A N T I Q V I T A T I S ET M E D I I A E V I DANICA CLASSICA ET MEDIAEVALIA REVUE DANOISE D E PHILOLOGIE ET D’HISTOIRE AVEC CONCOURS DE TORBEN CHRISTENSEN . OTTO STEEN D U E . JAN PINBORG N. H. SKYUM-NIELSEN . OLE L. SMITH PAR HOLGER FRIIS JOHANSEN Tirage à LIBRAIRIE MUSEUM TUSCULANUM C O P E N H A G U E 1980 langues dont se scrt dans cette revue sont français. La maximum des est de SO pages imprimées. manuscrits soumis à rédaction doivent dactylographiés sur côté du les citations grecques peuvent être écrites main en écriture bien lisible. Sur toutes les pages, laisser une marge gauche assez large. Les photocopies et les copies au carhone ne sont pas acceptées. Écrire notes à part et les numéroter en chiffres arabes. Les notes seront imprimées à de chaque Quant citations des textes anciens, s’accommoder aux principes suivis dans lexique de et dans Thesaurus respectivement. Les références aux modernes doivent être formulées montrent exemples que voici: a) Monographies: O. The of Aeschylus (Oxford 1977) 242-5. b) Revues: J.H. Quincey, 120 (1977) 141-3; ou bien: J.H. Quincey, Textual notes on Aeschylus, Choephori, 120 (1977) 141-3. Utiliser les abréviations de titres employées dans Adresser les manuscrits à M. Bo Institut de philologie que, Université de Copenhague, Njalsgade 94, DK-2300 Copenhague Danemark. Toutes les communications relatives et aux tions à revue Classica et Mediaevalia et ouvrages de série ca et doivent être envoyées à Librairie Museum Tusculanum, Njalsgade 94, DK-2300 Copenhague S, mark. DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE DES GLEICHARTIGEN BEI PLATON, KANT UND ARISTOTELES VON HANS ROCHOL Der Allgemeinbegriff in Platons Dialog Parmenides. In einem seiner klarsten und durchdachtesten Dialoge, dem Parmenides, entwickelt Platon seine Philosophie über das “Eine”. Er nennt es hier auf der einen Seite Gegenstand der “reinen Erkenntnis” (Logos oder me, 155d 6 und 8); und macht es damit also zum Objekt derjenigen Erkenntniskraft, die sich in seiner Philosophie durchweg auf die ewigen Ideen richtet; was dafür spricht, das Eine, mit seiner ebenfalls ausdrücklich festgestellten “Ganz”-heit 144e 8 - 145a 4), die Idee zumindest mitumfaßt. Andererseits aber nennt Platon das “Eine” an derselben Stelle des wohldurchdachten und abgeklärten Dialoges auch Gegenstand der bloßen “Meinung” und “sinnlichen Wahrnehmung” (Doxa und Aisthesis, 6); so daß es also wenigstens zum Teil auch empirischer Natur sein dürfte. Ferner stellt Platon ihm die “Anderen als das Eine” 1, 2) = die “vom Eidos verschiedene Natur” 6), mit der jeden Falles, und wie es sich zusätzlich in der gegenüber Folge zeigen wird, empirische Wesenheiten gemeint sein müssen. Und iiber die Gesamtheit 2 ff.) dieser “Anderen” wie auch über jedes einzelne von ihnen 5 ff.) sagt er sie seien jenes Gegenstandes, des “Einen”, “nicht ganz und gar beraubt”. Vielmehr “hätten sie” b ) “irgendwie an ihm 1, 2). Infolgedessen dürften sie, zu b ) und dennebenbei bemerkt, nach dem, was Platons Worte in sich ’ Die hier zu Anfang der Untersuchung wiedergegebene Interpretation findet sich in ausführlicher Darstellung in H . Rochol Der allgemeine Begriff in Dialog nides, Monographien zur Philosophischen Forschung (Meisenheim, Hain 1975). - Anders als die übrigen platonischen Dialoge wird der Parmenides nicht immer mit Titel zitiert. 4 CI. M so 51 HANS ROCHOL DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE jenigen “Teil” des Einen “haben”, der mit dem Objekt der “sinnlichen Wahrnehmung’’ gemeint ist. Vor allem aber, zu a), ist Platon nun also, Parmenides, der Auffaswie in den mittleren Dialogen, so auch hier sung, die genannten empirischen “Anderen” seien des Einen, da nur “nicht ganz und gar”, so jedenfalls zu einem mehr als erheblichen Teil “beraubt”. Es gebe demnach einen Teil des Einen, der nicht bei den empirischen Dingen sei; mit anderen Worten, der nicht empirisch sei. Und dieser Teil bestehe also - wie Platon sich sonst ausdrückt - als “Idee” “bei sich selbst”, griechisch: “selbst bei sich selbst”. Das heißt, Platon spricht auch hier von den beiden numerisch verschiedenen Bereichen der jeweiligen “bei sich selbst” seienden Idee und der ihr ähnlichen empirischen Dinge. Wie immer bei ihm, so wird sich auch hier die “reine Erkenntnis” auf die Idee, die bloße “Meinung” mit “sinnlicher Wahrnehmung” auf den empirischen Bereich richten. Und dieser Bereich ist nun also - um es noch einmal auszusprechen wie in den unmittelbar vorhergehenden mittleren Dialogen, so auch Parmenides, von der Idee numerisch, das heißt: durch “Chorismos” , getrennt Halten wir deshalb diesen nunmehr nachgewiesenen markanten Punkt aus der platonischen Philosophie, den Chorismos, bei der folgenden Erörterung fest! Und untersuchen wir unter dieser Voraussetzung, wie Parmenides zum ersten Mal den soeben umrissenen Begriff des Platon “Einen” entwickelt! Er stellt zunächt das Sein des Einen fest 4 - 142 b 5 , insbesondere 6, 7); und er macht sodann, indem er nun mit 142a 1 - 142b 5 und diesem Sein beginnt, folgende Ausführungen: Zwar enthalte das Empirische wesentlich die Komponente des Nichtseins 165e 2 2), so auch der Bestimmunglosigkeit (Prm. 3 - 160b 2) und so auch des bloßen Scheines 164b 5 - 165e 1). Andererseits aber befinde sich das Sein (nicht nur in der soeben nachgewiesenen, “getrennten” und “bei sich selbst” seienden Idee, sondern) auch Empirischen. Denn: das Sein sei in die “zahlreichsten” “Teile” aa) von den unterschiedlichsten Quantitäten (“kleinsten”, ten”) und bb) von den unterschiedlichsten “Arten zu existieren” 144b 1 - c womit, wegen 144b 6) “zerteilt” und “zerstückelt” aa), keine Ideen und, wegen auch keine Zahlen, sondern, zu aa) und nur das allein noch übrigbleibende empirische Wesen gemeint sein kann. Und so setzt sich denn also das Empirische Dialog Parmenides aus den beiden Komponenten des Seienden und des Nichtseienden zusammen. Allerdings sagt Platon damit allein noch nichts Denn auch schon Staat 7478d S - 10; 478e 1 - 3; und d) stellt er das Empirische eindeutig und ausführlich als eine Mischung aus Seiendem und Nichtseiendem dar. Und ganz davon abgesehen, ergibt sich das Gleiche selben Dialog auch aus dem allbekannten Linien-Gleichnis am Ende des VI. Buches. Denn hiernach soll ja die sichtbare Welt an Seins-Intensität4 zwar nicht gleich der “vollständig seienden” Der spezielle Gesichtspunkt der hegelianisch-neukantianischen Parmenides-Interpretation wird weiter unten eingehend behandelt. Die Ausschließlichkeit des empirischen Charakters der von Platon so geschilderten “Teile des Seins” ist entscheidend; sie liegt aber auch auf der Hand. Bruno Liebrucks Platons Entwicklung zur Dialektik (Frankfurt am Main 1947) 199, meint, wohl wegen 135d 8 e 4, im ganzen Dialog-Teil und damit auch bei den “Teilen des Seins” könne nur vom Objekt des Logos die Rede sein (a 135e 3); Platon könne demnach hier nur von der Idee und nicht von Empirischem sprechen. Aber in 135d 8 e 4 ist - um die weniger starken Gegengründe zuerst zu nennen - nur von “Bewunderung” für diese Gedankenrichtung die Rede (Schleiermacher übersetzt zwar ... läßt jedoch nur “bewundern” zu); bei der mit “sich freuen”; der Genetiv “Bewunderung” könnte es sich überdies auch um bloße attische Urbanität handeln. Dagegen verspricht Parmenides (Platon) mit keinem Wort, im ganzen Dialog-Teil, sogar incidenter, nur hber das Objekt des Logos den Mund aufzutun. Vor allem aber widerspricht Liebrucks’ Deutung der Tatsache, daß die “Natur, die vom Eidos verschieden ist”, in der 4. Hypothese des Dialog-Teiles 2 - 7) eben doch ausdrücklich, wörtlich und ausführlich behandelt wird; und ebenso übersieht Liebrucks, daß am Ende der 2. Hypothese das “Eine” genau so wörtlich und unmittelbar gerade doch Objekt der bloßen “Meinung” und “sinnlichen Wahrnehmung” genannt wird, und nicht nur des Logos und der Episteme 6 ff.). Das alles aber dürfte nicht sein, wenn Dialog-Teil richtig wäre. - Uberdies lassen Liebrucks’ Schluß von 135d 8 - e 4 auf den sich die “Teile” in 144b 1 ff. schon wegen ihrer Quantitätsunterschiede (von den “kleinsten” bis zu den “größten”) nicht als Ideen und wegen ihrer Modalitätsunterschiede (“Arten zu existieren”, 144b 6 ) auch nicht als Zahlen verstehen. Das Gleiche ist gegen Robert Brumbaughs Deutung einzuwenden, on the One. The in (New Haven 1961) ad er hält die “Teile des Seins” für Zahlen oder (das ist mir nicht klar geworden) für “Abstraktionen”. Aber an Abstraktionen, so gut wie an Ideen, sind die genannten Quantitätsunterschiede und an Zahlen, wie schon gesagt, die “Existenz auf alle Art” 6) sinnlos, also unmöglich. zur “Degrees-of-Reality Theory” (die Seins-Intensitäten oder -Grade zugrundelegt) The Third Man Argument in in anderem Zusammenhang bei Platon: Gregory 63 (1954) 335 f., 341 f., 349 Anm. 52. the Parmenides, 52 HANS ROCHOL (R. 477 a 3) Idee, aber auch nicht gleich Null sein. Insofern also repetiert der Parmenides noch einmal das Weltbild des Staates’: den Bereich der Idee aus purem Seienden und den der sichtbaren Dinge, die aus Seiendem und Nichtseiendem gemischt (s. hierzu Staat Platon tut dann aber einen Schritt, der neu ist, wenn er auch für seine Philosophie nunmehr längst vorbereitet und unausbleiblich sein dürfte. Er führt zunächst aus, jeder der genannten Seins-Teile in der Komponente des Seienden Empirischen, in allen möglichen Quantitäten und “Existenz-Arten’’ ( S . O . ) , sei ein “Eines”. Und er kommt sodann zu dem “alle” “Einen”, also das soeben nachgewiesene eine ideale so gut wie die vielen empirischen, die letzteren so gut wie das erstere, bildeten ein einziges Ganzes, ein einziges Eines aus “Teilen” 8 ff., mittelbar auch schon 8 ff.). Das Gleiche bringt er im übrigen auch an anderen Stellen des Parmenides zum Ausdruck; so - um nur eine von vielen zu nennen - an der vorhin zitierten Stelle über den Chorismos 1, 2ff; Denn hiernach soll ja ein und dasselbe Eine zum Teil bei den empirischen Absplitterungen, zum Teil aber auch “bei sich selbst” sein; so daß das “Eine” also auch auf Grund dieser Stelle nicht anders denn als Eines aus vielen empirischen und einem idealen Teil verstanden werden kann. Und schließlich (Prm. 144d 4ff) gibt Platon zu diesem Ergebnis außerdem den Kommentar: Er Parmenides 1 ff.) - und im habe Unrecht daran getan, soeben Staat tat er ja dasselbe - nur das Sein (über das vorhin nachgewiesene Ideen-Sein hinaus) auch auf einen Teil des Empirischen auszudehnen: “Und das Geteilte [das Eine aus “Teilen”] muß doch wohl unbedingt ebenso zahlreich sein wie die Teile. - Notwendig. - Wir sagten also eben nicht die Wahrheit, als wir behaupteten, daß das Sein in die meisten Teile geteilt sei”. Vielmehr erstrecke sich das Eine aus “Teilen” über Deshalb kehren Glaukon und Adeimantos, die beiden Halbbrüder Platons aus der Politeia, in der personellen Einkleidung des Parmenides wieder. Entwicklung zur Dialektik (Frankfurt am Main 1947) 200 203, Bruno Liebrucks, übersieht - oder beachtet nicht - die genannte Komponente des Nichtseins, der mungslosigkeit und des bloßen Scheines im Parmenides und diejenige des Seins im Staat. So kommt er zu Unrecht zu der Auffassung, der Philosoph habe im Parmenides das Sein im Empirischen erst neu entdeckt. DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE 53 genau denselben Bereich wie das Sein, also ebenfalls über die Idee und die seiende Komponente des Empirischen: “Denn es [das Sein] ist nicht in mehr Teile geteilt als das Eine, sondern, wie es scheint, in die gleiche das Sein vom Einen noch das Eine Anzahl wie das Eine. Denn weder vom Sein; sondern sie kommen sich, obwohl sie zwei sind, immer in allem gleich”; womit Platon nichts anderes zum Ausdruck bringt als das bekannte “Ens et unum convertuntur”: “Was ist, ist auch Eines, und umgekehrt”; ein Grundsatz, der nun also als Basis für die Ausdehnung auch des “Einen” dient, zusammen mit der schon bekannten Ausdehnung des Seins: gleichfalls über die Idee hinaus auf die seiende Komponente des Empirischen: “Das Eine selbst [“selbst” dieses Mal im Gegensatz zum Sein, nicht zum Empirischen, Prm. 143a 4 - 9, wo das Thema festgelegt wird] ist also, vom Sein zerstückelt, vieles und unbegrenzt in der Menge”. 4 - e 5). Das scheint einzelnen zu bedeuten: Der platonische Seins-Bereich, alles Schönen, dessen, was als Idee und an jedem empirischen Ding schön ist, bilde nun, infolge der vollkommenen Analogie des Einen zum Sein, insgesamt ein eines, wenn auch geteiltes, Schönes; ebenso bilde alles, was als Idee und an jeder empirischen Einheit gerade ist, infolge derselben Analogie, ein eines, wenn auch Teile habendes, Gerades; usf. Und es bleibe aus diesem “seienden Einen” plausiblerweise nur die schon erwähnte Komponente des Nicht-Seins und der Nicht-Einheit im Empirischen ausgeschlossen. Allerdings ließe sich noch genauer fragen, ob an diesem Ergebnis die Einteilung in Seins-Bereiche berechtigt sei; mit anderen Worten, ob das “Eine” jeweils immer nur Gleichartiges, immer nur Schönes oder nur Gerades oder nur Kreisförmiges usw., umfasse, geteilt sei; oder ob es auch Verschiedenartiges zum Inhalt haben könne. Aber es spricht bei Platon mehr als eine bloße Präsumption dafür, daß es sich bei dem Einen, soweit es Objekt der “reinen Erkenntnis” ist um die Idee handelt; also um etwas in sich Gleichartiges; also bei dem um den seienden Teil des Empirischen erweiterten “Einen” ebenfalls nur um Gleichartiges, nicht mehr qualitativ Aufgeteiltes; so daß man bis zum Gegenbeweis dabei bleiben muß. Ferner kennzeichnet Platon die “SeinsTeile” spezifisch als gezählte (unmittelbar vorhergehend in Prm. 143d folglich als homogene, gleichartige Wesen. Außerdem aber spricht 54 55 HANS ROCHOL DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE er bei den Seins-Teilen nur von “kleinsten” und “größten” 2 ff.) 6); er kennt hier also nur quantitative und “auf alle Art seienden” und modale, aber keine Unterschiede in der Qualität. Ähnlich hatte er nebenbei erwähnt - schon Protagoras 4 - 8) das Homogene als dasjenige charakterisiert, das nur noch in quantitativ, nicht mehr in sonstwie verschiedene Teile geteilt sei; und er fügt nun hier im Parmenides die modalen Differenzen deshalb hinzu, weil er die “Seins-Teile” auch von den unmittelbar vorhergehenden Zahlen abheben muß. Dagegen nennt er, wie gesagt, keinerlei qualitative Unterscheidungen; er spricht demnach nicht von Ungleichartigem; so man also auch aus Gründen des genauen Lesens bei dem soeben genannten Ergebnis bleiben muß: Der jeweilige platonische Seins-Bereich, nämlich das, was als Idee und an jedem empirischen Ding schön oder gerade oder kreisförmig usw. ist, werde von Platon im Parmenides, wegen der vollkommenen Analogie des Einen zum Seienden, zu einem einen, wenn auch geteilten, aber jeweils in sich homogenen, Schönen oder Geraden usw., zu dem “seienden Einen” im weiteren und erweiterten Sinne zusammengeschlossen. Ferner hat der Abschnitt Prm. 8 - d 4 Schwierigkeiten gemacht. Platon sagt hier: “Ist es nun, Eines seiend, an vielen Orten zugleich ganz? Das untersuche genau. - Ich untersuche es genau und sehe, daß es unmöglich ist. - Geteilt also, wenn nicht ganz; denn anders als geteilt wird es wohl nicht allen Teilen des Seins zugleich beiwohnen”. Und Gerhard Huber’ bestreitet auf Grund dieser Stelle die Ganzheit des Einen. Danach hätte Platon das Eine von der “einen” und “seienden” Idee nur Empirischen ausgeinsofern auf die Komponente des “Seienden” dehnt, als er jedem empirischen spezifisch Schönen oder spezifisch zugesprochen hätte. Dagegen wäre er Geraden usw. jeweils nicht soweit gegangen, jeweils alle gleichgearteten empirischen Einheiten mit der zu ihnen gehörenden Idee zu einem “Einen” zusammenzuschließen. Platons Worte können jedoch zumindest ebenso gut bedeuten, das eine Eine könne nur nicht an vielen Stellen zugleich ganz sein; was im übrigen auch sonst niemand kann; dagegen könne es sehr gut überhaupt ganz sein. Und in 144e 8 ff., 145b 6 ff., c ff. und anderswo stellt Platon ganz ausdrücklich und ausführlich die “Ganz”-heit des “vielen Einen” fest. dem, vor allem aus dem Abschnitt über die Ganzheit des Aus “vielen Einen” 8 - 145b 5 ) , aber geht als Präzisierung des eben genannten Ergebnisses hervor: Das um den seienden Teil des Empirischen erweiterte “eine” Schöne “umfasse” als ein “Ganzes” “alle” die “vielen” gleichartigen “Teile” des Seins: die “vielen” “einen Schönen”: das “eine” als Idee “Schöne” und die “vielen” schönen empirischen jedes schöne sichtbare Ding, soweit es schön ist; usw. ebenso jeweils für jeden anderen platonischen Seins-Bereich, des also - um es Geraden, des Gerechten, des Kreisförmigen usf. Das noch einmal zusammenzufassen -: Platon zieht aus der ihm längst bekannten Ausdehnung des Seins auf einen Teil des Empirischen (s. Staat 477a 6 - 8), auf die Komponente des Seienden an jedem Parmenides die Konsequenz auch für das Eiempirischen Ding, nun ne. Und er bildet so das “Eine” weiteren Sinne, das jeweils die platonische Idee, das “eine Schöne”, mit dem, was ihr an jedem empirischen Ding zugeordnet ist, zu dem erweiterten, “ganzen” “vielen” “Einen” aus “allen” den gleichartigen “Teilen” des Seins “umfaßt” und sammenfaßt; und das nur die Komponente des Nicht-Seins und der Nicht-Einheit im Empirischen aus seinem Inhalt ausschließt. Das zur Struktur dieses “Ganzen” aus Platons Dialog Parmenides! Also zu dem, was jeweils jeden platonischen Seins-Bereich umschließt; mit anderen Worten: was jeweils nicht mehr und nicht weniger als alles Gleichgeartete umfaßt und zusammenfaßt ! Und es fällt gerade wegen dieser zuletzt genannten Funktion , der Zusammenfassung alles arteten, schon jetzt nicht mehr schwer, in ihm eine Frühform dessen zu erkennen, was man in der Folge den “Allgemeinbegriff” genannt hat. Untersuchen wir jedoch vor der Weiterführung des Gedankenganges zur Vergewisserung auch die Funktion dieses Ganzen Dialog Parmenides! Und gehen wir, um dafür die Voraussetzungen zu schaffen, zunächst noch einmal auf eine Unklarheit an der Deutung des Stoffes ein, auf den er angewandt wird! stellt fest, daß Platon das “Eine” am Ende der 2. Chung Hwan Platons dialektische Ideenlehre nach dem zweiten Teil des “Parmenides” (Wien 1951) 31. On the Parmenides of Plato, CQ. 38 (1944) 111 56 57 HANS ROCHOL DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE der sogenannten “Hypothesen” des Dialog-Teils als Objekt nicht nur der “reinen Erkenntnis”, gleich den Ideen, sondern auch der bloßen “Meinung” und “sinnlichen Wahrnehmung” bezeichnet 6 - e 3). Und er sucht nun hiermit die hegelianisch-neukantianische These zu begründen, spätestens Parmenides sei die Idee auch nach Platons Auffassung nicht mehr durch den vielbesprochenen Chorismos, das heißt, nicht mehr durch numerische Trennung, von den sichtbaren Dingen unterschieden. Nun wird sich sogleich zeigen, daß mit dieser These ein richtiger Gedanke verbunden ist. Aber Chungs Schluß ist übereilt; er ist überhaupt eine Folge davon, daß Chung die Gegensatzpaare in den Hypothesen des Parmenides nicht näher untersucht hat; oder daß er jedenfalls keine Konsequenzen daraus gezogen hat. Denn das “Eine” ist hier ein “Ganzes”; es hat also “Teile”, es beinhaltet also “Viele”. Folglieh können bloße “Meinung” und “sinnliche Wahrnehmung” sich sehr gut auf etwas numerisch anderes unter diesen “Vielen” innerhalb des “Einen” richten, als die “reine Erkenntnis” es tut. Die Idee kann deshalb Objekt ausschließlich der “reinen Erkenntnis” sein; die sichtbaren Dinge ausschließlich Objekt der bloßen “Meinung” und “sinnlichen Wahrnehmung”. Und es braucht infolgedessen keinerlei Zusammenfallen oder Uberschneidung realiter zwischen der Idee und den sichtbaren Dingen stattzufinden.’ So kann es sich aber nicht nur verhalten. Vielmehr verhält es sich, nach Platons Auffassung selbst im Parmenides, so auch Zwar ist es oben schon einmal vermerkt; aber die Stelle hat denn auch entscheidende Bedeutung; nämlich daß Platon am Anfang der 4. Hypothese des 11. Dialog-Teiles ausführt die “Anderen” “als das Eine” 1, 2) = die “vom Eidos verschiedene Natur” 6), also die sichtbaren Dinge, und zwar auch jedes einzelne von ihnen 5 ff.), seien “des Einen” nur “nicht ganz und gar beraubt” 1, 2). Er meint also, sie seien “seiner” wenigstens zu einem erheblichen Teil “beraubt”. Es gibt demnach einen Teil des “Einen”, der nicht, als die Komponente des Seienden Empirischen bei den “Anderen” = der Komponente des Nichtseins im Empirischen, ist; der demnach nicht empirisch ist. Dieser Teil existiert deshalb “bei sich selbst”, griechisch: “selbst bei sich selbst”; und es handelt sich infolgedessen bei ihm um nichts anderes als um die altbekannte platonische Idee aus den kämpften mittleren Dialogen und die neubekannte aus dem Timaios (Ti. 51 d3 ff., 51e 6 ff.). Parmenides mit den ihr gleichgearteten Sie also schließt Platon “Teilen” 1 ff.) der ihr ähnlichen sichtbaren Dinge zu dem bezeichneten “Ganzen” zusammen 8 ff.): zu dem “einen” “alle” die “vielen” gleichartigen “Teile” “umfassenden” “Ganzen” 1 ff., e 8 ff.); das denn füglich als eine Frühform des Allgemeinbegriffes nicht mehr und nicht weniger als alles Gleichgeartete “umgreift” 9 ff.) und begreift. Und nun zur Funktion - und so noch einmal zum Wesen - dieses Gebildes in demjenigen Dialog, in dem und für den es entworfen wurde! Im I. Dialog-Teil 132a 1 ff.) legt Platon das Problem des sogenannten “dritten Menschen” (des dar. Hiernach wird der Allgemeinbegriff ohne weiteres und so auch ohne Begründung mit der Idee identifiziert. Er ist deshalb wie die Idee von den sichtbaren Dingen, seinen Unterfällen, numerisch getrennt. Er kann sie also nicht, was er aber soll, zusammenfassen. Und er muß infolgedessen ein zweites Mal gesetzt werden, um die erste Idee, den ersten Allgemeinbegriff beides soll ja identisch sein - und die sichtbaren Dinge zusammenzufassen; usf. Zugleich setzt Platon dabei die Idee und den Allgemeinbegriff mit dem identisch, “wodurch” die sichtbaren Dinge sind, was sie sind: groß oder gerade oder kreisförmig usw. 1 ff.). Eine der Voraussetzungen dieses regressus ad infinitum also ist der Chorismos, die numerische Trennung, des Allgemeinbegriffes von den sichtbaren Dingen, seinen Einzelfällen. Denn nur so entsteht ja gerade durch das Setzen des Allgemeinbegriffes eine zweite, um eines größere Vielheit, die ihrerseits wieder durch einen zweiten Allgemeinbegriff sammengefaßt werden muß; usf. bis ins Unendliche. Zur Lösung des Problems gibt es nun zwei verschiedene Auffassungen: 1.) Die Idee - ohne Erwägung einer Alternative mit dem Allgemein- Bruno Liebrucks, 200 203, sucht die hegelianisch-neukantianische Auffassung, schon bei Platon entfalle der Chorismos (der seienden Idee vom Empirischen), mit Hilfe Parmenides das Sein im Empirischen erst seiner Deutung zu begründen, Platon habe neu entdeckt. Zu dieser Deutung kommt er aber nur, indem er Teile der platonischen Philosophie übersieht: S . O . Anm. 6 und 49f. 58 59 HANS ROCHOL DEU ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE begriff identifiziert - sei und bleibe in Platons Philosophie durch den bekannten Chorismos von den sichtbaren Dingen getrennt. Außer ihr gebe es keine Möglichkeit, das Viele zusammenzufassen; mit ihrer Hilfe wegen des Chorismos, wie gesagt, ebenfalls nicht. Die Zusammenfassung sei aber notwendig, folglich der regressus ad infinitum auf die bezeichnete Art und Weise unausweichlich und der Chorismos, die platonische Philosophie, tatsächlich ad geführt. Das heißt, das Problem wird für die platonische Philosophie nicht gelöst und soll es auch nicht. So der dänische Philosoph Harald 2.) wird zur Lösung des Problems des “dritten Menschen” die Auffassung vertreten, die Idee - stets ohne Erwägung einer Alternative mit dem Allgemeinbegriff identifiziert - sei auch nach Platons Auffassung spätestens im Dialog Parmenides nicht mehr durch Chorismos von den sichtbaren Dingen getrennt. So Paul Chung Hwan Chen, Bruno Liebrucks und überhaupt die hegelianisch-neukantianischen ParmenidesInterpreten. Sie treten damit für einen platonischen