Bastgen, Karolingerstr

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Copyright 2001 Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung
November 4, 2001
SECTION: Politik, Pg. 10
LENGTH: 378 words
HEADLINE: Klassischer Irrtum
HIGHLIGHT:
Leserbriefe
WISSENSCHAFT Zu „Wie viel Brustkrebsvorsorge ist vernuenftig?“ von Volker Stollorz und
Jan Schweitzer (28. Oktober):.
Die Aussagen des Bremer Radiologen Hans Junkermann offenbaren einen klassischen
Irrtum vieler Berufskollegen: Ausgehend von einem pathophysiologischen und
einleuchtenden Modell („Der Tumor muss klein sein, um ihn zu entfernen“), wird in
Verbindung mit einem monokausalen Denken („Wenn der kleine Tumor entfernt ist, ist der
Patient geheilt“) eine Schlussfolgerung für ein Früherkennungsprogramm gezogen, das mit
der Realitaet und mit den wissenschaftlichen Zahlen nicht uebereinstimmt. Die zentrale
Frage ist, welchen Nutzen ein Patient tatsaechlich von einer aerztlichen Massnahme zieht
oder nicht. Für das Brustkrebs -früherkennungsprogramm muss festgehalten bleiben, dass
ein Früherkennungsprogramm mit optimalen Bedingungen dazu führt, dass innerhalb von
zehn Jahren von tausend Frauen drei an Brustkrebs versterben, ohne ein
Früherkennungsprogramm sterben vier von tausend Frauen an Brustkrebs. Im gleichen
Zeitraum wird in der Mammographiegruppe bei bis zu 300 Frauen der falsche Verdacht auf
einen Brustkrebs gestellt. Neben der Strahlenbelastung durch die Mammographie werden
damit mehrere hundert Frauen erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt. Die
Darstellung des Nutzens eines Früherkennungsprogramms mit einer Verringerung der
Sterblichkeit um 30 Prozent ist irreführend. Es ist in keiner Weise so, dass jede dritte Frau,
die an einem solchen Screening-Programm teilnimmt, einen Nutzen hat. Der Unterschied in
der Mortalität bezieht sich lediglich auf den Anteil der in beiden Gruppen verstorbenen
Frauen. Bezogen auf die mit höchster Wahrscheinlichkeit gesunde Frau, die sich in der
Arztpraxis über den Nutzen eines Screening-Programm informiert, verbessert sich die
Wahrscheinlichkeit, dass diese Frau durch die Teilnahme am Screening nicht an einem
Brustkrebs verstirbt, um 0,07 Prozent (das sind sieben Zehntausendstel). Fazit: Das beste
Früherkennungsprogramm schützt nicht vor dem Tod durch Mammakarzinom. Der
quantitative Nutzen eines Früherkennungsprogramms ist für die allermeisten Frauen
äusserst gering, für wenige Frauen bedeutsam.
Dr. Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin
TYPE: Leserbriefe (Letters to the Editor)
LOAD-DATE: November 07, 2001
Copyright 2001 Süddeutscher Verlag GmbH
Süddeutsche Zeitung
Oktober 27, 2001
SECTION: Dokumentation, Pg. 11
LENGTH: 609 words
HEADLINE: Mit dem Alter steigt die Krebsgefahr
HIGHLIGHT:
Brustkrebs, Leukämie und malignes Melanom treten im hohen Lebensalter vermehrt auf
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau. Über dieses Thema referierte die
Direktorin der Frauenklinik und Poliklinik der TU am Klinikum rechts der Isar, Professor
Marion Kiechle. „Jede zehnte Frau in Deutschland wird mit der Diagnose Brustkrebs
konfrontiert.“ Jährlich erkranken rund 50000 Frauen, 17000 sterben jährlich an den Folgen
von Brustkrebs.
„Bei der Mehrzahl der Fälle ist die Erkrankungsursache weitgehend unbekannt“, gab
Professor Kiechle zu. Der wichtigste Risikofaktor sei das Alter: Die meisten Fälle treten bei
Frauen zwischen 50 und 70 Jahren auf. Nur bei etwa fünf Prozent der Frauen sei der
Brustkrebs vererbt. Eine gute Methode, die Sterblichkeit zu verringern, sei die regelmässige
Mammographie, so Kiechle. In Ländern, in welchen Screening zur Vorsorgeuntersuchung
gehörten, stürben 30 Prozent weniger Frauen an Brustkrebs. In Deutschland werde die
Mammographie bisher leider nicht von den Kassen als Krebsfrüherkennungsleistung
bezahlt.
Über den typischen Männerkrebs, das Prostatakarzinom, sprach Professor Alfons
Hofstetter, Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik im Klinikum Großhadern. Es ist
der zweithäufigste bösartige Tumor des Mannes über 40 Jahren nach dem
Bronchialkarzinom. Jenseits der 50 wird es zum häufigsten Malignom des Mannes
überhaupt. Sofern es noch keine Metastasen gebe, sei die operative Entfernung der
Prostata die richtige Methode, so Professor Hofstetter. Gibt es schon Metastasen, kommt
eine antiandrogene Therapie in Frage, das heißt die Blockierung des männlichen
Sexualhormons, das das Wachstum der Tumorzelle aktiviert. Hier gibt es allerdings einige
Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Libidoverlust, Impotenz und Depressionen.
Professor Matthias Volkenandt von der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der LMU am
Klinikum Innenstadt sprach über den Hautkrebs, den häufigste Krebs des Menschen
überhaupt. Es gibt drei Typen: das Basaliom, das Karzinom und das Melanom. Das
Basaliom sei eigentlich nur halb-bösartig, weil es keine Metastasen bilde, anders als
Karzinom und Melanom. Der wichtigste und mit Abstand bösartigste Hautkrebs ist das
maligne Melanom, der schwarze Hautkrebs. Es ist der Tumor mit der am schnellsten
steigenden Häufigkeit: Jeder 100. Buerger erkrankt daran, vor 30 Jahren war es nur jeder
600. Die Gründe vermutet man in der intensiven Sonnen- sowie auch in der
Solariumnutzung - „eine für Dermatologen ganz graessliche Vorstellung“.
Die wichtigste neue Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte auf dem Gebiet des
Hautkrebses sei, dass er aufgrund einer besseren Aufklaerung viel frueher erkannt werden.
Deshalb seien sie dann meist noch sehr duenn, und es gebe eine gute Prognose. Bei der
Operation gehe man heute sehr viel zurueckhaltender vor, Melanome wuerden mit einem
wesentlich kleineren Sicherheitsabstand entfernt. Auch wuerden die Lymphknoten nicht
mehr alle vorbeugend entfernt, sondern man koenne den einzelnen Lymphknoten, der für
das befallene Hautareal zustaendig sei, finden und entfernen - den sogenannten
Waechterlymphknoten. Verzichtet werde auch auf eine vorbeugende Chemotherapie,
stattdessen habe sich vorbeugende Immuntherapie bewaehrt. Sobald es Fernmetastasen
gebe, sei eine Heilung auch heute noch nur sehr selten moeglich.
Das Thema Leukaemien behandelte Privatdozent Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach von
der Medizinischen Klinik III am Klinikum Grosshadern. „Das Auftreten der Leukaemien
nimmt mit zunehmendem Alter zu, das heißt, die Erkrankungen nehmen zu, weil die
Menschen immer aelter werden.“ Man unterscheidet zwischen akuten und chronischen
Leukaemien. Durch die moderne Diagnostik kann man mittlerweile 50 verschiedene Arten
der Leukämie unterscheiden. Die Heilungschancen sind bei bestimmten Formen sehr gut,
so etwa koennen 90 Prozent der Kinder mit akuter lymphatischer Leukämie geheilt werden.
