Die Kommunalverfassungen norddeutscher und süddeutscher Prägung im Vergleich am Beispiel der Gemeindeordnungen der Länder Hessen und Bayern Diplomarbeit eingereicht am Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern von Peter Edinger Matrikelnummer 20050022 Jahrgang 2005/2008 I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................... I Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................ II 1 Einleitung ...................................................................................................... - 1 - 2 Allgemeines zu den Kommunalverfassungen Hessens und Bayerns ............ - 2 - 3 2.1 Die hessischen und bayerischen Kommunen........................................- 2 - 2.2 Kreisfreie und kreisangehörige Gemeinden ..........................................- 2 - 2.3 Das Homogenitätsprinzip ......................................................................- 4 - 2.4 Grundzüge der bayerischen Gemeindeverfassung ...............................- 4 - 2.5 Grundzüge der hessischen Gemeindeverfassung .................................- 5 - Die Organe der hessischen und bayerischen Gemeinde ............................... - 7 3.1 Die Organe der bayerischen Gemeinde ................................................- 7 - 3.1.1 Der Gemeinderat...............................................................................- 7 - 3.1.2 Der erste Bürgermeister ..................................................................- 10 - 3.2 Die Organe der hessischen Gemeinde ...............................................- 12 - 3.2.1 Die Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung)..............- 12 - 3.2.2 Der Gemeindevorstand (Magistrat) .................................................- 17 - 4 Rechtsstellung und Aufgaben des hessischen Bürgermeisters ................... - 22 - 5 Schlussgedanke .......................................................................................... - 24 - Quellenverzeichnis ............................................................................................. - 26 Rechtsquellenverzeichnis ................................................................................... - 27 Erklärung ............................................................................................................ - 28 - II Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz Art. Artikel Buchst. Buchstabe BV Verfassung des Freistaates Bayern bzw. beziehungsweise f. folgende GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GLKrWG Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz GO Gemeindeordnung des Freistaats Bayern GrKrV Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte HGO Hessische Gemeindeordnung HKO Hessische Landkreisordnung i.V.m. in Verbindung mit KWG Hessisches Kommunalwahlgesetz Nr. Nummer S. Seite vgl. vergleiche z.B. zum Beispiel -1- 1 Einleitung Als Studierender an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (kurz: FHVR) wird mir ein umfassender Einblick in das deutsche Rechtssystem gewährt. Neben Privatrecht, Sicherheitsrecht und allgemeinem Verwaltungsrecht, bildet das bayerische Kommunalrecht einen wichtigen Schwerpunkt der Ausbildung zum Diplomverwaltungswirt. Auf Grund des in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Föderalismus umfasst das deutsche Rechtssystem nämlich nicht nur die Gesetze, welche vom Deutschen Bundestag förmlich erlassen worden sind (Bundesgesetze), sondern auch die des jeweiligen Bundeslandes, soweit es für das entsprechende Rechtsgebiet die Gesetzgebungskompetenz besitzt. Das Kommunalrecht ist eines dieser Rechtsgebiete. Es obliegt den einzelnen Bundesländern das Wesen und die Verwaltung ihrer Kommunen, insbesondere ihrer Gemeinden durch eine eigene Kommunalverfassung gesetzlich zu