Allgemeinbegriff ein, der von seinen Einzel- oder Unterfällen numerisch nicht getrennt ist; und sie haben aus diesem Grunde ihr Verdienst. Allerdings kennen diese Forscher nicht die soeben dargestellte Struktur des ‘‘einen’’ “alle” die “vielen” gleichartigen 53, Abs. 3f.) “Teile” “umfassenden” “Ganzen”; vielmehr haben sie nur den allgemeinen Gedanken der Aufhebung des Chorismos auch durch Platon. Vor allem aber identifizieren sie auch die platonische Idee mit diesem un-“getrennten” Gebilde. Auf diese Weise jedoch beseitigen sie einerseits zwar das Problem des “dritten Menschen”; sie kassieren andererseits so aber auch den Platonismus; zumindest, was selbstverständlich schon zu viel ist, den der mittleren Dialoge, den des Timaios (Ti. 51d 3 ff., 51e 6 ff.) und, wie sich gezeigt hat 56, Abs. 2 den des Parmenides selbst. Denn in all diesen Schriften ist die Idee unbestreitbar, in den meisten Fällen sogar ausdrücklich, “bei sich selbst”, griechisch: “selbst bei sich selbst”. Sie ist danach also nicht bei den “Anderen”, der “vom Eidos verschiedenen den sichtbaren, empirischen Dingen; und sie exi- stiert dann konsequenterweise auch von ihnen, dem Empirischen, “getrennt”. Nun hat sich jedoch gezeigt, daß die genannte, stets ohne weiteres und so auch ohne Begründung gemachte Voraussetzung nicht zutrifft: daß die Idee mit dem Allgemeinbegriff nicht identisch ist. Sie hat deshalb nicht seine Eigenschaften und Funktionen; und sie kann infolgedessen von den sichtbaren Dingen numerisch “getrennt” sein und braucht sich dennoch nicht zu wiederholen; so daß der “dritte Mensch” insoweit widerlegt ist.” Es fragt sich zur weiteren Widerlegung des “dritten Menschen”, ob sich der Allgemeinbegriff und etwa auf diesem Wege die in ihm enthaltene Idee wiederholt. Aber, wie sich gezeigt hat, umfaßt der Allgemeinbegriff außer der Idee auch die Komponente des Seienden Empirischen und läßt nur die Komponente des Nichtseienden im Empirischen halb seiner. Er umfaßt also jeweils innerhalb jedes platonischen Bereiches, des Schönen, alles, was ist, als Idee und an jedem empirischen Ding; ebenso innerhalb des Geraden, des Gerechten, des migen usw. und er läßt außerhalb seiner selbst nur Bestimmungsloses, Scheinendes, in Wahrheit Nichtseiendes 50, Abs. 4) übrig. Infolgedessen aber läßt er keinerlei Vielheit, nicht einmal eine Zweiheit übrig, über der sich ein zweiter, geschweige denn ein weiterer Allgemeinbegriff bilden könnte. fragt es sich schließlich zur vollständigen Widerlegung des “dritten Menschen” nur noch, ob die dritte von Platon genannte Wesenheit einen Regressus zur Folge hat: nämlich dasjenige, “wodurch” die sichtbaren Dinge sein sollen, was sie sind. Mit ihr nun muß entweder - im weiteren Sinne - die Idee gemeint sein; und sie ist es dann deshalb, weil sie der seienden Komponente des Empirischen immerhin gleichartig ist. Oder es ist mit ihr - im engeren Sinne - der Allgemeinbegriff gemeint, weil er sich mit den sichtbaren Dingen sogar überschneidet. Im ersteren Fall folgt die Widerlegung wie soeben für die Idee, letzteren wie soeben für den Allgemeinbegriff (s. die beiden vorhergehenden Infolgedessen aber bleibt, versteht man den Allgemeinbegriff so, wie l o Bemerkungen den plutonischen Dialog Parmenides Ideenlehre (1903) (Leipzig 1921) 16. Siehe hierzu und zu den folgenden Abschnitten der Widerlegung beliebig die chen Detaillierungen in Rochol ( S . O . Anm. 1) 207 ff., 213 ff. I 60 61 HANS ROCHOL DEU ALLGEMEINBEGRIFF ALS D A S GANZE ihn Platon im Parmenides entwickelt hat, keine Grundlage für den mit dem “dritten Menschen” behaupteten regressus ad infinitum übrig; so daß das Argument widerlegt ist. So gibt man denn der Idee, was der Idee, und dem Allgemeinbegriff, was des Allgemeinbegriffes ist; und man erhält dafür die entsprechende Entproblematisierung und gedankliche Ordnung. Es gibt so, anders als Höffding meinte, außerhalb der Idee doch eine Möglichkeit, das Viele zusammenzufassen 57 unten f.): nämlich den platonischen gemeinbegriff: das “eine” “alle” die “vielen” gleichartigen (s. zur chartgk. 53, Abs. 3. f.) “Teile” “umfassende” “Ganze”. Und die Idee braucht nach dieser platonischen Konstruktion, im Gegensatz zu der Auffassung der hegelianisch-neukantianischen Parmenides-Interpreten, auch nicht in den Dingen zu sein, damit ihre Wiederholung oder die des Allgemeinbegriffes vermieden wird 58, Abs. Es ergibt sich demnach incidenter: die Beseitigung eines quälenden Scheinwiderspruches in der platonischen Philosophie; wonach Platons durchgehendes Festhalten am “einen” “bei sich selbst” Seienden 58, Abs. 2 gegen Ende) zugleich zu dessen unendlicher Wiederholung führen sollte. Vor allem aber hat sich, worauf es dieses Mal ankommt, das “eine alle die vielen gleichartigen Teile zusammenfassende Ganze” als frühe Form des Allgemeinbegriffes nunmehr zusätzlich bestätigt. Es ist also als solches anzusehen: 1.) weil es gerade diejenige Schwierigkeit beseitigt, die der Allgemeinbegriff durch den “dritten Menschen” in die platonische Philosophie der “getrennten” Ideen hineingebracht zu haben schien. Und 2.) hat sich das genannte “Ganze” dadurch als Allgemeinbegriff erwiesen, daß es, wie schon vorhin vermerkt 55, Abs. 3), nicht mehr und nicht weniger als alles Gleichartige zusammenfaßt. 1. sagt Platon, jeder “einzelne” 145b 7) von den gleichartigen ‘‘Teilen” “ganzen”, scil. “vielen” “einen”, das “alle” gleichartigen “Teile” “umfaßt” und umschließt (Prm. 145b und es bleibt ihm nur in ihrer Eiauch nichts anderes übrig, solange er die genschaft als “Teile” jenes Ganzen berücksichtigt: solange er also vom Schönen außer der ausschließlich schönen Idee an jedem empirischen Einzelding nur dasjenige berücksichtigt, was an ihm - nun ebenfalls ausschließlich - schön ist; und entsprechend für das Gerade, Gerechte und jeden anderen platonischen Seins-Bereich. Hiernach also ist Kant in der Einzelfall als “Teil” “im” “Ganzen”. Dagegen schreibt der Kritik der reinen Vernunft, B 40: “Der Raum wird als eine unendliche gegebene Größe vorgestellt. Nun muß man zwar einen jeden Begriff als eine Vorstellung denken, die in einer unendlichen Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen (als ihr gemeinschaftliches Merkmal) enthalten ist, mithin diese unter sich enthält; aber kein Begriff, als ein solcher, kann so gedacht werden, als ob er eine unendliche Menge von Vorstellungen in sich enthielte. Gleichwohl wird der Raum so gedacht...”; entsprechend für die Zeit, B 47: “Die Zeit ist kein diskursiver, oder, wie man ihn nennt, allgemeiner Begriff, sondern eine reine Form der sinnlichen Anschauung. Verschiedene Zeiten sind nur Teile eben derselben Zeit”. Und diese Auffassung vom Allgemeinbegriff entspricht - und entsprach wohl auch zu Kants Zeit - ganz unabhängig von ner speziellen Philosophie, seit langem dem allgemein üblichen Sprachgebrauch. 