Über bösartige Tumoren des Magen- und Darmtraktes sprach Professor Joerg Ruediger
Siewert, Direktor der Chirurgischen Klinik und Aerztlicher Direktor des Klinikums rechts der
Isar. Bei den Tumoren des Gastrointestinaltraks sei eine Oralverschiebung zu beobachten,
das heißt, die Tumoren treten immer weiter oben im Koerper auf. Gut sei dies etwa beim
Mastdarmkrebs, weil man dadurch in 75 bis 80 Prozent der Fälle kontinenzerhaltend
operieren koenne. Die Chirurgie sei nur dann sinnvoll, wenn eine komplette Entfernung des
Tumors moeglich sei, 50 Prozent der Patienten kaemen allerdings dafuer zu spaet.
Zusaetzliche Behandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapie solle man moeglichst vor
der Operation durchfuehren. cw GERMANY (88%);
LOAD-DATE: November 9, 2001
Copyright 2001 Contrapress media GmbH
Vervielfaeltigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
taz, die tageszeitung
Oktober 25, 2001
SECTION: Pg. 7
LENGTH: 1451 words
HEADLINE: Murks bei der Mammographie
BYLINE: WERNER BARTENS
von WERNER BARTENS
An Bruesten wird gegrapscht, geweint, geschmust, gesaugt. Sie sind Spender von Lust und
Trost, Sexualitaet und Nahrung. Oft werden sie zur Schau gestellt - in bunten Blaettern, am
Strand, beim Stillen. Viel haeufiger sind sie intimer Ort für kleines Glueck.
Und dann muessen sie ploetzlich amputiert werden.
Ursula Goldmann-Posch befand sich im „Niemandsland der Gefuehle“, als bei ihr
Brustkrebs festgestellt wurde: „Die Diagnose kam wie ein Hammer - und ich habe nichts
darueber gewusst.“ Der 52-Jaehrigen aus Augsburg wurde 1996 die linke Brust
abgenommen. Der Tumor war zu gross, als dass nur ein Teil der Brust haette entfernt
werden koennen. „Vorher dachte ich: Der Knoten muss raus, dann ist alles wieder in
Ordnung“, erinnert sie sich, „doch dann wusste ich: Ab mit Schaden, ich muss mit der
Luecke leben lernen.“
Fast 50.000 Frauen erkranken in Deutschland jährlich neu an Brustkrebs, etwa 18.000
sterben jährlich daran. Brustkrebs ist der häufigste Krebs bei Frauen, eine Plage, eine
Volkskrankheit. Und es kann jede treffen - Alte, Junge, Dicke, Duenne. Da der Krebs so
unvermittelt bei jeder Frau wuchern kann, wird seit Jahren darueber diskutiert, wie die
Sterblichkeit verringert werden kann. Aerzte, Kassen, Standesorganisationen und Politiker
suchen nach Wegen, Brustkrebs effektiver zu bekaempfen. Weil Gentests enttaeuschende
Ergebnisse brachten, geriet die Reihenuntersuchung in den Blickpunkt. Doch die
regelmässige Mammographie ab einem bestimmten Alter ist umstritten. „Bis heute gibt es
in Mitteleuropa kein flaechendeckendes Screening“, sagt Uwe Lorenz, Chefarzt der
Frauenklinik St. Gallen. Dabei war unter Fachleuten bisher unumstritten, dass eine
Reihenuntersuchung der Brust alle zwei Jahre zumindest bei Frauen zwischen 50 und 70
Jahren zu einer deutlichen Senkung der Sterblichkeit fuehren wuerde. Auf etwa 20 Prozent
weniger Todesfaelle durch Brustkrebs schaetzten Experten die Vorteile flaechendeckender
Mammographien.
Doch jetzt sind Zweifel an den Zahlen aufgetaucht. Ein im renommierten Fachblatt Lancet
am 20. Oktober erschienener Artikel stellt den Wert der Mammographie massiv in Frage.
Die daenischen Wissenschaftler Ole Olsen und Peter Gotzsche sind zu dem
niederschmetternden Ergebnis gekommen, „dass es keine zuverlaessigen Beweise dafuer
gibt, dass durch Mammographie-Screening das Risiko der Frauen verringert wird, an
Brustkrebs zu sterben“. Weiterhin behaupten die Forscher, dass durch Screening
aggressivere Therapiemethoden gewaehlt werden und mehr, zum Teil unnoetige,
Brustamputationen vorgenommen werden. Olsen und Gotzsche haben schwere Maengel in
den bis dato vorliegenden Untersuchungen festgestellt. Deshalb stimmen sie der bislang
weitgehend akzeptierten Schlussfolgerung, Mammographie-Screening senke die
Sterblichkeit, nicht zu.
Die beunruhigenden Ergebnisse der daenischen Forscher wurden einen Tag nachdem alle
Parteien im Bundestag ihre Zustimmung zur Einfuehrung von RoentgenReihenuntersuchungen signalisiert haben, veroeffentlicht. Karl Lauterbach,
Sachverstaendigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, haelt diesen Weg
nach wie vor für richtig - unter der Voraussetzung, dass die Qualitaetskontrolle in
Deutschland erheblich verbessert wird.
Doch stehen angesichts der Daten aus Daenemark sowohl politische Willensbekundungen
als auch die Forderungen etlicher Selbsthilfegruppen nach Mammographie-Screening
nicht auf toenernen Fuessen? Moeglich. Denn das Wort von Olsen und Gotzsche hat
Gewicht. Sie leiten das Cochrane-Zentrum in Kopenhagen. Cochrane-Zentren haben die
Aufgabe, die Aussagekraft medizinischer Studien zu untersuchen und zu beurteilen.
Deshalb kann man die Meinung der Daenen nicht als Extremposition abtun.
Gerd Antes leitet das deutsche Cochrane-Zentrum in Freiburg und haelt die Skepsis an den
bisher verfuegbaren Daten für berechtigt: „Die Forderung, endlich auch in Deutschland
Reihenuntersuchungen einzufuehren, muss angesichts dieser Ergebnisse neu bewertet
werden.“
Schlechte Ausbildung, alte Geraete
Die Qualitaet für systematische Mammographien waere derzeit in Deutschland auch nicht
gewaehrleistet - in zweierlei Hinsicht. Zum einen liegt die Ausbildung im Argen. Jeder
Gynaekologe darf nach sechsmonatiger Fortbildung Mammographien durchfuehren, bei
Radiologen sind es nur drei Monate. Viel zu kurz für die diffizile Untersuchung. Zum
anderen sind die Geraete haeufig veraltet. „Die muessten regelmaessig von einer Art TUEV
geprueft werden“, fordert Rolf Kreienberg, Direktor der Uni-Frauenklinik in Ulm und
Praesident der Deutschen Krebsgesellschaft.
So aber werden in Deutschland jährlich zwischen drei und vier Millionen „graue“
Mammographien durchgefuehrt - Untersuchungen ohne medizinische Indikation und
entsprechende Qualitaetspruefung. In der Folge kommt es zu geschaetzten 200.000
falschen positiven Befunden und 100.000 Gewebeentnahmen. Aus den Ländern mit
Mammographie-Screening weiss man ausserdem, dass jeder zweite bis vierte Brustkrebs
bei der Untersuchung nicht erkannt wird. Lieber gar kein Screening als schlechtes
Screening - wenigstens darin sind sich alle Experten einig.