regeln. Beschäftigt man sich nun als Studierender in Bayern mit der Bayerischen Gemeindeordnung, welche die Grundzüge der Gemeindeverfassung regelt, vergisst man schnell, dass diese ausschließlich im Freistaat Bayern Anwendung findet, und dass jenseits der bayerischen Staatsgrenze eine andere Gemeindeordnung gelten muss, die die Gemeindeverfassung des jeweiligen Landes regelt. So gilt beispielsweise im bayerischen Nachbarland Hessen die Hessische Gemeindeordnung (HGO), welche mit der Gemeindeordnung des Freistaats Bayern (GO) weniger gemeinsam hat als man anfänglich vermuten könnte. Dies wurde mir erst bewusst, als ich aus reiner Neugier einen Blick in die Hessische Gemeindeordnung geworfen hatte. Mir vertraute Begriffe wie „Gemeinderat“ oder „Gemeinderatsmitglied“ suchte ich vergebens und fand dafür Begriffe wie „Magistrat“ oder „Stadtverordnetenvorsteher“, von denen ich nicht wüsste, sie im Zusammenhang mit der Bayerischen Gemeindeordnung je gehört zu haben. In dieser Diplomarbeit möchte ich dem Leser und der Leserin mit Hilfe eines Vergleichs der Hessischen mit der Bayerischen Gemeindeordnung die Unterschiede der Kommunalverfassungen beider Länder aufzeigen und damit ein Bewusstsein für die Vielfalt des Kommunalrechts in der Bundesrepublik schaffen. Den Schwerpunkt lege Hauptverwaltungsorgane der ich hierbei hessischen auf und die Vorstellung bayerischen der Gemeinden, insbesondere auf die Rechtsstellung des bayerischen bzw. hessischen -2Bürgermeisters. Von der Betrachtung ausgeschlossen sind die Teile der Gemeindeordnungen, welche Regelungen über die Gemeindewirtschaft und die staatliche Aufsicht zum Inhalt haben, da sie den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden. 2 Allgemeines zu den Kommunalverfassungen Hessens und Bayerns 2.1 Die hessischen und bayerischen Kommunen Das Wort „Kommune“ im kommunalrechtlichen Sinn ist ein Sammelbegriff für sämtliche administrativen Gebietskörperschaften eines Staates, die selbst jedoch nicht über Staatsqualität verfügen. Die Tätigkeit der Kommunen beschränkt sich nämlich im Unterschied zum Bund und zu den Ländern ausschließlich auf die vollziehende Gewalt (Exekutive).1 Anders als Bayern, ist Hessen lediglich in zwei kommunale Ebenen, den Gemeinden und den Landkreisen (Gemeindeverbände) gegliedert (vgl. § 1 Abs. 2 HGO, § 1 Abs. 1 Satz 1 HKO)2. In Bayern kennt man neben diesen beiden noch eine „dritte kommunale Ebene“: die Bezirke3. Sie umfassen das Gebiet der ihnen zugeteilten Landkreise und kreisfreien Gemeinden und sind, wie Gemeinde und Landkreis eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 1 Satz 1 GO, Art. 1 Satz 1 LKrO, Art. 1, 7 BezO). 2.2 Kreisfreie und kreisangehörige Gemeinden Beide Bundesländer unterscheiden ihre Gemeinden in solche, die einem Landkreis angehören (kreisangehörige Gemeinden) und solche, die kein Bestandteil eines Landkreises sind (kreisfreie Gemeinden)4 (Art. 5 Abs. 1 GO). In Hessen sind lediglich die fünf dort existierenden Großstädte mit mehr als 100000 Einwohnern (Darmstadt, Frankfurt am Main, Kassel, Offenbach am Main und Wiesbaden) kreisfrei.5 In Bayern hingegen gibt es insgesamt 25 kreisfreie Gemeinden, bei denen es sich jedoch nicht nur um Großstädte, sondern auch 1 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 23 2 vgl. Hessische Landeszentrale für politische Bildung: Die Hessische Kommunalverfassung, http://www.hlz.hessen.de/uploads/media/kommunalverfassung.pdf vom 16.10.2007, S. 1 3 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 18 4 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 1f 5 vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern, 2003, S. 131 -3um mittelgroße Städte (zwischen 50000 und 100000 Einwohner) oder um solche mit weniger als 50000 Einwohner handelt. In Bayern nehmen die