2. ist das platonische “eine” “alle” “vielen” gleichartigen “Teile” “umfassende” “Ganze” jedenfalls nicht nur als logische und erkenntnistheoretische Struktur zu verstehen, sondern mit Sicherheit ebensosehr als ontische Struktur. So entspricht es der bekannten Philosophie Platons, wonach sich die ontische und die erkenntnistheoretische Seite überall entsprechen. So besagt es an zahlreichen Stellen der Dialog Parmenides. Und so ergibt es sich vor allem am einfachsten und unmittelbarsten daraus, daß der Allgemeinbegriff bei Platon nichts anderes ist als die erweiterte Idee, das “Eine” im weiteren und erweiterten Sinne, das um die Komponente des Seienden Empirischen, des “schön Seienden” Empirischen, erweiterte Eidos des Schönen, die Vergleich der platonischen mit der modernen Ausführung des Allgemeinbegriffes. Allerdings ist dieses “eine” usw. “Ganze”, wie gesagt, nur eine der Ausführungen des Allgemeinbegriffes. So unterscheidet es sich von dem, was wir heute so nennen, in folgender Hinsicht: 62 HANS ROCHOL sung alles Seins auf der Seins-Linie Entsprechend dieser ontischen und zugleich erkenntnistheoretischen Grundlage, läßt Platon denn auch “alle” diese des Schönen, nämlich die Idee und die empirischen Einheiten, nicht wie Kant auf der erkenntnistheoretischen Seite scheinbar zu einem bloßen “Merkmal” zusammenschrumpfen. Er verarbeitet sie nicht und fügt auch nichts hinzu. Sondern er läßt sie erkenntnistheoretisch das sein, was sie seiner Meinung nach ontisch sind: die Gesamtheit “alles” schön Schöne, das “alle Teile” des “Seienden”: das “ganze viele eine” Schönen “umfaßt”. Untersuchen wir nun aber die wirkliche Bedeutung zunächst des Unterschiedes zu I ) : zwischen der platonischen Subsumption “in” und der modernen “unter” den allgemeinen Begriff! Und bleiben wir dabei sequentenveise zunächst - nicht endgültig und ausschließlich - bei der auch Kants Darlegung naturnotwendig beherrschenden Anschaulichkeit! Kant sagt: aa) man müsse sich den Begriff “als eine Vorstellung denken, die in einer unendlichen Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen (als ihr gemeinschaftliches Merkmal) enthalten ist”. Also ist der Begriff ein Teil a ) aller Unterfälle; und also überschneidet er sich b ) mit dem einzelnen Unterfall. Nun läßt sich, zu b ) , wenn A und B sich überschneiden, ebenso gut sagen, A sei teilweise in B, wie, B sei teilweise in A . Infolgedessen aber hätte Kant ebenso gut sagen können, der Unterfall sei teilweise, nämlich hinsichtlich des spezifisch Schönen, im Begriff. Und was, zu a ) , den Begriff als Teil aller Unterfalle anbetrifft, so hätte Kant ebenso gut sagen können, alle Unterfälle seien teilweise, nämlich Geraden, im Begriff. Deshalb hätte er, hinsichtlich des spezifisch fasst man es ganz scharf, zu a und b ) , auch nicht folgern dürfen: ... mithin diese unter sich enthält; aber kein Begriff, als ein solcher, kann so gedacht werden, als ob er eine unendliche Menge von Vorstellungen in sich enthielte”. Vielmehr hätte er, genau betrachtet, nur schließen Das Sein der Zahlen auf dem zweiten Linien-Abschnitt und das der Schatten- und Spiegelbilder auf dem vierten läßt sich leicht in den Gedanken integrieren; da sich diese beiden Seins-Stufen von den beiden anderen auf der Seins-Linie nur dem Grade nach unterscheiden. DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE 63 ... mithin diese [die Vorstellungen der Unterfälle] zu ihren nicht sondern nur akzidentellen, nicht schönen Teilen, unter enthält; aber kein Begriff, als ein solcher, kann so gedacht werden, er eine unendliche Menge von ungleichartigen, weil nicht spezifischen, nicht schönen, Vorstellungen in sich enthielte”. Höchstwahrscheinlich hätte Kant gegen diese bloße Präzisierung auch einzuwenden; und es handelt sich also insoweit zwischen der platonischen und der modernen Auffassung um einen Unterschied nur Wortlaut, nicht in den Auffassungen. bb) denkt Platon - wenn wir zunächst einmal bei der zitierten Parmenides-Stelle bleiben - bei der Subsumption nicht unmittelbar an das ganze empirische schöne Ding. Vielmehr denkt er - jedenfalls an der Parmenides-Stelle - unmittelbar nur an das, was an ihm spezifisch schön ist. Das heißt, der akzidentelle Teil wird ignoriert; und er darf deshalb sprachlich nicht zum Ausdruck kommen. Bei dieser Voraussetzung aber - und auf der Grundlage der soeben gewonnenen Präzisierung - würden notwendig auch wir, gleich Platon, formulieren, die “Einzel” fälle 145b 7) seien als gleichartige “Teile” “alle” “einzeln” “im” “ganzen vielen Einen”, oder - um uns noch genauer seiner Redeweise anzuschließen - so ständen auch wir auf dem Standpunkt: das “Eine” sei mit “allen” seinen gleichartigen “Teilen” “einzeln” “in” sich selbst 6 - c 7). Dächte Platon aber unmittelbar an das ganze schöne Ding, auch soweit es nicht spezifisch, schön ist, ignorierte er also den akzidentellen Teil nicht und machte er mit dem unsere Voraussetzungen, so hätte notwendig auch er die - vorhin präzisierte - Formel: der sei, hinsichtlich seiner akzidentellen Teile oder Komponenten, unter dem Begriff; und der akzidentelle Teil käme so auch bei ihm sprachlich zum Ausdruck. Nun berücksichtigt Platon mittelbar selbstverständlich das ganze Ding. Das heißt, er weiß davon; denn er kann seinen Zusammenhalt ja nicht übersehen. Er könnte es - um nun einmal von der besprochenen Parmenides-Stelle abzugehen - ebenso selbstverständlich, selbst bei seiner Redeweise, auch sprachlich und unmittelbar berücksichtigen; könnte er es durch die Formulierung: das ganze empirische Ding sei hinsichtlich seines spezifischen Teiles, oder: der spezifische Teil des ganzen empirischen Dinges sei im “einen” usw. “Ganzen”. Und vor allem hat er für das ganze Ding anderswo sogar seine 64 HANS ROCHOL Terminologie, nämlich oder usw. = “etwas” “Schönes”: das, was nur zum Teil spezifisch, schön, übrigen aber akzidentell ist. Also geht es um einen Unterschied nur zwischen dem Mittelbaren und dem Unmittelbaren; beides läuft demnach wenigstens mittelbar auf dasselbe hinaus. Mit anderen Worten, es handelt sich zwischen der platonischen Subsumption “in”und der modernen “unter”den Allgemeinbegriff nur um einen Unterschied in Aspekt und Methode - das zu I bb); und zu I aa) kann es sich, wie schon gesagt, um einen Unterschied nur in der Genauigkeit der Ausdrucksweise handeln; es geht also in keinem Fall um einen Unterschied in der Infolgedessen aber hat der Allgemeinbegriff, jedenfalls wegen des jetzt behandelten Unterschiedes zu I aa und bb - und sofern man terweise zunächst noch bei der seine Darstellung beherrschenden Anschaulichkeit bleibt - nichts Wesentliches von seiner alten, anfänglichen Struktur verloren. Vielmehr hat er, wie es sich aus I aa ohne weiteres logischer Notwendigkeit ergibt, “Teile”; dann aber hat er mit auch und “Umfassen”; und das hiernach allein noch übrigbleibende Moment der Gleichartigkeit wird ihm nach moderner Auffassung aus anderen Gründen erst recht nicht bestritten Dagegen liegt der Unterschied zu oben 2) anscheinend in der Sache selbst: Hiernach also bedeutet der platonische Allgemeinbegriff auf seiner ontischen Seite die ganze Fülle des spezifischen - aber auch nur des spezifischen und als solchen gleichartigen, Seins: des “ganzen” “vielen” “einen” . Schönen, das “alle” “Teile” “in” sich selbst “umfaßt”: und die erkenntnistheoretische Seite ist hiervon nichts Dagegen ist der Unterschied zwischen “in” und “unter”, soweit er zwischen dem Allgemeinbegriff und dem Kantisch vorstandenen Raum bestehen soll, ein Unterschied in der Schönen Sache. Denn zwar befindet sich das Ding nur hinsichtlich des spezifisch Begriff und nur hinsichtlich des akzidentellen Teiles “unter” ihm; dagegen befindet sich der Teil des Raumes restlos Raum, der der Zeit restlos in der Zeit. Kants Gedankengang, der den Unterschied zwischen Raum und Begriff belegen soll, bleibt also unberührt. - Es besteht aber doch eine gewisse Zugehörigkeit des Begriffes zum Anschaulichen, wenn sie auch gerade nicht sein Wesen treffen mag 66). DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE 65 als ein getreues Spiegelbild; während der Begriff bei Kant nur als eine zu “Vorstellung” erscheint. stehen wir hier allerdings einem entscheidenden sachlichen Unterschied gegenüber. Aber dieser Unterschied betrifft das Spezifische der platonischen, ontisch bestimmten Philosophie. Dagegen berührt er nicht die jeweilige Philosophie anzuwendende Konzeption vom Allgemeinbegriff als solchen. Denn der besagte Unterschied ändert jedenfalls an der Struktur als solchen des alten “einen alle vielen gleichartigen Teile zusammenfassenden Ganzen”. - Und nebenbei bemerkt, an der soeben zitierten Stelle ja auch Kant wegen seines Beweiszieles versuchen, den Allgemeinbegriff ausschließlich gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch, und nicht Sinne irgendeiner speziellen Philosophie, wiederzugeben seine Ausdrucksweise: . . einen jeden Begriff .. . aber kein Begriff .. Uber den besagten Unterschied hinaus jedoch scheinen die “Teile” bei Kant zu einem bloßen “Merkmal” singularis abstractionis, der also keine “Teile” mehr zuließe, zusammengeschrumpft zu sein; und damit wäre nun allerdings, wenn