Dabei beschaeftigen sich in grossen Kliniken manche Mediziner tagaus, tagein nur mit der
Mammographie. Erst langsam werden hier zu Lande spezielle „Mamma-Zentren“ gebildet,
wo Onkologen, Gynaekologen und Radiologen zusammenarbeiten. „Solche Diagnose- und
Betreuungsketten muessen das Ziel sein“, fordert Kreienberg. In ein, zwei Jahren liessen
sich die strukturellen Defizite beheben, glaubt der Mediziner.
In den Niederlanden etwa fahren schon heute 63 „Mammobile“ über Land. Das dortige
Brustkrebsuntersuchungsprogramm wurde 1989 begonnen und 1996 komplettiert. Die
Untersuchungen werden aus anderen Toepfen finanziert als die uebrigen
Gesundheitsausgaben. „Dadurch verdient kein Arzt weniger“, sagt Jan Hendriks, Leiter des
landesweiten Screenings. Frauen zwischen 50 und 74 erhalten alle zwei Jahre eine
Einladung, etwa 80 Prozent nehmen das Angebot wahr. Die Sterblichkeit an Brustkrebs ist
in Holland von 1986 bis 1998 um 13 Prozent gesunken. Ein Erfolg des Screenings? Diese
Interpretation wird durch die Studien der daenischen Forscher in Zweifel gezogen. Vielleicht
sterben in den Niederlanden ja weniger Frauen an Brustkrebs, weil die Therapie besser
geworden ist. Hendriks argumentiert aus der Praxis. Für ihn ist es naheliegend, dass die
Prognose für eine Krebskranke besser ist, wenn ihr Tumor frueher entdeckt wird.
Aber in Deutschland fehlen noch andere Voraussetzungen zur effektiven Frueherkennung.
Es gibt kein Krebsregister und die Leitlinien zur Behandlung sind uneinheitlich. Jeder
behandelt ein bisschen anders. Das Motto „Viel hilft viel“ trifft daher - wie so oft in der
Medizin - auch im Fall der Forderung nach Reihenuntersuchungen nicht zu.
Und die Frauen selbst? Fast jede Frau laesst sich nach der Diagnose Brustkrebs operieren.
Nur bei alten Frauen mit langsam wachsender Geschwulst und bei sehr ausgedehnten
Befunden wird gelegentlich auf den Eingriff verzichtet. Wenn der Tumor nicht zu gross ist,
versuchen die Aerzte die Brust zu erhalten. Das gelingt in mehr als zwei Drittel der Faelle.
„An manchen Zentren behalten 80 Prozent der Frauen ihre Brust“, sagt Kreienberg.
Die Diplompatientin
Am 10. Juli hatte Ursula Goldmann-Posch Jubilaeum. Fuenf Jahre zuvor wurde ihre Brust
abgenommen. Den Jahrestag hat sie in einem Dessousgeschaeft in Kassel begangen, hat
mit der Besitzerin geredet über Koerbchengroessen und Oberweiten. Goldmann-Posch hat
ein Buch* geschrieben und 1999 die Selbsthilfegruppe „Mamazone“ gegruendet. 350
Frauen haben sich zusammengeschlossen - mit ungewoehnlichen Ideen. Mamazone
verleiht den „Busenfreund“, einen Preis für Mediziner, die sich um die Erforschung von
Brustkrebs verdient gemacht haben. Auf einer Tagung im Oktober ging es um die
Ausbildung zur „Diplompatientin“. Frauen muessen mehr wissen, findet Goldmann-Posch,
sie sollen zu Expertinnen ihrer Gesundheit werden.
Für die kranken Frauen ist der Streit um die Mammographie zynisch. „Ich fuehle mich als
Opfer der gesundheits- und standespolitischen Defizite in diesem Land“, sagt GoldmannPosch. Jetzt erfahren Frauen zusaetzlich, wie der Sparkurs im Gesundheitswesen
Leistungen einschraenkt. Eine Frau mit Brustkrebs, die sich unzureichend betreut fuehlte,
schrieb an Mamazone: „Sparen ist noetig, aber nicht auf Kosten der Patientinnen. Ich habe
das Gefuehl, dass mein baldiges Ableben am meisten Kosten sparen wuerde.“
Der Autor ist Arzt und Redakteur der Badischen Zeitung *Ursula Goldmann-Posch: „Der
Knoten über meinem Herzen“. Goldmann, Muenchen 2001, 416 Seiten, 18 DM
LOAD-DATE: Oktober 25, 2001
Copyright 2001 Contrapress media GmbH
Vervielfaeltigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
taz, die tageszeitung
Oktober 25, 2001
SECTION: Pg. 7
LENGTH: 257 words
HEADLINE: zahlen & quoten;
Eine Frage der Interpretation
BYLINE: WB
Ueblicherweise ist zu lesen, dass durch Mammographie-Screening die Sterblichkeit an
Brustkrebs um 20 bis 30 Prozent verringert wird. Was heißt das?
Dahinter steht die Information, dass über 10 Jahre von 1.000 Frauen 1 Frau einen Nutzen
durch Mammographie-Screening hat, da sie in dieser Zeit nicht an Brustkrebs stirbt.
Denn ohne Mammographie-Screening sterben in 10 Jahren 4 von 1.000 Frauen an
Brustkrebs. Mit Mammographie-Screening sterben hingegen in 10 Jahren 3 von 1.000
Frauen an Brustkrebs. (Der Unterschied von 3 zu 4 sind die „20 bis 30 Prozent“).
Das heißt auch, dass ohne Mammographie-Screening in 10 Jahren 996 von 1000 Frauen
nicht an Brustkrebs sterben, folglich mit Mammographie-Screening in 10 Jahren 997 von
1000 Frauen nicht an Brustkrebs sterben.
Werden diese Ergebnisse unueblich in „Relativ-Prozent“ angegeben, nimmt der Anteil der
Frauen, die nicht an Brustkrebs sterben, durch Mammographie-Screening um 0,07
Prozent zu. Das Fazit koennte wie folgt ausgedrueckt werden: „Von 1.000 Frauen mit
Mammographie-Screening über 10 Jahre haben 999 keinen Nutzen, da sie auch ohne
Mammographie-Screening nicht an Brustkrebs gestorben waeren (996 Frauen) oder weil
sie trotzdem an Brustkrebs sterben (3 Frauen).
Zahlen und Zitate aus: Ingrid Muehlhaeuser: „Mammographie-Screening - informierte
Entscheidung statt verzerrter Information“. In: Frauke Koppelin/ Reiner Mueller/ Annelie
Keil/ Ulrike Hauffe (Hg.): „Die Kontroverse um die Brustkrebs-Frueherkennung“. Verlag
Hans Huber, Bern 2001 WB
LOAD-DATE: Oktober 25, 2001
Copyright 2001 Süddeutscher Verlag GmbH
Süddeutsche Zeitung
Oktober 23, 2001
SECTION: Wissenschaft, Nachgefragt, Pg. V2/12
LENGTH: 624 words
HEADLINE: Mammographie am Ende? NACHGEFRAGT
HIGHLIGHT:
Prof. Dr. Karl Lauterbach, Sachverstaendigenrat für die konzertierte Aktion im
Gesundheitswesen, über die Zukunft der Brustkrebs-Frueherkennung
SZ: Letzten Donnerstag haben alle Parteien im Bundestag die Einfuehrung von RoentgenReihenuntersuchungen zur Frueherkennung von Brustkrebs gefordert. Durch solch ein
Mammographie-Screening koennten „3500 Tote“ pro Jahr vermieden werden, heißt es
einem Antrag der Koalitionsfraktionen. Am Freitag praesentierten dann Ole Olsen und
Peter Goetzsche vom Cochrane-Zentrum in Kopenhagen in der Zeitschrift „Lancet“ eine
Analyse, nach der es „keine verlaessliche Grundlage gibt, dass Frueherkennung durch
Mammographie das Risiko einer Frau verringert, an Brustkrebs zu sterben“. Ist die
Forderung jetzt noch gerechtfertigt?
