aller Kürze angesprochen.
Die RAG führt eine Datei mit Informationen zu Schächten und Stollen, der viele Details entnommen werden können. So sind in dieser Datei neben den Schacht- bzw. Stollenbezeichnungen u.a.
Spaltenüberschriften mit Angaben zu den Lagekoordinaten, zur Tiefe, zum Ausbau, zur Verfüllung, dem Alter usw. enthalten. Nicht zuletzt der langen Historie geschuldet, sind leider nicht für
alle Bauwerksindividuen Eintragungen vorhanden und auch dann, wenn keine Eintragung vorhanden ist, etwa zur Spaltenüberschrift Verfüllung, kann nicht zurück geschlossen werden, dass
es eine solche nicht gibt. Sie ist eben nur nicht oder nicht sicher bekannt bzw. der Kenntnisstand
ist (zurzeit noch) nicht in die Datei eingepflegt.
Ausbau und Verfüllung können hydraulische Relevanz besitzen. Manche, insbesondere neuere
Schächte können im oberflächennahen Bereich zwar recht zuverlässige Abdichtungen durch
entsprechenden Verbund des Ausbaus mit dem Gebirge oder durch Behandlung des Gebirges
selbst haben (Injektionen, bspw. mit PU). Als Regelfall kann dies aber nicht für die Mehrzahl der
insgesamt etwa 2.000 bekannten Schächte und Stollen bezeichnet werden.
Grundsätzlich sollte nämlich angenommen werden, dass entweder bedingt durch einen suboptimalen Verbund zwischen Ausbau (Ausmauerung, Holz, Beton usw.) und Gebirge und/oder eine
relevante Durchlässigkeit der Verfüllung Schächte eine Schichten durchschlagende Drainagefunktion oder Zusickerfunktion für Hangend- oder Niederschlagswasser haben.
Selbst bei solchen Schächten mit nach optischer Einschätzung weitgehend intaktem Verbund
zum Gebirge ist, vergleichbar etwa der Situation an abgedichteten Tiefbrunnen, davon auszugehen, dass im Laufe der Zeit entweder durch minimale statische oder dynamische Bewegungen,
hydrochemische Lösung oder physikalische Schrumpfungen an der Grenzfläche zwischen Abdichtung und Gebirge Ablösungen in Form kleiner Haarrisse oder Fugen entstanden sind. Wenngleich solche minimalen Inhomogenitäten etwa für statische Fragen ohne nennenswerte Bedeutung sind, muss ihnen aus hydraulischem Blickwinkel je nach weiteren Gegebenheiten eventuell
eine Rolle zugestanden werden. Dies gilt selbst bei Öffnungsweiten von 1 mm oder noch deutlich
weniger.
Das nachfolgende Diagramm veranschaulicht dies deutlich. Es zeigt die äquivalente Gebirgsdurchlässigkeit einer Einzelfuge (Riss, Kluft) in Funktion ihrer Öffnungsweite und einer dieser
entsprechenden Aquifermächtigkeit (De Marsily, G.; 1986 [91]): Danach kommt, wie bereits wei-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 15
ter oben im Text erwähnt, eine solche Fuge mit einer Öffnungsweite von 1 mm bzgl. der Durchlässigkeit etwa einer Schichtmächtigkeit von 10 m Sandstein bzw., was im Saarkarbon noch besser zuträfe, von mindestens 100 m schluffigem Sandstein gleich.
Abb. 5.2: Äquivalente Gebirgsdurchlässigkeit einer Einzelfuge (Riss, Kluft) in Funktion ihrer Öff-
nungsweite und einer dieser entsprechenden Aquifermächtigkeit (De Marsily, 1986, [91])
Die Konsequenzen aus dieser Betrachtung können modelltechnisch unterschiedlich berücksichtigt werden. Zum einen können sie bei einer großräumlichen Regionbetrachtung nur in Bezug auf
die Wasserbilanz Beachtung finden und eine hinsichtlich der Fläche etwa einer statistischen Vergleichsmäßigung entsprechende Beachtung finden. Ihre de facto-Wirkung kann dann möglicherweise über die Kalibrierung der numerischen Berechnungen an die tatsächlichen Messgrößen
eingegrenzt werden. Zum zweiten kann bei späteren Ausschnitts- oder Detailbetrachtungen des
Modells bei entsprechender Gestaltung des Knotennetzes eine differenzierte Eingabe von Eigenschaften (z.B. von Durchlässigkeiten) für den Ausbau und die Verfüllung vorgenommen werden.
In diesem Fall wäre auch etwa die Simulation von Wasserentnahmen in einem Schacht und die
Betrachtung der Folgen für das grundwassererfüllte umgebende Gebirge möglich.
Da beide Verfahren Vor- und Nachteile mit sich bringen, muss zu gegebener Zeit abgewogen
werden, welcher methodische Weg sich als unter Beachtung mehrerer Faktoren als sinnvoll erweist.
5.6 Wie muss man sich die Wassersättigung im Bereich von Hohlräumen vor, während und
nach Abbau bzw. dem späteren Wiederanstieg des Gruben- und Grundwassers vorstellen?
Da in mehreren Vortragsveranstaltungen offenkundig wurde, dass bezüglich der Wassersättigung
im saarländischen Karbongebirge allgemein und über Abbaubereichen speziell erhebliche Unsicherheiten und unrichtige Vorstellungen bestehen und zudem verschiedentlich Literaturstellen
nicht korrekt verstanden oder interpretiert werden, erscheinen zur Klärung zunächst einige Erläu-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 16
terungen angebracht, die anschließend fachlich genauer betrachtet werden. Sie sollen sowohl die
Verhältnisse während als auch nach dem Abbau bzw. der Pumpphase beinhalten.
5.6.1 Gebirge gänzlich trocken?
So wird an einigen Stellen der im Literaturverzeichnis genannten Publikationen der hohe Eisengehalt im Grubenwasser in der Größenordnung von mehreren Milligramm pro Liter unter anderem damit erklärt, dass der im Gebirge befindliche Pyrit während der ganzen Zeit des Abbaus
trocken war und erst mit der Benetzung nach Abschalten der Sümpfungsmaßnahmen dessen
Oxidation stattfinden konnte. Diese Hinweise dürfen jedoch nicht so fehl gedeutet werden, dass
vor dem Grubenwasseranstieg das Gebirge vollständig staubtrocken gewesen wäre. Alleine
schon die während des Abbaus kontinuierlich angefallenen und abgepumpten Wassermengen
und die ganzjährig permanente Wasserführung grundwassergespeister Bäche im Karbon sind für
eine dagegen stehende Beweisführung ausreichend.
5.6.2 Gebirge komplett wassergesättigt?
Auch die häufiger in Diskussionen geäußerte und gänzlich konträre Einschätzung eines vollständig wassergesättigten Karbongebirges, das nur bis wenige Zentimeter hinter die Oberflächen und
Wände der unmittelbar an die Wasserhaltung angrenzenden Hohlräume wegen des Trocknungseffektes der Bewetterung nicht gesättigt ist, trifft nicht zu. In solch einem Fall würden schon alleine die in dieser Tiefe herrschenden hohen hydrostatischen Druckverhältnisse eine große Zahl
von Rissen, Fugen und größeren Porenkanälen großflächig zu kräftigen „Sprüh- oder Strahllöchern“ werden lassen und innerhalb kürzester Zeit wären die untertägigen Hohlräume wassererfüllt, da die Pumpen die enormen Zustrommengen nicht bewältigen könnten.
5.6.3 Tatsächliche Wassersättigungssituation
Generell existieren in den meisten Fällen die ganze Zeit während des Abbaus und der Abpumpphase drei meist übereinander liegende „Wasserspiegel“ im Sinne von Grenzflächen, die eine
hundert Prozent-Wassersättigung limitieren. Diese Wasserspiegel können prinzipiell gemessen
oder numerisch berechnet und simuliert werden können (so auch mit dem erweiterten Grundwassermodell Saarland). Werden die Pumpen im Zuge des Grubenwasseranstiegs abgestellt, so
verschwinden zwei davon nacheinander und nur der dritte bleibt bestehen.
Die nachfolgende nichtmaßstäbliche Skizze (Abb. 5.4) zeigt diese Situation in Form eines Vertikalschnitts durch das Gebirge während der Abbau- und Abpump-Phase in stark vereinfachter,
schematischer Form im Umfeld eines untertägigen Hohlraums.
Das Trockenhalten eines untertägigen Hohlraums im Festgestein funktioniert auch deshalb, weil
um diesen bergbaulich geschaffenen Hohlraum der Porenraum im Gestein nur zu einem geringen
Teil von Wasser und zu einem größeren Teil ebenfalls noch von Luft bzw. anderen Gasen erfüllt
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 17
ist. Mit zunehmender Entfernung von der Grenzfläche zwischen bergbaulichem Hohlraum und
Gebirge nimmt dann allmählich das Verhältnis zwischen wassererfülltem und lufterfülltem Porenraum (der Wassersättigungsgrad) zu, bis schließlich nahezu alle Gesteinsporen nur noch Wasser
beinhalten. (Sehr stark idealisierte Beschreibung, u. a. weil weder die Gasphase noch die Wasserphase sich ohne aufwändige technische Maßnahmen restlos aus dem Porenraum entfernen
lassen). Bei einer 100%-Sättigung des Porenraumes mit Wasser existiert folglich (grob vergleichbar mit den Gegebenheiten im Kapillarsaum über einem freien Grundwasserspiegel) erstmals
eine Grenzfläche mit Vollsättigung, d. h. ein Wasserspiegel, der meist keine horizontale Lage hat.
Wasser und Gas behindern sich beim Fließen im Porensystem massiv. Wenn der Sättigungsgrad
eines Gesteins in Bezug auf Wasser nur noch etwas über 20 % beträgt, ist das Wasser nicht
mehr in der Lage zu fließen und nur die zweite Phase (Luft, Gas) kann dann noch im Porensystem strömen. Umgekehrt gesehen, kann bei Wassersättigungen bis etwas über 20 % das Gas
weiterhin ungehindert im Porenraum strömen. Die nachfolgende Abbildung ist in vielfältiger Form
in der Literatur enthalten und zeigt, bei welchen Sättigungen Ein- und Zwei-Phasen-Strömung
von Luft und Wasser möglich sind (vereinfachte Darstellung für poröses Gestein).
Bei 100%-iger Sättigung mit einem Fließmedium hat die relative Permeabilität den Wert 1, bei
geringeren Sättigungsgehalten nur noch Bruchteile davon oder den Wert Null. Das rechnerische
Produkt der Relativpermeabilität für Wasser und Permeabilität k des Gesteins ergibt die effektive
Permeabilität des Gesteins für Wasser in Abhängigkeit von dessen Sättigung:
keff,w = k · krw und keff,g = k · krg
Abb. 5.3: Abhängigkeit der relativen Permeabilität von der hier aufgetragenen Wassersättigung. Gegenläufig zur Wassersättigung verläuft die Gassättigung. Unterhalb eines bestimmten Sättigungswertes ist lediglich noch eine Phase mobil, während für die andere praktisch noch keine
Beeinträchtigung festzustellen ist. Ab einer Sättigung von nur noch etwas über 20 % fließt
Wasser nicht mehr, weil es nur noch aus isolierten Vorkommen in den Poren besteht.
(SCHEIDEGGER, A., 1974, [93])
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 18
•
Im Zuge des Grubenwasseranstieges steigt im ersten Schritt der freie Wasserspiegel im untertägigen Hohlraum an und letztgenannter füllt sich vollständig mit Wasser.
•
Sobald der bergmännisch geschaffene Hohlraum (Strecke, Abbaufeld usw.) wassererfüllt ist,
beginnt sich die wasserteilgesättigte Zone allmählich zu füllen und schließlich existiert keine
teilgesättigte Umhüllung des Hohlraumes mehr. Die beiden unteren Wasserspiegel sind dann
nicht mehr vorhanden.
•
In der Schlussphase des Wasseranstieges verändert sich dann möglicherweise die Lage des
oder der durch den früheren Abbau eventuell abgesenkten oder beeinträchtigten Grundwasser-Ruhespiegel/s.
Die oben beschriebenen Abläufe beim Grubenwasseranstieg sind zum besseren Verständnis
zum einen ergänzend in Form der vier Teilabbildungen in der auf Seite 22 befindlichen Abb. 5.5,
zum zweiten als separates, instationäres numerisches Simulationsmodell in einer Vertikalschnittbetrachtung dargestellt worden.