es sich so verhielte, die Struktur des “einen” usw. “Teile” “umfassenden” “Ganzen” aufgehoben. Aber beides, das moderne scheinbar zusammengeschrumpfte “Merkmal” so gut wie die 1, e alte Seins-Fülle der Idee und der übrigen “endlos vielen Teile” 4), sind des Begriffes; auch Kants “Merkmal” befindet sich, nach seinen eigenen Worten und ziemlich anschaulich, “in [ !] einer unendlichen Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen”; so befinden sich denn auch diese “verschiedenen ... Vorstellungen” von den fällen teilweise in ihm (wie 62, aa) f. ausgeführt), nämlich soweit sie spezifisch sind; und es muß dem “Merkmal” folglich, Platons “Ganzem” nicht wesentlich unähnlich, irgendeine Art von Plural der Anschauung eigen sein: also Vielheit - Einheit ohnehin - folglich Allheit, Ganzheit, Teile - deren Gleichartigkeit aus anderen Gründen (dem Zweck des Allgemeinbegriffs) - und Umfassen. Außerdem nennt Kant an einer anderen Stelle der Vernunftkritik (B 112) selber die untergeordneten Begriffe ausdrücklich “Teile”; und er kennzeichnet auf diese Weise mittelbar auch deren spezifische, homogene Schichten als “Teile”; was uns nun schon nicht mehr wundern dürfte. Infolgedessen aber hat, selbst ohne diese zuletzt genannte Kant-Stelle, der Allgemeinbegriff immer 66 HANS R O C H O L noch ursprüngliche Beschaffenheit behalten: die des “einen” “alle” “vielen” gleichartigen “Teile” “umfassenden” “Ganzen”. Vielleicht sträuben wir uns - um nun hierauf einzugehen - gegen die einfache Anschaulichkeit dieser Struktur; und vielleicht möchten wir hinter ihr lieber irgend etwas Anderes, Eigentliches geltend machen; uns ja gerade Kants Philosophie dazu Anlaß gibt. Aber auch Platon hält auf seine Weise die menschliche Anschauung nicht für die Wahrheit selbst. Das verrät er dem, der es aus seiner Ideen-Lehre noch nicht schließen wollte, durch seine Ausführungen über den Raum Timaios (52a 8 - d 1). So “hat” speziell das “eine” usw. “Teile” ”umfassende” “Ganze” im Parmenides in seiner Eigenschaft als “das wahrhaft Eine” doch “keine Teile” 5 ) ; folglich keine Anschaulichkeit; mit anderen Worten, es hat bei fortgeschrittener bildung, beim Hintersichlassen und Absehen vom Bereich der Anschauung, doch “keine Teile” (vgl. auch 2-4) - ganz so, wie auch wir nicht gern ohne Vorbehalt von “Teilen” reden -. Und so schildert Platon endlich, ebenfalls für das “Ganze” des Allgemeinbegriffes, die merkwürdige Art von Anschaulichkeit, die unserem Denken selbst bei an sich nicht anschaulichen Gegenständen - wie dem Allgemeinbegriff - geradezu pathologischerweise eigen ist: nämlich einerseits ihre keit, andererseits die völlige Beliebigkeit, weil unvermeidliche quanz, der Formen, die wir uns dabei vorstellen: “Auch an irgendeiner Form also wird das Eine, wenn es so beschaffen ist [ein “eines” usw. “Ganzes” ist], teilhaben: entweder an einer runden oder an einer geraden oder an irgendeiner aus beidem gemischten 145b 3 Auch hierin also, in dem Vorbehalt gegen die Anschaulichkeit, unterscheiden wir uns nicht wesentlich von dem alten Philosophen. Wir mögen das eine der beiden Spiegelbilder, die ontische Seite, fallengelassen haben - und damit allerdings einen entscheidenden sachlichen, ontischen, aber nicht strukturellen Unterschied geschaffen haben; wir mögen andere Akzente, Gesichtspunkte, Methoden haben; wir mögen uns in unserer Francis Macdonald Cornford, in seinem Kommentar, meint, wo Parmenides von Formen die Rede sei, müßten bodies” gemeint sein; zu Unrecht, wenn man die allbekannte Natur des menschlichen Denkens in Rechnung zieht. Bei - durchaus nicht begründeter - physikalischer Auslegung würde die Platon-Stelle zu einer bloßen Leerformel; doch wohl nicht zu einer physikalischen Aussage! D E R ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE unserer Fachsprache nicht mehr so unberührt an die zuNatur des “Ganzen” halten. Aber Grunde ist es nun doch bei der Struktur des “einen” “alle” die “vielen” gleichartigen “umfassenden” “Ganzen” geblieben. etwas wesentlich anderem kann der Allgemeinbegriff auch nicht solange wenigstens seine Vorstellung wenigstens die Vorstellung seiner Einzelfälle zusammenfassen und sich von ihnen numerisch unterscheiden soll. Nun unterscheidet sie sich aber tatsächlich numerisch nicht. Denn, wenn wir sagen, der Mensch sei ein Lebewesen, so schwebt das Lebewesen tatsächlich nicht über ihm; sondern es ist dann in ihm; denn wir halten den Menschen dann für ein Lebewesen; weshalb wir ja sagen, daß er es “ist”. Ebenso ist das Lebewesen dann in seinen anderen Einzelfällen, erkenntnistheoretisch: ist die Vorstellung von ihm in den Vorstellungen von ihnen. Und aus keinem anderen Grunde als aus diesem ist es in die “kleinsten” und “größten” “auf alle Art seienden” “vielfältigsten” “Teile” “zerteilt” und “zerstückelt” Das heißt, ist der Begriff auch nur, wie Kant sagt, als “Vorstellung” “in einer unendlichen Menge von ... Vorstellungen”, so ergibt sich denn auch die platonische Konsequenz des “einen” “vielen” usw. “Ganzen”. Folglich bleibt es - um nun noch einmal auf das vorhin incidenter Gesagte zurückzukommen - auch bei der platonischen Widerlegung des “dritten Menschen”. Allerdings muß man dabei den Allgemeinbegriff logischerweise auf den vom “dritten Menschen” angegriffenen Gedanken anwenden: auf die platonische Voraussetzung der “vollständig seienden” ( S . O . ) Idee und der von ihr numerisch “getrennten” halb “seienden”, halb sichtbaren Dinge ( S . O . ) . Dann aber ist die Idee, tisch: die ‘‘Vorstellung’’ von ihr, nach wie vor nur ein Unterfall des Allgemeinbegriffes, nicht er selber; sie hat also auch dann nicht seine Eigenschaften und Funktionen und deshalb keinen Grund, sich zu wiederholen. Der Allgemeinbegriff selber aber unterliegt in seiner modernen Ausführung ebensowenig einem Regressus wie in seiner platonischen. Denn jetzt soll er ja nicht nur 63, bb f.) die spezifische, schöne, Komponente des sichtbaren Dings unmittelbar umfassen; sondern er soll nun auch die akzidentellen Komponenten unmittelbar zwar nicht umfassen, aber erfassen; so daß er also außerhalb seiner für 68 DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE ROCHOL einen abermaligen Allgemeinbegriff eher noch weniger Stoff als in seiner platonischen Ausführung ( S . O . ) . Das zwischendurch noch einmal zu dem speziell platonischen Thema! Und das überhaupt zu dem nur sehr scheinbaren Unterschied zwischen der eigentlichen Struktur, der Ganzheitsstruktur, des platonischen und des modernen Allgemeinbegriffes! Der Allgemeinbegriff als das Ganze und seine Prägung durch Aristoteles. Aristoteles eröffnet zusätzliche, weite Perspektiven. Er führt in der “Metaphysik” alle möglichen ihm denkbar erscheinenden Arten von “Ganzen” auf; und zwar unter ihnen: ... das die Umfaßten Umfassende so daß sie [die Umfaßten] gewissermaßen Eines sind; und das auf zweierlei Weise: Entweder” aa) “sind sie Eines als Einzelnes, oder” b b ) “das Eine [ist es, nämlich Eines] als das, was aus ihnen [den umfaßten Einzelnen, besteht]. Denn das “im Ganzen” das universale, das Allgemeine) und das ganzheitlich es ein gewisses Ganzes ist, ist in dem , universaliter), als es Viele umfaßt, indem Sinne “im Ganzen” sie [die Vielen] einzeln mit dem Prädikat versehen werden und” aa) “alle Mensch, Pferd, Gott, weil alle zusammen als Einzelnes Eines sind, Lebewesen sind”. (Metaph. 27 Das bedeutet z u aa i m Zitat) ein Wiederaufgreifen des platonischen Gedankens, wonach jeder einzelne der “Teile” des Begriffes “einer” ist (Prm. 28, wiedergegeben 52, Abs. 6); es bedeutet weiter. z u bb i m Zitat) ein Wiederaufgreifen des platonischen Gedankens, wonach auch alle diese Teile zusammen ein “Eines” bilden, nämlich dasjenige “Eine”, das man ein “Ganzes” nennt (vor allem Prm. 144e 8 ff., wiedergegeben 52, Abs. 2). Ferner greift Aristoteles den platonischen Gedanken in sehr detaillierter Weise auf. Insbesondere das “die Umfaßten Umfassende” “ Der dänische Parmenides-Interpret Karsten Friis Johansen setzt in seinem außerordentlich gründlichen, gedanken- und stoffreichen Buch Platons Parmenides i dens forhold (Kopenhagen 1964) 365, vollerweise die zitierte Aristoteles-Stelle zu der Parmenides-Stelle über das “Ganze” in Beziehung. Sein Buch ist reich an solchen und ähnlichen Anregungen und Grundlegungen. 