Kernenergie und Kernkraftwerkstypen Referatausarbeitung von Tina Steidle Klasse10c Schuljahr 2006/2007 Seite 1 Inhaltsverzeichnis Kernkraftwerk Einleitung Brennstoff Reaktorregelung Risiken Geschichte Sicherheit Probleme und Lösungsansätze Restrisiko Störungen Tschernobyl Weiterentwicklung Statistiken Vergleich von Energiequellen Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls Möglichkeit eines Krankheitsfalles aufgrund angebliches radioaktiver Ursachen Kraftwerke in Deutschland In Betrieb stillgelegt Kraftwerke weltweit Top Ten 2006 Kontrollen Sicherheitskultur in Deutschland Unverzichtbare Kernkraftwerke? wirtschaftlich Uran Bekannte Vorkommen Abbaumethoden Entwicklung der Kernenergie Kernfusion Reaktortypen Siedewasserreaktor Druckwasserreaktor WWER-Reaktor Schwerwasserreaktor Hochtemperaturreaktor Brutreaktor Literatur Quellen Seite 2 Kernkraftwerk Ein Kernkraftwerk (KKW) – oder ein Atomkraftwerk (AKW) – ist ein Elektrizitätswerk zur Gewinnung elektrischer Energie durch Kernspaltung in Kernreaktoren. Die Erzeugung elektrischer Energie geschieht indirekt. Die Wärme, die bei der Kernspaltung entsteht, wird auf ein Kühlmedium übertragen, wodurch dieses erwärmt wird. Im Normalfall besteht das Kühlmittel aus Wasser; bei der Erwärmung wird Wasserdampf erzeugt, der dann eine Dampfturbine antreibt. In den meisten Fällen besteht ein Kernkraftwerk aus mehreren Blöcken, die für sich völlig unabhängig voneinander elektrischen Strom erzeugen. Ende 2006 waren weltweit 210 Kernkraftwerke mit 435 Reaktorblöcken am Netz. Auch eine Anlage mit Fusionsreaktor wäre ein Kernkraftwerk. Jedoch ist die Energiegewinnung aus Kernfusion im technischen Maßstab bislang erst Gegenstand von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten und von der industriellen Nutzung noch weit entfernt. Physikalische Grundlage eines Kernkraftwerkes ist der Energiegewinn bei der Spaltung von Atomkernen. Er beruht darauf, dass die Bindungsenergie pro Nukleon in den Spaltprodukten größer ist als vorher im spaltbaren Kern. Die gewonnene Energie tritt als kinetische Energie der Spaltprodukte (zum kleineren Teil auch der Spaltneutronen und Produkte des weiteren Zerfalls der Spaltprodukte) auf. Sie wird durch die Abbremsung im umgebenden Material in Wärme umgewandelt. Für die bei Kernreaktionen und radioaktiven Umwandlungen frei werdende Energie wurde 1899 der Begriff Atomenergie von Hans Geitel geprägt; damals fehlten allerdings die Kenntnisse über den Aufbau von Atomen. Aufgrund dieser Erkenntnisse, insbesondere über den Atomkern, ist der heutige richtige naturwissenschaftliche Fachbegriff Kernenergie. Daraus abgeleitet entstanden die synonymen Begriffe Kernkraftwerk (KKW) und Atomkraftwerk (AKW). Der Begriff Atomkraftwerk wurde 1960 für das Versuchsatomkraftwerk Kahl benutzt. 1966 wurde für die Kraftwerke Rheinsberg und Gundremmingen A sowie alle nachfolgenden Anlagen in Deutschland die Bezeichnung Kernkraftwerk verwendet. Brennstoff Als Kernbrennstoff wird in den meisten heute betriebenen Kernkraftwerken angereichertes Uran (U-235-Anteil ca. 3–4 %) eingesetzt. Es gibt weltweit viele Kraftwerke mit einer Nutzungslizenz für MOX-Brennelemente, so auch in Deutschland. Mischoxid (MOX) ist ein Gemisch aus Uranoxid und Plutoniumoxid. Plutonium hat als Brennstoff eine höhere Energieausbeute, ist also effizienter als Uran. Die Verwendung von höheren Plutoniumanteilen (Pu-239) im MOX ist allerdings sowohl aufgrund der Waffenfähigkeit des Plutoniums als auch wegen der höheren Sicherheitsanforderungen eines mit Plutonium betriebenen Reaktors, z. B. Brutreaktor, umstritten. Seite 3 Reaktorregelung Kopfbereich eines Brennelementes Je nach Reaktortyp gibt es verschiedene Verfahren, die thermische Leistung zu regulieren. Hierzu zählen zum Beispiel das schrittweise Einfahren der Steuerstäbe und die Regulierung der Borkonzentration im Primärkreislauf. Der Reaktor kann über seinen Neutronenfluss geregelt, angefahren und abgeschaltet werden, indem man Neutronen-absorbierende Stoffe wie etwa Cadmium, Gadolinium oder Bor in den Reaktorkern gibt, bzw. neutronenverlangsamende Stoffe (sogenannte Moderatoren) wie Graphit, Wasser, oder Schwerwasser zugibt oder entfernt. Dies geschieht z. B. kurzfristig mit Hilfe der Steuerstäbe und bei Druckwasserreaktoren längerfristig durch Zugabe bzw. Entzug von Borsäure im Reaktorkühlkreislauf. In der Praxis wird die vom Generator zu erzeugende elektrische Leistung am Turbinenregler vorgegeben und die thermische Leistung des Reaktors automatisch nachgeführt. Seite 4 Risiken Die Energie, die aus der Kernspaltung gewonnen werden kann, ist gewaltig, jedoch sind damit auch, je nach Reaktortyp, nahezu keine bis große Risiken für Umwelt und Menschen verbunden. Die Spaltprodukte, die in abgebrannten Brennstäben enthalten sind, sind stark radioaktiv. Je nach Halbwertszeit sind die Spaltprodukte in einigen Jahren bis zu einigen Jahrmillionen zu stabilen Elementen zerfallen. Die abgebrannten Brennelemente werden zunächst für einige Monate bis Jahre in Abklingbecken der Kernkraftwerke gelagert. Da in Deutschland die Wiederaufbereitung seit Mitte 2005 verboten ist und noch kein genehmigtes Endlager für hochradioaktive Abfälle existiert, werden die Brennelemente nach etwa fünf Jahren in Transport- und Lagerbehälter (z.B. Castor- oder TN-Behälter) verpackt und in Zwischenlager gebracht, die sich zumeist direkt neben den jeweiligen Kraftwerken befinden. Neben der bei modernen Anlagen nicht messbaren Strahlenbelastung der Umgebung und der technisch schon gelösten, jedoch noch immer heftig diskutierten Endlagerung des Abfalls, gibt es laut Kernkraftgegnern das Risiko eines großen Unfalls bei dem Radioaktivität austreten könne. Auch könne bei einem sogenannten "Super-GAU" der Kernreaktor außer Kontrolle geraten und letztlich im schlimmsten Fall Spaltprodukte in die Umwelt ausstrahlen; dies ist jedoch in westlichen Reaktoren so gut wie ausgeschlossen, in Deutschland aufgrund der höchsten Sicherheitsstandards der Welt quasi unmöglich. Um selbst im Fall einer Kernschmelze das Austreten von Radioaktivität ausschließen zu können, haben Kraftwerke westlicher Bauart eine Reihe mehrstufiger Sicherheitsfunktionen und Sicherheitshüllen; weiterhin ist die in Druck- und Siedewasserreaktoren genutzte Technik so angelegt, dass die Kernreaktion durch kernphysikalische Gesetzmäßigkeiten im Notfall selbst reduziert wird bzw. die Kernspaltung zum Erliegen kommt; der sogenannte VoiD-Koeffizient, auch Dampfblasenkoeffizient genannt, ist aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten negativ. In jüngster Zeit wird ebenfalls über das Risiko von Terroranschlägen auf Kernkraftwerke debattiert. In der Schweiz verteilen die Behörden (Bundesamt für Gesundheit) auch seit 1993 präventiv Kaliumiodidtabletten an die Bevölkerung im Umkreis von 20 km um Kernkraftwerke, um bei einem Zwischenfall rasch die Einlagerung von radioaktiven Iodisotopen in die Schilddrüse durch eine Iodblockade zu verhindern und so das Risiko für Schilddrüsenkrebs zu minimieren. Die Kaliumiodideinnahme würde bei einem Störfall durch Sirenenalarm und Radiomitteilungen von den Behörden angeordnet. In Deutschland sind zu diesem Zweck ebenfalls tonnenweise Kaliumjodidtabletten vorrätig. Seite 5 Geschichte Das erste zivile Kernkraftwerk der Welt wurde 1954 im russischen Obninsk erfolgreich in Betrieb genommen, es hatte eine elektrische Leistung von 5 MW. Ein Jahr später wurde 1955 in Calder Hall (England) ein weiteres Kernkraftwerk errichtet, welches 1956 mit einer Leistung von 55 MW ans Netz ging und daher auch als erstes kommerzielles Kernkraftwerk der Welt bezeichnet wird. In den meisten frühen Kernkraftwerken kamen Siedewasserreaktoren zum Einsatz, da diese einfacher zu konstruieren und zu regeln sind. Inzwischen sind dagegen Druckwasserreaktoren üblicher, die höhere Leistungsdichten besitzen und bei denen der Kontrollbereich kleiner ist. Das erste Kernkraftwerk Deutschlands war das unter Lizenz von GE von der AEG gebaute Versuchsatomkraftwerk (VAK) Kahl (16 MWe) mit einem Siedewasserreaktor, der zuerst am 13. November 1960 kritisch wurde. Es folgten der Mehrzweckforschungsreaktor Karlsruhe (MZFR) in Karlsruhe (29. September 1965, 57 MWe) und der KKR Rheinsberg , ein Druckwasserreaktor sowjetischer Bauart in Brandenburg (damals DDR). Es wurde am 9. Mai 1966 das erste Mal ans Netz geschaltet und war bis 1990 in Betrieb. Das nächste war ein Siedewasserreaktor (KRB A) in Gundremmingen (14. August 1966, 250 MWe) und schließlich ein Kraftwerk mit einen Druckwasserreaktor 1968 in Obrigheim in Baden-Württemberg (357 MWe). Alle noch im Betrieb befindlichen deutschen Kernkraftwerke wurden von der Siemens AG oder deren ehemaliger Tochter, der Kraftwerk Union (KWU), gebaut. Ausnahmen bilden die Kraftwerke mit Siedewasserreaktoren (Brunsbüttel, Isar I, Philippsburg I und Krümmel). Sie wurden von der AEG begonnen und von der KWU fertiggebaut, nachdem die Kernkraftsparte der AEG in der KWU aufging. Entsprechend ihrer historischen Entwicklung teilt man Kernkraftwerke in verschiedene Generationen ein. Im April 1986 ereignete sich der bislang schwerste Störfall in einem Kernkraftwerk im ukrainischen Prypjat im Reaktor Tschernobyl, bei dem der Block 4 explodierte und erhebliche Mengen radioaktiver Nuklide in die Atmosphäre gerieten. Die Explosion des Reaktors ist auf menschliches Versagen sowie bauartbedingte Mängel (vor allem auf das Fehlen technischer Einrichtungen, welche die leichtfertige Fehlbedienung verhindert