Letztgenanntes zeigt in der EDV-Version die Auffüllvorgänge in der Art eines kleinen „Films“ anhand von Potenzialen und Strömungsindikatoren (so genannte Trajektorien, welche die Strömungsrichtung und Strömungsgeschwindigkeit) wiedergeben. Von diesem instationären Modell
bzw. dem als Film aufbereiteten Ergebnisoutput sind auf den Seiten 32 und 33 am Ende des
Gliederungspunktes 5.6 einige gespeicherte Zwischenzustände in Abb. 5.12 ausgedruckt worden.
Die auf den Seiten 23 und 24 dargestellten Skizzen sollen über das oben bereits Erläuterte hinaus gehend beschreiben, dass es für einige Teilbereiche des Saarkarbons noch nicht als restlos
sicher und geklärt angesehen werden kann, wie die Strömung zwischen dem im Gebirge befindlichen Grundwasser und den bergmännisch geschaffenen Hohlräumen abläuft. Zwei im ersten
Ansatz diametral sich unterscheidende Möglichkeiten bestehen:
Erstens: Das in den Hohlräumen (Bruchglocke, Fugen, Risse, Spalten, Schicht- und Bankungsfugen, Störungen und Verwerfungen, Klüfte, Poren) des Gebirges um die Abbaubereiche befindliche Grundwasser kann aus physikalischen Gründen nie gänzlich entfernt worden sein. Es floss
schon immer und tut dies weiterhin auch beim Anstieg des Grubenwassers in die bisher trocken
gehaltenen bergmännischen Hohlräume und füllt diese allmählich auf, wobei das bergmännische
Hohlraumsystem oder Teile davon (z. B. Schächte) wie Gewinnungsbrunnen im Zentrum eines
flächig und tiefenmäßig über viele Jahre sich ausgebildeten Absenkungstrichters liegt. In diesem
Fall exfiltriert Grundwasser in die Gruben weil das hydraulische Potential der Wasser führenden
Schichten oder des Gebirges über demjenigen des Grubenwasserspiegels liegt.
Zweitens: Es füllen sich durch relativ schnell möglichen Zufluss von Sickerwasser und Wasser
aus oberflächennahen Schichten (über große Zahl von oberflächennahen Stollen und Schächten,
aber auch über Vertikalfugen zwischen Schächten/Schachtausbauten und Gebirge sowie über
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 19
verschiedene besser permeable Schichten im Karbon) zunächst die offenen Abbauhohlräume,
weil das Gebirge das von oben eindringende Wasser nicht schnell genug aufnehmen kann (z. B.
wegen geringer Durchlässigkeit, Abmauerungen von abgehenden Strecken usw.). Auch wenn der
Grubenwasserspiegel ein bereits hohes oder gar sein endgültiges Niveau erreicht hat, exfiltriert
somit das Grubenwasser nach und nach noch über lange Zeit lateral in das um die Abbaubereiche liegende Gebirge und füllt dort die zugänglichen Hohlräume auf. Folglich steigt das Niveau
des Grundwasserspiegels langsamer an als das in den Abbauhohlräumen und die Strömungsrichtung ist insgesamt und im Vergleich zu der im ersten Spiegelstrich beschriebenen Situation in
Teilbereichen genau umgekehrt, auch wenn eine gleichzeitige Auffüllung von außen stattfindet.
Solche Situationen sind dort, wo durch sehr starken oberflächennahen Abbau die Zusickerung in
die Gruben nachweislich deutlich über der zu erwartenden Grundwasserneubildung liegt real. Als
Beispiel dafür sei die auf französischer Seite im Warndt liegende Grube Simon genannt.
Da, was bereits vor der numerischen Simulation als Normalsituation anzusehen ist, erstgenannte
Situation großflächig relevanter ist, steht zu erwarten, dass z. B. bei späterem Anstieg des Grubenwassers der Grundwasserspiegel im Gebirge im und außerhalb der alten Abbaubereiche sich
tatsächlich deutlich höher einstellen könnte, womit gebietsweise auch eine grundsätzlich kritischere Gefährdungssituation vorstellbar wäre. Aufgrund der unterschiedlichen Durchlässigkeitseigenschaften des Gebirges innerhalb und außerhalb der Bruchglocke über dem Abbau ergeben
sich flachere Absenkungskurven innerhalb und steilere außerhalb der Senkungsnulllinie, vergleichbar etwa den Gegebenheiten um einen Vertikalfilterbrunnen mit dessen Kiesschüttung im
Ringraum. Eine Einschätzung mit analytischen Formeln ist kaum möglich, so dass diese mit dem
erweiterten Grundwassermodell Saarland als Bewertungsgrundlage vorzunehmen ist.
Die beiden Abbildungen auf den Seiten 23 und 24 visualisieren die beiden vorgenannten Möglichkeiten nochmals in Form von schematisierten und vereinfachten Darstellungen (Teilabbildung
a: Wasseranstieg durch Infiltration von Grundwasser; Teilabbildung b: Wasseranstieg durch oberflächennahen Zustrom in die bergmännischen Hohlräume; Exfiltration in das Gebirge).
Bei zahlreichen Öffentlichkeitsveranstaltungen im Saarland wurden in den Diskussionen nach
Vorträgen in der Tat immer wieder Fragen und Behauptungen im oben genannten Sinn formuliert,
dass der Grundwasserspiegel nach dem Abstellen der Pumpen von innen nach außen stattfände,
es also im Regelfall zu einer Exfiltration von schnell ansteigendem Wasser aus den Grubenhohlräumen in das Gebirge komme und nicht Wasser von außen nach innen ströme. Vielfach wiederholt wurde die damit verbundene, fachlich nicht korrekte Ansicht geäußert, dass das Gebirge
über Abbaubereichen trocken sei und es dort keinen Grundwasserspiegel gäbe. Erst im Zuge des
Wiederanstiegs des Grubenwassers würde das Gebirge wieder Wasser aufnehmen und der steigende Grundwasserspiegel könne zu Vernässungen und sonstigen Gefährdungen führen. Wiederum wurde als Beispiel die Situation in der warndtnahen Grube Simon hinter der deutschfranzösischen Grenze genannt, wo dies bereits so geschehen und zu beobachten gewesen sei.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 20
Tatsächlich hat sich die genannte Grube trotz beträchtlichen Abbauhohlräumen nach ihrer Stillegung bzw. dem Beginn des Grubenwasseranstieges im Jahr 2006 rasch, d. h. binnen weniger
Jahre mit Wasser gefüllt, während in der weiteren Umgebung der Grundwasserspiegel erst allmählich anstieg. Grund dafür waren aber Besonderheiten im früheren Bergwerk, die andernorts
nicht anzutreffen sind. Beim Abbau der teilweise extrem steil stehenden Karbonschichten mit
Einfallswinkeln von bisweilen über 80 Grad wurde zu damaligen Zeiten die hydraulisch wirksame
Barriere, welche die Karbonschichten nach oben gegen die gut wasserdurchlässigen Schichten
des Hauptgrundwasserleiters vor einem ungehinderten Zustrom absichert, verletzt. Diese als
Grenzletten bezeichnete und nur wenige Meter mächtige Schicht ist ein alter Verwitterungs- bzw.
Bodenhorizont. In der Folge kam es schon während des Abbaus zu enormem Wasserzutritt von
oben, so dass der Wasserzutritt in die Grube 60 m³/min erreichen konnte. Der Zufluss zur Grube
ist zeitweise größer als die Wassermenge, die das umgebende Gestein aufnehmen kann. Der
überlagernde Buntsandstein verfügt wegen seines hohen Porenanteils über eine erheblich
höhere Durchlässigkeit als das Karbongebirge. Dieser starke Zustrom ist eine wesentliche
Ursache für das schnelle Ansteigen des dortigen Grubenwasserspiegels, als Regelfall für andere
Gruben sind die Gegebenheiten jedoch nicht zu sehen und eine Standortübertragbarkeit ist nicht
statthaft.
In deutlich abgemilderter Ausprägung können solche etwas schnelleren Verfüllgeschwindigkeiten
bzw. Wasserspiegelanstiege auch in Gruben vorkommen, in deren Einzugsgebiet zu früheren
Zeiten intensiver, unkontrollierter oberflächennaher Kohleabbau stattgefunden hat oder in die an
der Erdoberfläche ausgehende oder relativ tief reichende Stollen Niederschläge oder Schichtwässer zuströmen lassen. In solchen früheren Gruben kann die spezifische Wasserhebung über
der Grundwasserneubildung liegen, weil der Abbauraum Wasser aus einem deutlich größeren
Gebiet erhält als es der auf die Geländeoberfläche projizierten Fläche entspricht. In solchen Fällen ist das während des aktiven Kohleabbaus pro Tonne anfallende Wasservolumen auch überdurchschnittlich hoch, wie dies etwa im Bergwerk Göttelborn der Fall war.
Aber auch im Falle des sehr schnellen Grubenwasseranstiegs existiert nicht nur eine Infiltration
aus den Grubenhohlräumen in das Gebirge, sondern es findet auch in diesen Fällen gleichzeitig
ein Zustrom von Grundwasser von außen statt, so dass sowohl von außen nach innen als auch
von innen nach außen der Wasseranstieg abläuft bzw. verursacht wird. Er ist im Verhältnis zum
Wasservolumen, welches durch Schächte, Stollen, Schichtverletzungen usw. bevorzugt von oben
in die Grubenhohlräume zuläuft, allerdings schwächer und eher schräglateral zu den ehemaligen
Abbauhohlräumen gerichtet. Triebfeder des Wasseranstieges ist im Normalfall das Gefälle des
Grundwasserspiegels um den Abbauhohlraum. Dabei können Besonderheiten im geologischen
Aufbau des Gebirges Ursachen für Zusickerwege sein, die nicht direkt in der Nähe der Absenkungstrichterränder liegen. Dazu zählen beispielsweise Störungen oder höher durchlässige
Schichten.
Wie die numerische Simulation belegt, kommt es jedoch beim Grubenwasseranstieg nicht zu
einer exakt umgekehrten Entwicklung wie beim Anlegen einer Grube, sondern zu einer relativ
beständigen Auffüllung der Hohlräume von unten nach oben und einer allmählichen Auslöschung
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 21
des wasserungesättigten oder teilgesättigten Gebirgsbereiches. Die Ränder der Absenktrichter, d.
h. die Grenzflächen zwischen gesättigtem und nicht- bzw. nur teilgesättigtem Gebirge um die
ehemaligen Abbauhohlräume sind aufgrund der außerhalb des Grenzwinkels sehr geringen
Durchlässigkeitsbeiwerte recht steil. Der Einfluss der Entwässerung im Gebirge durch den früheren Abbau war und ist folglich erwartungsgemäß nicht zwangsweise flächig sehr weitreichend
und kann sich je nach Gegebenheiten und den vielfältigen Einflussfaktoren durchaus auf Größenordnungen bis zu ein oder zwei Kilometer begrenzen.
Geländeoberkante
Grundwasser-Ruhespiegel im Hangenden
Grenzfläche zwischen Voll- und Teilsättigung
Wasserspiegel im Grubenhohlraum
Abb. 5.4: Querschnitt durch das Gebirge mit einem bis zum Anstieg des Grubenwasserspiegels
trocken gehaltenen Abbau, um den sich ein mit Wasser teilgesättigter Bereich aufgebaut
hat, in dem die Sättigung und damit die relative Permeabilität vom Abbauhohlraum nach
außen zunimmt, bis sich wieder ein gesättigter Bereich (Grenzfläche ) einstellt. Die ersten Änderungen gehen vom Wasserspiegel im Grubenhohlraum aus ( ), die letzten Änderungen erfährt der Grundwasser-Ruhespiegel im Hangenden ( ).