69 wie Prm. 144e 9, 145a 1 , 5 ) erscheint hier schon als technicus; etwa in der Bedeutung desjenigen, “worunter man subsumiert, plat.: worin man subsumiert” - wenn es keine sinnlose Leersein soll. Außerdem steht der von Aristoteles aus dem platonischen Parminedes Gedanke hier einerseits unter der Rubrik aller möglichen Arten von “Ganzen”; er hat deshalb unter anderem auch aus diesem Grund als regelrechtes Ganzes zu gelten. Und er ist andererseits eindeutig und sicher als der Allgemeinbegriff gekennzeichnet”; und zwar ist er dies nicht nur durch seine gedankliche Struktur, sondern auch durch den aristotelischen terminus technicus des Katholou, das direkt mit “Allgemeinbegriff” zu übersetzen ist, und durch die Beispiele “Pferd, Mensch und Gott”, die “alle zusammen Lebewesen sind”. Das alles aber bestätigt nicht nur in sehr glücklicher Weise noch einmal die ausgeführten Zusammenhänge in Platons Parmenides und das genannte Ergebnis: den Allgemeinbegriff als das “eine” “alle” die “vielen” 53, Abs. 3f.) “Teile” “umfassende” “Ganze” aus dem gleichartigen bewundernswerten Dialog Parmenides.” Vielmehr beweist es auch die Ausdehnung dieser Struktur auf den aristotelischen Allgemeinbegriff, zumindest auf seine Grundlagen und mit Sicherheit auch auf seine Terminologie. Und so ist der Allgemeinbegriff denn nicht nur das homogene, gleichartige “Ganze”, das er anfangs war, geblieben (wie vorhin nachgewiesen); vielmehr trägt er von Aristoteles her auch heute noch die Bezeichnung dieses alten, anfänglichen “Ganzen”, den aristotelischen Terminus “im Ganzen”: korrekt übersetzt mit “universale, universal concept, allgemeiner Begriff.” (s. zusätzlich unten S. 71, Abs. 3 - S. 1). Damit dürfte der Kern des Zusammenhangs ausgeführt sein. 17 Vgl. Prantl der Logik im Abendland 214 ff. Man hat den Dialog vielfach für “rätselhaft” gehalten. Aber der jetzt gezeigte menhang, der Aristoteles-Stelle mit der Parmenides-Stelle deutet auf einen sehr rationalen Gedankengang hin; und die Einzel-Interpretation bestätigt den Hinweis. Als prägnante Einzelheit taucht in dem germanischen grebet das alte Merkmal “alle” 144b ff) wieder auf. Aber nicht erst hier, in ersten Anfangsstadium der gesamten in den später Zeit, sondern schon sokratischen Definitionen der platonischen Frühdialoge, erscheint das “alle” des Parme- DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE 70 Allgemeinbegriff und Inbegriff. Zur Vorgeschichte des Allgemeinbegriffes. genau ausgeführte Gedanke hat füglich seine Vorgeschichte. Platon wirft im Laches die Frage auf, ob die Tapferkeit, die Besonnendie Gerechtigkeit usw. der Tugend seien (Lu. 8 - e 3, 197e 9 - 198b 1); ebenso Protagoras, ob Gerechtigkeit, Besonnenheit und Frömmigkeit “Teile” der Tugend seien; oder ob alle diese Begriffe nur “ein und dasselbe” bezeichnen 329b ff., La. 199d 3 - 2). Menon die Tugend ganzen” ( x a t a Entsprechend soll = universaliter oder jedenfalls umfassend, und “heil und ganz” definiert werden. Auch hier also dürfte ein Allgemeinbegriff wenigstens impliziert sein, und erscheinen die untergeordneten Begriffe als “Teile”. Aber es liegt fast überall auf der Hand (vgl. auch Euthphr. 6 - d 3), daß jede Einzeltugend vollstiindig Inhalt des “Ganzen” sein soll: nicht nur mit dem, was allen Tugenden gemeinsam, also unter sich gleichartig ist und was das “eine” “alle” die “vielen” gleichartigen “Teile” “umfassende” “Ganze” des Genus-Begriffes Tugend ausmacht; vielmehr soll die zeltugend hier in den meisten Fällen auch mit den akzidentellen, nur ihr nides im wesentlichen in derselben Bedeutung; so im Menon 9, d 1) in der Gestalt dessen, “was durch alle [Einzelfälle der Tugend] geht” ( x a t a navtov), vgl. Gottfried Martin Einleitung in die allgemeine Metaphysik (Köln 1958) 29; ähnlich findet es sich schon in dem “in allen” scil. Einzelfällen der Tapferkeit, Laches 9, c 1); und als hat es bei Aristoteles seien festen Platz (s. Prantl, Log. Abendl., 214). Auch das häufige “Eine in Vielen” Aristoteles’ allbekannter terminus technicus den Allgemeinbegriff, dürfte dem ‘‘einen” “alle” die “vielen” gleichartigen “Teile” “umfassenden” “Ganzen” entnommen sein (Gottfried 39 f., verwendet das “Eine in Vielen” schon bei der Besprechung der Martin, Eine sprachliche Untersuchung über die Verbreitung und weitere Geschichte der sieben Merkmale des Allgemeinbegriffes aus dem Dialog Parmenides könnte fruchtbar sein. - Selbst das “Umfassen” hat dem lat. = “zusammenfassen, begreifen” und allem, was sprachlich dorther stammt, eine teilweise (nicht genaue) Fortsetzung gefunden; mag auch der griechische Ausdruck das “Umfaßte” schonender behandeln. Aber auch unser “begreifen” bedeutete ebensosehr “umgreifen”. Karsten Friis Johansen zieht in seinem grundlegenden auch diese Stellen aus den platonischen in den Gedankenkreis des Parmenides. 71 eigenen, besonderen, folglich den anderen ungleichartigen Komponenten Inhalt der ganzen Tugend sein. Mit anderen Worten, Mal nicht von einem Allgemeinbegriff, sondern von er behandelt in den vorliegenden Fällen also den umfassenden Inbegriff der Tugend überhaupt. scheint auch Aristoteles den Gedanken des Inbegriffs, allerdings in einer sehr abstrakt gewordenen Ausführung, gehabt schreibt (in dem Abschnitt über die “Ganzen”, S . O . ) in einer Definition enthalten ist, die das einzelne Teile des Ganzen. Deswegen wird das Genus auch Spezies genannt (Metaph. heißt, die Definition Säuger “sind Lebewesen mit ist ein Teil der Definition: der Mensch “ist ein Jungen und mit Vernunft”; was der Hand liegt. “Säuger”, das Genus, ist ein Teil der Essenz “Mensch”, der Kern dieses auf den ersten Blick paradoxen eben, Merkmale Aussonderungen, also Einschränkungen bedeuten; so daß ein Plus, nämlich an Merkmalen, zugleich ein Minus, Exemplaren, bedeutet. Im Sinne jenes also ist, wie das “Genus ein Teil der Spezies”; oder genauer: es ist aller seiner Spezies und sich mit der Mit anderen Worten, das Genus ist ZU einem Teil in einzelnen Spezies, die in ihm nicht aufgeht; was soviel bedeutet wie: einzelne Spezies ist zu einem Teil Genus. Infolgedessen aber bildet hiernach nur der spezifische Teil zusammen mit den ihm gleichartigen Teilen übrigen Spezies-Begriffe, das “Ganze” des Genus Dagegen die unspezifischen, nur akzidentellen Teile außerhalb “Ganzen”, der Mensch, qua rationale, also sofern Säugern ungleichartig ist. bestätigt Aristoteles - zwischendurch bemerkt - noch einmal ganz unmittelbar und Eigenschaft des Allgemeinbegriffes als des “einen” “alle” die gleichartigen “Teile” “umfassenden” “Ganzen” 68 f.). Kant prägt den Terminus ausdrücklich, auch Kritik der reinen Vernunft, A 577, B 605. Gegensatz zum 72 HANS dagegen nicht im Sinne des Inbegriffes - versteht übrigen gerade Aristoteles grundsätzlich und in der Regel das Verhältnis von Genus und Spezies. “In einem anderen Sinne aber,” fährt er unmittelbar fort, ist “die Spezies ein Teil des Genus”. Das müßte, da es ohne Einschränkung gesagt ist, bedeuten, die Spezies sei restlos “Genus”. Außerdem will in einem “anderen” Sinne) Aristoteles jetzt etwas “anderes” sagen als unmittelbar vorher; was ja auch wohl der Sinn der Gegenüberstellung ist; also befindet sich jetzt auch deshalb die Spezies restlos im “Genus”. Infolgedessen aber dürfte bei Aristoteles unter “Genus” dieses Mal nicht der Allgemeinbegriff zu verstehen sein; vielmehr muß gleichwie Platon so auch noch der jüngere Philosoph, obschon in mittlerweile sehr verblaßter Weise, den Gedanken des Inbegriffs gehabt haben - mag auch in der Folge die gesamte griechische Philosophie aus diesem ungeschliffenen, ihrer Auffassung nach lediglich zu überwindenden Anfangsgebilde nichts mehr gemacht haben. Dagegen kam der Inbegriff lange Zeit danach schließlich sogar zu einer gewissen