hätten) zurückzuführen. Der Störfall wurde zunächst tagelang vertuscht, bis man auch in Skandinavien stark erhöhte Radioaktivitätswerte messen konnte und die sowjetische Regierung durch den enormen öffentlichen Druck gezwungen war, die Beschädigung einzugestehen. Der neueste Auftrag (2004) für einen EPR Druckwasserreaktor von 1,6 GW Leistung wurde vom finnischen Energieversorgungsunternehmen Teollisuuden Voima Oy (TVO) für den Standort Olkiluoto an Framatome ANP erteilt. Der privat finanzierte Reaktor (3 Milliarden Euro) soll im Jahr 2009 an das Netz gehen. Den Bau des ersten schwimmenden Atomkraftwerks planen Russland und die Volksrepublik China. Der Reaktorblock mit einem KLT-Reaktor soll von Russland, und die Außenhülle soll von China gebaut werden. Die Kosten für das Projekt betragen über 86 Millionen US-Dollar. Das Atomkraftwerk, das zum Vergleich mit einem Haus neun Stockwerke hoch sein wird, befindet sich dann auf einem 140 Meter langen und 30 Meter breiten schwimmenden Block mit einer Wasserverdrängung von 21.000 Tonnen. Der Bau des Atomkraftwerks soll 2011 abgeschlossen sein und zunächst für das russische Rüstungsunternehmen Sewmasch in Sewerodwinsk in der Region Archangelsk Energie liefern. Geplant ist eine Leistung von 70 Megawatt. Seite 6 Sicherheit von Kernkraftwerken Die Sicherheit von Kernkraftwerken ist ein wichtige Forderung der Bevölkerung an alle dafür Verantwortlichen, insbesondere seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl Kernkraftwerke sind komplexe und große Anlagen. Wie in jeder Technik, ist es auch hier trotz aller Sicherheitsmaßnahmen unvermeidbar, dass gelegentlich beim Betrieb Störungen auftreten. Bei technischen Anlagen gibt es grundsätzlich immer ein Risiko, da auch ein Versagen noch so vieler Sicherheitsvorkehrungen niemals ganz ausgeschlossen werden kann. Im Grunde treten bei modernen westlichen Kernkraftwerken Störfälle aber weit seltener auf als bei zahlreichen anderen Technologien des täglichen Lebens. Die Angst vor Radioaktivität ist vor allem darin begründet, dass sie von den menschlichen Sinnen nicht wahrgenommen werden kann und es kaum wirksame Schutzmaßnahmen gibt, falls es zur Freisetzung größerer Mengen radioaktiver Stoffe kommen sollte. Problem und Lösungsansatz Das Risiko von Kernkraftwerken besteht im Wesentlichen im möglichen Austritt radioaktiver Stoffe in die Umgebung. Ein solcher Austritt kommt zum Einen durch die radioaktiven Emissionen im normalen Betrieb zustande. Zum Anderen kann er sich als Folge von kleineren oder größeren Störfällen bzw. Unfällen ergeben. Die Radioaktivitätsfreisetzung im Normalbetrieb ist allerdings so klein, dass darauf zurückzuführende gesundheitliche Schäden noch nie beobachtet wurden und nach heutigem Wissensstand solche Beobachtungen auch zukünftig nicht zu erwarten sind. Im Folgenden wird daher nur auf die Störfallsicherheit von Kernkraftwerken eingegangen. Einen Austritt radioaktiver Stoffe möglichst zu verhindern, war von Anfang an das Ziel der sicherheitstechnischen Entwicklung von Kernkraftwerken. Dabei geht man von der Erkenntnis aus, dass ein gravierendes Versagen von technischen Einrichtungen nicht rein zufällig eintritt, sondern aufgrund einer Kette von Ursachen und Wirkungen. Sind diese Wirkungsketten bekannt, können sie gezielt unterbrochen werden. Wird ein solches Unterbrechen mehrfach und mit voneinander unabhängigen Maßnahmen vorgesehen, kann man insgesamt eine sehr hohe Sicherheit erreichen, da Fehler in einzelnen Schritten durch Funktionieren der anderen Schritte aufgefangen werden können. Dabei ist es gleichgültig, diese Fehler auf ein Versagen von Komponenten oder Systemen („technische Fehler“) oder auf Fehlhandlungen von Menschen („Bedienungsfehler“) zurückzuführen sind. Man spricht von einem „mehrstufigen, fehlerverzeihenden Sicherheitskonzept“. Dieser Ansatz wird bei Kernkraftwerken grundsätzlich weltweit verfolgt. Wie erfolgreich er ist, hängt allerdings ganz wesentlich davon ab, wie er umgesetzt wird. Im Folgenden wird das systematische Vorgehen bei modernen, westlichen Leichtwasserreaktoren beschrieben. Vor allem bei Reaktoren aus dem früheren „Ostblock“ liegen zum Teil deutlich andere Verhältnisse vor. Seite 7 Das Restrisiko Das beschriebene Sicherheitskonzept ermöglicht ein sehr hohes Ausmaß an Sicherheit sowohl gegen technisches Versagen als auch gegen menschliche Fehler. Aber Null im mathematischen Sinne kann das Risiko nie werden, da ein gleichzeitiges Versagen noch so vieler Sicherheitsvorkehrungen niemals ganz ausgeschlossen werden kann. Das bei einer gewählten Auslegung verbleibende Risiko bezeichnet man als „Restrisiko“. Bei modernen westlichen Kernkraftwerken ist es sehr viel kleiner, als zahlreiche andere Risiken des täglichen Lebens. Diese Risikobewertung wird in der Öffentlichkeit häufig anders vorgenommen, wird aber von den meisten Fachleuten getragen. Betriebliche Störungen Kernkraftwerke sind komplexe und große Anlagen. Ein modernes Kernkraftwerk z. B. versorgt etwa eine Million Menschen mit dem benötigten Strom. Wie in jeder Technik, ist es auch hier unvermeidbar, dass beim Betrieb immer wieder Störungen auftreten. Anfänglich waren es noch sehr viele Störungen, durch den Lerneffekt wurden es dann immer weniger, aber auch heute noch treten sie auf und auch in der Zukunft werden sie unvermeidbar sein. Aus ihrem Auftreten alleine kann man noch nichts über die Sicherheit einer Anlage aussagen. Das kann man erst aus einer sorgfältigen Analyse der Störungen und ihrer Begleitumstände. Diese sorgfältige Analyse zu betreiben, ist ein wesentlicher Teil der laufenden Überwachung und Verbesserung der Sicherheit. Die Kernenergie unterscheidet sich diesbezüglich grundsätzlich nicht von anderen risikobehafteten Techniken. Tschernobyl Vorraussetzungen für Tschernobyl waren: Zum einen wies die Konstruktion des Reaktors gravierende Mängel auf: - Die Barrieren gegen den Austritt radioaktiver Substanzen waren weniger und qualitativ schlechter, insbesondere aber fehlten Sicherheitsbehälter und Stahlbetonhülle praktisch vollkommen - Regelstäbe im Reaktor wirkten kurzzeitig als „Gaspedal“. zum Anderen durch menschliche und organisatorische Fehler: - Der Reaktor wurde zur Zeit des Störfalles für einen Versuch außerhalb der Versuchsbeschreibung betrieben. - Die Sicherheitseinrichtungen wurden zum Teil abgeschaltet/überbrückt, um dieses Experiment zu ermöglichen. - Die Betriebsvorschriften wurden vom Betriebspersonal nicht eingehalten. - Auf das Betriebspersonal wurde Druck vom zuständigen Ministerium ausgeübt. Der gleiche Unfall wie in Tschernobyl kann in einem westlichen Kernkraftwerk sicher ausgeschlossen werden. Sicherheitstechnische Weiterentwicklung Die Sicherheit von Kernkraftwerken ist keine Naturkonstante. Sie ist abhängig davon, wie ein Kernkraftwerk konstruiert, gebaut und betrieben wird. Weltweit ist die Sicherheit von Kernkraftwerken seit ihrer Einführung 1956 durch Erfahrungszuwachs und Nachrüstungen deutlich gestiegen und diese Entwicklung hält noch weiter an. Seit 1994 wird in Deutschland Seite 8 darüber hinaus durch das geänderte Atomgesetz auch gefordert, dass bei neu zu errichtenden Kernkraftwerken auch über die Auslegung hinausgehende Störfälle (Kernschmelzunfälle) soweit eingedämmt werden müssen, dass sich ihre Auswirkungen im Wesentlichen auf das Kraftwerksgelände beschränken und in der Umgebung keine gravierenden Maßnahmen zur Risikobegrenzung (Evakuierungen) notwendig sind. Die neue deutsch/französische Gemeinschaftsentwicklung „European Pressurized Water Reactor“ erfüllt diese Bedingungen. Ein solches Kraftwerk wird zur Zeit in Finnland gebaut und in Frankreich ist ein Bau beschlossen worden. Absolute Sicherheit im mathematischen Sinn kann aber grundsätzlich nirgends, also auch nicht bei Kernkraftwerken erreicht werden. Es kann nur das Risiko als Produkt aus Wahrscheinlichkeit eines Unfalls und Folgen im Eintrittsfalle immer weiter gesenkt werden. Das ist bisher geschehen und wird auch weiter geschehen. Dabei werden sowohl die Sicherheit vorhandener Kernkraftwerke laufend verbessert als auch verbesserte Konstruktionen für neue Kernkraftwerke entwickelt. Ein Ende im laufenden Verbesserungsprozess ist nicht abzusehen. Seit Mai 2001 arbeiten mittlerweile 11 Länder in einem breit angelegten Gemeinschaftsprojekt unter Führung der USA im Rahmen des „Generation IV International Forum for Advanced Nuclear Technology“ an weiterentwickelten Reaktorkonzepten. Mit erheblichem Aufwand werden insgesamt 6 verschiedene Reaktorkonzepte mit dem Ziel einer deutlich weiter erhöhten Sicherheit und verbesserten Wirtschaftlichkeit bei gleichzeitig verbesserter Brennstoffausnutzung und erhöhter Proliferationssicherheit verfolgt, außerdem werden die Möglichkeiten der nuklearen Wasserstofferzeugung untersucht. Zwei dieser Konzepte sollen 2015 und die restlichen vier sollen 2020 die Baureife für Demonstrationsanlagen erreichen. Ein kommerzieller Einsatz könnte dann vielleicht 10 Jahre später erfolgen. Aber auch bei einem Erfolg dieses Programms wird das Risiko sich nicht auf Null drücken lassen. Die Risiken werden zwar (voraussichtlich) nochmals kleiner sein, aber die Notwendigkeit der Risikoabwägung wird auch dann noch bestehen. Statistische Daten Gemessene Statistiken zur Sicherheit von KKWs sind nur teilweise vorhanden, nämlich für kleinere Unfälle, die in der Vergangenheit tatsächlich eingetreten sind. Unfälle mit Radioaktivitätsaustritt und großen Todeszahlen kamen dagegen in der westlichen Hemisphäre in der Vergangenheit nicht vor. So erscheint die Anzahl der Todesopfer pro GWJahr in einer Statistik des PSI durch KKWs in OECD-Staaten als „Null“. Um repräsentative statistische Aussagen über einen gewissen Unfalltyp (etwa GAU) zu machen, müsste jedoch dieser Unfalltyp mindestens einmal eingetreten sein. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unfalls einer bestimmten Größe lässt sich daher nicht aus der Vergangenheit ablesen. Statistischer Vergleich zu anderen Energiequellen Die Zahl von unfallbedingten Todesfällen pro erzeugter Energiemenge ist für Kernkraft deutlich geringer als für andere Arten der Elektrizitätserzeugung. Eine Beispielrechnung für das schweizerische Kernkraftwerk Mühleberg ergibt 0,02 Todesfälle pro GWJahr. Diese Zahl schließt sowohl unmittelbare als auch verborgene Todesfälle ein. Zum Vergleich: die unmittelbaren Todesfälle durch andere Energiequellen waren 1969-1996: 0,1 Todesfälle pro GWJahr für Gasturbinenkraftwerke, 0,3 für Kohlekraftwerke und 0,9 für Wasserkraft. Würde der Bedarf an elektrischer Energie in Deutschland (derzeit etwa 66 GWJahre pro Jahr) also allein durch Kernkraftwerke gedeckt, wären im Langzeitdurchschnitt 1,3 Todesfälle pro Jahr zu beklagen. Würde er andererseits allein durch Gasturbinenkraftwerke gedeckt, wären es 6,6 Todesfälle pro Jahr, bei Kohlekraftwerken rd. 20 jährlich. Für erneuerbare Seite 9 Energiequellen wäre diese Zahl aufgrund ihrer arbeitsintensiven und dezentralen Struktur noch höher. Allerdings werden unterschiedliche Unfälle von der Öffentlichkeit unterschiedlich wahrgenommen: singuläre Ereignissen ziehen mediales Interesse auf sich. Ein Flugzeugabsturz mit 200 Todesfällen, was in Deutschland seltener als einmal pro Jahr vorkommt, erzeugt weit mehr Schlagzeilen als die jährlich etwa 8000 Toten im Straßenverkehr, da letztere in vielen kleinen Unfällen umkommen. In diese Richtung gehen die Argumente der KKW-Kritiker. Es komme daher nicht allein auf die Anzahl der Todesfälle pro GWh an. Die Todesfälle seien unterschiedlich zu bewerten, je nach Kontext, in dem sie entstehen. 1000 Einzelfälle mit je einem Todesfall seien weniger schlimm als ein einziger Unfall mit 1000 Todesfällen. In diesem Sinne seien 1000 Dachdecker, die bei der Installation von Photovoltaikanlagen einzeln umkommen, anders zu bewerten als 100 Todesfälle, die aufgrund eines einzelnen radioaktiven Störfalls eines Kernkraftwerkes umkommen. Kernkraftbefürworter halten dem entgegen, dass die maßgebende Zahl allein der jährliche Bedarf an elektrischer Energie in Deutschland sei. Diese Energie solle auf eine Weise hergestellt werden, die insgesamt möglichst wenige Todesfälle verursacht, egal ob in wenigen großen oder vielen kleinen Unfällen. Die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls Nach der Deutschen Risikostudie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit von 1989 ist für eines der deutschen Kernkraftwerke alle 33.000 Betriebsjahre mit einem schweren Unfall zu rechnen. Werden 17 laufende Kernkraftwerke in Deutschland (Stand 2005) und 30 Betriebsjahre berücksichtigt, liegt die Wahrscheinlichkeit aus dieser Studie bei knapp 2 Prozent. Allerdings bleiben in dieser Studie mehrere Aspekte unberücksichtigt. Sabotagemaßnahmen oder panikbedingte Fehlentscheidungen des Personals wie in Harrisburg fließen nicht in die Berechnungen ein. Auch bleiben unerwartete, da bis dahin übersehene physikalische Phänomene, unberücksichtigt. Ein Beispiel dafür ist die massive Produktion von Wasserstoff aus einer chemischen Reaktion zwischen Wasserdampf und dem überhitzten Metall überhitzter Brennstäbe bei Kühlmittelverlust. Bis zum Unfall in Three Mile Island waren weltweit keine Einrichtungen vorgesehen, welche die Vermischung dieses Wasserstoffs mit Umgebungsluft zu explosionsfähigem Knallgas verhindern. Die GRS-Studie von 1989 wurde von Atomexperten des Darmstädter Öko-Instituts dahingehend kritisiert, dass die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls hier als zu niedrig eingestuft wird. Andere Studien, insbesondere neuere der International Atomic Energy, kommen wiederum zu niedrigeren Unfallswahrscheinlichkeiten, da nachgerüstete Kernkraftwerke und erst recht neue Modelle über weiter gehende Sicherheitssysteme verfügen. So wird das Risiko eines Unfalls mit Reaktorschadens für den European Pressurized Water Reactor mit 1 pro 1.000.000 Betriebsjahre angegeben (Quelle: Bundesamt für Energie, Bern). Krankheitsfälle aufgrund angeblich radioaktiver Ursachen Klagen gegen Kraftwerksbetreiber wegen gehäufter Krankheitsfälle nach bekannt gewordenen Unfällen sowie die nachgewiesene Häufung bestimmter Krebsarten rund um bestimmte, für Störfälle bekannte Kraftwerke (auch in Deutschland) sind jedoch inzwischen unumstritten dokumentiert. Ursächliche Zusammenhänge zwischen den Kernkraftwerken und Krebserkrankungen in der Umgebung konnten aber trotz teilweise umfangreicher und mehrfacher Untersuchungen (z. B. KKW Krümmel / Leukämie in der Elbmarsch) - nicht wissenschaftlich belastbar nachgewiesen oder widerlegt werden. Wesentliches Problem des statistischen Nachweises solcher Effekte ist, dass die unterstellten Einflüsse (z. B. Krebserkrankung durch Strahlenbelastung) durch die geringen Fallzahlen und die geringen Strahlendosen nicht mit hinreichender Sicherheit von den sonstigen Einflüssen mit der Seite 10 gleichen Wirkung (z. B. Rauchen, Stress, Ernährung, Bevölkerungsmigration, etc.) und der natürlichen Eintrittswahrscheinlichkeit getrennt werden kann. Ebenso problematisch ist die Zuweisung eines bestimmten Todesfalls oder einer bestimmten Krebserkrankung zu einer bestimmten Ursache. Eine erhöhte Leukämierate bei Kindern gilt statistisch nicht als Beweis einer potentiellen Gefahr, da diese Kinder nicht beweisbar direkt durch den Betrieb des Kraftwerkes erkrankt sind, und da Erkrankungen (im Gegensatz zu Todesfällen) nicht in allen Statistiken zum Thema erfasst werden. Deutsche Kernkraftwerke in Betrieb Kernkraftwerk Typ KKB Brunsbüttel SWR KBR Brokdorf DWR KKU Unterweser DWR KKK Krümmel SWR KWG Grohnde DWR KKE Emsland DWR KWB A Biblis DWR KWB B Biblis DWR KKG Grafenrheinfeld DWR KKP-1 Philippsburg SWR KKP-2 Philippsburg DWR GKN-1 Neckar DWR GKN-2 Neckar DWR KKI-1 Isar SWR KKI-2 Isar DWR KRB B Gundremmingen SWR KRB C Gundremmingen SWR Nennleistung Stromerzeugung Infozentrum MW, brutto GWh, brutto, 2006 806 1.440 1.410 1.402 1.430 1.400 1.225 1.300 1.345 926 1.458 840 1.395 912 1.475 6.231 04852 87334 11.784 04829 752560 10.929 04732 802501 10.593 04152 152181 11.645 05155 672377 11.764 0591 8061612 7.429 06245 214803 8.807 06245 214803 9.960 09723 622202 7.206 07256 954599 11.548 07256 954599 6.677 07133 133565 11.621 07133 133565 7.087 08702 382465 12.408 08702 382465 1.344 10.614 08224 782231 1.344 11.052 08224 782231 Stand: 24.04.2007 DWR: Druckwasserreaktor SWR: Siedewasserreaktor Seite 11 Stillgelegte Anlagen In Deutschland wurden bisher 19 Kernkraftwerke – insbesondere Versuchs-, Prototyp- und Demonstrationsanlagen aus den 1960er und 1970er Jahren – außer Betrieb genommen. Darunter auch die fünf Blöcke des Kernkraftwerks Greifswald. elektrische Leistung Anlage Betriebsdauer MW (brutto) HDR Großwelzheim 25 1969 - 1971 KKN Niederaichbach 107 1972 - 1974 KWL Lingen 267 1968 - 1977 KRB-A Gundremmingen 250 1966 - 1977 MZFR Leopoldshafen 58 1965 - 1984 VAK Kahl 16 1960 - 1985 AVR Jülich 15 1966 - 1988 THTR Hamm-Uentrop 307 1983 - 1988 KMK Mülheim-Kärlich 1.308 1986 - 1988 KKR Rheinsberg 70 1966 - 1990 KGR 1-5, Greifswald 5 x 440 1973 - 1990 KNK Leopoldshafen 21 1977 - 1991 KWW Würgassen 670 1971 - 1994 KKS Stade 672 1972 - 2003 KWO Obrigheim 357 1968 - 2005 Stand: 15. Februar 2006 Seite 12 Kernkraftwerke, weltweit Rund um den Globus steigt der Bedarf an Energie von Jahr zu Jahr weiter an: Bis 2030 wird sich der Strombedarf weltweit ungefähr verdoppeln. Nach heutigen Erkenntnissen ist es nicht möglich, diesen wachsenden Energiebedarf ohne den Einsatz von Kernkraft zu decken. Kernkraft wird also auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen: Viele Länder wie z. B. USA, Frankreich, Großbritannien, Japan, Finnland, Russland und China setzen verstärkt auf Kernenergie. Weltweit setzen 31 Länder auf Kernenergie (Stand 12/2006) Im Dezember 2006 waren in 31 Ländern 437 Kernkraftwerke mit einer installierten elektrischen Bruttoleistung von rund 390 GW in Betrieb und in 10 Ländern 29 Kernkraftwerke mit einer elektrischen Bruttoleistung von 25,5 GW im Bau. Die weltweite Stromerzeugung aus Kernenergie betrug im Jahr 2006 brutto rund 2.660 Milliarden kWh. Seit der ersten Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk – am 20. Dezember 1951 im Schnellen Brüter EBR-I in den USA – sind kumulativ rund 56.875 Milliarden kWh erzeugt worden. Land Argentinien Armenien Belgien Brasilien Bulgarien China Deutschland Finnland Frankreich Großbritannien Indien Japan Kanada Korea (Republik) Litauen Mexiko Niederlande Pakistan Rumänien Russland Schweden Schweiz KE-Anteil an der KKW Nennleistung, Gesamterzeugung in Betrieb MWe, brutto in Prozent 2 1.005 7 1 408 42 7 6.092 54 2 2.007 3 2 2.000 44 10 8.074 2 17 21.366 26 4 2.800 28 59 66.160 78 19 11.902 19 16 3.800 3 56 49.860 30 18 13.360 16 20 18.393 39 1 1.300 70 2 1.366 5 1 515 4 2 462 3 1 706 9 31 23.242 16 10 9. 