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 22
Geländeoberfläche
Absenkungstrichter
oberflächennaher
Grundwasserspiegel
wassergesättigtes
Gebirge
Abbauhohlraum mit
Wasser-teilgesättigter
Umgebung
Wasserspiegel an
der Grenze zur
Vollsättigung
Anfangszeit des Bergbaus mit beginnender
Ausbildung einer nur Wasser-teilgesättigten
Umgebung um den Abbauhohlraum mit Begrenzung nach außen durch einen Wasserspiegel bei Erreichen der vollständigen Sättigung und erster Reaktion des oberflächennahen Grundwasserspiegels
Weitere Eintiefung des Absenkungstrichters
im oberflächennahen Grundwasserspiegel
als Folge des sich in Abhängigkeit von Gesteinseigenschaften, Pumpdauer, Förderrate usw. vergrößernden Wasser-teilgesättigten Bereiches um die Abbauhohlräume
im tieferen Gebirge
Je nach Gebirgseigenschaften und Abpumpbedingungen kann die in der zweiten Teilabbildung dargestellte Situation entweder
dauerhaft bestehen bleiben oder die teilgesättigten Bereiche des Absenkungstrichters
und der teilgesättigten Zone um den Abbau
vereinigen sich ab einem gewissen Zeitpunkt
Nach einer weiteren zeitlichen Etwicklung
kann es zur Ausbildung eines flächig großen
und bis in die Tiefe der Abbauhohlräume reichenden Absenkungstrichters kommen, der
je nach Verzweigung der Abbauhohlräume
eine dreidimensional sehr differenzierte
Form haben kann
Abb. 5.5: Von zahlreichen Faktoren, wie etwa Lithologie, Heterogenität des Gebirges, Pumprate, Tiefe des Abbaus, Zeit usw., abhängige Entwicklung
der Grenzflächen Luft - gesättigter Wasserbereich. Gepunktet: wassergesättigtes Gebirge; in Weiß dargestellt: ungesättigtes Gebirge.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 23
Abb. 5.6 a: Grundsätzliche Normalsituation der Grundwasserverhältnisse beim Grubenwasseranstieg
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 24
Abb. 5.6 b: Standortbezogene
Sondersituation bezüglich der
Grundwasserverhältnisse beim
Grubenwasseranstieg
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 25
Die in den obigen Skizzen vereinfachten zeichnerischen Darstellungen des Grundwasserruhespiegels im Hangenden dürfen nicht so missverstanden werden, als ob es sich tatsächlich um
einen durchgehenden Wasserspiegel handelt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass im saarländischen Karbongebirge mehrere hydraulische Systeme im Gebirge über dem Abbau nebeneinander vorkommen:
Zum einen sind einige nahezu das ganze Gebirge mit nur geringen und eher unbedeutenden
lateralen Versätzen durchschlagende und wahrscheinlich recht steil stehende Klüfte/Verwerfungen/Störungszonen nicht auszuschließen. Sie dürften von erheblicher hydraulischer
Bedeutung und hinsichtlich einer im Bezug auf oberflächige Niederschlagsereignisse raschen
Zuflussreaktion untertage sein.
Zum zweiten ist davon auszugehen, dass es ein untereinander verbundenes System von Rissen,
Fugen und Verwerfungen gibt, die zudem auch Anschluss an zwischen gering durchlässigen
Schichten befindliche höherdurchlässige Sedimentgesteine haben können und wasserführend
sind. Einzelne dieser Strukturen dürften aufgrund ihrer Gestaltungsform (Öffnungsweite, Belag,
Länge usw.) hohe Strömungswiderstände darstellen und deshalb weniger Wasser weiterleiten,
als ihnen potenziell durch oberflächennahe Versickerung/Grundwasserneubildung zugeführt werden könnte. Sie sind folglich als zeitlich nahezu permanent wassergesättigt anzusetzen. Der
Wasserspiegel kann dennoch zwischen den Einzelstrukturen deutlich differieren. Auch lokale
Trocken- und Nassinseln im Gebirge sind möglich.
Nachweislich existieren im Saarkarbon aber auch tektonische Elemente, die aus mehreren Gründen (z. B. weil sie nicht bis zur Verwitterungsschicht in Oberflächennähe aushalten oder streckenweise aussetzen) dauerhaft staubtrocken sind und für den Zufluss zu den untertägigen Hohlräumen auch während oder nach dem Grubenwasseranstieg keine Relevanz haben.
Die nachfolgenden Skizzen in Abb. 5.7 sollen das oben Erläuterte visualisieren. Dazu ist allerdings anzumerken, dass die Situation im Untergrund deutlich komplexer ist und es sich um eine
lediglich zu Darstellungs- und Übersichtlichkeitszwecken vorgenommene, nicht real existierende
Auftrennung der beschriebenen Gegebenheiten handelt. Eine Überlagerung der drei Skizzenteile
würde den tatsächlichen Gegebenheiten im Gebirge sehr viel mehr entsprechen. Der im mittleren
Skizzenteil dargestellte Grundwasserspiegel (Absenktrichter) suggeriert, dass er einen durch das
Gestein aushaltenden Verlauf wie in porösen Aquiferen hätte, was aber nicht der Fall ist. Die
(gedachte) Verbindungslinie zwischen den Wasserspiegelständen in den einzelnen Klüften zeigt
lediglich die hydraulische Verbindung im Fugensystem. Zwischen diesen Fugen kann die Gesteinsmatrix weiterhin völlig trocken sein.
Diese Anmerkung ist insofern zu beachten, als sie bei der Simulation und Prognose der Grundwasserverhältnisse in Form einer geeigneten Größe der repräsentativen Modelleinheit (Fläche/Volumen) zu beachten ist. Dieses so genannte REV (representative elementary volume)
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 26
muss groß genug sein, um sowohl die kompakt-trockenen Matrixeinheiten als auch die darin befindlichen Klüfte zu beinhalten.
Bis in flache Teufen aushaltende grössere Störungszonen mit annähernd
permanentem und klimatisch mitbedingtem Wasserzufluss nach untertage sowie schwankendem hydraulischem Potenzial
Intensiv vernetztes System von Rissen, Fugen und Sprüngen oberhalb
der Abbaubereiche (sogen. „Bruchglocke“) mit mäßig guter hydraulischer
Vernetzung und unterschiedlich grossen Absenktrichtern
Isolierte Einzelklüfte mit unterschiedlichen Wasserspiegelhöhen sowie
Störungen und Sprünge mit eventuell
teufenabhängig unterschiedlicher Ausprägung und ohne jegliche Wasserführung bzw. Benetzung
Innerhalb der meist feinsandigen, siltigen oder tonigen Sedimentfolge des
Karbons existieren vereinzelt auch
meist geringermächtige Schichtkomplexe mit aquiferähnlichen Eigenschaften begrenzter Horizontbeständigkeit
Abb. 5.7: Wassersättigung im „Grundwasser-Nichtleiter“ Saarkarbon in Abbaubereichen. Die leitfähigen Sandstein- und Konglomeratschichten mit aquiferähnlichen Eigenschaften sind
nur vereinfacht dargestellt, ebenso wie die lediglich an tektonische oder abbaubedingte
Fugen, Sprünge und Verwerfungen gebundene Wasserführung. In der Realität überlagern
sich die in den vier Teilbildern dargestellten Gegebenheiten.
Die oben beschriebenen Vorstellungen zur Grundwassersituation im Bereich ehemaliger saarländischer Kohleabbauflächen resultieren aus der Auswertung der Literatur, erfragten Beobachtungen im saarländischen Steinkohlebergbau und im Rahmen der Grundwassermodellierung abzuleitenden Erkenntnissen. Sie dienen neben der Erläuterung und Klarstellung aber auch dazu,
spätere mit dem erweiterten Grundwassermodell Saarland eingehende Berechnungsresultate zu
beurteilen.
Die im linken Teil der Skizze dargestellte Situation des Zuflusses über eine hydraulisch dominante Fuge (Kluft, Verwerfung o. ä.) kann mit dem erweiterten Grundwassermodell simuliert werden,
ebenso die im mittleren Skizzenteil beschriebenen Gegebenheiten. Nicht bzw. nicht verlässlich
erfasst werden können die im der rechten oberen Bild visualisierten Einzelklüfte ohne nennenswerte Vernetzungen zum übrigen hydraulischen System. Sie können Grund dafür sein, dass trotz
noch so großen Erkundungs- und Rechenaufwandes kleinlokal nicht vorhersehbare oder prognostizierbare Auffälligkeiten, wie etwa zeitlich und örtlich begrenzte hohe Wasserführung im Untergrund oder völlig staubtrockene Gebirgsbereiche sein.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 27
5.6.4 Staubtrockene Karbongebirgsbereiche
Wiederholt wurden auch im Saarkarbon, etwa bei tieferen Bohrungen, visuell als staubtrocken
bezeichnete Schichten im Untergrund festgestellt. Laboruntersuchungen an Bohrkernen bestätigten in solchen Fällen die äußerst geringen Wassergehalte. Gleichzeitig kann in unmittelbarer
Nähe ein erwartet hoher Grundwasserspiegel eingemessen werden. Diese Beobachtungen bestätigen die in den Abbildungen 5.6 a, b (rechte Abbildungsteile) sowie 5.7 dargestellten bzw. interpretierten Situationen eines in Bereichen mit hoher Durchklüftung nur scheinbar durchgehenden Grundwasserspiegels mit zwischen den Klüften/Störungen trockenen Gesteinspartien. Grund
für solche weitgehend trockenen Blöcke sind die extrem geringe effektive Porosität und äußerst
niedrige Permeabilität des sie aufbauenden Sedimentgesteins. In diesem Zusammenhang stellten sich Fragen, ob bei einem Grubenwasseranstieg das in zu Abbauzeiten trockene Klüfte eindringende Wasser binnen kurzer Zeit auch bisher trockenes Gebirge benetzen kann. Hier sind
Vergleiche etwa mit so genanntem WU-Beton (wasserundurchlässiger Beton) zum Verständnis
hilfreich, da dieser bezüglich einiger strömungsrelevanter Eigenschaften ähnliche Größenordnungen aufzeigt, wobei einige der natürlichen und diagenetisch stark geprägten Tonsteine im
Saarkarbon noch deutlich undurchlässiger sind.
Abb. 5.8: Die obige Skizze soll das Verhalten von WU-Beton gegenüber anstehendem Wasser
veranschaulichen. Quelle: www.zementol.de (Zugriff im Jahr 2017):
Seine Wasserundurchlässigkeit erreicht WU-Beton (bei im Vergleich zu dichten Tonsteinen im
Saarkarbon relativ großem Kapillarporenraum bis zu 20%) ab einem Wasser-Zement-Wert < 0,5
und einer Betondicke von mindestens 20 cm. Bei diesen Bedingungen wird auch die Diffusion
von Wasserdampf unterbunden. Die maximale Wassereindringtiefe von 7 cm findet im Übrigen
unabhängig vom hydrostatischen Druck statt. Bei der in obiger Abbildung dargestellten Feuchteabgabe bzw. Austrocknung auf der Luftseite handelt es sich um den Austrag des Anmachwassers für die Betonherstellung.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 28
Die nachfolgende Abbildung gibt die mit einem Prüfgas gemessenen Ergebnisse für WU-Beton
bezüglich dessen Spezifischer Permeabilitätskonstante und der Spezifischen Diffusionskonstanten wieder. An der Abhängigkeitskurve sind zudem die verschiedenen Wasser-Zement-Werte
angetragen. Anzumerken sind zum einen die geringen Absolutgrößen beider Konstanten. Zum
zweiten bleibt nochmals anzumerken, dass diese Durchlässigkeit noch über Messwerten liegen
kann, die ein natürlicher, diagenetisch stark verfestigter Tonstein, aber auch einige tonige
Schluffsteine im Saarkarbon besitzen.
Da die Angaben auf der Ordinate des nachfolgenden Diagramms den Spezifischen Permeabilitätskoeffizienten in Bruchteilen der Einheit m2 angeben, die Durchlässigkeitsbeiwerte von geologischen Schichten und Gesteinen meist aber in m/s quantifiziert werden, sei zur Vergleichbarkeit
kurz angeführt, dass (vereinfacht) folgende Zusammenhänge bestehen:
10-15 m2 = 1 mD = 10-8 m/s
d. h. bei einem Wasser-Zement-Wert < 0,5 erreicht WU-Beton Durchlässigkeitsbeiwerte zwischen
ca. 2 bis 10 · 10-11 m/s.
Durchlässigkeitswerte in dieser Größenordnung zeigen auch mehrere Untersuchungen, aus denen im Anschluss an das nachfolgende Diagramm beispielhaft eine Ergebniskurve zur Wasserdurchlässigkeit dargestellt wird. Quelle: http://wiki.beton-informationen.de/index.phptitle=Per
meabilität (Zugriff im Jahr 2017).