Lauterbach: Ja, nach wie vor. Die Analyse der Daenen ist zwar wichtig und man muss sie
sehr genau pruefen. Aber es gibt Arbeiten anderer Forscher, die sich mit den gleichen
Daten beschaeftigt haben, und die zu ganz anderen Schlussfolgerungen kommen. Ich gehe
nicht davon aus, dass durch diese neue Arbeit die insgesamt positive Bewertung der
Mammographie kippt.
SZ: Wird sich das nicht erst in den naechsten Wochen erweisen?
Lauterbach: Es wird sicher einige Zeit dauern, die Argumente der Daenen genau zu
pruefen. Allerdings ist die Kritik weitgehend mit der identisch, die die beiden bereits Anfang
letzten Jahres schilderten. Schon damals haben Forscher den Schlussfolgerungen
widersprochen. Von daher gehe ich davon aus, dass die Antworten diesmal aehnlich
ausfallen werden.
SZ: Sollten Politiker dann nicht zumindest das Ergebnis dieser Diskussion abwarten, bevor
sie die Einfuehrung eines Mammographie-Screenings fordern?
Lauterbach: Auch der Ansicht bin ich nicht. Olsen und Goetzsche kritisieren zum Teil
dreissig Jahre alte Studien. Mit den Methoden, die damals verwendet wurden, arbeitet
heute ohnehin niemand mehr; beispielsweise ist die Mammographietechnik besser
geworden. Relevanter sind aus meiner Sicht deshalb die Erfahrungen der Laender, die
Mammographie- Screening-Programme eingefuehrt haben. Erste Abschaetzungen etwa
aus Holland zeigen, dass dort die Brustkrebssterblichkeit zu sinken scheint.
SZ: Allerdings ist offen, ob die Ursache hinter diesem Trend wirklich die Frueherkennung ist
oder ob allein deshalb weniger Frauen an Brustkrebs sterben, weil die Therapie besser
geworden ist.
Lauterbach: Das ist richtig. Aber ich glaube, dass die Einfuehrung eines MammographieScreening-Progamms auch die Therapie verbessert.
SZ: Wie das?
Lauterbach: Frueherkennungsprogramme setzen voraus, dass man strenge
Qualitaetsvorschriften einfuehrt. Denn ein Screening kann sich nur dann positiv auswirken,
wenn man über Spezialisten verfuegt, die nahtlos zusammenarbeiten. Diese Kooperation
schafft daher auch bessere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie.
SZ: Fehlen denn solche Qualitaetsvorschriften in Deutschland?
Lauterbach: Ja, das ist ein entscheidendes Problem. In Deutschland lassen etwa vier
Millionen Frauen pro Jahr eine Mammographie anfertigen, allerdings meist in Praxen, die
europaeischen Qualitaetsstandards nicht genuegen. Das ist riskant, weil es zu oft zu
„falschpositiven“ Befunden kommt: Aerzte schoepfen einen Verdacht, wo keiner besteht.
Der Sachverstaendigenrat geht davon aus, dass in Deutschland jährlich 100000 unnoetige
Brustoperationen stattfinden, weil Mammographie-Aufnahmen falsch beurteilt wurden.
Diese Zahl liesse sich durch die Einfuehrung eines qualitaetsgesicherten Screenings
deutlich reduzieren.
SZ: Waere es dann nicht die nahe liegendere Alternative, Aerzten, die nicht die
europaeischen Qualitaetsstandards erfuellen, das Mammographieren zu untersagen?
Lauterbach: Nein, der Anspruch der Frauen auf die Frueherkennungsuntersuchung ist
grundsaetzlich berechtigt. Aber es gibt in der Tat nur zwei Alternativen: Entweder gar kein
Screening, oder ein qualitativ sehr hochwertiges Programm. Der derzeitige Zustand ist die
schlechteste Loesung. Aerzte und Krankenkassen haben zwar Modellprojekte begonnen,
um die Einfuehrung eines Screening-Programm vorzubereiten, sie sollen aber erst in drei
Jahren Ergebnisse bringen. Das Ziel der Bundestagsinitiative ist es, diese Frist deutlich zu
verkuerzen.
SZ: Offenbar sind die Frauen aber nicht richtig über solche Nachteile der Methode
informiert, sonst wuerden sie die Untersuchung wohl nicht in so grosser Zahl machen
lassen, ohne nach der Qualitaet ihres Arztes zu fragen?
Lauterbach: Das ist der Grund, warum ich dafuer plaediere, den Frauen zu erlaeutern, was
aus ihrer individuellen Sicht der Nutzen ist, aber auch was die Risiken der Frueherkennung
sind. Solch eine Aufklaerung findet derzeit sicher zu selten statt. Die meisten Aerzte wissen
ja nicht einmal selbst, wie oft sie falschpositive Diagnosen stellen.
Die Fragen stellte Klaus Koch
GRAPHIC: Karl Lauterbach. Foto: privat
LOAD-DATE: November 4, 2001
Copyright 2001 Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung
October 21, 2001
SECTION: Wissenschaft, Pg. 70
LENGTH: 1504 words
HEADLINE: Brustkrebs-Untersuchung für alle Frauen
Hilft massenhafte Reihenuntersuchung, die Krankheit zu bekaempfen? Eine Studie naehrt
wieder Zweifel. Nun entbrennt der Streit erneut.
VON MARTINA KELLER
Für die gestrige „Demonstration gegen Brustkrebs“ in Berlin hatte ein Zusammenschluss
von zwoelf Initiativen, Selbsthilfegruppen und Institutionen wochenlang geworben,
Schirmherrin war die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Eine der Forderungen: die
Einfuehrung des sogenannten Mammographie-Screenings. Die RoentgenReihenuntersuchung der Brust soll den Kampf gegen den Brustkrebs voranbringen.
Dieser Krebs ist eine Massenkrankheit; in Deutschland erkranken rund 47 000 Frauen im
Jahr daran, 17 000 sterben. Das Screening koenne die Sterblichkeit bedeutend verringern,
sagten die Veranstalterinnen, etwa zehn Frauen weniger pro Tag muessten sterben.
Solche Zahlen hatten am Donnerstag auch den Bundestag beeindruckt. Er debattierte
einen Antrag der rot-gruenen Koalition, der die Regierung auffordert, die Voraussetzungen
für das bundesweite Mammografie -Screening zu schaffen.
Doch ausgerechnet jetzt geht der Wissenschaftlerstreit um den Nutzen des
Mammographie-Screenings in eine neue Runde. Die Medizinzeitschrift „Lancet“
veroeffentlichte am Samstag eine mit Spannung erwartete Analyse der daenischen
Forscher Ole Olsen und Peter Goetzsche. Ihr Fazit: Das Mammographie-Screening ist
nicht zu rechtfertigen, weil sein Nutzen in keiner Weise belegt ist. Goetzsche und Olsen
prueften sieben kontrollierte Studien. Gerade zweien dieser Studien bescheinigten sie eine
mittlere Qualitaet, die uebrigen wiesen zum Teil schwerste methodische Maengel auf.