406 48 5 3.372 37 Seite 13 KE-Anteil an der KKW Nennleistung, Land Gesamterzeugung in Betrieb MWe, brutto in Prozent Slowakische Republik 5 2.200 57 Slowenien 1 727 40 Spanien 8 7.728 20 Südafrika 2 1.888 4 Taiwan 6 5.144 22 Tschechische Republik 6 3.734 32 Ukraine 15 13.818 48 Ungarn 4 1.866 38 USA 104 104.787 19 Gesamt 437 389.488 Top Ten 2006 Sieben der zehn weltweit besten Produktionsergebnisse bei der Stromerzeugung aus Kernenergie wurden im Jahr 2006 von deutschen Kernkraftwerken erzielt. Brutto- BruttostromLand Kernkraftwerk Betreiber Hersteller leistung erzeugung MW Mrd. kWh 1 Deutschland Isar-2 E.ON Kernkraft Siemens 1.475 12,40 2 Deutschland Brokdorf E.ON Kernkraft Siemens 1.440 11,78 3 U.S. South Texas-5 STP NOC Westinghouse 1.333 11,76 4 Deutschland Emsland KLE Siemens 1.400 11,76 5 Deutschland Grohnde E.ON Kernkraft Siemens 1.430 11,64 6 Frankreich Civeaux-2 EDF Areva 1.561 11,63 7 Deutschland Neckar-2 EnKK Siemens 1.395 11,62 8 Deutschland Philippsburg-2 EnKK Siemens 1.458 11,54 9 U.S. Grand Gulf-1 Entergy General Electric 1.320 11,24 10 Deutschland Gundremmingen-C KGG Siemens 1.344 11,05 Weltweite Rangfolge deutscher Kernkraftwerke bei der jährlichen Stromerzeugung in den Jahren 2000 bis 2006: '06 '05 '04 Seite 14 '03 '02 '01 '00 Platz 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. deutsche Anlagen: Stilllegung und Rückbau Bisher sind in Deutschland 19 Anlagen stillgelegt worden. Dabei handelt es sich überwiegend um Prototypanlagen mit kleiner Leistung aus der Anfangszeit der Kernenergienutzung. Erst in den 1990er Jahren sind leistungsstarke Blöcke vom Netz gegangen und befinden sich jetzt im Rückbau. Sicherheit hat höchste Priorität – jederzeit und in allen Kernkraftwerken Höchste Priorität bei der Nutzung der Kernkraft hat der Schutz für Mensch und Umwelt vor radioaktiver Strahlung. So verfügen westliche Reaktoren über eine druckfeste und gasdichte Hülle, die den Reaktorbehälter umschließt, das so genannte Containment. Ein System mit mehreren nacheinander gestaffelten Barrieren sorgt dafür, dass radioaktive Produkte, die bei der Kernspaltung entstehen, sicher eingeschlossen bleiben. Die Kernkraftwerke sind mit modernsten aktiven und passiven Schutzeinrichtungen ausgestattet. Mehrfach vorhandene, automatisch und unabhängig voneinander funktionierende Sicherheitssysteme, die nach technisch unterschiedlichen Prinzipien arbeiten, gewährleisten höchste Zuverlässigkeit – auch im unwahrscheinlichen Fall menschlichen Versagens. Seite 15 Druckwasserreaktor westlicher Bauart: Sicherheit durch eine druckfeste und gasdichte Stahlund Betonhülle und durch mehrere nacheinander gestaffelte Barrieren Unabhängige Kontrolle In Deutschland gelten strengste Vorschriften für die Errichtung und den Betrieb kerntechnischer Anlagen. Alle Kernkraftwerke unterliegen einer ständigen und unabhängigen behördlichen Überwachung und Kontrolle (Bundes- und Landesbehörden sowie internationale Aufsicht). Die Betreiber stehen zudem in einem regelmäßigen Austausch mit den Aufsichtsbehörden und investieren kontinuierlich in den Erhalt und die Verbesserung der Sicherheit ihrer Anlagen. Höchste Sicherheitskultur in Deutschland Deutsche Kernkraftwerke sind international führend in Sachen Sicherheit und Zuverlässigkeit und das nicht nur wegen ihrer Technik, sondern auch wegen der dahinter stehenden Sicherheitsphilosophie. Aufsichtsbehörden kontrollieren in Deutschland regelmäßig die Einhaltung der Sicherheitsstandards in den Kernkraftwerken. Behörden und Betreiber tauschen sich ständig aus. Die Mitarbeiter in den Kernkraftwerken sind hoch qualifiziert und motiviert und werden regelmäßig fortgebildet. Die Betreiber der Anlagen investieren fortwährend in den Erhalt beziehungsweise die Verbesserung der bestehenden hohen Standards. Seite 16 WARUM BRAUCHEN WIR KERNKRAFT? WEIL SIE AUS VIELEN GRÜNDEN UNVERZICHTBAR IST! Wir alle sind Stromverbraucher. Wir nutzen Handys und Computer, kühlen unsere Getränke im Kühlschrank oder schalten ganz selbstverständlich das Licht an. Jeder von uns ist täglich darauf angewiesen. Aber auch die Industrie braucht für den Betrieb ihrer Anlagen und für die Herstellung zahlreicher Produkte viel Strom, manchmal sogar rund um die Uhr. Stromverbrauch pro Jahr Spielkonsole 57,6 kWh Computer 200 kWh Fernseher 220 kWh 3-Personen-Haushalt 3.500 kWh Hallenbad 450.000 kWh Krankenhaus 2.400.000 kWh Aluminiumhütte 3.300.000.000 kWh Unser Energiemix In Deutschland wird der Strom aus unterschiedlichen Quellen gewonnen. Energie wird beispielsweise aus Braunkohle, Steinkohle oder Erdgas – sie werden als fossile Brennstoffe bezeichnet – erzeugt. Dazu kommen so genannte Erneuerbare Energien wie Wind- und Wasserkraft. Ein sehr wichtiger Träger im Energiemix ist insbesondere die Kernkraft, die seit vielen Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Stromversorgung leistet. Im Jahr 2006 betrug ihr Anteil an der deutschen Stromerzeugung rund 27 Prozent. Bei der Stromversorgung rund um die Uhr, der so genannten Grundlast, sogar rund 50 Prozent. links: Energiemix 2006 in Deutschland (brutto), Quelle: DIW Kernenergie ist wirtschaftlich Die Rohstoffe zur Energieerzeugung werden immer knapper. Deswegen steigen auch die Preise für Energie weiter an. Strom aus Uran kann jedoch sehr günstig hergestellt werden. Das liegt vor allem daran, dass der Brennstoff nur einen geringen Anteil an den Erzeugungskosten für den Strom ausmacht. Das heißt, wenn das Uran teurer wird, hat das nur geringe Auswirkungen auf den Strompreis. Seite 17 Uranvorkommen, Uranreserven: Uran ist ein Schwermetall. Es ist nicht selten, sondern kommt in der Erdkruste etwa ebenso häufig vor wie Zinn und Wolfram. Behauptungen, die Uranreserven würden bald zur Neige gehen, beruhen auf einem Missverständnis des geologischen Begriffs „Reserven“ ganz allgemein (nicht nur das Uran betreffend), das auch schon bei dem Ehepaar Dennis und Donella Meadows bestand, als es für den „Club of Rome“ den längst von der Wirklichkeit widerlegten Bestseller „Limits to Growth“ (Grenzen des Wachstums) schrieb. Unter „Reserven“ versteht der Geologe nämlich nicht die Gesamtheit der Vorkommen eines mineralischen Rohstoffes auf unserem Planeten, sondern nur denjenigen Teil der bislang bekannten Vorkommen, der mit heutigen Abbaumethoden wirtschaftlich gewinnbar ist, d. h. zu heutigen Marktpreisen profitabel gewonnen werden kann. Das ist eine mehrfache Einschränkung. Bekannte Vorkommen: Die Suche nach Mineralien ist aufwendig. Bergbaufirmen investieren nur so viel Geld, dass sie genügend Abbaurechte haben, um ihr erwartetes jährliches Liefervolumen für die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte gesichert zu sehen. Bei Uran gilt das genauso wie bei anderen Rohstoffen. Heutige Abbaumethoden: Der technische Fortschritt kann bislang unwirtschaftliche Lagerstätten wirtschaftlich nutzbar machen oder die Ausbeute einer Lagerstätte erhöhen, wie z. B. beim Erdöl die sekundären und tertiären Fördermethoden. Die zuverlässigste und vollständigste Quelle über die Versorgung mit Uran ist der seit 1965 alle zwei Jahre erscheinende Bericht „Uranium: Resources, Production and Demand“, der gemeinsam von der Nuclear Energy Agency der OECD und der International Atomic Energy Agency der Vereinten Nationen herausgegeben wird. In Fachkreisen ist er als „Red Book“ bekannt. Seite 18 Entwicklung der Kernenergie: Die Entwicklung der Kernenergie der letzten 50 Jahre kann in drei Phasen unterteilt werden: Die erste Phase umfasst den Zeitraum 1955 bis etwa 1970. Diese Phase ist durch eine euphorische Aufbruchstimmung gekennzeichnet, die nach der 1. Genfer Konferenz über die friedliche Nutzung der Kernenergie begann. Damals planten zahlreiche Staaten ein umfangreiches Kernenergie-Programm, eine große Anzahl von Forschungs- und Leistungsreaktoren wurden errichtet, und die Nuklearforschung erlebte einen intensiven Aufschwung. Die zweite Phase von etwa 1971 bis 1985 umfasst die Konsolidierung der Kerntechnik. Die Kernkraftwerke erreichten eine großtechnische Reife; Es wurden aus Kostengründen bereits standardisierte Anlagen angeboten, die Blockleistung betrug bereits um 1000 MWe; dem Brennstoffkreislauf und der Entsorgung wurde große Beachtung zuteil; probabilistische Risikoanalysen entstanden erstmals. Der Störfall in Three Mile Island (1979) lenkte das Augenmerk der Öffentlichkeit aber auch der Techniker erstmals auf schwere Störfälle, aber generell war die Kernenergie nicht Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die dritte Phase wurde mit dem Unfall von Tschernobyl eingeleitet - ein Schock für die Techniker und für die Öffentlichkeit. Ausgehend von einem Reaktortyp, der zwar bekannt war, der aber über Jahre hindurch sicher nicht im Mittelpunkt des Interesses der Fachwelt stand. Aus der damaligen Sowjetunion war der technische Informationsfluss ohnehin sehr spärlich, und eine Einflussnahme von außen auf sicherheitstechnische Auslegungen war unmöglich. Dieser Störfall vom 26.April 1986 stellte alle Bemühungen der Techniker um sichere Kernkraftwerke schlagartig in Frage. Für die Öffentlichkeit war Kernkraftwerk gleich Kernkraftwerk, egal welche Auslegungsmängel oder sonstige technische Unterschiede vorlagen. Auch jenen Staaten, die keine Kernkraftwerke betrieben (wie zum Beispiel auch Österreich) wurde plötzlich bewusst, dass sie keine "Insel der Seligen" sind und Fachleute benötigen, die eine fundierte Nuklearausbildung aufweisen können. Tschernobyl führte zu einem weiteren Anlauf, die Sicherheitsphilosophie von Kernkraftwerken zu überdenken, Schwachstellen aufzuzeigen und Verbesserungsmaßnahmen vorzunehmen. Ein Schritt in die Zukunft ist der European Pressurized Water Reactor, der mit weiteren Sicherheitsmaßnahmen einen sogenannten "ultrasicheren