Abb. 5.9: Zusammenhang zwischen Spezifischem Permeabilitätskoeffizienten und Spezifischem
Diffusionskoeffizienten für trockenen Beton sowie Angaben für Wasser-Zement-Werte entsprechender Betone.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 29
Abb. 5.10: Wasserdurchlässigkeit von Zementstein in Abhängigkeit von der Kapillarporösität und
vom Wasser-Zement-Wert (POWERS, T. C., 1954 [184])
Die Abläufe in wassererfüllten Klüften und Verwerfungen, welche sehr dichte Schichten im Saarkarbon durchschlagen, ähneln in gewisser Weise den oben beschriebenen Vorgängen in WUBeton. Steigt im Zuge des Grubenwasseranstieges der Wasserspiegel in solchen Gebirgsfugen
an, so ist die Wassereindringtiefe von der Fuge in das dichte Gestein vernachlässigbar gering
und erreicht in dichten Tonsteinen allenfalls wenige Dezimeter und beharrt dann im Maßstab
menschlicher Zeiten in dieser Eindringtiefe. Das Wasser steht dann hoch in den Fugen an, die
bei ausreichender Vernetzung untereinander hydraulisch kommunizieren und im Wechselspiel
zwischen realem und virtuellem Grundwasserspiegel berechenbare Flurabstände zu messen
erlauben.
Die mittels dreidimensionalem Prinzipmodell erhaltenen Ergebnisse der nachvollzogenen Abläufe
zeigen dies in Form einiger ausgewählter Abbildungen nachfolgend zur besseren Visualisierung
(Abbildung 5.11 a, b, c).
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 30
Abb. 5.11a, b, c: Querschnitte durch ein dreidimensionales Grundwasserströmungsmodell mit
hochdurchlässiger Kluft/Störung in sehr gering durchlässigem Gestein. Darstellung von Schnittbildern.
a und b: freier Grundwasserspiegel und Hydroisohypsen (unterer Bildteil); erkennbarer Potentialabbau im Randbereich der Kluft zu den trockenen Gebirgsbereichen.
c: Sukzessive vertikale Verfeinerung der Diskretisierung bis in den Zentimeterbereich in den untersten Modellschichten (Pfeil mit Kreis) sowie horizontal mit Annäherung an die Kluft, ebenso
abgestufter Übergang der Leitfähigkeit bei der Anfangsparametrisierung zwecks Vermeidung
numerischer Probleme.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 31
Abb. 5.12 (auf den beiden Folgeseiten): Die Teilabbildungen 1 bis 10 stellen die Situation zu verschiedenen Zeitphasen eines mittels instationärem numerischem Strömungsmodell berechneten Grubenwasseranstiegs und damit einhergehenden Wasserfüllung eines untertägigen Hohlraumes im Vertikalschnitt durch das Gebirge dar. Vereinfacht sind zwei
Bergwerke mit einer hydraulisch gut leitenden Verbindungsstrecke simuliert.
-
-
-
:
: Beginn der Wasserfüllung mit Anstieg des Grubenwasserspiegels in beiden Abbauhohlräumen. Bis zum Abschlag des Wassers über die hydraulische Verbindung steigt auch im linken Abbauhohlraum der Wasserspiegel.
: Ab diesem Zeitpunkt steigt zunächst nur noch der Wasserspiegel im rechten Abbauhohlraum an, und zwar bis zur vollständigen Füllung. Dabei füllt sich auch die
wasserteilgesättigte Umgebung allmählich auf. Der „zweite Wasserspiegel“ verschwindet und das Potenzial im ganzen Bereich des Hohlraumes und dessen
Umgebung steigt an.
: Der Vorgang wiederholt sich anschließend im und um den linken Abbaubereich,
bis auch dort eine vollständige Wasserverfüllung von Hohlraum und Umgebung
eingetreten ist.
Die farblich durch Dunkelblau charakterisierten Bereiche mit niedrigem hydraulischem Potenzial sind nicht mehr ausgebildet und auch der Zustrom aus dem Liegenden, erkennbar an den in den ersten Teilabbildungen nach oben gerichteten
Pathlets (Strömungsindikatoren) existiert nicht mehr.
Legende:
Blau (-125 m) Grün (-40 m) Gelb Rot (+45 m)
(niedrig)
(mittel)
(hoch)
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 32
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 33
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 34
5.7 Fließen im Untergrund/Saarkarbon und im Umfeld von Hoch- und Tiefstellen
Im Bereich des früheren Kohleabbaus im Saarland (Gebirge und bergmännisch geschaffene
Hohlräume) finden mehrere „Arten“ von Fließvorgängen neben- und nacheinander statt. Diese
grundsätzlich richtig zu erfassen, ist für spätere Beurteilungen, Handlungsempfehlungen, Maßnahmen sowie den Aufbau des erweiterten Grundwassermodells Saarland möglicherweise von
erheblicher Bedeutung.
Die deshalb nachfolgend unter diesem Gliederungspunkt formulierten Erläuterungen sind stark
vereinfacht und sollen nicht den Anspruch erheben, die hierfür erforderliche hydromechanische
bzw. hydrodynamische Theorie wiederzugeben, sondern sind primär dazu gedacht, im Anschluss
an die kurze Erläuterung wesentlicher Grundlagen die konkrete Situation im Saarland
verständlich zu machen.
5.7.1 Zufluss zu Grubenhohlräumen über große Sprünge
Zunächst gilt es, die meist zur Tiefe hin gerichtete Strömung in größeren Verwerfungen, Klüften
und Spalten zu nennen, die in Vorträgen Dritter für die Öffentlichkeit (nicht ganz korrekt, da es
sich eigentlich um kein Differenzierungskriterium zu anderen Grundwasserfließvorgängen handelt)
häufig als Schwerkraftentwässerung bezeichnet wird, bisweilen auch als Sickerströmung.
Tatsächlich sind eine exakte Beschreibung und Zuordnung der Fließvorgänge in solchen tektonischen Elementen nicht ganz einfach und eindeutig vorzunehmen, da sie je nach Ausprägung
solcher Fugen entweder mit dem Auslaufen aus einem mit Wasser gefüllten Behälter, der Strömung in einer Kluft oder dem Durchfluss durch ein poröses Medium vergleichbar sind. Dementsprechend ist auch die Anwendung der zutreffenden hydromechanischen oder hydrogeologischen Gesetzmäßigkeiten problematisch, und in der Praxis treffen wahrscheinlich zeitlich und
örtlich verschiedene Fließgesetze zu oder es gibt reale Bedingungen, für die keines dieser Fließgesetze wirklich genau trifft.
Bei der Schwerkraftentwässerung strömt das Wasser infolge Schwerkraft (potenzielle Energie) in
der Fuge/Kluft abwärts in Richtung der Entnahme- oder Auslaufstelle (Grubenhohlraum). Da zur
Schwerkraftentwässerung aber sowohl die offene Wasserhaltung als auch vertikale und horizontale Brunnen mit Saug- oder Tauchpumpen gehören, ist die Bezeichnung als Kriterium zur Differenzierung des Fließens wenig geeignet. (Nur) In gewisser Weise ist die allmähliche Leerung
oder das permanente Auslaufen von Wasser am Anschluss der Kluft zum untertägigen bergmännischen Hohlraum vergleichbar dem Auslaufen aus einem Behälter und könnte so als Standardaufgabe der Hydrodynamik angesehen werden, so dass es mit Hilfe der Bernoullischen Gleichung bzw. der Torricelli´schen Ausflussgleichung berechnet werden kann.
In diesem Fall wäre die Querschnittsfläche der Kluft etwa mit A1 und die ihres Auslaufloches am
Bergbauhohlraum mit A2, die Füllhöhe in der Kluft mit h zu bezeichnen. Um die Ausfließzeit t in
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 35
Abhängigkeit von der Füllhöhe zu berechnen, wird noch die Ausfließziffer µ der Auslauföffung
benötigt. Dann würde mit der Erdbeschleunigung g (9,81 m/s) gelten:
dV
= µ ⋅ A2 ⋅ 2 g ⋅ h
dt
Außerdem ist dV = A1 ⋅ dh
Daraus folgt
dh
A
= [ µ ⋅ 2 ⋅ 2g ] ⋅ h
dt
A1
In der letzten obigen Gleichung enthält die Klammer nur Konstanten. Wird sie zur Vereinfachung
mit K bezeichnet, dann gilt die Differentialgleichung
dt =
dh
⋅ h
K
Nach Integration von h = 0 resultiert die Auslaufzeit t =
2⋅ h
K
Je nach Ausprägung solcher Sprünge (Bestege, laterale und vertikale Durchgängigkeit, Füllung
usw.) muss jedoch bemerkt werden, dass mit diesem Ansatz eine Abschätzung von Zuflussvolumen, Auslaufzeit und Auslaufgeschwindigkeit nicht ausreichend genau vorgenommen werden
kann und weitere oder gänzlich andere Ansätze zu verfolgen sind.
In der Hydrogeologie wird für die Quantifizierung der Strömung in Klüften meist das „Kubische
Gesetz“ herangezogen, auch wenn dies gerade bei breiten Klüften mit Verfüllung wiederum mehr
und mehr ungenau wird und dann das bekannte Darcy-Gesetz zur Beschreibung der Strömung in
porösen Medien besser geeignet sein kann. Die bekannten Gesetzmäßigkeiten für die Kluftströmung entstammen meist Laborversuchen, bei denen die Fließrate durch einen Spalt in Abhängigkeit vom hydraulischen Gefälle I gemessen wurde. Für einen Versuch mit eindimensionaler
planparalleler Kluftströmung beschreibt das kubische Gesetz folgenden Zusammenhang zwischen der Transmissivität und der Kluftöffnungsweite:
T=
am3
(mit am als wahre mittlere Öffnungsweite)
12µ
In der Realität existieren jedoch selten glatte, sondern oft unebene und raue Klüfte. Für diese gilt
die hydraulische Leitfähigkeit gemäß dem Formelansatz
K=
T
a2
= h (mit ah als hydraulische Kluftöffnung; ≠ am)
ah 12 µ
Eine Strömung, die sich mit diesem eindimensionalen Gesetz beschreiben lässt, wird auch Poiseuille-Strömung genannt.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 36
5.7.2 Fließverhalten in stark geklüftetem oder porösem Untergrund
Die unter der vorangegangenen Lesehilfe-Überschrift genannte Strömung in großen Klüften und
Verwerfungen kann bei der Simulation nicht über einen Kontinuum-Ansatz vorgenommen werden,
sondern muss jeweils in Individualbetrachtung als Diskontinuum behandelt werden. Es gibt in
einem solchen Fall keine räumlich im Gebiet abgreifbare repräsentative Fläche, die standortübertragbar ist. Mittels numerischem Modell kann zwar ein solches tektonisches Lineament in die
modelltechnische Diskretisierung eingebunden/eingebaut werden; ohne detaillierte Daten zu dessen Eigenschaften und zur Überprüfung der durchgeführten Annahmen sind jedoch bestimmte
Fragestellungen (z. B. Einzugsbereich) nur bedingt belastbar zu prognostizieren.
Im Gegensatz dazu wird Gebirge mit porösen Eigenschaften (folglich auch maßgebliche Anteile
des Sedimentgesteins des Saarkarbons), aber auch sehr gering permeables Gebirge mit allerdings stärkerer Ausprägung von Fugen (Risse, Bruchglocke über Abbaubereichen, engständige
Klüfte) auf der Grundlage des bekannten Darcy-Gesetzes - unter der Voraussetzung eines geeigneten REV - quantitativ beschreibbar gemacht. Für die Modellierung sind darüber hinaus das
Massenerhaltungsgesetz und die Zustandsgleichung für Fluide heranzuziehen. Das DarcyGesetz stellt eine Abhängigkeit des Strömungsvolumens Q zu durchströmten Fläche F, zum hydraulischen Gradienten I (Großbuchstabe i) und zum Durchlässigkeitsbeiwert kf her und lautet in
der einfachsten Form:
Q = kf ⋅ I ⋅ F
Es gilt für laminare Fließverhältnisse bei paralleler Strömung, nicht für turbulente. Eine parallele
Strömung kann bei relativen Rauhigkeiten unter 0,032 angenommen werden, während oberhalb
von 0,032 von nicht paralleler Strömung auszugehen ist. Die relative Rauhigkeit bezeichnet das
Verhältnis der mittleren Höhe von Oberflächenspitzen zur doppelten hydraulischen Kluftöffnungsweite. Diese Bedingung ist aber für viele Rahmenbedingungen unter den obigen lithologischen Voraussetzungen gegeben.