Ausgerechnet die besseren Studien ergaben jedoch für die gescreenten Frauen keinen
Vorteil im Vergleich mit den Frauen aus der nicht gescreenten Kontrollgruppe: Die
Sterblichkeit war in beiden Gruppen gleich hoch.
Schon vor einem Jahr waren die Forscher im „Lancet“ zum gleichen Ergebnis gekommen
und hatten mit ihren Resultaten eine erregte Debatte ausgeloest. Ihre nun vorgelegte, noch
gruendlichere Analyse hat besonderes Gewicht: Sie ist nach den Qualitaetsmasstaeben der
angesehenen Cochrane-Zentren angefertigt. Das sind Zusammenschluesse von Aerzten,
die medizinische Studien hart durchpruefen.
Erstmals haben die Daenen auch die unerwuenschten Wirkungen des Mammographie Screenings genauer erfasst. Das massenhafte Screening erhoeht die Zahl der aggressiven
therapeutischen Eingriffe: So wird 20 Prozent mehr Frauen die Brust entfernt, insgesamt
werden 30 Prozent mehr Frauen an der Brust operiert - und nicht alle dieser Frauen sind
tatsaechlich krank. So fallen laut Olsen und Goetzsche beim Screening auch langsam
wachsende Tumore auf, die sich zu Lebzeiten der Frau niemals zu Krebs entwickeln
werden. Ausserdem werden Zellveraenderungen entdeckt, die unter dem Mikroskop zwar
wie Krebs aussehen, aber dennoch gutartig sind.
Nicht jedes Krebsfruehstadium entwickelt sich tatsaechlich zu einem boesartigen Tumor.
Wenn aber fruehe Zellveraenderungen diffus auftreten, kommt es sogar vor, dass einer
Frau bei diesem Befund beide Brueste amputiert werden. Vermeintlich bessere
diagnostische Methoden, so lautet das Fazit von Olsen und Goetzsche, „koennten zu
Ueberbehandlung fuehren, weil immer fruehere und zweifelhafte Veraenderungen entdeckt
werden“.
Eine brisante Behauptung. Sie hat auch zum Streit innerhalb der Cochrane-Gruppe
gefuehrt - und zu erstaunlichen Reaktionen. Waehrend „Lancet“ auf seiner Website die
ungekuerzte Fassung der Studie von Olsen und Goetzsche veroeffentlicht hat, erscheint
bei der Cochrane-Gruppe nur eine gekuerzte Version. Im Abstract fuegten die CochraneHerausgeber - gegen den Willen der Autoren - sogar noch Argumente zugunsten des
Screenings hinzu, waehrend sie Daten über seine unerwuenschten Wirkungen wegliessen.
Dieses ungewoehnliche Vorgehen veranlasste den Lancet-Herausgeber Richard Horton zu
scharfer Kritik: Die Cochrane-Herausgeber haetten in die wissenschaftliche Freiheit der
Autoren eingegriffen. Inhaltlich stellte sich Horton hinter Goetzsche und Olsen:
„Gegenwaertig liefern die grossen Studien keine verlaesslichen Belege, die das
Mammographie-Screening stuetzen wuerden.“
„Das ist ein theoretischer Streit von Forschern, die viel zu weit weg sind von den
Patientinnen“, kritisiert indessen Jan Hendriks, Initiator des hollaendischen
Mammographie-Screenings. Er kann sich nicht vorstellen, „dass, wenn man ein Karzinom
frueh entdeckt, die Prognose nicht verbessert wird“. Weil der Nutzen von Screenings für
Frauen zwischen 50 und 70 lange Zeit als gut belegt galt, hat Holland ebenso wie
Grossbritannien, Schweden und Finnland die Reihenuntersuchung schon vor Jahren
eingefuehrt.
Das hollaendische Programm gilt als eines der besten weltweit. Haeufig verweisen
Screening-Befuerworter auf die Daten der Hollaender. So starben 1998 im Nachbarland
aus der Altersgruppe der gescreenten Frauen 13 Prozent weniger als in den Jahren vor
dem Beginn des Screenings. Allerdings ist damit noch nichts über die Ursache des
Rueckgangs gesagt. „Man kann nur hoffen, dass es durch das Screening kommt“, sagt
Hendriks. Ebensogut koennten sich Veraenderungen im Lebensstil der Frauen,
Umwelteinfluesse oder eine verbesserte Brustkrebstherapie ausgewirkt haben. Auch in
Oesterreich, wo nicht systematisch gescreent wird, sterben heutzutage weniger Frauen an
Brustkrebs als in frueheren Jahren, dasselbe gilt für Deutschland, sofern auf die
unvollstaendigen Statistiken Verlass ist.
Umstritten ist das Mammographie-Screening aber auch, weil es sich an Frauen richtet, die
als voellig gesund gelten: Sie sollen nun eine moeglicherweise folgenreiche Diagnostik auf
sich nehmen. Der Sachverstaendigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen
hat in seinem juengsten Gutachten eine Schaden-Nutzen-Bilanz auf Basis der
hollaendischen Zahlen zusammengestellt: Danach haben drei von 1000 Frauen nach zehn
Jahren Screening einen eindeutigen Vorteil, denn ihr Leben wird verlaengert; bei acht
Frauen ist unklar, ob die fruehzeitig gestellte Diagnose ihnen etwas nuetzt. 962 Frauen
haben weder Vor- noch Nachteile durch das Screening. Aber 27 von 1000 Frauen wird
geschadet, weil sie sich etwa einer unnoetigen Operation unterziehen muessen oder trotz
frueher Diagnose nicht geheilt werden koennen und nun mit der belastenden Wahrheit
leben muessen. Fazit des Gesundheitsrats: „Die bislang vorliegenden Ergebnisse zeigen
sehr deutlich, dass der durchschnittliche individuelle Nutzen eines bevoelkerungsweiten
Mammographie-Screenings gering ist. Nur eine kleine Zahl von Frauen profitiert
tatsaechlich von einem Screening-Programm. Der Grat zwischen erwartetem Nutzen und
Schaden selbst bei hervorragenden, qualitaetsgesicherten Mammographieprogrammen ist
schmal.“
Zumindest eines ist bei Gegnern wie Befuerwortern der Reihenuntersuchung unstrittig: Das
derzeit in Deutschland praktizierte „graue“ Screening schadet den Frauen. Dabei handelt es
sich um Mammographien, die ohne medizinische Begruendung und ohne
Qualitaetskontrolle durchgefuehrt werden. Zwar sind Roentgenuntersuchungen an
gesunden Personen hierzulande nach der Roentgenverordnung verboten, und abrechnen
lassen sich nur Mammographien, die der Abklaerung eines verdaechtigen Befundes
dienen. Doch Experten schaetzen, dass es sich bei zwei bis vier Millionen
Roentgenaufnahmen um ein verdecktes Screening handelt, das Aerzte unter einem
Vorwand mit der Kasse abrechnen oder das Patientinnen privat bezahlen. Diese
Mammographien werden oft von schlecht ausgebildeten Aerzten mit oft veralteten
Geraeten ohne Doppelbefundung ausgefuehrt. Die Folgen für die Frauen: 200 000 falsch
positive Befunde im Jahr und womoeglich 100 000 unnoetige Biopsien. Der
Sachverstaendigenrat verurteilt diese Praxis als „medizinisch fragwuerdig und unethisch“.