Reaktor" darstellen wird. Seite 19 Kernfusion Derzeit fließen die meisten Energieforschungsmittel in die Fusionsforschung, da man durch die Beherrschung der kontrollierten Kernfusion eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung hätte. Am ehesten sollte die Fusion in einem Deuterium-Tritium-Gemisch machbar sein. Die Fusionsenergie von einem Kilogramm dieses Gemisches beträgt 200 GWh. Nach den derzeitigen Vorstellungen kann die Fusionsreaktion nur in einem magnetisch eingeschlossenen Plasma bei etwa 80 Millionen °C oder, im Fall eines Trägheitseinschlusses, unter extremen Drücken - etwa 1000 mal der Festkörperdichte - erreicht werden. Obwohl in den letzten Jahrzehnten eindeutig Fortschritte erzielt werden konnten, ist mit einem Durchbruch nicht vor 40 bis 50 Jahren zu rechnen. Nachdem das radioaktive Tritium eingesetzt werden wird und die entstehenden Neutronen Aktivierungen des Strukturmaterials verursachen, wird die Frage der Beherrschung der radiologischen Probleme weiterhin eine Begleiterin der Kernenergie sein. Nicht Angst, sondern eine rationale Behandlung aller mit der Kernenergie in Zusammenhang stehenden Fragen sollte uns daher in der Zukunft leiten, um die Möglichkeiten dieser Technik zum Wohle der stetig steigenden Weltbevölkerung weiterhin verfügbar zu machen. Siedewasserreaktor Der Siedewasserreaktor (kurz SWR) ist ein Atomreaktor, der dem Druckwasserreaktor in vielem ähnelt. Er gehört wie der Druckwasserreaktor zu den Leichtwasserreaktoren, im Gegensatz zum Druckwasserreaktor gibt es aber nur einen Wasser-/Dampfkreislauf. Wirkungsweise Das vorgewärmte Wasser wird in den Druckbehälter des Reaktors gepumpt, der durch das Containment vom restlichen Aufbau isoliert ist. In dem Druckbehälter befinden sich die Brennelemente aus Urandioxid angereichert mit Uran-235, das temperaturbeständig und chemisch nicht reaktiv ist. Das hier verwendete Uran ist bis zu 4,02 % angereichert. Der Druckbehälter ist zu ungefähr zwei Dritteln mit Wasser gefüllt. Durch die beim Kernzerfall entstehende Wärme verdampfen Teile des Wassers bei 71 bar und 286 °C im Druckbehälter; dieser Dampf treibt die Turbine an. Mit Hilfe eines Generators wird die Drehbewegung der Turbine in elektrischen Strom umgewandelt. Der entspannte Wasserdampf wird durch Kühlwasser im Kondensator verflüssigt und wieder dem Kreislauf zugeführt. Die im Reaktor erzeugte Dampfmenge beträgt bei einem Siedewasserreaktor eines deutschen Kernkraftwerkes etwa 7000 Tonnen pro Stunde. Die Reaktorleistung kann über Wasserumwälzpumpen im Bereich zwischen etwa 60 % und 100 % geregelt werden. Die weitere Regelung findet über Steuerstäbe aus Borcarbid oder den Metallen Hafnium oder Cadmium statt. Beim Abschalten aller Umwälzpumpen fällt die Leistung auf 30-40 % der Nennleistung in den sogenannten Naturumlaufpunkt. Der (potentielle) Wirkungsgrad eines Siedewasserreaktors ist nur unwesentlich kleiner als der des Druckwasserreaktors. Der Nettowirkungsgrad liegt bei ca. 35 Prozent. Seite 20 Sicherheit Die Dampfturbine wird im Siedewasserreaktor direkt von dem im Reaktordruckbehälter erzeugten Wasserdampf betrieben. Der radioaktive Kreislauf ist somit nicht auf den Sicherheitsbehälter beschränkt, daher müssen - beispielsweise für die Abdichtung der Turbinenwelle - besondere Vorkehrungen getroffen werden. Anders als beim Druckwasserreaktor gehört das Maschinenhaus hier zum Kontrollbereich, so dass während des Leistungsbetriebs nur eingeschränkt dort gearbeitet werden kann. Durch die im Reaktordruckbehälter eingebauten Wasserabscheider und Dampftrockner verlässt während des Leistungsbetriebs lediglich Dampf den Reaktor, der im Vergleich zum flüssigen Kühlmittel erheblich weniger radioaktiv kontaminiert ist. Bei den im Dampfkreislauf befindlichen radioaktiven Stoffen handelt es dich im Wesentlichen um radioaktive Edelgase und deren Tochternuklide. Jedoch werden die Rohrleitungen und Teile der Turbinen durch den permanenten Kontakt mit diesen Stoffen im Laufe der Zeit an der Oberfläche verseucht. Wenn hier Teile ausgetauscht werden, so müssen diese durch Abtragen der Oberfläche z.B. durch Sandstrahlen beseitigt werden. Dies gilt selbstverständlich ebenfalls für kühlmittelführende Leitungen eines Druckwasserreaktors. Die Steuerstäbe werden bei Siedewasserreaktoren von unten in den Reaktor eingefahren. Die Steuerstäbe werden im Betrieb durch elektrische Antriebe verfahren, für die Schnellabschaltung steht unabhängig davon ein hydraulisch wirkendes System zur Verfügung. Dieses folgt dem sogenannten failsafe-Prinzip, d.h. beim Ausfall von z.B. der Energieversorgung läuft die Schnellabschaltung durch in Drucktanks gespeicherte Energie von selbst ab. Bei einem unterstellten Ausfall der Steuerung der Steuerelemente kann die Kernreaktion auch durch Borsäureeinspeisung unterbrochen werden (sogenanntes Vergiftungssystem). Nach dem Abschalten des Reaktors muss bei jedem Reaktortyp die Nachzerfallswärme abgeführt werden. Beim Siedewasserreaktor kann die Nachzerfallswärme durch Ableiten von Dampf in den Turbinenkondensator oder in einen Kondensationsbehälter abgeführt werden. Durch die hohe Energieabfuhr über den Dampf benötigt der Siedewasserreaktor nur eine geringe Wassernachspeisung zum Abführen der Nachzerfallswärme. In vielen Siedewasseranlagen steht dazu eine Hochdruckpumpe zur Verfügung die von einer kleinen Dampfturbine angetrieben wird. Es wird dabei zugleich Energie aus dem Reaktor abgeführt, wie auch Wasser nachgespeist. Die Regelung dieses Aggregats kann aus Batterien erfolgen, so dass für begrenzte Zeit eine Kernkühlung auch ohne Diesel-Notstromgeneratoren möglich ist. Eine bedeutsame sicherheitstechnische Eigenschaft ergibt sich aus der möglichen Kühlung des oberen Teils der Brennelemente durch vorbeiströmenden Dampf. Falls der Füllstand des Reaktorwassers unter die Oberkante des Reaktorkerns fallen sollte, so reicht die Wärmeableitung mit dem nach oben abströmenden Dampf immer noch aus um die Brennstäbe soweit zu kühlen, dass kein unmittelbarer Schaden eintritt. Seite 21 Anwendungsbereich Siedewasserreaktoren sind weniger verbreitet als Druckwasserreaktoren, zumal beide Reaktortypen einen ähnlichen Wirkungsgrad besitzen. Ein Vorteil gegenüber dem Druckwasserreaktor ist der geringere bautechnische Aufwand (so gibt es zum Beispiel nur einen Wasserkreislauf) sowie eine einfachere Störfallbeherrschung. Ein wesentlicher Nachteil ist die wegen der dort herrschenden Strahlung nur eingeschränkte Begehbarkeit des Maschinenhauses während des Leistungsbetriebs. Die Leistung des Siedewasserreaktors wird zwischen etwa 60 und 100 Prozent durch Verändern der Umlaufgeschwindigkeit des Wassers, und damit des Dampfblasengehalts im Reaktor geregelt. Durch die höhere Regelgeschwindigkeit ist der Siedewasserreaktor für die Erzeugung von Mittellast im Netz einsetzbar. Eine Variante des Siedewasserreaktors ist der Siedewasserdruckröhrenreaktor. Standorte in Deutschland: Kernkraftwerk Brunsbüttel Kernkraftwerk Philippsburg (Block 1) Kernkraftwerk Isar (Block 1) Kernkraftwerk Krümel Kernkraftwerk Gundremmingen (Blöcke B und C) Kernkraftwerk Würgassen Standorte in der Schweiz: Kernkraftwerk Leibstadt Kernkraftwerk Mühleberg Standort in Österreich: Kernkraftwerk Zwentendorf Seite 22 Druckwasserreaktor Aufbau eines Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor Der Druckwasserreaktor ( DWR ) ist eine zu den Leichtwasserreaktoren gehörende Bauform eines Kernreaktors. Beim Druckwasserreaktor besteht das Kühlmittel aus Wasser (H2O), dem eine veränderliche Menge an Borsäure zugesetzt wird. Bor ist ein wirksamer Absorber für Neutronen, somit kann durch die Borsäurekonzentration die Leistung des Reaktors geregelt werden. Eine automatische, in der Physik begründete Leistungsregelung liegt im Zusammenhang von Brennstoff- und Kühlmitteltemperatur mit der Reaktivität. Eine Temperaturerhöhung im Reaktor führt zu: erhöhter Brennstofftemperatur: Dadurch steigt die Neigung des nicht spaltbaren Uranisotops 238, Neutronen zu absorbieren. erhöhte Kühlmitteltemperatur, geringere Dichte: Dadurch verringert sich die Moderationseigenschaft des Kühlmittels. Durch diese Effekte verringern sich die Reaktivität und somit die Leistung des Reaktors. Das Kühlmittel wird im Primärkreislauf unter erhöhtem Druck von 154–160 bar durch den Reaktorkern geleitet, wo es die Wärme des Kernzerfalls aufnimmt und sich auf etwa 325 °C erwärmt. Von dort wird es mit Kreiselpumpen in die Dampferzeuger gepumpt, die in der Form von Rohrbündelwärmetauschern ausgeführt sind. Nach der Übertragung der Wärme fließt das Kühlmittel zurück in den Reaktorkern. Dies ist ein Vorteil gegenüber dem Siedewasserreaktor, da das Kühlmittel, das zugleich als Moderator dient und außerdem immer etwas radioaktiv verunreinigt ist, sich ständig innerhalb des Sicherheitscontainments befindet. Daher sind im Maschinenhaus keine Strahlenschutzmaßnahmen notwendig. Das Wasser im Sekundärkreislauf steht unter einem Druck von etwa 65 bar, weshalb es an den Heizrohren der Dampferzeuger erst bei 280 °C verdampft. In einem Kernkraftwerksblock der in Deutschland üblichen elektrischen Leistung von 1400 MW beträgt die dabei entstehende Dampfmenge für alle Dampferzeuger zusammen etwa 7000 Tonnen pro Stunde. Der Wasserdampf wird über Rohrleitungen in eine Dampfturbine geleitet, die über den angekoppelten Generator elektrischen Strom erzeugt. Danach wird der Dampf in einem Kondensator niedergeschlagen und als Wasser mit der Speisepumpe wieder den Dampferzeugern zugeführt. Seite 