kreisfreien Gemeinen zusätzlich alle Aufgaben des Landratsamtes als Kreisverwaltungsbehörde (untere staatliche Verwaltungsbehörde) und als Kreisbehörde (kommunale Verwaltungsbehörde des Landkreises) wahr (Art. 9 Abs. 1 GO). Auch in Hessen obliegen den fünf kreisfreien Städten sowohl die Aufgaben der Gemeinde als auch die des Landkreises6 (vgl. § 146a HGO). Unter den kreisangehörigen Gemeinden gibt es in Bayern auch solche, die ursprünglich kreisfrei waren und dann im Zuge der kommunalen Gebietsreform in den 70iger Jahren in einen Landkreis eingegliedert worden sind7. Sie werden als „Große Kreisstadt“ bezeichnet und nehmen, zusätzlich zu den Aufgaben einer kreisangehörigen Gemeinde, einige Aufgaben wahr, die sonst vom Landratsamt als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wahrzunehmen sind (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 GO). So fällt beispielsweise die Erteilung von Baugenehmigungen in den Zuständigkeitsbereich der Großen Kreisstadt (§ 1 Nr. 1 GrKrV).8 Mit dem bayerischen Modell der Großen Kreisstadt sind in Hessen die so genannten „Sonderstatus-Städte“ vergleichbar.9 Hierbei handelt es sich auch um kreisangehörige Städte, die jedoch „auf Grund ihrer besonderen Verwaltungskraft zusätzliche Aufgaben wahrnehmen“10 (vgl. § 4a HGO). Zu diesen Aufgaben gehört beispielsweise, wie auch bei der Großen Kreisstadt in Bayern, das Bauwesen.11 Anders als in Bayern, wird eine kreisangehörige Gemeinde in Hessen kraft Gesetzes zu einer „Sonderstatus-Stadt“ mit erweitertem Aufgabenbereich, sobald sie die Einwohnerzahl von 50000 übersteigt (§ 4a HGO). Eine bayerische kreisangehörige Gemeinde hingegen muss, sofern sie eine Große Kreisstadt werden möchte, dies beantragen und unter anderem mehr als 30000 Einwohner haben (Art. 5a Abs. 4 GO). In Bayern besteht auch die Möglichkeit Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern für kreisfrei zu erklären (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GO). In Hessen hingegen scheint der Status der Kreisfreiheit allein den Großstädten, also Städten mit mehr als 100000 Einwohnern, vorbehalten zu sein. 6 ebenda 7 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 56 8 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 63 9 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 2 10 Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 2 11 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 29, Fußnote 3 zu § 4a HGO -4- 2.3 Das Homogenitätsprinzip Die Gesetzgebungskompetenz in Sachen Kommunalrecht liegt nun, wie bereits in der Einleitung erwähnt, nicht beim Bund, sondern bei den einzelnen Ländern, da das Grundgesetz dem Bund hierfür keine Gesetzgebungsbefugnisse verleiht (Art. 70 Abs. 1 GG). Dies ist daraus abzuleiten, dass die Materie weder im Katalog der ausschließlichen Gesetzgebung (Art. 71, 73 GG), noch in dem der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG) aufgelistet ist.12 Die Länder sind somit zum Erlass kommunalrechtlicher Vorschriften ermächtigt, welche unter anderem das Wesen und die Verfassung ihrer Gemeinden regeln. Diese Tatsache ermöglicht die föderale Vielfalt der rechtlichen Gestaltung dieser Vorschriften, welche jedoch wesentlich durch das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eingeschränkt wird.13 Hiernach muss das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. 