Dennoch gilt es anzumerken, dass die Genauigkeit der Ergebnisse numerischer Simulationen
zunimmt, wenn nicht im Labor bestimmte Werte für die Permeabilität (bzw. Durchlässigkeit) im
Darcy-Gesetz Eingang finden, sondern beachtet wird, dass die Werte stark von der effektiven
Normalspannung (Differenz zwischen Überlagerungsdruck und im Porenraum herrschenden Fluiddruck) abhängen und im Gebirgsverband grundsätzlich merklich (oft eine bis zwei Zehnerpotenzen) niedriger sind, wie die Ermittlung von Permeabilitätskonstanten im Labor unter Beachtung des Gebirgsdruckes nach WAGNER, J., 1983 [88], zeigt. Grundlage für die diese Quantifizierung waren Versuche mit Stickstoff und eine Auswertung gemäß nachfolgender Gleichung:
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 37
p22 + m& F ⋅ (L − x ) ⋅
pFluid ( x) =
η
kσ 0
⋅
R ⋅T
i ⋅σ
⋅ 2e eff
M
pfluid(x):
p2:
m& F :
entfernungsabhängiger Fluiddruck [Pa]
Gasdruck am Ende der durchströmten Gesteinslänge [Pa]
Massenstrom [kg/s]
L:
x:
η:
kσ0:
R:
T:
M:
e:
i:
σeff:
durchströmte Gesteinslänge [m]
Entfernung in Strömungsrichtung [m]
dynamische Viskosität [kg/m s]
spezifische Permeabilität bei Gerüstspannung Null [m2]
allgemeine Gaskonstante [kJ/kmol K]
Temperatur [0C]
Molekulargewicht [kg/Mol]
Raumdehnung [-]
Gerüstspannungs-Konstante [Pa-1]
effektive Gerüstspannung [Pa]
Die mit Gas ermittelten Permeabilitäten können auf Wasserdurchlässigkeiten umgerechnet werden. Damit wird eine orientierende Vorgabe für die zulässige Bandbreite der Veränderung dieses
Eingabeparameters im Zuge der späteren Parametervariation bzw. Sensitivitätsbetrachtung möglich.
5.7.3 Fließen auf der Sohle untertägiger Strecken
In den bergbaulich geschaffenen Strecken kann das Grubenwasser derzeit oder in späteren Phasen entweder in speziellen angelegten Rinnen bzw. Kanälen oder aber vollflächig als Gerinne
fließen. Als Gerinneströmungen werden im hier interessierenden Sinn Strömungen bezeichnet,
bei denen das Wasser unter Schwerkrafteinfluss in einem offenen Querschnitt fließt. Die für die
Strömung mit freiem Wasserspiegel und turbulenten Anteilen in offenen Fließgerinnen in der Praxis am meisten verwendete Formel ist die Manning-Strickler-Gleichung. Sie ist stark empirisch
geprägt und hat sich aufgrund ihrer guten Genauigkeit bewährt. Sie lautet in der üblichen Form
(und Schreibweise):
2
3
vm = k st ⋅ R ⋅ I
vm:
kst:
R:
I:
1
2
mittlere Fließgeschwindigkeit [m/s]
Rauheitsbeiwert nach Strickler [m1/3/s]
hydraulischer Radius [m]
Fließgefälle [m/m] bzw. [-]
Der Strickler-Beiwert kst ist abhängig von mehreren Einflussfaktoren, unter anderem von der
Querschnittsform und Oberflächenbeschaffenheit des Gerinnes. Seine Einheit ist nicht physikalisch begründet, sondern wurde deshalb so festgelegt, damit die Gleichung dimensionsecht ist. In
zahlreichen Literaturstellen und Publikationen können teilweise sehr detaillierte und umfangreiche
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 38
Auflistungen für diesen Beiwert zu natürlichen und künstlichen Gerinnen bzw. Kanälen nachgeschlagen werden. Lediglich exemplarisch seien an dieser Stelle typische Fließbettwerte für glatten Beton mit kst = 100 [m1/3/s], ein gerades Fließgewässer mit kst = 30 - 40 [m1/3/s] oder ein stark
turbulent fließendes Gewässer mit Geröll auf der Fließsohle mit kst = 10 - 20 [m1/3/s] zur ersten
Orientierung angführt.
Da Gerinneströmungen sich räumlich und zeitlich ändern können und zudem nach dem internen
Fließzustand und der Reaktion auf Randeinwirkungen zu betrachten sind und, - weil Wasserspiegel und Drucklinie identisch sind -, dem variablen Druck auch eine variable Wasseroberfläche
entspricht, haben sie einen zusätzlichen Freiheitsgrad, der ihre Analyse wesentlich schwieriger
gestaltet als etwa in Rohrströmungen mit vorgegebenem Querschnitt.
In den Algorithmen der zur Modellierung hier eingesetzten Software SPRING, mit dem das erweiterte Grundwassermodell Saarland erstellt wurde, können die vorgenannten Fließgesetze und
Strömungsarten berücksichtigt werden.
5.7.4 Sind Grubenhohlräume beim Anstieg des Wasserspiegels für das unmittelbar angrenzende
Gebirge hydraulisch gesehen Senken oder Quellen?
Die Grubenwässer sind großteils auf Zusickerungen aus dem Hangenden und von der Oberfläche zurückzuführen, teilweise aber auch auf laterale Zuflüsse über das Gestein. Auch ist von
Übergangssituationen zwischen beiden Fällen auszugehen sowie von Zusickerungen über direkte Tagesöffnungen.
Für die Betrachtung der Folgezeit nach dem Grubenwasseranstieg der Bergbauhohlräume sind
zwei unterschiedliche Gegebenheiten vorstellbar oder in manchen Bereichen schon real, bei denen der Wasserspiegel im wassererfüllten Hohlraum aufgrund der örtlichen Dominanz der vertikalen Zusickerung im Vergleich zum lateralen Zufluss höher als der Grundwasserruhespiegel in
etwas größerer Entfernung steht und solche, bei denen er unter diesem steht. Im erstgenannten
Fall kann man von einem Infiltrationstrichter sprechen, im zweitgenannten von einem Entnahmetrichter. Grundwasserruhespiegel und Gruben-/Grubenwasserspiegel werden sich dann jedoch
allmählich über längere Zeit gesehen niveaumäßig angleichen.
Hinsichtlich der potenziellen (Schad-)Wirkungen unterscheiden sich beide Situationen maßgeblich. Auch wenn Vorab-Bewertungen, was denn nun als Normalfall anzusehen sei, zunächst einfach erscheinen mögen, ist eine belastbare fachwissenschaftliche Aussage bei genauerer Betrachtung unsicher.
Zu beachten sind dabei nicht nur die freien Wasseroberflächen, sondern die Potenzialflächen.
Der Infiltrationstrichter kann je nach Ausprägung des Grubengebäudes kleinräumliche Wirkung,
etwa im Umfeld eines wassererfüllten Schachtes, entfalten oder als größeres Infiltrationsgebiet
um einen bestimmten Grubenbereich zu sehen sein. Die Überlagerung verschiedener Einfluss-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 39
faktoren sind sowohl unter zeitlichem als auch räumlichem Blickwinkel so komplex, dass eine
Einschätzung mit analytisch geschlossenen Lösungen (einfache mathematische Formeln) nicht
gelingt, sondern nur mittels numerischer Simulation.
Die große Erwartungsbandbreite hinsichtlich der Ergebnisse, wie weit und wie lange die Wirkung
einer Infiltration andauert, überstreicht Zeiten von wenigen Jahren bis zu mehreren Jahrzehnten
und Entfernungen von einigen hundert Metern bis zu mehreren Kilometern. Folglich ist in der
Klärung dieser Fragestellung ein weiterer Interessenspunkt der Strömungsmodellierung und gegebenenfalls auch der Schadstofftransport-Modellierung mit dem erweiterten Grundwassermodell
Saarland zu sehen, zumal nur so auch geklärt werden kann, ob eine annähernd theoriekonforme
radiale Beeinflussung auf die Umgebung ausgeht oder eine sich stark an der Tektonik und anderen lithologischen Eigenschaften des Untergrundes sich orientierende. Auch in diesem Zusammenhang ist der Ansatz eines Diskontinuums sinnvoll.
5.8 Leistungsgrenzen des Strömungsmodells
Aufgrund umfangreicher Erfahrungen verschiedener saarländischer Ingenieur- und Gutachterbüros sowie des LUA des Saarlandes hat es sich gezeigt, dass eine der ersten Fragen, nämlich die,
ob ein numerisches Grundwassermodell überhaupt im Festgestein des Saarlandes Anwendung
finden kann, von einigen Ausnahmen bzw. bestimmten Schichten einmal abgesehen, allseits
bejaht wird, sofern eine sinnvolle Maßstäblichkeit Beachtung findet. Als recht sicher und belastbar gilt dies für die Schichten des saarländischen Hauptgrundwasserleiters, d. h. die Kreuznacher
Schichten und den Mittleren Buntsandstein. Ohne Einschränkungen kann es auch in den quartären Ablagerungen eingesetzt werden. Aber auch für mehrere der übrigen stratigraphischen Einheiten konnte festgestellt werden, dass es zumindest für orientierende Einschätzung herangezogen werden kann und bei Beachtung der gerade genannten sinnvollen Maßstäblichkeit immer
noch weitaus bessere Resultate liefert als Ergebnisse, welche auf geschlossenen mathematischen Lösungen bzw. analytischen Gleichungen fußen.
Die Integration von Diskontinuitäten (etwa strömungsrelevanten Verwerfungen) kann dabei die
Ergebnisqualität maßgeblich verbessern.
Die zeitlich vor Inangriffnahme der Arbeiten zum Erstellen der Erstversion des Grundwassermodells Saarland mit dem LUA und damaligen MUV diesbezügliche ausführliche Diskussion endete
folglich eindeutig zugunsten der Realisation. Diese Entscheidung hat sich später anhand der Berechnungsresultate in konkreten Situationen als richtig erwiesen.
Viele der in den vorangegangenen Gliederungspunkten beschriebenen fachinhaltlichen Zusammenhänge sind im erweiterten Grundwassermodell berücksichtigt und können dort bei Quantifizierungen und Prognosen Eingang finden. Dies kann auch als Hinweis auf die Leistungsfähigkeit
des erweiterten Grundwassermodells Saarland angeführt werden.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 40
Aufgrund etlicher Unsicherheiten hinsichtlich Existenz, Ausprägung und Eigenschaften singulärer
Auffälligkeiten, welche zwingend als Diskontinuum anzusetzen sind und nicht in einem REV beinhaltet sein können, muss andererseits klar sein, dass nicht alle realen Gegebenheiten erfasst
und prognostiziert werden können und das Modell mit Vereinfachungen arbeitet. Es ist unter der
hier vorgegebenen Zielsetzung und Aufgabenstellung - ähnlich wie viele andere Modelle und
unter anderem auch das für die RAG erstellte so genannte „Box-Modell“ der DMT für das Saarland - als hydraulisches Ersatzsystem anzusehen und nicht als dreidimensionales geologisches Detailmodell des Untergrundes einschließlich der bergbaulichen Hohlräume.
Ferner handelt es sich um ein Regionmodell, welches nicht zur Lösung von kleinskaligen Detailproblemen gedacht ist, wenngleich es auch für letztgenannte die Voraussetzungen bietet, da z. B.
Randbedingungen sehr viel realistischer festgelegt werden können. Aus dem Regionmodell können erforderlichenfalls Teilgebiete ausgeschnitten und weiter verfeinert bearbeitet werden.
Es sollte ferner noch angemerkt werden, dass es sich primär um ein Grundwasserströmungsmodell handelt. Zwar können auf Basis dieses Modells prinzipiell auch verschiedene Transportphänomene berechnet werden. Jeder der nachfolgend genannten Punkte stellt aber eine eigene Thematik dar, die bei ihrer Schwergewichtung aufwändig und separat zu betrachten wäre und folglich
nicht in gleicher Qualität wie die Strömungsmodellierung Inhalt des erweiterten Grundwassermodells Saarland sein kann: Mehrstoffmodellierung, Kopplung von ungesättigtem und gesättigtem
Bereich, Kopplung von Grund- und Oberflächenwasser, Erfassung von Temperatureinflüssen,
Modellierung einer dichteabhängigen Strömung, Erfassung diverser geochemischer Prozesse,
Modellierung von Zerfallsketten.