23 Druckwasserreaktoren besitzen einen Wirkungsgrad von 32-36 % (wenn man die Urananreicherung mitrechnet), also sehr ähnliche Werte wie ein KKW des Typs Siedewasserreaktor. Ausführungen des Druckwasserreaktors sind zum Beispiel der von Siemens in den 1980ern in Deutschland gebaute Konvoi, der von Framatome in Frankreich gebaute N4 und der sowjetische WWER-Reaktor. AREVA NP baut zur Zeit in Olkiluoto (Finnland) einen European Pressurized Water Reactor (EPR), eine Weiterentwicklung der Konvoi und N4 Kernreaktoren. Druckwasserreaktoren haben bereits eine lange technische Entwicklung hinter sich. Dieser Reaktortyp wurde zunächst in großen Stückzahlen zum Antrieb von Kriegsschiffen gebaut. Die erste Anwendung für friedliche Zwecke war die 1957 fertiggestellte Anlage Shippingport, USA, mit 136 MW. WWER-Reaktor WWER-1000 (Wasser-Wasser-Energie-Reaktor mit 1.000 MW elektrischer Leistung) ist ein russischer Druckwasserreaktor. Unter der Bezeichnung WWER (Wasser-Wasser-EnergieReaktor) werden bestimmte Typen von Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart zusammengefasst. Man unterscheidet Reaktoren aus vier Generationen. Seite 24 Die erste Zahl gibt das Reaktormodell an, meist entspricht dies der ungefähren Leistung der Reaktoren. Die zweite Zahl ist die Version des Reaktors bzw. der Projektname. WWER-440 Wie alle Druckwasserreaktoren verwendet auch der WWER-440 Wasser sowohl zur Kühlung des Reaktorkerns und zur Erzeugung von Dampf als auch zum Moderieren der Kettenreaktion. Als Brennstoff dient schwach angereichertes Urandioxid. Zu den Besonderheiten des WWER-440/230 zählt die Errichtung von Doppelblöcken mit einem gemeinsamen Maschinenhaus. Die Reaktoren der ersten WWER-Generation haben eine Reihe von Sicherheitsmängeln: geringe Redundanz der Sicherheitseinrichtungen keinen alles umschließenden Sicherheitsbehälter keine ausreichende Notkühlung bei Bruch einer Hauptkühlmittelleitung schlechte räumliche Trennung der (redundanten) Sicherheitseinrichtungen unübersichtliche, veraltete Leittechnik und Bedienarmaturen Es wurden zahlreiche Mängel behoben. So ist das Notkühlsystem nun fähig, bei sämtlichen Defekten der Kühlmittelversorger wirksam einzugreifen. Weiter wurden die Sicherheitssysteme dreifach redundant ausgelegt und der Brandschutz deutlich verbessert. Die Europäische Union hat erklärt, dass Reaktoren des Typs nicht auf das erforderliche Sicherheitsniveau gebracht werden können und daher möglichst stillgelegt werden sollten. WWER-1000 Der WWER-1000 ist eine Weiterentwicklung des WWER-440 mit verbesserten Sicherheitseinrichtungen – unter anderem einen Sicherheitsbehälter – und höherer Leistung (1.000 MW), wobei jedoch bewährte Bauteile vom WWER-440 übernommen wurden. Die WWER-1000-Reaktoren lassen sich mit entsprechendem Aufwand auf ein höheres Sicherheitsniveau bringen. Es müssen die gesamte Leittechnik sowie die langsamen Rechner ausgetauscht werden. Weiterhin wird ein Teil der immer noch benutzerunfreundlichen Überwachungssysteme und -anzeigen modernisiert. Schließlich sind auch bauliche Veränderungen empfohlen. Es gibt zwei verschiedene Varianten des WWER für die Variante AES-92 wurden mehr passive Sicherheitseinrichtungen vorgesehen. Das Kernkraftwerk vom Typ AES-91 besitzt im Gegensatz zum Typ AES-92 einen zusätzlichen Schutz vor Erdbeben. Seite 25 Schwerwasserreaktor Der Schwerwasserreaktor (Heavy Water Reactor; HWR) ist ein Reaktortyp, bei dem schweres Wasser (D2O) als Kühlmittel und Moderator verwendet wird. Schweres Wasser ist dadurch gekennzeichnet, dass das Wasserstoffatom (H) mit der Massenzahl 1 durch das schwerere Wasserstoffisotop Deuterium (D) mit der Massenzahl 2 ersetzt wird. Als Brennstoff kann bei diesem Reaktortyp Uran mit natürlicher Isotopenzusammensetzung oder auch leicht angereichertes Uran verwendet werden; eine Anreicherung wie beim Brennstoff für Leichtwasserreaktoren ist also nicht erforderlich. Dies liegt daran, dass die Neutronen in schwerem Wasser weniger stark absorbiert werden als in normalem Wasser und damit die Reaktivität erhöht wird. Ein Nachteil besteht darin, dass die Herstellung des schweren Wassers teuer ist. Außerdem ergeben sich höhere Kosten durch die größeren Abmessungen und den damit verbundenen höheren Materialbedarf solcher Reaktoren. Schwerwasserreaktoren werden vor allem von Ländern mit eigenen Uranvorkommen, die keine Uran-Anreicherungsanlage besitzen, betrieben. Von den verschiedenen Reaktortypen hat sich vor allem der in Kanada entwickelte, so genannte CANDU-Reaktor durchgesetzt. Vom Schwerwasserreaktor unterscheidet sich der Leichtwasserreaktor, in dem normales Wasser als Kühlmittel und Moderator dient, sowie der Hochtemperaturreaktor. Hochtemperaturreaktor Graphitkugel für Hochtemperaturreaktor Der Begriff Hochtemperaturreaktor (HTR) oder Kugelhaufenreaktor bezeichnet in der Kerntechnik eine Bauart von in der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Kernreaktoren, die durch sparsamen Uranverbrauch, geringe Abwärmeerzeugung und das Potenzial zur Fernwärmenutzung gekennzeichnet sind. Der Name gründet auf einer relativ hohen Nutzungstemperatur von 300 bis 950 °C, die bei einem HTR entsteht. Dieser Reaktortyp benutzt Heliumgas als Kühlmittel und Graphit als Moderator. Aufgrund seiner Bauart gilt der Kugelhaufenreaktor als sicherer und effizienter als herkömmliche Reaktortypen. Seite 26 Funktionsprinzip Hochtemperaturreaktoren verwenden im Gegensatz zu wassergekühlten und wassermoderierten Reaktoren Graphit als Moderator und Helium als Kühlmittel. Der primäre Spaltstoff ist 235U. Daneben tragen erbrütete Spaltstoffe zur Energieerzeugung bei. Beim Hochtemperaturreaktor ist aus neutronenphysikalischen Gründen der Einsatz von Thorium als Brutstoff vorteilhaft. Aus dem Thoriumisotop 232Th entsteht das spaltbare Uranisotop 233U. Ursprünglich sollte dieser Reaktortyp bei seinem Betrieb aus 232Thorium durch Neutroneneinfang das spaltbare 233Uran erbrüten. Allerdings stellte sich heraus, dass es aufwendig ist, das erbrütete Uran aus seinem Einschluss zu befreien; letztendlich ist diese Methode der Uranherstellung nicht wirtschaftlich. Eine spezielle Eigenschaft des in Deutschland entwickelten Hochtemperaturreaktors sind die kugelförmigen Brennelemente im Gegensatz zu Entwicklungen mit prismatischen Brennelementen in den USA. Diese Brennelementkugeln, die im Reaktorkern einen Kugelhaufen bilden (daher auch die Bezeichnung Kugelhaufenreaktor), erlauben die beständige Entnahme verbrauchter Brennelemente und deren Ersatz durch frische Brennelemente. Der hauptsächlich verwendete Werkstoff ist Graphit. Reaktoraufbau Wie andere Kernreaktoren erzeugt ein HTR im Betrieb Wärme, die über ein Medium (Wasser, Gas) zu einer Turbine gebracht wird. An der Turbine wird mittels eines angeschlossenen Generators Elektrizität erzeugt. Das spaltbare Material, Uran, Thorium oder Plutonium (in Entwicklung, um den Hochtemperaturreaktor zur Vernichtung von Waffenplutonium einzusetzen), ist als keramisches Oxid in Graphitkugeln eingeschlossen. Im Allgemeinen liegt das Spaltmaterial in Form kleiner Körner vor, die gleichmäßig in der Kugel verteilt sind; zwischen den Körnern befindet sich das Graphit der Kugel. Die Kugeln sind etwa tennisballgroß (Durchmesser 6 cm) und etwa 200 g schwer; davon sind 5 % spaltbares Material. Ein Reaktor mit einer Leistung von 120 Megawatt braucht 380.000 solcher Kugeln. Der Kernreaktor ist ein großer Raum, der mit den Kugeln aufgefüllt wird. Die Kugeln lassen sich in stationären Reaktoren automatisch zugeben und entnehmen. Ein reaktionsträges Gas, etwa Helium, Stickstoff oder Kohlendioxid, ist im Umlauf durch die Kugelzwischenräume. Dabei nimmt es die bei der Kernreaktion entstehende Wärme auf und trägt sie im Idealfall direkt zur Turbine. Wenn das Gas radioaktiv werden kann (Stickstoff, Kohlendioxid), ist es notwendig, einen Zwischenkreislauf einzurichten, damit das radioaktive Gas die Turbine nicht verseucht wird. In der Mehrzahl der stationären und im Gegensatz zu den mobilen KHR lassen sich die Kugeln während des Betriebs ständig oben zugeben und unten entnehmen. Dadurch wird ein ununterbrochener Betrieb möglich, der gleichzeitig einen kontinuierlichen Austausch des Brennmaterials erlaubt. Verbrauchte Kugeln lassen sich so entfernen und durch neue ersetzen. Ein sich automatisch aus der Bauweise ergebender Vorteil liegt in der Betriebssicherheit. Mit zunehmender Temperatur des Reaktors erhöht sich die thermische Geschwindigkeit der Brennstoffatome, was aufgrund der Dopplerverbreiterung die Wahrscheinlichkeit des Neutroneneinfangs durch 238Uran erhöht und dadurch die Reaktionsrate reduziert. Bauartbedingt gibt es also eine maximale Reaktortemperatur, und wenn diese unterhalb des Schmelzpunktes des Reaktormaterials liegt, kann keine Kernschmelze stattfinden. Es muss nur sichergestellt sein, dass der Reaktor die entstehende Wärme passiv nach außen abstrahlen kann. Da in dieser Situation auch kein Schaden am Reaktor entsteht, ist nach einem solchen Zustand der Reaktor weiter benutzbar und das Reaktormaterial kann entnommen werden. Damit wird auch der Betrieb des Reaktors vereinfacht. Anstatt durch Kontrollstäbe kann der Reaktor durch seine Betriebstemperatur, also durch die Durchflussrate des Kühlmittels, gesteuert werden. Wenn viel Energie Seite 27 entnommen werden soll, fließt mehr Kühlmittel, die Temperatur sinkt, der Reaktor produziert mehr Energie; wenn weniger Energie entnommen werden soll, fließt weniger Kühlmittel, die Temperatur steigt, der