In diesem Jahr begannen in Wiesbaden und Bremen zwei von vier geplanten
Modellprojekten. Sie orientieren sich am hollaendischen Vorbild und sollen in einem
Zeitraum von drei Jahren erproben, unter welchen Bedingungen ein bundesweites
Screening eingefuehrt werden kann. 70 000 gesunde Bremerinnen der Altersgruppe
zwischen 50 und 70 bekommen nun eine Einladung zur Mammographie. Die Initiatoren
haben sich vorgenommen, 70 Prozent dieser Frauen zur Teilnahme zu motivieren. Das ist
eine hohe Zahl. Sie setzt starke Akzeptanz voraus.
Die Hamburger Epidemiologin Ingrid Muehlhauser ist skeptisch, ob sich eine solche
Beteiligung erreichen laesst, sofern man den Frauen reinen Wein über die problematische
Seite der Massenuntersuchung einschenkt: „Das bedeutet doch, dass man die Frauen
anluegen muss, damit die da hingehen.“ Jedenfalls gab es in der Vorbereitungsphase des
Modellversuchs heftige Auseinandersetzungen zwischen Projektbetreibern und
Kritikerinnen um den Inhalt der Informationsbroschuere, die den Frauen gegeben wird.
Nach hartem Ringen einigte man sich auf einen Text, der immerhin die Nachteile des
Screenings nennt. Nun folgt der naechste Schritt: Die Frauen muessen entscheiden.
GRAPHIC: Die Reihenuntersuchung kann rechtzeitig Krebs erkennen helfen. Oder zu
unnuetzen Operationen verleiten.
Foto actionpress
LOAD-DATE: Oktober 24, 2001
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Süddeutsche Zeitung
October 19, 2001
SECTION: Nachrichten, Pg. 8
LENGTH: 285 words
HEADLINE: Neue Zweifel am Wert der Mammographie
BYLINE: Von Klaus Koch
Bruehl - Daenische Wissenschaftler haben Kritik an Roentgen- Untersuchungen zur
Frueherkennung von Brustkrebs geuebt. „Es gibt keine verlaessliche Grundlage, dass
Frueherkennung durch Mammographie das Risiko einer Frau verringert, an Brustkrebs zu
sterben“, schreiben Ole Olsen und Peter Goetzsche vom Cochrane Zentrum in
Kopenhagen in Arbeiten, die im einflussreichen Medizinjournal The Lancet und auf den
Internet- Seiten der Cochrane-Library erscheinen werden.
Das Urteil ist allerdings umstritten. Die Mehrzahl der Brustkrebsexperten haelt die
Mammographie-Reihenuntersuchung für das derzeit beste Verfahren, um Tumoren in der
Brust so frueh zu entdecken, dass sie noch heilbar sind. In Holland, Schweden, England
und den USA hat man deshalb schon vor Jahren nationale ReihenuntersuchungsProgramme eingefuehrt. Auch in Deutschland fordern zahlreiche Aerztegruppen und
Fraueninitiativen, für Frauen im Alter zwischen fuenfzig und siebzig Jahren kostenlose
Mammographie- Untersuchungen streng kontrollierter Qualitaet anzubieten. Dieser
Forderung haben sich im Juni auch die Bundestagsfraktionen von SPD und
Buendnisgruenen angeschlossen. Die Zahl von derzeit jährlich „rund 17000“
Brustkrebsopfern koennte so „um 3500“ verringert werden, heißt es in einem gemeinsamen
Antrag, über den am Donnerstag im Bundestag beraten wurde.
Gerade solche Abschaetzungen geraten nun ins Zentrum eines Expertenstreits. Sie
beruhen auf Studien an fast 500000 Frauen, in denen in den siebziger und achtziger
Jahren die Mammographie zur Frueherkennung erprobt worden war. Nach der Analyse
von Olsen und Goetzsche haben die meisten dieser Studien so schwere Maengel, dass
man den Berechnungen nicht trauen koenne. Doch wird sich erst in den naechsten Wochen
zeigen, wie zutreffend diese Kritik ist. Mammographie-Befuerworter wie die Deutsche
Gesellschaft für Senologie und die Deutsche Krebsgesellschaft haben Stellungnahmen
angekuendigt. Eva Kalbheim-Gapp von der Deutschen Krebshilfe zeigte sich von der Kritik
der Daenen unbeeindruckt: „Die Deutsche Krebshilfe steht nach wie vor hinter der
Einfuehrung eines Mammographie-Programms.“ ENGLAND (55%); GERMANY (54%);
LOAD-DATE: Oktober 31, 2001
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taz, die tageszeitung
Oktober 18, 2001
SECTION: Pg. 9
LENGTH: 396 words
HEADLINE: Bessere Vorsorge gefordert
BYLINE: SUSANNE AMANN
HIGHLIGHT:
Koalition bringt Antrag für verbesserte Brustkrebsvorsorge in den Bundestag ein. Mit dem
Screening-Verfahren koennte die Sterblichkeit um bis zu 30 Prozent reduziert werden
BERLIN taz Etwa vier Millionen Mal pro Jahr werden Frauen in Deutschland mit Hilfe von
Roentgenaufnahmen, der sogenannten Mammographie, auf Brustkrebs untersucht. Aber
obwohl der Arzt dadurch erste Anzeichen einer Erkrankung feststellen sollte, sind die
Diagnosen nach Angaben des Aachener Krebszentrums in 80 Prozent der Fälle falsch. Um
das zu aendern, wollen SPD und Gruene heute einen Antrag unter dem Motto „Brustkrebs Mehr Qualitaet bei Frueherkennung, Versorgung und Forschung“ in den Bundestag
einbringen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ein flaechendeckendes
„Sreening-Programm“ einzufuehren.
Das sogenannte Screening-Verfahren ist eine regelmässige, flaechendeckende
Vorsorgeuntersuchung bei Frauen zwischen 50 und 70 Jahren. Damit soll Brustkrebs in
einem moeglichst fruehen Stadium erkannt werden. In anderen Ländern, wie zum Beispiel
in Skandinavien oder Holland, wird das Verfahren schon seit einigen Jahren eingesetzt.
Auch andere Laender ziehen nach, zumal es eine europaeische Richtlinie zur
Qualitaetssicherung der Brustkrebsvorsorge gibt. „In Deutschland ist die Sterblichkeit in den
letzten Jahren im Gegensatz zu anderen europaeischen Ländern nicht gesunken“, kritisiert
Helga Kuehn-Mengel von der SPD, die den Antrag massgeblich initiiert hat. Dass es in
Deutschland pro Jahr allein 25 bis 30 Prozent falsche Positivbefunde gibt, liege unter
anderem an der mangelnden Erfahrung vieler Radiologen. Mehr als 5.000 Befunde pro
Jahr und Radiologe will die EU-Richtlinie, in Deutschland sind es durchschnittlich 2.000.
Die Roentgenbilder sollten routinemaessig von zwei Aerzten begutachtet werden, um
Fehldiagnosen zu verhindern. Geraete muessen jeden Tag gewartet und das Personal
besser geschult werden.