Schließlich sei erwähnt, dass das erweiterte Grundwassermodell eine andere Zielsetzung als
etwa das Boxmodell der Fa. DMT hat und hinsichtlich der Abläufe im Innern der Gruben nicht die
gleiche Leistungsfähigkeit besitzt wie letztgenanntes, auch wenn es bspw. Zuflusshöhen und
Grubenwasseranstiegszeiten berechnet und größenordnungsmäßig die des Boxmodells bestätigt.
5.9 Ist wiederholtes An- und Abschalten von Pumpen unproblematisch?
Durch den Grubenwasseranstieg in den Bergwerken kommt es zu einer Benetzung von Gebirgsbereichen, die über viele Jahrzehnte wasserungesättigt oder teilgesättigt waren. Bindige Bestege
(Beläge) auf Klüften und in Verwerfungen können dadurch ihre Eigenschaften massiv verändern.
In trockenem Zustand können sie eine Art Mörtelfunktion innehaben und verbinden dann die anstehenden Gesteinsblöcke unter Umständen relativ fest miteinander. Mit zunehmender Durchfeuchtung verlieren sie diese der Stabilität des Gebirgsverbandes zuträgliche Eigenschaft und
werden zu Gleitschichten, an denen sich aus unterschiedlichen Gründen aufgebaute Spannungen abbauen, indem es zu Bewegungen kommt. Der Prozess ist in gewissem Maße reversibel.
Außerdem bewirkt der Grubenwasseranstieg, dass Gebirgsbereiche unter hydrostatischen Auftrieb gelangen. Näheres zur Thematik Auftrieb wird weiter unten erläutert. An dieser Stelle sei
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 41
zusammenfassend lediglich betont, dass sich durch diese Auftriebskräfte das bis zu diesem Zeitpunkt eingestellte Kräfte- und Spannungsgleichgewicht verändert. Den bisher auf Schollen, Teilschollen, Blöcke und Haufwerk wirkenden Überlagerungsdrücken oder den Drücken infolge ihres
Eigengewichtes wirkt dann die nach oben gerichtete Auftriebskraft entgegen und erstgenannte
können eine geringere Wirkung entfalten. Es kommt zu einer neuen Kräfte- bzw. Spannungsverteilung, mit der eventuellen Folge, dass etwa untereinander verkeilte oder sich an der Setzungsbewegung nach unten gegenseitig behindernde Gesteinseinheiten sich in Form von Bewegungen
räumlich neu ausrichten und anordnen können. Der Wechsel der Kräfte- und Spannungsverteilung kann sich mehrfach wiederholen, wenn das Gestein seine Wassersättigung ändert. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die auf Auftriebskräfte zurückzuführenden Effekte aus mehreren Gründen mit zunehmendem Durchbauungsgrad an Bedeutung gewinnen.
Bereits diese kurzen obigen Bemerkungen machen klar, dass wiederholte Wechsel von Wassersättigung (im Zuge des Grubenwasseranstieges) und Teilsättigung/Trockenlegen (im Zuge des
Abpumpens) vermieden werden sollten. Dabei ist diese Gefahr nicht in allen Fällen oder grundsätzlich mit dem Ab- und Wiederanschalten der Förderpumpen untertage gleichzusetzen. Sie
bezieht sich nicht auf Gegebenheiten, wie sie etwa Anfang 2015 im Bergwerk Ensdorf (14. Sohle
bzw. -400 m NN) eingetreten sind, da dort mit dem nach längerer Zeit des Nichtabpumpens und
dann folgender Wiederinbetriebnahme der Pumpen keine erneute Absenkung des untertägigen
Wasserspiegels im bis dahin schon wassererfüllten Grubengebäude eintrat, sondern lediglich ein
weiterer Anstieg unterbunden wurde.
Vielmehr sind Situationen gemeint, bei denen es zu Wiedervertiefungen von zuvor teilweise bereits wasserverfüllter und schon abgeflachter Absenktrichter kommt, wie dies in der nachfolgenden Skizze dargestellt ist und möglicherweise - aber nicht nur - als Folge des Versagens von
hydraulisch relevanten Verbindungen auf der Hochdruckseite zunächst möglich erscheint.
Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang die räumliche und zeitliche Trägheit des
Gesamtsystems Untergrund - Grundwasser: Es können (vgl. Zeitmarker in der Abbildung) Wochen oder Monate vergehen, bis ein mittels Pumpe verursachter positiver oder negativer hydraulischer Impuls in einer etwas größeren Entfernung angelangt, weil die Auffüllung eines Absenktrichters keine exakte Umkehr von dessen Entstehung ist: In größerer Entfernung wird über lange
Zeit das Abschalten der Pumpe überhaupt nicht bemerkt und der Bereich mit dem größten hydraulischen Potenzialgefälle wandert unter allmählicher Verringerung des Gefälles weiter nach
außen. Eine Sickerlinie wie beim Absenkungsvorgang des Grundwasserspiegels gibt es im Zentrum des Trichters nicht.
Im Gegensatz zu den im vorangegangenen Absatz beschriebenen Abläufen gibt es folglich in
diesem beschriebenen Fall nicht die Möglichkeit, eventuell sich andeutende oder entwickelnde
Schadwirkungen als Folge des Grubenwasseranstieges durch Wiederinbetriebnahme der Pumpen sofort abzustoppen.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 42
Schacht
Grundwasserspiegel
30
24
18
12
6
1
Laufzeit in Monaten
Auffüllung des Absenktrichterss
Abb. 5.13: Querschnitt durch das Gebirge mit Darstellung eines Schachtes bzw. einer Wasserförderbohrung (blau, linker Rand) und einem nach langzeitiger Entnahme entstandenen, großräumlichen Absenktrichter (in Blau, durchgezogene Kurve). Gestrichelt sind
verschiedene Phasen des Wiederanstieges des Wassers bzw. der Auffüllung des
Absenktrichters im Zuge des Grubenwasseranstieges eingezeichnet. Die Wiederauffüllung ist keine exakte Umkehr der Ausbildung des Absenktrichters. Die dargestellte
Situation könnte unter anderem beim Versagen einer hydraulischen Verbindung sich
ergeben, wenn ein ungewollter Anstieg auf der Zuflussseite mittels einer Brunnenbohrung wieder zurückgeführt werden müsste. Der Bereich des größten hydraulischen Gefälles wandert, einhergehend mit der Verkleinerung dieses Gefälles, allmählich nach außen (rote Linien).
5.10 Welche Auswirkungen haben die durch den Grubenwasseranstieg auf das Gestein
wirkenden Auftriebskräfte?
Bekanntermaßen erfährt ein in Wasser eingetauchter Körper scheinbar eine Gewichtsreduzierung. Diese wird als statischer Auftrieb bezeichnet. Während die Kräftebilanz in horizontaler Richtung Null ergibt, weil die Drücke in gleicher Tiefe identisch sind, herrscht zwischen Ober- und
Unterseite des eingetauchten Körpers eine Druckdifferenz. Das Gesetz zur Bestimmung der Auftriebskraft hat schon Archimedes erkannt und formuliert, indem er erkannte, dass die Auftriebskraft gleich der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit (bzw. des verdrängten Gases) ist. Es
gilt also:
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 43
Oberseite des hier vereinfachend als
zylindrisch angenommenen Körpers
mit der Pojektionsfläche dA:
Unterseite des Körpers:
Für die Auftriebskraft gilt:
Für die Gewichtskraft gilt:
dF1 = ( p0 + z1 ⋅ ρ F ⋅ g ) ⋅ dA
dFA = dF2 − dF1 = ( z2 − z1 ) ⋅ ρ Fluid ⋅ g ⋅ dA
dF2 = ( p0 + z2 ⋅ ρ F ⋅ g ) ⋅ dA
dFKörpergewicht = ( z2 − z1 ) ⋅ ρ g ⋅ g ⋅ dA
Der archimedische Auftrieb resultiert aus der Integration der Kräfte dFA über das gesamte Volumen VF des eingetauchten Körpers gemäß
FA = ρ Fluid ⋅ g ⋅
∫ dV
Fluid
= ρ Fluid ⋅ g ⋅ VFluid
V Fluid
Die Differenz zwischen dem Gewicht des verdrängten Fluids und dem Gewicht des Körpers, das
heißt die resultierende Gesamtkraft, ist
dF = dFA − dFK = [ ρ Fluid ⋅ g ⋅ ( z2 − z1 ) ⋅ dA ] − [ ρ Körper ⋅ g ⋅ ( z2 − z1 ) ⋅ dA ] = g ⋅ (dmFluid − dmKörper )
Folglich wächst die Auftriebskraft mit dem Volumen des eingetauchten Körpers und mit der Dichte des Mediums. Diese Auftriebskräfte sind auch im Rahmen des Grubenwasseranstieges von
Relevanz, weil sie auf die unterschiedlich großen Gesteinsfragmente wirken und Anlass für Hebungen oder Senkungen sein können.
(Zur Betonung sei auch an dieser Stelle die mehrfach in Diskussionen nach Vorträgen geäußerte und nicht zutreffende Ansicht
kurz thematisiert, nur bei an die Decken untertägiger Hohlräume angrenzenden Gesteinspartien wirke der Auftrieb: Grundsätzlich erfährt eine massive Stahlkugel von 1 m³ Volumen beim Untertauchen in Wasser den gleichen Auftrieb wie etwa ein aufgeblasener Gummiballon gleichen Volumens. Dass letztgenannter beim Loslassen der Kraft zum Untertauchen heftig aus dem
Wasser springt während erstere absinkt, hängt lediglich mit den ebenfalls zu beachtenden Tauch- bzw. Eigengewichten zusammen. Auf die in der Praxis tatsächlich zu berücksichtigende Auftriebserscheinungen im Gebirgsverbund wird aber weiter
unten nochmals Bezug genommen).
Wenngleich es keine absoluten Zahlenangaben, sondern allenfalls Erfahrungswerte im Bergbau
dafür gibt, ab welcher Teufe und ab welchem Betrag des Grubenwasseranstiegs der Auftrieb
nachteilige Wirkungen an der Geländeoberfläche entfalten kann, so ist generell jedoch anzumerken, dass die Folgen der scheinbaren Gewichtsverringerung von im Grubenwasser befindlichem
Gestein um so unbedeutender wird, je geringer der Relativanteil der wassergesättigten Mächtigkeit zu dem der überlagernden und weiterhin wasserungesättigten Schichtenkomplex ist. Fehlt
eine nennenswerte Überlagerung, können sich die unter Auftrieb stehenden Gebirgsteile aufgrund einer ermöglichten inneren Neuausrichtung durch Spannungsumverteilung in ihrer Mächtigkeit merklich ändern (Hebung, aber auch Senkung).
Existiert hingegen eine nennenswerte wasserungesättigte Überlagerung, so wirkt insbesondere
den potenziellen Hebungstendenzen eine oberhalb des Grubenwasserspiegels weiterhin beste-
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 44
hende und unverändert hohe Kraft bzw. Spannung entgegen (Gebirgsdruck, Überlagerungsdruck,
Gewicht einer schlaffen Last). Die Differenz der Kräfte (Auftrieb zur vertikalen Hauptspannung),
ist vor und nach dem Grubenwasseranstieg bei Betrachtung eines Volumenelementes im Bereich
des wassergesättigten Gesteins dann relativ gleich bleibend. Eine Verringerung der effektiv wirkenden vertikalen Hauptspannung σz kommt auch für einen großen Betrachtungsmaßstab dadurch zustande, dass sich in den Gruben vollständig wassererfüllte Hohlräume befinden und das
(annähernd) inkompressible Wasser einen großen Teil der dort anstehenden Vertikalkräfte durch
Erhöhung des Druckes aufnimmt.
Bisweilen wird die Ansicht geäußert, dass der Einfluss der Wassersättigung zumindest unter dem
Blickwinkel des Auftriebs für große Teile des Gebirgsverbundes vernachlässigbar sei, weil andere
Einflussfaktoren, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden muss, in Relation dazu
erheblich größere Bedeutung hätten. So könnten etwa Gesteinsblöcke in einer abbaubedingten
Bruchglocke, d. h. in einem System feiner Risse und Fugen, auch bei vollständigem Eintauchen
in das Wasser aufgrund des geringen Rissvolumens insgesamt nur wenig Wasser verdrängen
und die Auftriebskräfte seien folglich minimal.