Reaktor produziert weniger Energie. Für das vollständige Abstellen des Reaktors sind allerdings neutronenabsorbierende Kontrollstäbe notwendig. Ein weiterer Vorteil des Kugelhaufenreaktors liegt in der im Vergleich zu wassergekühlten Reaktoren hohen Betriebstemperatur, die einen höheren Prozesswirkungsgrad ermöglicht. Wenn Helium als Kühlmittel verwendet wird, ist eine direkte Speisung des Heliums in die Turbine denkbar. Helium absorbiert fast keine Neutronen und wird im Betrieb nicht radioaktiv. Zusätzlich ist allerdings sicherzustellen, dass die Kugeln ‚dicht‘ sind, und keine Zerfallsprodukte abgeben. Die hohe Betriebstemperatur hat den zusätzlichen Vorteil, dass sich im Graphitmoderator keine Wigner-Energie aufbauen kann. Seite 28 Geschichtliche Entwicklung Die grundlegenden Ideen des Kugelhaufenreaktors wurden in den 50er Jahren von Rudolf Schulten entwickelt. Der Durchbruch lag in der Idee, dass Kugeln aus Graphit die bis zu 15.000 sogenannten „Coated Particles“ enthalten, in denen der Kernbrennstoffkern durch Schichten aus Siliziumkarbid und pyrolytischem Kohlenstoff geschützt ist. Diese Kugeln werden sowohl hohen Temperaturen (bis 2.000 °C) als auch mechanischen Anforderungen gerecht. In Deutschland waren zwei Hochtemperaturreaktoren in Betrieb: AVR im Forschungszentrum Jülich (1967–1988) THTR-300 in Hamm-Uentrop (1983–1988) Außerdem war Mitte der 80er Jahre der Bau eines HTR-500 bis 1993 geplant. Ein Versuchsreaktor mit einer elektrischen Leistung von 15 Megawatt wurde von der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) in der Kernforschungsanlage Jülich (Deutschland) gebaut und in Betrieb genommen, um Erfahrungen mit diesem Reaktortyp zu sammeln. Erstmals fand darin am 26. August 1966 eine kontrollierte Kettenreaktion statt. Der Reaktor lief 21 Jahre lang, bis er am 31. Dezember 1988 abgeschaltet wurde. 2012 soll der Reaktorkern zurückgebaut werden. Ein kommerzieller Thorium-Hochtemperaturreaktor, der THTR-300 in Hamm-Uentrop, kam aufgrund materialtechnischer Schwierigkeiten mit den Kugeln nicht über den Probebetrieb hinaus, wurde knapp fünf Jahre nach seiner ersten nuklearen Reaktion im September 1988 zur Nachprüfung abgeschaltet, ein Jahr später endgültig stillgelegt. Der Reaktorkern selbst kann erst voraussichtlich 2029 abgebaut werden, da die Strahlung noch zu hoch ist. Der Kühlturm, der die gleiche Tragwerkskonstruktion wie das Olympia-Stadion in München aufwies und deshalb von einigen Bürgern als denkmalschutzwürdig eingestuft wurde, wurde am 10. September 1991 gesprengt. Diese im Vergleich mit landesüblichen Verfahrensdauern ungewöhnlich schnelle Abwicklung steht im geschichtlichen Kontext der Tschernobyl-Katastrophe (April 1986) und eines Störfalls in Hamm selbst am 4. Mai 1986, bei dem Radioaktivität austrat und den die Betreiber erst verspätet meldeten. Diese Ereignisse trugen im August 1986 zum SPD-Beschluss eines Atomausstiegs innerhalb von 10 Jahren bei. Die damalige SPD-Landesregierung demonstrierte erstmals ihren neu gewonnenen Ausstiegswillen. Am Reaktorkonzept des Hochtemperaturreaktors wird in Deutschland nicht mehr geforscht. Stattdessen sind deutsche Unternehmen an Projekten in Japan, Volksrepublik China, Südafrika und Indonesien beteiligt, wo die Technik unter dem internationalen Namen PBMR (Pebble Bed Modular Reactor) bekannt ist. Die Entwicklung geht in Richtung kleinerer, dezentral untergebrachter und innewohnender sicherer Reaktoren. Aufgrund der reduzierten Leistung sollen Gefahren abgewehrt werden und durch die Modularität und den gleichen Aufbau der Kleinreaktoren sollen diese zudem sehr billig in größeren Mengen herstellbar sein. Heute werden Kugelhaufenreaktoren am MIT, von der Eskom (Südafrika), der General Atomic (USA), der Adams Atomic Engines (USA) und der Romaha B. V. (Niederlande) aktiv weiterentwickelt. 2003 gab die chinesische Regierung bekannt, bis zum Jahr 2020 dreißig Kernreaktoren dieses Typs errichten zu wollen. Seite 29 Transportable Reaktoren Kugelhaufenreaktoren lassen sich in kleinen Einheiten bauen. Da kein Druckbehälter erforderlich ist, sind auch transportable Reaktoren, etwa für Schiffe oder als Notstromaggregate, denkbar. Ein derartiges Konzept wird vom niederländischen Romawa B.V. Konzern unter dem Namen "Nereus" vorgeschlagen. Mit einer Leistung von 8 Megawatt kann dieser Reaktor in einem üblichen Transportcontainer untergebracht werden. Ein anderes Design wird vom US-amerikanischen Adams Atomic Engines (AAE) Konzern vertreten. Das System ist vollständig abgeschlossen und bietet sich auch für Unterwasser- oder Weltraumprojekte an. Sicherheit Ein Kugelhaufenreaktor, dem während des Betriebs Brennstoffkugeln zugegeben und entnommen werden, braucht nicht zu Beginn seines Betriebs mit einem Übermaß an spaltbarem Material versorgt zu werden. Gleichermaßen sammeln sich im Reaktor weniger Spaltprodukte an. Neben den traditionellen baulichen Sicherheitsmaßnahmen (erdbeben- und flugzeugabsturzsicheres Gebäude, Reaktorwände) stellen die Kugeln selbst ein wichtiges Sicherheitselement dar. Im Innern der Kugeln sind bis zu 15.000 kleine Körner des spaltbaren Materials gleichmäßig verteilt, die ihrerseits von Schichten aus pyrolytischem Graphit und Siliziumkarbid umgeben sind. Das spaltbare Material im Zentrum liegt in Form keramischer Oxide vor, die einen hohen Schmelzpunkt besitzen. Die Kernleistungsdichte ist deutlich geringer als bei herkömmlichen Reaktoren (HTR: max. 6 MW/m3, DWR: 100 MW/m3). Dadurch lässt sich ein HTR so konstruieren, dass auch bei einem Ausfall der aktiven Kühlung die passive Kühlung allein ausreicht, um die Temperatur der Brennelemente unter dem Schmelzpunkt zu halten, eine Kernschmelze also unmöglich ist. Der Einschluss des spaltbaren Materials bedingt ebenfalls einen Einschluss der Spaltprodukte. Während des Reaktorbetriebs werden nur geringe Mengen der Spaltprodukte an das Kühlmittel abgegeben. Daher kann ein Kugelhaufenreaktor auch ohne Zwischenkreislauf eine Turbine antreiben, falls Helium zum Wärmetransport verwendet wird. Gleichzeitig wäre die Freisetzung radioaktiven Materials bei einem Bruch des Reaktors gering. Brutreaktor Ein Brutreaktor ist ein Kernreaktor, der nicht nur zur Energiegewinnung, sondern gleichzeitig zur Erzeugung von weiterem spaltbarem Material dient. Ein nicht spaltbares Nuklid wird in ein spaltbares umgewandelt und kann dann (nach Aufarbeitung und Einbringung in neue Brennelemente) anschließend als Kernbrennstoff verwendet werden. In einem gewissen Maß geschieht diese Umwandlung in jedem Kernreaktor; einen Brutreaktor zeichnet aus, dass er mehr Brennstoff herstellt, als er selbst in der gleichen Zeit verbraucht. Derzeit werden Brutreaktoren in den USA, in Russland, Frankreich, Indien und Japan betrieben. In Deutschland wurde am Niederrhein bei Kalkar ab 1973 ein Brutreaktorkraftwerk gebaut. Nach zahlreichen Protesten und dem Reaktorunfall bei Tschernobyl (1986) kam es nie zur Inbetriebnahme oder gar Stromerzeugung, die für 1987 vorgesehen war. Seite 30 Schneller Brüter Aufbau des Reaktors Der Reaktorkern besteht aus vielen, mit z. B. Uran-Plutonium-Mischoxid gefüllten Brennstäben, die zu Brennelementen gebündelt sind und insgesamt einen etwa zylindrischen Bereich von z. B. 3 m Höhe und 5 m Durchmesser ausfüllen. Der Reaktorkern ist aufgeteilt in eine innere Spalt- und eine äußere Brutzone. Die Steuerung der Kettenreaktion erfolgt durch Regelstäbe aus Bor-Stahl oder einem anderen Neutronen absorbierenden Material. Brennstoff-Brutprozess Das natürliche Uran besteht zu 99,3 % aus dem nicht spaltbaren Isotop 238U und nur zu 0,7 % aus dem spaltbaren Isotop 235U. Für den Betrieb herkömmlicher Kernspaltungsreaktoren (Leichtwasserreaktor) muss es vor Herstellung der Brennelemente technisch aufwändig auf etwa 3 bis 4 % 235U angereichert werden. Im Betrieb jedes Uranreaktors wird ein Teil des vorhandenen 238U durch Neutroneneinfang in 239U umgewandelt. Dieses geht von selbst durch zwei aufeinander folgende β--Zerfälle in das spaltbare 239Pu über, das später - nach Extraktion aus dem gebrauchten Brenn- und Brutstoff und Verarbeitung zu neuem Mischoxid - als Reaktorbrennstoff genutzt werden kann. Das „Brüten“ im eigentlichen Sinne, also ein Überschuss des so erzeugten über den zugleich verbrauchten Brennstoff, gelingt aber nur in einem Reaktor, der ohne Moderator arbeitet, einem schnellen Brüter. (Bemerkung zum Namen: Der Brutreaktor ist nicht in irgendeinem Sinne „schneller“ als andere Reaktoren. Er verwendet aber zur Kernspaltung schnelle anstatt abgebremster Neutronen.) Für das 238U gibt es nahezu keine andere Nutzanwendung. Der Uranvorrat der Erde könnte durch eine Verbundwirtschaft aus Brutreaktoren, Wiederaufarbeitung und Leichtwasserreaktoren etwa 30mal mehr Energie liefern, als wenn nur das 235U "verbrannt" würde. In der Theorie ergäbe die restlose Ausnutzung des 238U sogar einen über 100mal höheren Nutzfaktor, der jedoch technisch nicht realisierbar ist. Die Nutzung des Metalls Thorium 232Th, das als Brutstoff von 1983 bis 1989 bereits im Reaktor THTR-300 verwendet wurde und den Brennstoff 233U ergibt, würde die Ressourcen-Lage der Kernkraft nochmals bedeutend verbessern, da die natürlichen Thorium-Vorkommen die des Urans um ein Vielfaches übersteigen. Spaltzone In der Spaltzone des Reaktors ergibt sich bei Verwendung schneller Neutronen das Problem, dass diese mit wesentlich geringerer Wahrscheinlichkeit als „eingeschänkte“ Neutronen neue Kernspaltungen auslösen. Deshalb hat man die Spaltstoffkonzentration in der