Sprachen Ernst Gabriel Über die weiße hegemoniale Definitionsmacht Am Beispiel der Konstruktion des „Islamischen Feminismus“ durch die weiße Historikerin Margot Badran Studienarbeit Immer wieder Said… – Eine Einleitung Schon der palästinensische Literaturwissenschaftler Edward Said beschrieb und kritisierte in seinem Werk Orientalism die Konstruktion des „Orients“ durch weiße Literat_innen und Wissenschaftler_innen.1 Heutzutage hat sich der Orientalismus in eine neuartige Form von, mit Rassismen durchsetztem, Denken gewandelt. Islamophobie und die dazugehörenden Bilder von Terror und sich der Integration verweigernde muslimische People of Color prägen Artikel und Kommentare in der deutschen Medienwelt. Besonderer Fokus wird dabei auf Geschlechterdifferenzen in „orientalen“ Staaten und muslimischen Gesellschaften in der europäischen oder nordamerikanischen Diaspora gerichtet. Jedoch gibt es teilweise auch leuchtturmartige, nach weißem Ermessen positive Erscheinungen in der islamischen Geisteswelt, darunter der „Islamische Feminismus“. Margot Badran – Zu Person und Wirken Eine der hegemonialsten Definitionen des Begriffs „Islamischer Feminismus“ stammt von Margot Badran. Sie ist eine weiße2 Historikerin aus den USA mit dem Schwerpunkt Middle East und „islamische“ Gesellschaften und Gender Studies. Badran absolvierte ihren M.A. in Middle East Studies an der Harvard University und ihren Doktortitel in Middle East History an der Oxford University. Desweiteren hält sie ein Diplom für Arabische Sprache sowie Islamische Theologie der Al-Azhar Universität in Kairo. Zurzeit lehrt sie in den USA. Margot Badran schrieb und publizierte zahlreiche Werke und Artikel über „Islamischen Feminismus“ und definierte diesen immer wieder neu. (Beispiele) Für diese Arbeit möchte ich mich auf eine der meines Erachtens kontroversesten Definitionen beziehen. Diese erschien 2005 in einem Interview mit Yoginder Sikand (QUELLE). Dort sagt sie: 1 Varela, Maria do Mar Castro u.a.: Postkoloniale Theorie, S.30f Weiß dient hier keineswegs als bewusste Reproduktion von rassischem Gedankengut, sondern der bewussten Kenntlichmachung einer sozialen Kategorie, von der strukturelle Gewalt gegenüber Schwarzen Menschen und People of Color ausgeht. Das Verschweigen bzw. (un)bewusste NICHTbenennen von weißen Positionen führt zu einer Essentialisierung des Weißseins, die in dieser Arbeit nicht getragen werden kann. Gerade in weißen feministischen Untersuchungen ist diese Praktik der „Critical Whiteness“ von großer Bedeutung, da oftmals die „Intersektionalität“, also die Verbindung von sexistischer und rassistischer sowie sozialer Diskriminierung in weißer feministischer Literatur nicht beachtet wird. Desweiteren ist eine Definition als „westlich“ nicht tragbar, da auch in „westlichen“ Kulturen People of Color von der Wissensproduktion ausgeschlossen bleiben oder nicht maßgeblich genug beteiligt sind und somit eine geographische Unterteilung keinen Sinn macht, Vgl.: Arndt, Susan: Mythen des weißen Subjekts: Verleumdung und Hierarchisierung von Rassismus, in: Eggers, Maureen Maisha u.a.: Mythen, Masken und Subjekte, S. 340-362. 2 1 „"Islamischer Feminismus" ist ein Diskurs über Frauen und Gender, der sich auf religiöse Texte gründet, von denen der Koran natürlich der wichtigste ist; es geht aber auch um das vom Koran bestimmte Alltagsverhalten und Rituale, die in diesen Diskurs einfließen.“ Ziel dieser Arbeit soll es sein, zu klären, inwieweit ihre Definition einer postkolonialen, queeren und diskursanalytischen Untersuchung standhalten kann. Dafür wird je ein bestimmter Teilbereich der Definition einer der obengenannten Theorien gegenübergestellt3, wobei der Schwerpunkt dabei auf postkoloniale Theorien gelegt ist. Dahingegen kann aufgrund des geringen Umfangs der Arbeit, die queerfeministische Kritik nur perspektivisch Ausblicke für weitere Analyseansätze geben. Zusammenfassend sollen diese Theorien in eine diskursanalytische Untersuchung einfließen, die abschließend in einer neuen Definition münden sollen. Postkolonialismus – Badran silences the Subaltern! Zunächst soll der Begriff „Islamischer Feminismus“ unter postkolonialen Aspekten untersucht werden. Margot Badran ist eine der maßgeblich verantwortlichen Personen für die Etablierung dieses Terminus in den weißen Wissenschaften und Medien. Oft als scheinbares Oxymoron charakterisiert, wird diese Formulierung verwendet, um die einleitend erwähnten weißen Stereotypen über „den“ Islam und Muslim_innen eine neue, positive Verbindung von Islam und Moderne, außerhalb