positiven Bedeutung, und zwar bezeichnenderweise in der Blütezeit der eigentlich deutschen Philosophie, wenn auch selbst hier, ebenso bezeichnenderweise, eher nur etwas abseits oder an den Abhängen ihrer eigentlichen Gipfelpunkte. Einer der - vielleicht nicht sehr zahlreichen - Fälle sind Lessings Zusammenfassungen in Gestalt von Inbegriffen, Einteilungen von Inbegriffen und daraus hervorgehende Definitionen oder besser Verdeutlichungen der und die ja einen der Hauptgegenstände zwar nicht der Philosophie überhaupt, aber von Lessings Denken ausmachen. Vor allem jedoch griff der große Kant nach der seit Platons ersten Versuchen Halbdunkel liegende Gerätschaft, als er die theoretische, für Gott, Freiheit und Unsterblichkeit unfruchtbare Vernunft beschnitt, “um dem Glauben wieder Platz zu machen”. Und zwar war es bei ihm gerade diese zu beschneidende Vernunft, die sich mit Hilfe und in Gestalt des “Inbegriffs” aller Realität ihr “transszendentales Ideal”: ihr “an sich” nicht zutreffendes und nur methodisch zu gebrauchendes Bild von Gott Uberdies dürfte Wolfgang Ritzel, Lessing (Stuttgart 1966) 145 f., 149 f DER ALLGEMEINBEGRIFF ALS DAS GANZE 73 Kant mit derselben Stelle innerhalb unserer Breiten der erste sein, der Begriff und Inbegriff ausdrücklich und bewußt voneinander unterschieden hat; nachdem sich - wie wir nun genau gesehen haben - dieselbe Klarheit auch schon aus einem Vergleich von Platons Frühdialogen mit seiner sodann im Parmenides entwickelten Theorie vom Allgemeinbegriff gewinnen läßt. Am Anfang steht also, soviel wir Platons Behandlung der des Inbegriffes in den Frühdialogen. Nur “Gattungen” und wird sie bei ihm nicht zu jener eigentümlich schonenden Dialektik - um es, auch im weiteren Sinne, einmal so zu nennen -. Vielmehr spitzt sich die Behandlung bei Platon, jedenfalls seinem Vorgeben nach und so denn auch bis zum Gegenbeweis, von Anfang an zu den schärfsten tischen Widersprüchen oder Identitäten zu: so zwischen Frömmigkeit und Gerechtigkeit 331a 7 ff.), Weisheit und Besonnenheit 332a 4 ff.), Weisheit und Tapferkeit 349d 2 ff.), der Tapferkeit und der gesamten Tugend (La. 3 ff.), jeder einzelnen Tugend mit der ganzen Tugend: “Gerade dies nun setze mir genau auseinander, ob die Tugend eines ist und Gerechtigkeit, Besonnenheit und Frömmigkeit ihre Teile sind oder ob alles das, was ich jetzt genannt habe, nur verschiedene Bezeichnungen für ein und dasselbe sind; das ist es, was ich noch wissen möchte” 6 - d 2); worauf in der Folge argumentiert wird: “Also ist die Frömmigkeit nicht so etwas wie gerecht sein, und die Gerechtigkeit nicht so etwas wie fromm, sondern wie nicht fromm zu sein, und die Frömmigkeit so etwas wie nicht gerecht, sondern ungerecht zu sein, und jene, unfromm zu sein?” Doch wohl nicht. 331a 7 ff.). Das zu Inhalt und Struktur nunmehr also auch des Inbegriffs! Nun liegt der Unterschied dieses spannungsreichen - sei es Kritik der reinen Vernunft, A 605. Erlauben wir uns als geistesgeschichtliches Spiel auch den Gedanken daran, auf welche indirekte, eingeschränkte, aber doch immer noch sinnvolle Weise nun also gewisse neuplatonische Parmenides-Interpretationen selbst mit ihren kühnsten Projekten - mit manchen anderen Entwürfen ohnehin - über den Inhalt des “Einen” doch noch ein gewisses Recht, doch noch nicht ganz Unrecht bekommen; und in welchem Sinne überhaupt Begriff, Inbegriff, Gott (nicht wie er ist, sondern als “Absolutum”), die Welt und das All-Eine menschlichen Denken zusammenhängen. Jedenfalls meint Gottfried Martin, Einleitung in die allgemeine Metaphysik (Köln 1958) 23, die Frage nach dem “Allgemeinen” (speziell vom Inbegriff spricht er nicht), soviel wir wissen, hier zum ersten Mal gestellt werde. 74 HANS ROCHOL sei es am Ende doch noch irgendwie zu gebrauchenden - Gebildes zu dem homogenen und bis ins letzte vereinfachten Allgemeinbegriff auf der Hand. Dennoch verdeutlicht andererseits auch der Inbegriff gerade durch seine teilweise Ahnlichkeit mit dem Allgemeinbegriff dessen Struktur und Beschaffenheit. Denn gleichgültig, ob man das “Genus” wie beim Inbegriff - über den vollständig homogenen, gleichartigen Bereich der Spezies hinaus auch auf deren akzidentelle Komponenten erstreckt oder ob man dies - wie beim Allgemeinbegriff - nicht tut: so befinden sich die homogenen Komponenten in jedem der beiden Fälle in den Spezies und nur auf diesem Wege im Genus; die Spezies aber sind in beiden Fällen “Teile”; und so bleibt es folglich in dem einen so gut wie in dem anderen Fall bei der unausweichlichen, unverwüstlichen Struktur des “einen” “alle” die “vielen” “Teile” “umfassenden” “Ganzen”; nur mit dem Unterschied, allein letzteren Fall - infolge der inzwischen gezogenen, und zwar sämtlich noch von Platon gezogenen Konsequenzen - alle “Teile” einander gleichartig sind. Im übrigen dürfte, rein historisch betrachtet, der Inbegriff in den platonischen Frühdialogen das ältere Gebilde sein. Und gerade Platon Lessing, in dem könnte sodann, anders als ein Denker wie nungsreichtum des Inbegriffs mehr Unmögliches als Möglichkeiten gesehen haben. Aus ihm, dem umfangreicheren, ungeschlachten Urgestein, hätte er demnach bis spätestens zum Dialog Parmenides” den dort jedenfalls vorhandenen Allgemeinbegriff gemeißelt, das homogene Abstraktum aus den gleichartigen Und ihre Gleichartigkeit endlich selben Dialog zu dem Versuch führte, hinter war es hiernach, die noch die Anschaulichkeit des menschlichen Denkens aus “Teilen” und “Formen”, “geraden”, “runden” und “aus beidem gemischten” 3 - 5; 65, Abs. 2), wenigstens einen indirekten Blick zu werfen. Eine ganz andere Frage ist es, ob ontisch, logisch und methodisch umgekehrt der Inbegriff den Allgemeinbegriff voraussetzt; und diese Frage wird man bejahen müssen. Es verhält sich hier wie so oft: Das anfangs noch nicht klar und bewußt oder noch nicht ausdrücklich Unterschiedene, aber implicite schon Angewandte, dieses Mal der Allgemeinbegriff, wird schließlich und nachträglich auch unmittelbar und theoretisch herausgearbeitet. Hin und wieder leuchtete der Allgemeinbegriff in Platons Gedanken auch schon vorher auf oder kündigte sich unmittelbar an; so in dem des Menon (s. Anm. 19). C L A S S I C A ET M E D I A E V A L I A R E V U E D A N O I S E D E P H I L O L O G I E ET D ’ H I S T O I R E PUBLIEE PAR LA SOCIETE DANOISE LES ETUDES ET Le champs de Revue comprend des etudes langues et fin du moyen ainsi que litteratures grecques et latines jusqu’a I’histoire ancienne e t les traditions anciennes, qu’elles se manifestent Philosophie et dans I’histoire generale, I’histoire du droit, l’histoire d e I’histoire ecclesiastique medievales. L a generale, l’archeologie et n’y sont ordinairement pas I’histoire d e La se reserve droit d’inviter des a se prononcer dans Revue a I’occasion des contributions qui y sont publiees. a Revue CLASSICA ET danoise pour etudes anciennes et publie de plus importants. Jusqu’a ce jour cette comprend les volumes suivants: H ERMANSEN : Studien den italischen und den römischen Mars. 1940 (epuise). F RISCH : T h e Constitution of the Athenians. 1942 C LAUSEN L U K M A N : Skjoldunge und Skilfinge. Hunnen- und könige in ostnordischer Ueberlieferung. 1943 (epuise). T HOMSEN : T h e Regions from Augustus t o the Lombard Invasion. 1947 (epuise). E RIK B ACH : La de au XII“ Prix: couronnes 1955. J ACOBSEN : Translation. A Traditional Craft. 1958 (epuise). THE S UPPLIANTS V OLUME I , T h e Text with Introduction, cal Apparatus and Translation by Holger Friis Johansen. T h e Scholia with Introduction and Critical Apparatus by Ole Smith. Prix: couronnes danoises. 1970. T HOMSEN : Eisphora. A Study of Direct Taxation in Ancient Athens. couronnes danoises. 1964. Prix: Antiochus I V of Prix: couronnes danoises. 1966. ET F RANCISCO B LATT TA, edenda curaverunt S. D u e , H . Friis Johansen, B. Dalsgaard Larsen. Prix: couronnes danoises. 1973. S TEEN D U E : Changing Forms. Studies in the Metamorphoses of Ovid. Prix: 115.00 couronnes danoises. 1974. LIBRAIRIE MUSEUM TUSCULANUM