Spaltzone erhöht. Der Spaltstoff ist ein Gemisch aus 15 bis 20 % Plutonium- und 80 bis 85 % Uranoxid. Durch die hohe Spaltstoffkonzentration kommt es zu einer sehr hohen Wärmeleistungsdichte. Als entsprechendes Kühlmittel (das im schnellen Reaktor keine Moderatorwirkung haben darf) verwenden die bisherigen Brutreaktoren flüssiges Natrium; untersucht wurden auch Konzepte mit Gaskühlung. Seite 31 Brutmantel Der Brutmantel ist um die Spaltzone herum angeordnet und umgibt diese vollständig. Die oberen und unteren Teile eines Brennstabes der Spaltzone sind nicht wie der mittlere Teil mit Brennstoff-Mischoxid, sondern mit abgereichertem Uranoxid als Brutstoff gefüllt; die radial weiter außen liegenden Stäbe enthalten dieses über ihre gesamte Länge. Abgereichertes Uran ist der beim Uran-Anreicherungsprozess zwangsläufig anfallende Reststoff. Kernspaltungsprozess im Brutreaktor Bei der Spaltung eines Pu-239-Kerns durch ein schnelles Neutron werden im Mittel ungefähr 2,8 neue Neutronen freigesetzt, etwas mehr als bei der Spaltung von U-235. Davon wird 1 Neutron zur Auslösung der nächsten Spaltung benötigt. Weitere etwa 0,5 Neutronen gehen durch „parasitäre“ (d. h. weder zu Spaltung noch zu Pu-Produktion führende) Absorption und durch "Leckage" nach außen verloren. Die übrigen etwa 1,3 Neutronen stehen für den eigentlichen Brutprozess zur Verfügung, so dass pro verbrauchtem Kern etwas mehr als 1 neuer spaltbarer Kern erzeugt werden kann. Energiegewinnung Die bei der Spaltung eines Kerns meist entstehenden zwei „Spaltfragmente“ tragen den Energiegewinn der Reaktion, insgesamt rund 200 MeV, als Bewegungsenergie. Sie werden im umgebenden Brennstoffmaterial abgebremst und erhitzen dieses. Der primäre Natriumkühlkreis nimmt die Wärme auf und gibt sie über einen Wärmetauscher an einen Sekundärnatriumkühlkreis weiter. Dieser befindet sich außerhalb des radioaktiven Bereichs des Reaktors und ist räumlich von diesem durch den Reaktorbehälter getrennt. In diesem Sekundärnatriumkühlkreislauf wird mittels eines Dampferzeugers Wasserdampf produziert, der -- wie in einem konventionellen, kohle- oder ölbefeuerten Kraftwerk -- der Turbine zugeleitet wird, die seine Wärmeenergie in Drehenergie umwandelt. Die Drehenergie wird zum Antrieb eines Generators verwendet, der sie in elektrische Energie umwandelt. Der aus der Turbine austretende Abdampf wird in einem Kondensator wieder verflüssigt und dem Dampferzeugerkreislauf zugeleitet. Über einen Außenkühlkreis entsorgt der Kondensator die dem Abdampf entzogene Restwärme entweder durch Einleitung in ein Fließgewässer oder über einen Kühlturm. Seite 32 Kühlung Kühlsystem des Schnellen Brüters Die Brutreaktortechnik basiert in einigen Bereichen auf den Grundlagen der Leichtwasserreaktortechnik, weist jedoch einige wesentliche Unterschiede auf. Das Kühlmittel Natrium hat gute Eigenschaften bei der Wärmeübertragung und einen großen nutzbaren Temperaturbereich, da es schon bei 98 °C schmilzt, aber erst bei 883 °C siedet. Die Temperatur im Reaktorkern wird deshalb auf ca. 545 °C gehalten. Ein gewisser Sicherheitsvorteil gegenüber wassergekühlten Reaktoren liegt in dem geringen erforderlichen Druck von nur z. B. zehn bar. Im Unterschied zum Leichtwasserreaktor wird zwischen den Natriumkreislauf, der die Brennelemente kühlt (Primärkreislauf), und den Wasser-DampfKreislauf noch ein zweiter Natriumkreislauf (Sekundärkreislauf) eingeschaltet. Dies verringert den Wirkungsgrad, ist aber aus Sicherheitsgründen notwendig, damit selbst im Fall einer Dampferzeuger-Leckage nur nichtradioaktives Natrium mit Wasser in Berührung kommt. Ein oder mehrere Zwischenwärmetauscher übertragen die Wärmeenergie vom Primär- auf das Sekundärkühlmittel. In den Brutreaktoren in Deutschland wird das so genannte Loop-System verwendet, bei dem alle Pumpen und Wärmetauscher räumlich vom Reaktor getrennt sind und der Reaktortank oberhalb des Natriums mit Stickstoff gefüllt ist. Beim Pool-System, welches in anderen Ländern häufiger verwendet wird, befindet sich der Primärkreislauf einschließlich Primärpumpen und Zwischenwärmetauschern im Reaktortank selbst, wobei hier Argon als Schutzgas im Tank verwendet wird. Gefahren und Risiken Die Brütertechnologie wird von einigen Staaten in Großanlagen eingesetzt. Wegen zahlreicher Störfälle (weitestgehend nicht nuklearer Natur, sondern durch natriumbedingte Korrosionsprobleme, Undichtigkeiten infolge der hohen Kühlmitteltemperaturen u. a. hervorgerufen) wurden mehrere Brüteranlagen ganz oder für mehrere Jahre abgeschaltet. Der Schnelle Brüter konnte sich bisher nicht durchsetzen, da es immer noch große Bedenken bezüglich der Sicherheit der Bevölkerung und bei den politischen Entscheidungsträgern gibt. Auch ist der Uranpreis nicht hoch genug, um das Brüten schon jetzt wirtschaftlich attraktiv zu machen. Der großtechnische Umgang mit Plutonium stellt im Vergleich zu Uran ein wesentlich höheres Gesundheitsrisiko dar. Das Kühlmittel Natrium hat den Nachteil sehr hoher Reaktionsfreudigkeit mit Luft und Wasser; die Technologie der Natriumbrandvermeidung und -bekämpfung ist allerdings gut entwickelt. Seite 33 Magnox-Reaktor Der Magnox-Reaktor (Magnesium Alloy Graphite Moderated Gas Cooled Uranium Oxide Reactor) ist einer der ersten kommerziell genutzten Kernreaktoren der Welt. Er gehört zur Gruppe der gasgekühlten Reaktoren (Gas Cooled Reactors; GCR). Als Moderator wird Graphit, als Kühlmittel das Gas Kohlendioxid (CO2) verwendet. Die Brennelemente bestehen aus Natururan in metallischer Form. Den Namen hat der Reaktor vom Hüllrohrmaterial der Brennelemente erhalten. Magnox ist eine Legierung die hauptsächlich aus Magnesium besteht. Alle Brennelementhüllen besitzen zur Verbesserung des Wärmeüberganges Verrippungen verschiedenster Art. Es wurden sogar Rohrförmige Brennelemente entwickelt, welche von innen und außen gekühlt werden. Die Brennelemente sind in der Regel nicht länger als 1 m, wobei der Uranstab bis zu 3 cm dick sein kann. Der Moderator besteht aus Graphit in Form großer Blöcke, die durch angeformte Nuten und Keile mit relativ großem Spiel verbunden sind. Die Graphitblöcke werden von zylindrischen Kanälen durchzogen, in welche die Brennelemente eingebracht werden. Die Brennelemente selbst liegen mit mehreren Führungsleisten, den sogenannten Fins, an der Kanalwand an und werden senkrecht aufeinander gestapelt. Dadurch entstehen sektorförmige Querschnitte, durch die das Kühlgas strömen kann. Weitere Kanäle nehmen die Absorberstäbe für die Reaktorreglung auf. Der gesamte Reaktorkern ruht mit seinem Gewicht von mehreren hundert Tonnen auf einem geschweißten Stahlrost. Da die Brennelemente während des Reaktorbetriebs mit speziellen Lademaschinen entnommen werden können, kann der Abbrand des Urans gezielt beeinflusst werden, was z. B. bei der Gewinnung waffenfähigen Plutoniums interessant sein kann. Aufgrund des sehr voluminösen Reaktorkerns mussten große Druckbehälter auf den Baustellen geschweißt werden. Später wurden in Frankreich Druckgefäße aus Spannbeton entwickelt. Aufgrund der geringen Leistungsdichten arbeiten Magnox-Reaktoren in Kernkraftwerken sehr unwirtschaftlich und sind aus heutiger Sicht veraltet. MagnoxReaktoren im engeren Sinne wurden ausschließlich in Großbritannien gebaut. Sie sind überwiegend in den 50er und 60er Jahren ans Netz gegangen. Die Reaktoren in Berkeley, Bradwell, Calder Hall, Chapelcross, Dungeness, Sizewell A, Hinkley Point, Hunterston, Trawsfynydd wurden alle stillgelegt. Nur Oldbury und Wylfa sind noch in Betrieb. Die noch verbliebenen Reaktoren werden in den Jahren 2000 bis 2010 ihre bewilligte Lebensdauer von 40 bzw. 50 Jahren erreichen und dann planmäßig außer Betrieb genommen. Seite 34 Leichtwasserreaktor Der Leichtwasserreaktor (LWR) ist ein Reaktortyp, bei dem sogenanntes leichtes Wasser als Kühlmittel und Moderator verwendet wird. „Leichtes Wasser“ bezeichnet dabei gewöhnliches Wasser, dessen Wasserstoffatome überwiegend als Protium, dem leichtesten Wasserstoffisotop, vorliegen. Als Brennstoff werden bei diesem Reaktortyp Uran-Brennstäbe mit einem etwa 4%igen Anteil an U235 verwendet. Zwei Bauarten des Leichtwasserreaktors sind der Druckwasserreaktor und der Siedewasserreaktor. Ein Leichtwasserreaktor war auch der Naturreaktor Oklo. Vom Leichtwasserreaktor unterscheidet sich der Schwerwasserreaktor, in dem Schweres Wasser eingesetzt wird, und der Hochtemperaturreaktor. Seite 35 Literatur 1. Atomkraft: Wiedergeburt eines Auslaufmodells? Themenpapier des Bundesumweltministeriums, S. 20. Undatiert (offenbar Ende 2004) http://www.bmu.de/files/atomenergie/downloads/application/pdf/themenpapier_atomkraft.pdf 2. Atomenergie: keine Rettung für das Klima. Greenpeace, Juli 2005 http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/atomkraft/greenpeace_atomkra ft_und_klimaschutz.pdf 3. IAEA Power Reactor Information System (PRIS) http://www.iaea.org/programmes/a2/index.html 4. Uranium Markets. 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Wien, 2005 http://www-pub.iaea.org/MTCD/publications/PDF/RDS1-25_web.pdf Quellen: www.wikipedia.de.org/wiki/Kernkraftwerk www.kernenergie-wissen.de/aufbau_kkw.html www.umweltlexikon-online.de/fp/archiv/RUBenergie/Kernkraftwerk.php www.zum.de/dwu/pke005vs.htm www.kernenergie.de www.bfs.de/kerntechnik/ereignisse/berichte/jb_kf_2006.html www.realschule.bayern.de Das musst du wissen - Das große Buch des Wissens in Farbe (Zweiburgenverlag) www-zeuthen.desy.de/~astahl/Vorlesung03/Kern-09/ www.chempage.de/theorie/kernkraft.htm Seite 36