der Konstellation von Islam, Terror und Ehrenmord, entgegenzusetzen. Nie erwähnt Badran aber die Geschichte der Begrifflichkeit, das heißt, wie ist sie entstanden und wer hat sie geprägt. Stattdessen beschreibt sie den Begriff als Diskurs und hebt ihn damit aus der Reichweite des Fassbaren, Kritisierbaren. Dabei soll Margot Badran hier keineswegs als alleinstehendes Negativbeispiel genommen werden, da es auch bei langer Lektüre weißer Forschungen kaum möglich erscheint, etwas über die Entstehung des Begriffes zu erfahren. Einzig die weiße Soziologin Susanne Schrödter erwähnt, dass es sich bei dem „…sogenannten „Islamischen Feminismus…“ um einen „…zunächst analytischen Begriff, der von Wissenschaftlerinnen zur Beschreibung von Frauenbewegungen im islamischen Raum verwendet wurde…“4, handelt. Dabei vergisst auch sie ganz klar, zu erwähnen, dass es sich um einen Terminus weißer Wissenschaftlerinnen handelt5, jedoch verweist sie auf die Arbeiten Badrans6 und 3 Dabei kann aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit teilweise nicht auf die vollständigen Theorien eingegangen werden. Es handelt sich vielmehr um eine praktische Reflektion. Zur näheren Beschäftigung mit Postkolonialismus, Queer Theory, Diskursanalyse sowie Koranexegese werden Quellen genannt. 4 Schröter, Susanne: Feministische Re-Interpretation des Qur´an und der Sunna: Entwürfe für eine geschlechtergerechte Ordnung in der islamischen Welt, in: Moser, Márcia Elisa: Frau - Gender – Queer. S. 56. 5 Hier wird die Auswirkung des fehlenden Sichtbarmachens der weißen hegemonialen Position in der nordamerikanischeuropäischen Wissensproduktion deutlich. 2 betont damit die besondere Verantwortung Badrans die Entstehung und die Verfestigung des weißen Begriffs „Islamischer Feminismus“. Besonders deutlich wird diese Einseitigkeit bei der Betrachtung der Selbstdefinition der, in der weißen Wissenschaft ständig als „Islamische Feminist_innen“ fremddefinierten, Theoretiker_innen und Aktivist_innen. So lehnt die Schwarze Muslimische Islamwissenschaftlerin Aminia Wadud den Begriff für sich selbst vehement ab und bezeichnet sich als „…eine "Pro-faith"-Aktivistin…“7. Sie war es auch, obwohl sie in der weißen Wissenschaft als Mitbegründer_in des „Islamischen Feminismus“ gilt, die dem weiß-hegemonialen Begriff den Begriff des „Gender-Dschihads“8 entgegensetzt. Dieser wiederum wird von weißen Theoretiker_innen, auch und vielleicht besonders von Margot Badran, explizit nicht verwendet, auf absolut rassistische Art und Weise verweigern sie sich damit der „nicht-weißen“ Wissensproduktion. Asma Barlas kritisiert Badran für genauso diese Tendenz ihrer Arbeit. Erstens lehnt auch sie die Bezeichnung „Feministin“ für sich selbst ganz deutlich ab und greift zweitens darüber hinaus auch Badrans egalisierende Definition an, indem sie vor allem die Verantwortung des weißen Feminismus für Kolonialismus, Imperialismus und Rassismus herausstellt.9 „Wenn wir möchten, dass sich die muslimischen Frauen selbst stärken, warum sollten wir dann ihr Recht nicht würdigen, sich selbst so zu bezeichnen, wie sie es wünschen? Wenn wir das Projekt der Gleichberechtigung und der Befreiung nicht Feminismus nennen wollen, warum kann das nicht einfach akzeptiert werden?“10 Diese zwei Fragen Barlas stellen zusammenfassend die postkoloniale Kernkritik dar, die Gayatri Chakravorty Spivak in ihrem Werk „Can the Subalterne speak?“1112 als eine der Hauptfragen der Postkolonialen Theorie aufwirft. Nach Spivak sollte sich die Analyse darauf begründen, „ob die Subalternen für sich selbst sprechen können oder quasi dazu verdammt bleiben, dass für sie gesprochen wird – und sie mithin repräsentiert werden, anstatt sich selbst zu repräsentieren.“13 Diese als These aufgefasste Frage wurde oft kritisiert. Doch zeigt sich hier in der Frage Barlas, wie passend sie doch ist, denn sie verdeutlicht Badrans Position als weiße Repräsentantin oder Trägerin 6 Dabei besonders: Badran, Margot (1995). Feminists, Islam and nation. Gender and the making of modern Egypt. Princeton: Princeton University Press. 7 Quantara 8 Wadud, Amina: Inside the Gender Jihad, 9 Barlas, Asma: Der Koran neu gelesen, in: 10 ebenda 11 Spivak, Gayatri Chakravorty: 12 „Subalterne“ ist nach Antonio Gramsci eine Gruppe, die keiner hegemonialen Klasse angehört. (Literatur) Spivak erweiterte Gramscis Hegemonie-Theorie um die rassifizierte Kategorie. Wobei es sich bei den „Subalternen“ um (post)kolonialisierte und/oder rassisch marginalisierte Menschen handelt. 13 Castro Varella (2005), S.69 3