Am wichtigsten ist jedoch, inwieweit sich Frauen auf die regelmässige Vorsorge einlassen
werden, die dann auch von den Krankenkassen bezahlt werden wuerde. Nur wenn
mindestens 70 Prozent der Frauen erfasst werden, ist das Screening sinnvoll. „Transparenz
ist hier wahnsinnig wichtig, die Frauen muessen sehr gut informiert sein“, so KuehnMengel. Kritiker hatten immer wieder bemaengelt, dass der individuelle Nutzen für Frauen
bei diesem Verfahren eher gering sei. „Wenn ich aber 3.000 bis 4.000 Frauen pro Jahr
retten kann“, macht Kuehn-Mengel deutlich, „lohnt sich das doch auf jeden Fall!“
SUSANNE AMANN
LOAD-DATE: October 17, 2001
Copyright 2001 Schweizerische Depeschenagentur AG (SDA)
SDA - Basisdienst Deutsch
Oktober 15, 2001
LENGTH: 217 words
HEADLINE: Tag der Mammographie im Kantonsspital Aarau Vortrag und Information zu
neuen Untersuchungstechniken
SOURCE: SDA
BYLINE: By WR; SU
DATELINE: Aarau
Zum internationalen Tag der Mammographie veranstaltet das Kantonsspital Aarau am 19.
Oktober einen Vortragsabend zum Thema „Brustkrebs fruehzeitig erkennen“. Neue
Untersuchungstechniken werden unter anderem vorgestellt.
Heutige Untersuchungstechniken ermoeglichten es, selbst noch nicht ertastbare
Veraenderungen in der Brust zu erkennen, heißt es in einem Communique des
Kantonsspitals Aarau (KSA) vom Montag. Zu diesen Techniken gehoeren das Roentgenbild
(Mammographie), Ultraschall oder die Magnetresonanztomographie.
Zur genauen Abklaerung, ob die Veraenderung gut- oder boesartig ist, sei bis vor kurzen
ein operativer Eingriff noetig gewesen. Mit der neuen Methode zur Gewebeentnahme, der
„Mammotome-Brustbiopsie“, kann der Eingriff ambulant, mit oertlicher Betaeubung,
durchgefuehrt werden.
In der Schweiz wird pro Jahr knapp 4000 Mal die Diagnose Brustkrebs gestellt. Das KSA
gehoert laut eigenen Angaben zu den „fuehrenden schweizerischen Instituten bei der
Frueherkennung und Behandlung von Brustkrebs“, wie es im Communique heisst.
Noch bis zum 29. Oktober nimmt eine Plakatausstellung am KSA Stellung zu Fragen rund
um den Brustkrebs.
Notiz: Sie befindet sich im Foyer vom Haus 1.
Der Vortrag beginnt um 19.30 im Hoersaal Haus 1 (Haupteingang).
LOAD-DATE: Oktober 15, 2001
Copyright 2001 Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Frankfurter Allgemeine Zeitung
October 1, 2001
SECTION: Feuilleton, Pg. 58
LENGTH: 595 words
SERIES: Radio-Tagebuch
HEADLINE: Radio-Tagebuch
HIGHLIGHT:
Ein ernstes Spiel mit der Angst
Liebe ist, wenn sie still in sich hineinlaechelt, als sie entdeckt, dass die Tochter ihren ersten
BH vor ihr versteckt. Und ihr ein Kloss im Hals sitzt, weil sie den Termin für die
Vorsorgeuntersuchung vor der Tochter geheimhaelt. Feuilleton ist, wenn die Besprechung
eines Features über das Heil und die zweifelhaften Versprechungen von Reihentests zur
Krebsfrueherkennung mit der Ueberlegung beginnt, warum der Tod auf alten Holzschnitten
so gern mit Frauen und Maedchen getanzt hat. Weil ihre blossen Brueste entweder das
bluehende Leben versinnbildlicht oder dessen Fluechtigkeit bezeugt haben wie
Jahrhunderte spaeter Dalis zerfliessende Uhren.
Eva Schindeles Feature „Brustbild“ traegt selbst feuilletonistische Zuege. Vor allem geht es
um den Modellversuch eines grossangelegten Brustkrebs-Screenings. Statistisch
ausgewertete Reihenuntersuchungen sollen Erkrankungen fruehstmoeglich aufspueren.
Bremen und Wiesbaden sind die ersten deutschen Staedte, in denen die Methode erprobt
wird. Per Rundschreiben sind alle Bremer Frauen zwischen fuenfzig und neunundsechzig
Jahren aufgefordert worden, alle zwei Jahre vorsorglich eine Mammographie vornehmen
zu lassen. Die Sendung beleuchtet, was die buerokratische Kampagne ausblenden soll:
begruendeten Zweifeln am Nutzen, den die einzelne Frau von den Untersuchungen hat,
und den Sorgen, die durch Tests erst geschuert werden. So kommt es, dass Schindele
zugleich die Geschichte von der Entzauberung der weiblichen Brust erzaehlt und von ihrer
Umwertung zu einem Feind im eigenen Koerper.
Vor zwei Jahren wurde das Screening erstmals in der Bremer Lokalpresse angekuendigt.
Je frueher erkannt, desto besser: Das Argument klingt so schlagend, dass es kaum
hinterfragt wird. Um zwanzig bis dreissig Prozent liesse sich die Zahl der BrustkrebsTodesfaelle unter Frauen im Alter von fuenfzig bis siebzig Jahren senken, wenn ein
Screening konsequent Anwendung faende. Diese Hoffnung verlautete aus dem Bundestag.
Die wissenschaftliche Untersuchung, auf die sie sich stuetzt, ist aber in Zweifel gezogen
worden.
Frueherkennung ist nicht gleich Vorsorge. Mehrere internationale Studien konnten keinen
Zusammenhang zwischen Mammographie-Screenings und einem Absinken der Mortalität
nachweisen. Negative Effekte der Reihenuntersuchung liegen dagegen auf der Hand. Nach
statistischer Erfahrung muessen etwa fünf von tausend Frauen damit rechnen, Brustkrebs
zu haben. Eine ueberwiegende Mehrheit wuerde also unnoetig zusaetzlicher
Strahlenbelastung, Fehlalarmen und Aengsten ausgesetzt. So argumentieren Mediziner,
die aus dem zeitlichen Vorsprung der Mammographie gegenueber der Tastuntersuchung
keine groessere Sicherheit ableiten.
Siebzig Prozent der Frauen in der anvisierten Altersgruppe muessten sich untersuchen
lassen, damit die Betreiber des Projekts die eingeplanten Foerdermittel erhalten. Um sie zu
gewinnen, werde ein „ernstes Spiel“ mit der Angst betrieben, sagt die Bremer Soziologin
Annelie Keil: „Bis zu dem Zeitpunkt, wo es um die diagnostische Frueherkennung geht,
droht man mit dem Tod. In dem Moment, wo Frauen Brustkrebs haben, wird der Tod
tabuisiert.“ Doch Kritik an dem Vorhaben, so beobachtet Schindele, sei sogar durch eine
Selbstzensur der Lokalpresse eingedaemmt worden. Ihr Feature beschraenkt sich
erfreulicherweise nicht darauf, demgegenueber Verunsicherung und Verletzlichkeit
auszudruecken. Besonders im internationalen Vergleich macht es deutlich, weshalb der
„Mythos der Vorsorge“ mit Vorsicht zu geniessen ist.
FRANK KASPAR
Heute abend um 22 Uhr bei WDR 3.
