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Teuffel - Das Christentum und der Teufel (KIM)

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Das Christentum und der Teufel
Von Jochen Teuffel
Die Frage nach der Existenz des Teufels ist gegenwärtig wieder zur Streit- für manche sogar
zur Bekenntnisfrage geworden: Gibt es den Teufel, oder gibt es ihn nicht? Und wie es bei
solchen Streitfragen meistens der Fall ist, haben diejenigen, die sich dieser Frage gestellt
haben, bereits eine vorgefaßte Meinung, von der sie sich nicht mehr abbringen lassen wollen.
Im folgenden soll es daher auf diese Frage keine Antwort von mir geben. Stattdessen werden
fünf Möglichkeiten der Beschreibung des Teufels angeboten. Ob diese für euch akzeptabel
oder unmöglich sind, müßt ihr jeweils selbst entscheiden. Der Abschluß dieses Artikels wird
jedenfalls ein persönliches Bekenntnis wider den Teufel sein.
1. Der Teufel in der Religionsgeschichte
Der religiöse Ursprung des Teufels ist in einem dualistischen Weltbild zu suchen, d.h. die
gesamte Wirklichkeit wird von zwei verschiedenen Polen bzw. Prinzipien aus verstanden, die
nicht von einander ableitbar sind. Der iranische Religionsstifter Zarathustra war es, der um
das Jahr 600 v. Chr. mit der Unterscheidung zwischen spenta mainyu, dem heiligen Geist, und
ahriman, dem bösen Geist, den Grundstein für den Dualismus zwischen dem Guten und dem
Bösen legte. Leben und Tod hängen davon ab, für welchen der beiden Geister sich der
Mensch entscheidet. Allerdings ist beiden Geistern der allmächtige Gott Ahuramazda
übergeordnet In der Folgezeit verschmolzen Ahuramazda und der heilige Geist miteinander,
so daß der böse Geist zum Schöpfer der Welt des Bösen und damit zum Gegengott wird, den
jedoch Ahuramazda in der Endzeit besiegen wird.
Beginnend mit dem persischen Großreich unter den Achämeniden sind ab 539 v. Chr.
Elemente der iranischen Religionswelt im ganzen Vorderen Orient, später sogar in
Griechenland und dem Römischen Reich verbreitet worden. Auch die jüdische Religion ist
davon nicht unbeeinflußt geblieben. In der jüdischen Apokalyptik zwischen 200 v. Chr. und
100 n. Chr. wird der Weltverlauf in zwei Perioden unterteilt, die jetzige Weltzeit und die
künftige Endzeit, wobei die gegenwärtige Weltzeit ihrerseits wiederum in einzelne Epochen
mit einer bestimmten Dauer zerlegt wird, so daß auch das künftige Weltende errechnet
werden kann. Die jetzige Weltzeit steht unter der Gewalt des Bösen und der Sünde, unter der
die Frommen und Gerechten unendliches Leid tragen müssen. Hinter diesem Gedankengang
steckt eine dualistische Weltanschauung. Gott und das Böse, Licht und Finsternis stehen
einander gegenüber. Das Böse wird dabei in einer personhaften Teufelsgestalt (Belial,
Mastema, Satan) konzentriert. Die endgültige Entscheidung zwischen Gut und Böse wird des
öfteren als Drachenkampf geschildert, der mit dem Sieg Gottes endet, die Toten stehen dann
auf, und die Heils-zeit bricht endgültig an. Von diesen apokalyptischen Vorstellungen ist das.
Christentum von Anfang an zweifelsohne stark beeinflußt worden, man denke nur an die
Johannesoffenbarung, allerdings hat es die kirchliche Lehre abgelehnt, den Teufel als
dualistischen Gegenpol zu Gott zu verstehen, da er als von Gott geschaffener und später von
ihm abgefallener Engel Gott untergeordnet bleibt. In der Volksfrömmigkeit hat er jedoch
häufig die Stellung eines bösen Gegenprinzips zu Gott erlangt.
2. Der Teufel im Alten Testament
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Das Wort Satan bezeichnet im Alten Testament jemanden, der anfeindet bzw. verfolgt.
Wahrscheinlich stammt der Begriff aus der Rechtssprache, Satan ist der Ankläger vor Gericht.
In 4 Mose 22,22.32 tritt der Bote Gottes gegenüber Bileam als Satan, d.h. „in gegnerischer
Absicht“ auf. Das Wort Satan wird in diesem Zusammenhang weder als Eigenname noch als
Bezeichnung für eine Person verwendet, sondern drückt eine bestimmte Funktion aus. In
seinem Boten stellt sich Gott selbst Bileam entgegen. Seine Drohung soll Bileam die Augen
öffnen und ihn zur Umkehrung bewegen. So ereignet sich durch ihn Gottes Heilshandeln an
Israel!