Dies ist jedoch nicht zutreffend. Allenfalls die Wirkung der Auftriebskräfte im Gebirge kann gering
sein, nicht jedoch deren absolute Höhe. Diese Begrenztheit der Wirkung kann dort u. a. dadurch
bedingt sein, dass im Verhältnis zu den Auftriebskräften bestimmte physikalische Kräfte (im mikroskopischen oder submikroskopischen Maßstab) an den Grenzflächen zwischen Gestein und
wassererfüllten Hohlräumen zwar gering sind, dies jedoch nicht für die oft im makroskopischen
Maßstab erkennbaren Ursachen für Reibungskräfte zwischen Gebirgsschollen, Gesteinsblöcken
oder Gesteinskörnern gelten muss, die durchaus höher als die Auftriebskräfte sein können. Auch
Kohäsionskräfte können durchaus von Relevanz sein.
Bei der Wasserbenetzung feiner Risse um Gesteinsblöcke o. ä. sind die Auftriebskräfte gleich
groß wie etwa auf dem Boden von untertägigen wassererfüllten Strecken, auch wenn in erstgenanntem Fall nicht das dem Gewicht des Gesteinsblockes entsprechende Wassergewicht verdrängt wird.
Insofern sind bei der Betrachtung des Gesamtspannungszustandes (mittlere Hauptspannungen
σx, σy, σz) im Gebirge auch das Verhältnis vor allem von Reibungs- zu Auftriebskräften und der
Porenwasserdruck zu berücksichtigen.
Nahe liegend ist aber auch, dass in Gebieten mit sehr intensiver Unterbauung in Form vieler Abbausohlen und bestehender Hohlräume sowie einer anzunehmenden starken Zerrüttung des
Gebirges mit vielen Teilschollen, Einzelblöcken, Bruchmassen usw. die Ausprägung und Stärke
von Auftriebswirkungen oder die der Wasserbenetzung wahrscheinlich über denen in Gebieten
mit geringerer Unterbauung sein können. Auch wenn seitens der Bearbeiter des vorliegenden
Gutachtens belastbare diesbezügliche Erkenntnisse und Hinweise in der Literatur nicht in Erfahrung gebracht werden konnten, sollten alleine schon die aus den allgemeinen physikalischen
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 45
Zusammenhängen abgeleiteten Schlussfolgerungen Anlass dafür sein, bei den Gruben mit sehr
starker Unterbauung im Kernbereich des Saarbrücker Hauptsattels (beispielsweise Bergwerk
Reden) besonderes Augenmerk auf auftriebsbedingte Niveauveränderungen an der Geländeoberfläche in der eventuellen späteren Schlussphase des Grubenwasseranstiegs im Rahmen der
Überwachung zu legen.
5.11 Bezug zwischen Grubenwasserspiegel-Niveau und Niveau von GrundwasserleiterSohlschichten sowie tiefen Geländeeinschnitten
Wiederholt wurden in der Vergangenheit in Vortragsveranstaltungen, Diskussionen, Gesprächen
oder anderen Anlässen Aussagen gemacht, dass hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen
Grubenwasseranstieg und Vernässungen/Stoffeintrag infolge des sich dann anschließenden
Grundwasseranstieges
a) Vernässungen in Oberflächennähe, etwa von Kellern in Gebäuden oder tief eingeschnittener
Talbereiche, nicht zu befürchten sind, solange der Grubenwasserspiegel bei oder nach dem
Anstieg in einem ausreichend großen Abstand zur Geländeoberfläche gehalten wird. Dies sei
etwa der Fall, wenn das Tiefenniveau der Sohle eines Grundwasserleiters oder tiefen Taleinschnittes nicht erreicht wird;
b) bei einem infolge Grubenwasseranstieg verursachten Anstieg des Grundwasserspiegels etwa
in einem oberflächennahen zur Trinkwassergewinnung genutzten Aquifer mit dem Anstieg
des Grundwasserspiegels Salze und Schadstoffe aus den Gruben mit nach oben gezogen
werden.
Die weiter hinten in diesem Gutachten beschriebenen Differenzierungen und Quantifizierungen in
Kapitel 8 sollten unter anderem dazu dienen, nachfolgende und schon vor Durchführung solch
detaillierter numerischer Berechnungen formulierbare, grundsätzliche und aus kausalen Zusammenhängen abgeleitete Überlegungen und Richtigstellungen zu bestätigen.
Zu a):
Leider trifft diese Aussage so nicht zu: Selbst wenn der Grubenwasseranstieg auf einem Tiefenniveau von bspw. -320 m NN gehalten wird, d. h. noch weit unter den in der Region festzustellenden Niveaus von Grundwasserleitersohlen, tiefen Taleinschnitten oder mit Grundwasser
gesättigten oberflächennahen Schichten ohne Grundwasserleiterfunktion, kann dies dazu führen,
dass der Grundwasserspiegel im deutlich darüber liegenden Gebirge ansteigt, selbst wenn
zwischen Grubenwasserspiegel und oberem Grundwasser führenden Gebirge noch mehrere
hundert Meter wasserungesättigtes Gebirge liegen. Eine wie oben unter Punkt a) begründete
frühzeitige und einfache Entkräftigung hinsichtlich Bedenken vor Vernässungen ist also durch die
dort vorgenommene Argumentation fachlich nicht vertretbar. Grund dafür ist, dass die Eintiefung
des durch das Abpumpen in den Gruben verursachten Wasserabsenkungstrichters im Gebirge
bei einem früher wesentlich tiefer gehaltenen Grubenwasserspiegel viel größer und weitflächiger
war als bei einem deutlich flacheren Grubenwasserspiegel und das Verhältnis von
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 46
einem deutlich flacheren Grubenwasserspiegel und das Verhältnis von Grundwasserneubildung
zur Wasserweiterleitung in die Tiefe sich zugunsten erstgenannter verschiebt. Dies führt zu einer
Erholung in Form eines Wasseranstiegs im oberflächennahen Grundwasserspiegel. Daneben
geht mit dem flacheren Absenkungstrichter auch ein merklich geringerer Wasserandrang in den
Grubenhohlräumen einher, der seinerseits bedingt ist durch niedrigere Versickerungsmengen
infolge kleinerer Versickerungsflächen und gegebenenfalls örtlich kleinerer hydraulischer
Druckdifferenzen.
Zu b):
Der unter obigem Punkt b) vorgenommenen Aussage kann man fachinhaltlich gesehen ebenfalls
nicht zustimmen. Bereits unter Bezug auf die im vorangegangenen Absatz zu Punkt a) erläuterten Zusammenhänge wird klar, dass der Grundwasseranstieg in einem flachen, über dem Karbongebirge mit den früheren Gruben gelegenen Grundwasserleiter (bzw. auch in grundwassererfülltem Gebirge ohne Funktion als Grundwasserleiter) der höhere Wasserspiegel nicht durch Zustrom von unten, sondern von oben (Grundwasserneubildung) bedingt ist. Das tiefer befindliche
Grubenwasser steht in solchen Fällen nicht in direktem hydraulischem Zusammenhang mit dem
Grundwasser im flacheren Gebirge und folglich existiert für diese Wasseranstiegsphasen kein
Grund, Versalzungen oder Einträge von Schadstoffen aus den früheren tiefen Gruben bzw. dem
Grubenwasser anzunehmen. Diese Triebfeder der Grundwasserneubildung und die daraus in
einigen Gebirgs- bzw. Tiefenbereichen resultierende Abwärtsbewegung von Wasser kann im
Übrigen mit Einschränkungen, in bestimmten Situationen sogar noch bei tiefenmäßiger Überlappung von Grubenwasserspiegelniveau und oberflächennahem Grundwasserleiter oder grundwassererfülltem oberflächennahen Gebirge gelten.
Auch wenn es sich um einen sehr einfach erscheinenden, ersten arbeitsmethodischen Ansatz
handelt, trifft die Beurteilung eventueller negativer Auswirkungen des Grubenwasseranstieges auf
relevante Grundwasserleiter, Vorfluter und Geländebereiche auf Basis der Überlegung, dass im
Falle des Eintretens solcher nachteiligen Veränderungen das Niveau des Grubenwasserspiegels
etwa im Tiefenbereich der Aquifer- oder Vorfluter-Sohlen bzw. tiefer Geländeeinschnitte zu liegen
kommen müsste, hinsichtlich einiger Aspekte grundsätzlich durchaus zu, auch wenn eine solche
Überlegung, wie die Beschreibung einer konkreten Situation an anderer Stelle dieses Berichtes
zeigt, nicht alleiniger Gesichtspunkt sein kann, da sich infolge der Veränderung im Grubenwasserspiegel auch Veränderungen im Grundwasserspiegel zeigen könnten.
Deshalb ist ergänzend zu diesem Ansatz ferner zu betrachten, ob infolge des flacheren Absenkbereiches im Grundwasser sowie eines gehemmten oder sich nachteilig auswirkenden veränderten Zustroms oberflächennahen Wassers (Grundwasser oder Sickerwasser) in den tieferen Untergrund eine solche potenzielle Ursache ebenfalls für Beeinträchtigungen in Frage kommt. Auch
indirekte Reaktionen, wie etwa durch Quellen bindiger Bestege sich abdichtende Klüfte und Verwerfungen und dadurch bedingte Aufhöhungen des sich neu einstellenden Grundwasserspiegels
bei wie bisher gleich bleibend hoher aber nun am lateralen unterirdischen Abfluss gehinderter
Grundwasserneubildung gilt es, eventuell zusätzlich in die Beurteilung Eingang finden zu lassen.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 47
Weitere reale Phänomene, wie etwa in geeigneten Hohlräumen sich einstellende große kapillare
Steighöhen im zweistelligen Meterbereich werden eine in Relation dazu in der Regel wohl zu
vernachlässigende Bedeutung haben, zumal die kapillare Steighöhe zwischen zwei Platten (als
solche sind auch oft als schmale Fugen ausgebildete Sprünge und Verwerfungen anzusehen)
lediglich halb so groß ist wie die in kreisrunden Röhren.
In den westlichen und nordwestlichen Gebieten der innerhalb oder in der Nähe der ehemaligen
Abbaubereiche im Saarland liegenden und großteils wasserwirtschaftlich genutzten Aquifere liegt
deren Sohle etwa im Tiefenniveau von +50 m NN. Die Höhenniveaus der tiefsten Taleinschnitte
und Stollen liegen etwa im Höhenniveau von +180 m NN.
Damit ist unter dem im ersten Absatz genannten Beurteilungskriterium eine erste Verdachtsentkräftung für die später zu betrachtende Grubenwasseranstiegs-Phase Eins - Anstieg auf das Tiefenniveau von -320 m NN - möglich. - Eine Einschätzung unter den im zweiten Absatz genannten
Kriterien steht aber noch aus und kann durch einfache logische Überlegungen auch nicht vorgenommen werden. Das Heranziehen konventioneller analytischer hydrogeologischer Methoden
kann bei bestimmten geologischen Konstellationen durchaus noch zum Ziel führen. Die hydraulischen Abläufe bei schwierigen Untergrundgegebenheiten einzuschätzen, bleibt aber der numerischen Simulation vorbehalten, mit der unter Umständen auch unter Einbezug von hydraulisch
dominanter Heterogenitäten (Diskontinuum-Ansätze bei singulären Ausprägungen, wie etwa großen Sprüngen) Sensitivitätsbetrachtungen, Worst-Case-Situationen und Prognosen zumindest in
der Qualität einer quantifizierten Abschätzung durchgeführt werden können. - Die Beantwortung
dieser letztgenannten Frage ist folglich Inhalt der Anwendung des erweiterten Grundwassermodells Saar.
In den folgenden Teilen der Abbildung 5.14 (Abbildungsunterschrift am Ende der Teilabbildungen)
werden verschiedene fiktive Grubenwasserniveaus mit der Sohle des Grundwasserleiters verglichen und das Ergebnis grafisch dargestellt. Dort repräsentieren die transparent magentafarbenen
Flächen, die Gebiete des Hauptgrundwasserleiters, die unterhalb eines in dem jeweiligen Szenario angenommenen Grubenwasserspiegel liegen. Es handelt sich also nicht um die Grundwasserspiegel, für die die Berechnungsergebnisse weiter hinten in diesem Gutachten dokumentiert
werden!