TYPE: Rezension: Hoerfunk (Radio Review)
LOAD-DATE: Oktober 02, 2001
Copyright 2001 AG für Die Neue Zuercher Zeitung NZZ
Neue Zuercher Zeitung
September 27, 2001
SECTION: VERMISCHTE MELDUNGEN; Seite 64
LENGTH: 412 words
HEADLINE: Der Oktober als Aktionsmonat Brustkrebs der Krebsliga
BYLINE: Schweiz. Depeschenagentur
Bern, 26. Sept. (sda) In der Schweiz wird pro Jahr bei rund 4000 Frauen Brustkrebs
diagnostiziert, rund 1500 sterben jährlich an dieser Krankheit. Zum zweiten Mal findet in der
Schweiz im Oktober eine nationale Sensibilisierungskampagne zu diesem Thema statt.
Brustkrebs solle kein Tabu sein; er betreffe alle, schreibt Bundesraetin Ruth Dreifuss in
ihrem Aufruf zu der Kampagne, die von der Schweizerischen Krebsliga (SKL) und der
Schweizerischen Stiftung für Gesundheitsfoerderung organisiert wird. Dieses Jahr stehen
oeffentliche Diskussionen, die Solidaritaet mit den Erkrankten, Gesundheitsfoerderung und
die Brustkrebs-Frueherkennung im Zentrum verschiedener Aktionen. Die fruehzeitige
Erkennung der Erkrankung koenne lebensrettend sein, schreibt die SKL.
Ein nationales Früherkennungsprogramm ist derzeit noch in weiter Ferne. Bis anhin
existieren nur in den Kantonen Waadt, Genf und Wallis Mammographie-Programme zur
systematischen Kontrolle von Frauen über 50 Jahren. Frauen aus anderen Kantonen
muessen sich an ihre Frauenaerztin wenden, um ein persoenliches
Früherkennungsprogramm abzusprechen. Laut SKL kann mit der Frueherkennung die
Sterblichkeit um etwa 30 Prozent gesenkt werden. Manche Spezialisten glaubten aber,
diese Zahl sei zu hoch angesetzt, sagte die Informationsbeauftragte der SKL. Die
Aerzteschaft stoere sich teilweise an den finanziellen Auswirkungen eines derartigen
Projekts. Mammographien, die innerhalb eines Programms vorgenommen werden, werden
guenstiger verrechnet als jene, die bei einer gynaekologischen Untersuchung stattfinden.
Doch auch „kulturelle Gründe“ seien der Ausbreitung des Programms nicht foerderlich.
Deutschschweizerinnen fuerchteten immer noch allfaellige Nebenwirkungen von
Roentgenstrahlen, sagte die Sprecherin. Westschweizerinnen zeigten sich weniger
skeptisch.
Der Aktionsmonat Brustkrebs wird am 1. Oktober gestartet: Mehrere Wahrzeichen wie der
„Jet d’eau“ in Genf und das Jungfraujoch sollen zum Zeichen der Solidaritaet mit erkrankten
Frauen rosarot beleuchtet werden. Weitere Aktivitaeten sind der Mammographie-Tag vom
19. Oktober, an dem über Frueherkennung informiert wird, und die „Thera-Dance“Auffuehrungen am 27. Oktober. Am Ende des Aktionsmonats wird der „Pink Award“
vergeben, ein mit 10000 Franken dotierter Solidaritaetspreis. Unter Tel. 0800 558838, dem
„Brustkrebstelefon“, ist vom 1. bis zum 31. Oktober von 13 bis 15 Uhr ein kostenloser
Beratungsdienst eingerichtet.
LOAD-DATE: September 27, 2001
Copyright 2001 Agence France Presse
Agence France Presse—German
September 7, 2001 Friday
LENGTH: 222 words
HEADLINE: Krebsdiagnose in Londoner Klinik nach Dutzenden Pannen gestoppt Zahlreiche Patientinnen erhielten falsche Brustkrebs-Daten
DATELINE: London, 7. September
Nach Fehldiagnosen bei zahlreichen Patientinnen hat ein britisches Krankenhaus seine
Brustkrebs-Untersuchungen ausgesetzt. Elf Frauen seien faelschlicherweise per Brief
unterrichtet worden, dass sie nicht an Krebs litten, teilte die Hammersmith-Klinik im Westen
von London am Freitag mit. Dennoch sei die Krankheit spaeter bei ihnen allen
ausgebrochen. Aufgrund einer Panne in der Krankenhausverwaltung seien zudem die
Mammographie-Aufnahmen von 77 weiteren Patientinnen spurlos verschwunden. Die
Fehler wurden entdeckt, nachdem nach einer Falschzustellung von
Untersuchungsergebnissen saemtliche 104.000 Patientenakten der Abteilung für
Brustkrebs-Diagnose seit 1993 kontrolliert worden waren. Eine Regierungskommission zur
Verbesserung des maroden Gesundheitssystems leitete eine Untersuchung des Vorfalls
ein. Waehrend der Ermittlungen wurden saemtliche Untersuchungen in der Abteilung
gestoppt.
In einigen Faellen haetten sich die Behandlungen der betroffenen Frauen durch die Pannen
um mehrere Monate verzoegert, in einem Fall sogar um fast zwei Jahre. Die 77 Frauen,
deren Roentgenaufnahmen spurlos verschwanden, seien zu einer erneuten
Mammographie aufgefordert worden. In Grossbritannien erkranken jährlich mehr als
35.000 Frauen an Brustkrebs, etwa tausend Frauen sterben jeden Monat an der
Krebserkrankung.
LOAD-DATE: September 7, 2001
Copyright 2001 Süddeutscher Verlag GmbH
Süddeutsche Zeitung
August 31, 2001
SECTION: Nachrichten, Pg. 6
LENGTH: 224 words
HEADLINE: Fehlversorgung beim Brustkrebs
Aus dem Gutachten des Sachverstaendigenrates dokumentieren wir Auszuege aus dem
Kapitel über Brustkrebs:
„In Deutschland erkranken jährlich circa 46000 Frauen an Brustkrebs, davon etwa 17000 im
Alter unter 60 Jahren. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 63,5 Jahren. 1999 starben
17616 Frauen an Brustkrebs. Das Mammakarzinom stellt damit die häufigste
Krebserkrankung bei Frauen dar und ist für 26Prozent aller Krebsneuerkrankungen sowie
18 Prozent aller Krebstodesfaelle verantwortlich. Die relative Fuenf-JahresUeberlebensrate betraegt heute etwa 73 Prozent. Die in Deutschland ermittelte Inzidenz
(Anzahl neuer Erkrankungsfaelle) für Brustkrebs bei Frauen liegt im EU-Vergleich im
mittleren Bereich. Uebereinstimmend wurde für den Bereich der Brustkrebsfrueherkennung
in Deutschland das Fehlen eines gemaess den Europaeischen Leitlinien
qualitaetsgesicherten Früherkennungsprogramms (Mammographie-Screening) festgestellt,
was dazu fuehre, dass die zu erwartende Mortalitaetsreduktion (eine Senkung der
Sterblichkeitsrate) in der Zielgruppe der 50- bis 70-jaehrigen Frauen nicht realisiert
wuerde.Die Aussagen wiesen mehrheitlich auf eine Über und Fehlversorgung in der
Diagnostik des Mammakarzinoms hin. Hingewiesen wurde auch auf die zahlreichen
Mammographien bei Frauen unter 50 Jahren. Gerade bei dieser Altersgruppe sei aber das
Verhaeltnis zwischen dem diagnostischen Nutzen und moeglichen Schaeden unguenstig.
Die diagnostische Qualitaet leide ferner darunter, dass in Deutschland zu viele Betreiber
von Mammographiegeraeten mit einer unzureichenden Frequenz untersuchten. Hierunter
leide die Bildqualitaet.“ GERMANY (94%);
LOAD-DATE: September 14, 2001
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