Wenn nun im Buch Hiob Satan als Verkläger im himmlischen Hofstaat Gottes auftritt (Hi 1,62,7) dann ist er dabei kein dämonisches Wesen, sondern gehört zur dienenden Gefolgschaft
Gottes. Seine Aufgabe ist es, die Erde zu- durchstreifen; um auf die Taten der Menschen zu
achten. Er zweifelt die Aufrichtigkeit der Frömmigkeit Hiobs an, denn Hiob ist in den Augen
des Satans nur aus Eigennutz Gott gehorsam. So tritt der Satan gegenüber Hiob als Versucher
auf, um ihn durch Besitzverlust, den Tod seiner Angehörigen und Krankheit auf die Probe zu
stellen. Allerdings bleibt Gott Träger des Handelns, da er Satan zu dieser Prüfung ermächtigt
hat.
Die einzige Stelle im Alten Testament, in der Satan als selbständiger Gegenspieler Gottes
auftritt, ist 1 Chronik 21. Satan ist hier erstmals auch Eigenname. Er übernimmt keine
Funktion Gottes, sondern verführt von sich aus David zur Sünde. In der Parallelstelle 2
Samuel 24 ist es dagegen der Zom Gottes, der David zur Sünde reizt! Aber auch für den
Chronisten bleibt Satan innerhalb des göttlichen Plans, da Gott in seiner Barmherzigkeit
David einen Ausweg aus seiner Strafhandlung zeigt (1 Ch 21,13.18).
Es läßt sich also mit gutem Recht sagen, daß Satan als Gegenspieler Gottes im Alten
Testament keine zentrale Bedeutung hat. Weder Noah, Abraham, Jakob, Joseph, Mose, Josua,
noch die Richter, Könige (mit Ausnahme Davids) und Propheten (mit Ausnahme Sacharias)
haben Satan gekannt! Und Adam und Eva? Sehr gerne wird in 1 Mose 3 die Schlange, die Eva
ermutigt, gegen das Gebot Gottes eine Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen, mit dem
Teufel identifiziert. In 1 Mose 3,1 wird allerdings deutlich gesagt, daß die Schlange ein
Geschöpf Gottes wie alle anderen Tiere ist, das sich nur durch seine Schlauheit auszeichnet.
Nachdem Adam und Eva die Fracht gegessen haben, straff Gott die Schlange, indem sie als
einziges Geschöpf unter allen Tieren verflucht wird und fortan auf dem Bauch kriechen muß
(1 Mose 3,14). Wer nun in der Schlänge den Teufel sieht, der trägt sein eigenes
Vorverständnis vom Teufel in diese Bibelstelle ein und nimmt damit die Bibel nicht wörtlich!
3. Der Teufel im Neuen Testament
Im Neuen Testament tritt der Teufel (griech. Diabolos) unter verschiedenen Namen auf:
Satanas (als Lehnwort aus dem Hebräischen), Beliar (nur 2 Kor 6,15), Bee(l)zebul, der Feind,
der Verkläger (nur Off 12,10), der Böse, der Versucher, die alte Schlange, der große Drache
(Off 12,9), der Fürst (Johannes) bzw. Gott dieser Welt (2 Kor 4,4). Der Teufel ist bestrebt,
den Menschen zum Abfall von Gott (Off 2,10), zum Widerstand gegen ihn (Jak 4,7), zum
Ungehorsam gegen Gottes Willen zu veranlassen (1 Ko 7,5; Eph 4,27; 6,11), ihn in seine
Gewalt zu bringen (1 Ti 3,7; 5,15). Der Widerspruch gegen Gott und seinen Willen
kennzeichnet das Wesen des Teufels (1 Jh 3,8). Außerdem erscheint er als der Machthaber
über die widergöttlichen Gewalten, zu denen auch Krankheit und Tod gehören (Lk 13,16).
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Wenn sich nun der Teufel bemüht. Jesus, den Sohn Gottes (Mt 4.3.6par), in Widerspruch zu
Gottes Willen zu bringen, so versucht er damit, seine kommende Niederlage zu verhindern.
Jesus’ Aufgabe ist es nämlich, in den Wirkungsbereich des Satans einzubrechen (Mt 12,2528par) und die Menschen seiner Gewalt zu entreißen (1 Jh 3,8). Jesu irdisches Wirken
bedeutet bereits die Entmächtigung des Satans als des Widersachers der Menschen vor Gott
(Lk 10,18). Noch versucht er, die christliche Gemeinde zu überlisten (2 Kor 2,11), aber diese
darf sich des göttlichen Beistandes gegen ihn gewiß sein (Rö 16,20). Im Glauben ist die
Gemeinde im Machtbereich ihres Herren und damit aller Macht des Teufels entronnen. Am
Ende wird der bereits errungene Sieg Christi über die feindliche Macht gänzlich vollzogen
(Mt 25,41; Off 20,10).
Der Teufel ist also im Neuen Testament eine reale Macht, mit der der Mensch zu rechnen hat
und die ihn bedroht. Allerdings darf die Sünde des Menschen nicht dem Teufel zugeschrieben
werden. Die Macht der Sünde, deren Konsequenz der Tod ist (Rö 6,23) ist an die fleischliche
Existenz des Menschen gebunden (Rö 7,14-25). Das Heil ist dagegen im Geist Gottes
begründet, der den Menschen von der Sünde und damit vom Tode zum ewigen Leben befreit
(Rö 8,1-17). Nicht der Dualismus zwischen Gott und Teufel bestimmt damit die Existenz des
Menschen, sondern die Unterscheidung zwischen dem Fleisch des Menschen und dem Geist
Gottes. Interessanterweise taucht der Teufel im Römerbrief, der als das Testament des Paulus
angesehen werden kann, auch nur einmal als Randbemerkung in 16,20 auf.