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 48
Hauptgrundwasserleitersohle < -320 m NN
Hauptgrundwasserleitersohle < -200 m
NN
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 49
Hauptgrundwasserleitersohle < -100 m
NN
Hauptgrundwasserleitersohle < 0 m NN
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 50
Hauptgrundwasserleitersohle < 100 m NN
Hauptgrundwasserleitersohle und GOK < 190 m NN
Abb. 5.14: Kennzeichnung der Flächen (in schwachem Rotton), auf denen die Sohle des Hauptgrundwasserleiters unter den Niveaus (von oben nach unten) von h = -320 m NN, -200 m NN, 100 m NN, 0 m NN, +100 m NN und +190 m NN liegt. Der unteren Abbildung sind die Flächen
mit einer Geländehöhe < 190 m NN überlagert (violettfarben bzw. blau). Dargestellt sind auch die
Wasserschutzzonen II sowie der Umriss des Grundwassermodells Saarland.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 51
5.12 Ist eine einfache Begründung eines Gemeinschadens alleine schon aufgrund einer zu
erwartenden Versalzung des Grundwassers im Karbongebirge möglich?
Der an dieser Stelle nur kurz und ohne die an anderer Stelle im Gutachten ergänzte fachliche
Begründung behandelte Punkt greift in mehreren öffentlichen Diskussionen geäußerte Beiträge
auf, durch den Anstieg des Grubenwassers resultiere eine großflächige Versalzung des Grundwassers im Karbongebirge. Da eine qualitative Verschlechterung des Schutzgutes Grundwasser,
und zwar auch des wasserwirtschaftlich nicht genutzten, nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie nicht statthaft ist, ließe sich daraus auch ohne detaillierte weitere Betrachtungen ein
Gemeinschaden ableiten.
Anders als eventuelle und eher nur lokale Beeinträchtigungen der Grundwasserqualität durch
verschiedene anthropogene Stoffe können geogene Stoffe (Salze) aus verschiedenen Gründen
größere flächige Wirkungen entfalten. Bezüglich des inhaltlich in der WRRL unter anderem aufgenommenen qualitativen Verschlechterungsverbotes für das Grundwasser bleibt für das Karbongebirge für solche geogenen Stoffe (Salze) festzustellen:
Die großen Durchflussmengen von Wasser in den Gruben entstammen lateralem Zustrom und
vertikaler Versickerung von Niederschlägen. Beide Wässer sind erheblich niedriger mineralisiert
als das ohne den bzw. vor dem Einfluss von Bergbau in den Schichten, Klüften, Fugen und Spalten natürlicherweise befindliche konnate Grundwasser im Karbongebirge. Dies dokumentieren z.
B. Untersuchungen auf geogene Salzgehalte in ca. 40 untertage entnommenen Wasserproben
an den Stellen ihres direkten Zuflusses in verschiedenen Saargruben (JENAL, 1983 [158]).
Einige dieser untertägigen Zulaufwässer sind erst während ihres Sickerweges von der Tagesoberfläche bis zur Auslaufstelle in der Grube mit Salzen aufkonzentriert worden. Dabei stand
ihnen nicht einmal größenordnungsmäßig die Verweilzeit im Gebirge zur Verfügung, welche
Wässer ohne den Einfluss des früheren Abbaus im Karbongebirge haben, so dass bei letzt genannten in der Regel von weit höheren Lösezeiten und daraus folgenden Aufkonzentrationen
auszugehen ist. Der während und nach einem Anstieg sich einstellende Hydrochemismus des
Grubenwassers mit seinen relativ zum unbeeinflussten Gebirge niedrigeren Konzentrationen wird
folglich langfristig in seinem hydraulischen Wirkungsbereich prinzipiell eher zu einer Verringerung
der dortigen Salzgehalte führen und nicht zu einer im Vergleich zur früheren natürlichen Situation
ohne Bergbau angenommenen Aufkonzentration. Eine qualitative Verschlechterung des Karbongrundwassers im Sinne der WRRL ist folglich nicht generell und großflächig zu erwarten oder
ohne nähere Untersuchung grundsätzlich anzunehmen.
Der Vergleich von Konzentrationen in Wässern mit vermutlich langer Verweilzeit in untertägigen
Fugen mit gemessenen oder prognostizierten Konzentrationen im ansteigenden Grubenwassers
zeigt, dass dies auch für die hinsichtlich mancher Salze/Ionen (z. B. Eisen, Sulfat usw.) gerade in
der Anfangszeit nach des Grubenwasseranstiegs (etwa nach Pyritoxidation) hohen Grubenwasserkonzentrationen gilt. Dennoch bleiben Einzelbetrachtungen zu empfehlen.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 52
5.13 Betrachtung der ökologischen Gesichtspunkte einer dauerhaften Aufrechterhaltung
des Pumpenbetriebes in den Gruben
Etwaige CO2-Bilanz der im Bergbau eingesetzten Pumpen während ihrer Lebensdauer
Vor Beginn des Grubenwasseranstiegs zur Trockenhaltung im Saarkarbon eingesetzte Wasserhaltungspumpen:
•
•
•
•
•
•
ZWH Camphausen: 1 Tauchpumpe mit 1000 kW,
ZWH Luisenthal 2 Tauchpumpen mit je 90 kW,
ZWH Viktoria 1 Tauchpumpe mit 520 kW,
ZWH Reden 4 Stück Tauchpumpen mit je 2,3 MW für Wasserhaltung 1 und 3 Horizontalpumpen mit je 1,6 MW für Wasserhaltung 2 sowie 3 Tauchpumpen als Vorpumpen mit je
100 kW,
ZWH Duhamel 2 Horizontalpumpen mit je 1 MW sowie 2 Ständerpumpen als Vorpumpen
mit je 37 KW.
Die Pumpen laufen, von Kontroll- und Wartungsarbeiten abgesehen, entweder permanent oder
während des Großteils des Jahres. Wie die nachfolgende Abbildung zeigt, muss man sich Leistung und Größe der im Bergwerk Reden später eingebauten Pumpen in anderen Dimensionen
als in Brunnen von Wasserversorgungsunternehmen im Saarland vorstellen: Die Höhe der größten Pumpe erreicht ca. 17 m. Es handelt sich um Einzelanfertigungen, für die ein siebenstelliger
Preis anzusetzen ist.
In Deutschland wird noch immer der größte Teil der elektrischen Energie aus Kohle gewonnen.
Die hier vorgenommene Bilanz fußt auf den vereinfachten Annahmen von 916 g CO2-Ausstoß
pro kWh Strom unter Einsatz von ca. 250 g Kohlenstoff (entsprechend ca. 312 g Flammkohle mit
ca. 80 % Kohlenstoffgehalt; Atom-/Molekülmasse Kohlenstoff: 12,01; Sauerstoff: 16; CO2: 44,01)
und 666 g Sauerstoff in einem saarländischen Steinkohlenkraftwerk. Bei Bilanzierung unter Bezug auf andere Energiegewinnungsarten (Gaskraftwerke, erneuerbare Energien, Kernkraftwerke
usw.) sind höhere oder geringere CO2-Mengen als Ausstoß für die Gewinnung von einer kWh
Strom anzusetzen.
Bei einer Lebensdauer von ca. 50.000 Betriebsstunden einer jeden der oben genannten im Saarbergbau zur Trockenhaltung der untertägigen Hohlräume eingesetzten Pumpe und deren Gesamtleistung von 17,074 MWh lässt sich ein CO2-Gesamtausstoß von rund 781.989 t abschätzen!
Etwaige CO2-Bilanz eines Autos (Pkw) nur durch Fahrbetrieb während seiner Lebensdauer
Bei vereinfachten Annahmen mit Lebensdauer von 12 Jahren bzw. 180 Tkm und CO2-Ausstoß
von 132 g/km (entspricht Verbrauch von ca. 5,5 l Benzin pro 100 km bzw. ca. 5.0 l Diesel/100 km
bei einer CO2-Entstehung von rund 2,33 kg pro Liter Benzin bzw. rund 2,64 kg pro Liter Diesel):
Ca. 23,76 t.
Vergleichsbetrachtung
Damit kommt der CO2-Ausstoß für die Erzeugung der Energie zur Trockenhaltung eingesetzten
Pumpen während ihrer Lebensdauer von nicht ganz 6 Jahren etwa der zum Betrieb von 32.900
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 53
Pkw mit einer Lebensdauer von ca. 12 Jahren gleich, was offenkundig macht, dass eine ökologische Betrachtung eines weiterhin und als dauerhaft beabsichtigten Pumpenbetriebes nicht nur
Feigenblattcharakter hat. In 12 Jahren würde der CO2-Ausstoß für die Energieerzeugung der
Pumpen etwa dem von rund 65.000 Pkw gleichkommen, was etwa 10 % der Pkw im Saarland
entspräche (Quelle: https://de.statista.com; Pkw im Saarland im Jahr 2016: 615.611).
Abb. 5.15: Tauchpumpe vor ihrem Einbau im Bergwerk Reden (Quelle: http://www.bergbauunser-erbe.de/was-sieht-das-grubenwasserkonzept-vor/)
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Fachgutachtliche hydrogeologische Beurteilung des Grubenwasseranstiegs
in bergbaubedingten untertägigen Hohlräumen nach Einstellen des Kohleabbaus im Saarkarbon
Projekt-Abschlussbericht - Proj.-Nr. LV 03 04 15,
erstellt für das Oberbergamt des Saarlandes
Kapitel 5 / Seite 54
Weitere ökologisch relevante Aspekte
So lange in der Bergbaunachfolgezeit die untertägigen Hohlräume durch Betrieb der Pumpen
trocken gehalten werden, findet eine deutlich intensivere Durchströmung und Durchsickerung mit
Wasser statt als ohne Pumpenbetrieb, angetrieben durch technische Aufrechterhaltung eines
hohen hydraulischen Gradienten. Dieses unnatürlich starke Strömungsregime unterscheidet sich
von dem in der Zeit vor Beginn des Kohleabbaus sehr wesentlich. Das ursprünglich als Grundwasser-Nichtleiter bzw. Grundwasser-Geringleiter zu bezeichnende Karbongebirge erlaubt nun
relativ gute hydraulische Verbindungen zwischen oberflächennahen und tiefen Gebirgsteilen.
Große Wassermengen mit hydrochemisch im Vergleich zu Zeiten vor Beginn des Kohleabbaus
im Saarkarbon stark veränderten Eigenschaften durch geogene oder anthropogene Stoffe werden in die Oberflächengewässer gefördert.
Im Falle des dauerhaften Weiterbetriebes der untertägigen Pumpen sind mit den oben genannten
und implizit darin enthaltenen weiteren Nachteilen auch einige Vorteile verbunden, insbesondere
das Ausbleiben konvektionsbedingter Durchmischung und der Entfall einer vollständigen Wasserbenetzung kritischer in der Grube verbliebener Schadstoffe.
Möglicherweise nachteilig beim dauerhaften Betrieb der Pumpen ist, dass es nicht wie im wassererfüllten Bergwerk die auf lange Sicht zu erwartende, sich verringernde Auslaugung von geogenen Salzen im Untergrund gibt. Auch eine Deaktivierung tiefer Zuflüsse durch „Abdrücken“ (hydraulisch bzw. potenzialbedingt) ist mit dem Grubenwasseranstieg möglich, jedoch
kaum im trocken gehaltenen Untergrund. Im wassererfüllten Untergrund ist es je nach tatsächlichen Gegebenheiten ferner möglich, dass ein weiterer Teil des Salzaustrages entfällt, der bei
permanenter Wasserhaltung in die Vorfluter gepumpt wird, weil die Wässer mit hoher Dichte im
Hohlraumtiefsten des Gebirges verbleiben.
Die vor dem Kohleabbau bestehende natürliche oberflächennahe Grundwassersituation mit höheren Grundwasserständen in tiefen Tälern und die damit einhergehenden ökologischen (Fauna,
Flora) und klimatischen Vorteile kann sich bei einer dauerhaften Wasserhaltung ebenfalls nicht
mehr einstellen. Hier muss allerdings abgewogen werden, ob dies wirklich ein Nachteil wäre, da
es in solchen Gebieten durch frühere Nichtbeachtung der streng genommen nicht gegebenen
Bebaubarkeit auch den nun bestehenden Baubestand zu schützen gilt.
Die o. g. ökologischen Aspekte sind nur exemplarisch kurz angesprochen und auf weitere Beispiele wird hier nicht eingegangen.
GGF Grundwasser- und Geo-Forschung GmbH, Prof. Dr. Jürgen Wagner, 66538 Neunkirchen, An der Alten Ziegelei 6, Tel.: (06821) 86 54 04
Herunterladen