4. Die Funktion des Teufels in der Geschichte
Wann immer die Figur des Teufels in der Geschichte eine herausragende Bedeutung
eingenommen hat, geschah dies in einer Krisensituation: Die Welt ist aus ihren Fugen geraten,
eine feste und stabile Ordnung nicht sichtbar, der Verlauf der Geschichte gibt keinen Sinn und
birgt keine Hoffnung auf eine Änderung zum Besseren. Die Gerechten straft das Schicksal
hart, während die Ungerechten unbehelligt bleiben und weiterhin ihrer Verbrechen
nachgehen. Wie kann Gott, der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde dies
alles zulassen? Wo bleibt seine höhere Gerechtigkeit? In einer solchen Situation vermögen
Menschen die Welt nicht mehr allein von einem gütigen Schöpfer her zu verstehen, für sie
wird vielmehr ein Gegenprinzip erfahrbar, das Böse in der Person des Teufels, das die
gegenwärtige Welt regiert. Der Dualismus zwischen Gott und Teufel ist also ein
Erklärungsmuster der Menschen, das einer Welt ohne erkennbare Ordnung noch Sinn zu
geben vermag, indem die Welt in der Auseinandersetzung zwischen Gott und Teufel begriffen
wird. Und es gibt eine Hoffnung. nämlich die, daß Gott selbst durch die endgültige
Überwindung des Teufels die Welt aus dieser aussichtslosen Situation befreit und
anschließend die Gerechten belohnen bzw. die Ungerechten bestrafen wird. Wenn
gegenwärtig also die Figur des Teufels wieder an Bedeutung zunimmt, dann stecken dahinter
ähnliche Erfahrungen einer Welt. die in ihrer Komplexität für den einzelnen undurchsichtig
und bedrohlich geworden ist.
5. Der Teufel als wahrgenommene Erscheinung
Immer wieder liest oder hört man, daß Christen sagen, sie hätten den Teufel gesehen. Wenn
man als Außenstehender versucht, diese Erscheinungen zu beschreiben oder zu erklären, dann
werden sie gerne als bloße Einbildung bestritten oder psychologisch interpretiert. Doch diese
Erklärungsversuche kann derjenige, der den Teufel wahrgenommen hat, nicht akzeptieren.
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Wer sagt, er habe den Teufel gesehen, der hat ihn erfahren, andernfalls könnte er ja selbst von
einer Vision oder Sinnestäuschung reden. Leute, die von sich aus behaupten, den Teufel
erfahren zu haben, müssen grundsätzlich in ihrer Erfahrung ernstgenommen werden. Sie
werden von der Gegenwart des Teufels nicht dadurch befreit, daß andere ihnen das
Erklärungsmuster „Sinnestäuschung“ dafür anbieten.
Was bedeutet nun aber die Wahrnehmung des Teufels durch andere für mich selbst? Heißt
das, daß ich selbst an die Existenz des Teufels etwa glauben muß? Darauf kann ich nur
entgegnen: Ich habe den Teufel nicht erfahren, er ist mir nie begegnet, ich kenne ihn nicht, er
hat damit für mich keine reale Macht. Daher kann ich auch nicht an den Teufel glauben.
Aber Jesus Christus habe ich erfahren, der für meine Sünden gekreuzigt wurde und der als
Auferstandener mir das ewige Leben schenkt. Ihm vertraue ich mich im Gebet an, an ihn
glaube ich, ihn bekenne ich als Sohn Gottes. Dabei spielt der Teufel keine Rolle. Wenn im
Neuen Testament der Teufel ein Thema ist, dann nur deshalb. weil er den Menschen vor der
Begegnung mit Christus bereits ein Begriff war und von daher eine Auseinandersetzung
notwendig war.
Es gibt allerdings andere Christen, gerade in der Charismatischen Bewegung, für die die
Existenz des Teufels heilsnotwendig ist und anderen Christen dies einreden wollen. Wenn
aber der Teufel lange genug herbeigeredet wird, dann ist er schließlich für die Leute wirklich
da. Die ganze Welt wird letztlich verteufelt, und die eigene Gemeinschaft wird damit zum
einzigen Freiraum vom Teufel. So werden Menschen, nachdem sie zuerst verängstigt worden
sind, schlicht und einfach von einer Gruppe abhängig gemacht, die sich nicht mehr auf die
Freiheit des Evangeliums stützt, sondern auf den Glauben auf einen Freiraum vom Teufel.
Wer anderen Leuten statt dem Evangelium die notwendige Existenz des Teufels verkündigt,
den möchte ich als einen Helfershelfer des Teufels bezeichnen.
KIM, Nr. , 1990, Seiten 2-3.
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