2.4 Grundzüge der bayerischen Gemeindeverfassung Dem Homogenitätsgebot des Grundgesetzes wird der Freistaat Bayern mit der für die bayerischen Gemeinden einheitlich angewandten süddeutschen Ratsverfassung gerecht.14 Die vom Grundgesetz geforderte Vertretung des „Volkes in der Gemeinde“ (der Gemeindebürger) ist gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 1 GO der Gemeinderat. In Städten führt er die Bezeichnung „Stadtrat“, und in Marktgemeinden die Bezeichnung „Marktgemeinderat“ (Art. 30 Abs. 1 Satz 2). Die stimmberechtigten Mitglieder dieses Kollegialorgans (ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder) werden „von der Bürgerschaft nach den Grundsätzen der allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahl gewählt, und zwar für eine Dauer von sechs Jahren“15 (Art. 22 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 GLKrWG). Neben diesem Gremium stellt der erste Bürgermeister das zweite der beiden Hauptorgane einer bayerischen Gemeinde dar (Art. 29 GO). Er führt in kreisfreien Gemeinden und in Großen Kreisstädten die Bezeichnung „Oberbürgermeister“ (Art 34 Abs. 1 Satz 2 GO). Auch dieser wird nach den kommunalen Wahlrechtsgrundsätzen (allgemeine, gleiche, unmittelbare, 12 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 34 13 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 40 14 vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1 15 Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1 und und die die -5geheime und freie Wahl) von den Gemeindebürgern für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt (Art. 40 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GLKrWG). Somit kennt die süddeutsche Ratsverfassung „zwei unmittelbar von den Bürgern gewählte Gemeindeorgane: gesetzlich vermutet, Gemeinderat dass der und Bürgermeister.“16 Es wird Gemeinderat über alle Angelegenheiten entscheidet, soweit nicht das Gesetz dem ersten Bürgermeister die alleinige Zuständigkeit einräumt17 (Art. 29 GO). Ausdrücklich wird dem Gemeinderat jedoch die Überwachung der gesamten Gemeindeverwaltung, insbesondere die Ausführung seiner Beschlüsse, auferlegt (Art. 30 Abs. 3 GO). Dem Gemeinderat wird außerdem die Möglichkeit der Ausschussbildung gegeben, auf die in Kapitel 3.1.1 noch genauer eingegangen wird. Neben den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern ist auch der erste Bürgermeister ein stimmberechtigtes Mitglied des Gemeinderats18 (Art. 31 Abs. 1 GO). Den Vorsitz im Gemeinderat führt der erste Bürgermeister (Art. 36 Satz 1 GO). Hieran lässt sich bereits ein kennzeichnendes Merkmal der süddeutschen Ratsverfassung erkennen, nämlich die starke Stellung des Bürgermeisters, auf die im Kapitel 3.1.2 noch genauer eingegangen wird. 2.5 Grundzüge der hessischen Gemeindeverfassung Um den Vorgaben des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht zu werden, entschied sich der hessische Gesetzgeber für die Schaffung einer so genannten „unechten Magistratsverfassung“, die heute in allen hessischen Gemeinden zur Anwendung gebracht wird.19 Die Gemeindevertretung ist hier das oberste Organ der Gemeinde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGO). In Städten führt sie die Bezeichnung „Stadtverordnetenversammlung“ (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HGO). Die Mitglieder dieses Kollegialorgans (Gemeindevertreter) werden von den Bürgern der Gemeinde in freier, allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl für eine Dauer von fünf Jahren gewählt, und bilden zusammen somit die vom Grundgesetz geforderte „Vertretung des Volkes in der Gemeinde“ (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 29, § 36 Satz 1, § 49 Satz 1 HGO, § 1 Abs. 1 KWG). Man kann also sagen, dass die 16 Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 36 17 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 36 18 ebenda 19 vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Hessen, S. 1 und die -6Gemeindevertretung in Hessen insoweit dem entspricht, was in Bayern der Gemeinderat ist. Es sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass die Wahlzeit der Gemeindevertreter fünf Jahre beträgt, wohingegen in Bayern die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder für die Dauer von sechs Jahren gewählt werden (§ 36 Satz 1 HGO, Art. 23 Abs. 1 GLKrWG). Die Gemeindevertreter führen in den hessischen Städten die Bezeichnung „Stadtverordneter“ (§ 49 Satz 2 HGO). Den Vorsitzenden der Gemeindevertretung wählen die Gemeindevertreter aus ihrer Mitte (§ 57 Abs. 1 Satz 1 HGO). In den Städten führt er die Bezeichnung „Stadtverordnetenvorsteher“ (§ 49 Satz 2 HGO). Entsprechend dem bayerischen Gemeinderat, beschließt die Gemeindevertretung über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 50 Abs. 1 Satz 1 HGO). Explizit hat sie die wichtigen Entscheidungen zu treffen und (wie auch der bayerische Gemeinderat) die gesamte Verwaltung zu überwachen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 HGO). Das zweite Organ einer hessischen Gemeinde ist der Gemeindevorstand. Er ist das Verwaltungsorgan der Gemeinde und ist, wie auch die Gemeindevertretung kollegial gestaltet.20 Er führt in den Städten die Bezeichnung „Magistrat“ (§ 9 Abs. 2 Satz 2 HGO). Zusammengesetzt ist der Gemeindevorstand aus dem Bürgermeister als Vorsitzenden, dem Ersten Beigeordneten und weiteren Beigeordneten (§ 65 Abs. 1 HGO). Der Bürgermeister wird wie auch in Bayern nach den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen von den Bürgern der Gemeinde für die Dauer von sechs Jahren gewählt (§ 39 Abs. 1a Satz 1, Abs. 3 Satz 1 HGO). In Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern führt er die Bezeichnung „Oberbürgermeister“ (§ 45 Abs. 1 Satz 1 HGO). Die übrigen Mitglieder des Gemeindevorstandes (Erster Beigeordneter und weitere Beigeordnete) werden von der Gemeindevertretung gewählt (§ 39a Abs. 1 Satz 1 HGO). Der Erste Beigeordnete führt in Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern die Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ (§ 45 Abs. 1 Satz 1 HGO). Dieser wird jedoch nicht wie der Oberbürgermeister von der Bürgerschaft, sondern von der, von den Bürgern gewählten Gemeindevertretung gewählt. Der Gemeindevorstand ist die Verwaltungsbehörde der Gemeinde und als solche für die laufende Verwaltung zuständig (§ 9 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO). Somit stehen eigenständigen in Hessen einander zwei Entscheidungsbefugnissen Kollegialorgane 21 gegenüber: die mit jeweils von 20 ebenda 21 vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 38 der -7Bürgerschaft „gewählte Gemeindevertretung als willensbildendes, oberstes Organ der Gemeinde“22 und der „Gemeindevorstand als kollegiales Organ der laufenden Verwaltung.“23 Letzteres Organ wird in Bayern monokratisch organisiert und entspricht dem Amt des ersten Bürgermeisters. Die hessische Kommunalverfassung wird als „unechte“ Magistratsverfassung bezeichnet, weil Beschlüsse der Gemeindevertretung nicht, wie bei der echten Magistratsverfassung, an die Zustimmung des Gemeindevorstands gebunden sind.24 3 Die Organe der hessischen und bayerischen Gemeinde 3.1 Die Organe der bayerischen Gemeinde 3.1.1 Der Gemeinderat Im Folgenden werden die wichtigsten Organe einer bayerischen Gemeinde vorgestellt und anschließend den Organen der hessischen Gemeinde gegenübergestellt. Eines der beiden Hauptorgane einer bayerischen Gemeinde ist, wie bereits erwähnt, der von den Gemeindebürgern auf sechs Jahre gewählte Gemeinderat, der je nach Bezeichnung der Gemeinde als Stadtrat oder Marktgemeinderat bezeichnet wird.25 Er setzt sich zusammen aus dem ersten Bürgermeister als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern (Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Art. 36 Satz 1 GO). Die jeweilige Zahl der Gemeinderatsmitglieder einer Gemeinde bestimmt das Gesetz anhand der entsprechenden Einwohnerzahl der Gemeinde. So besteht beispielsweise der Stadtrat einer mittelgroßen bayerischen Stadt wie Aschaffenburg mit knapp 70000 Einwohnern aus 44 ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern und dem Oberbürgermeister (vgl. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 GO). Wählbar für das Amt des Gemeinderatsmitglieds sind nur Gemeindebürger, die sich seit mindestens sechs Monaten im Wahlkreis mit dem Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen aufhalten und nicht nach sonstigen Vorschriften des Gesetzes von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind (Art. 15 Abs. 2 GO i.V.m. Art. 1, 21 GLKrWG). 22 Hessische Landeszentrale für politische Bildung: Die Hessische Kommunalverfassung, http://www.hlz.hessen.de/uploads/media/kommunalverfassung.pdf vom 16.10.2007, S 2 23 ebenda 24 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 3 25 vgl. Kapitel 2.4 -8Das einzelne Gemeinderatsmitglied ist, da es das Volk auf gemeindlicher Ebene vertritt, „nach den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie bei der Ausübung seines Amtes nur seinem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden (Grundsatz des freien Mandats; vgl. Art. 13 Abs. 2 BV).“26 Soweit es sich bei einer Beschlussfassung des Gemeinderats nicht ausdrücklich um Wahlen handelt, werden die Beschlüsse stets in offener Abstimmung mit Mehrheit der Abstimmenden gefasst (Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GO). Dabei zählt die Stimme des ersten Bürgermeisters ebensoviel wie die der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt (Art. 51 Abs. 1 Satz 2 GO). Die Wahl zum Gemeinderatsmitglied ist mit der Pflicht verbunden dieses Amt auch anzutreten, da es sich hierbei um ein gemeindliches Ehrenamt handelt (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GO). Die Übernahme des Amtes kann nur aus wichtigem Grund abgelehnt oder niedergelegt werden (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GO). Gemäß dem Grundsatz der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat (Inkompatibilität)27, können ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder unter anderem nicht gleichzeitig Beamte bzw. leitende oder hauptamtliche Angestellte der Gemeinde sein, in deren Gemeinderat sie gewählt worden sind (Art. 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GO). Diese Vorschrift dient der Verhinderung von Interessenskonflikten, „die sich vor allem dann ergeben könnten, wenn jemand als Mitglied des Gemeinderats sich selbst als Bediensteten der Gemeinde kontrollieren müsste.“28 Dem Gemeinderat obliegt nämlich die Überwachung der gesamten Gemeindeverwaltung (Art. 30 Abs. 3 GO).29 Wie alle ehrenamtlich tätigen Gemeindebürger, haben auch die Gemeinderatsmitglieder einen Anspruch auf angemessene Entschädigung und auf Ersatzleistungen, beispielsweise für den, durch die notwendige Teilnahme an Gemeinderatssitzungen, entstandenen Verdienstausfall (Art. 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 GO). Mit dem Ehrenamt des Gemeinderatsmitglieds sind jedoch auch Pflichten, wie beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht verbunden (Art. 20 GO). 26 Büchner: Der Gemeinderat, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 48 27 vgl. Büchner: Der Gemeinderat, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 46 28 Büchner: Der Gemeinderat, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 46 29 vgl. Kapitel 2.4 -9Im Kapitel 2.4 wurde bereits angesprochen, dass für den Gemeinderat die Möglichkeit besteht, als „Unterorgane“30 Ausschüsse zu bilden. Gemeint sind hiermit sowohl vorberatende als auch beschließende Ausschüsse (so genannte „Gemeindesenate“) (Art. 32 Abs. 1 und 2 GO). Vorberatende Ausschüsse dienen lediglich der Vorbereitung der Beratungsgegenstände und erleichtern somit die Beschlussfassung im Gemeinderat.31 Beschließende Ausschüsse hingegen entscheiden unmittelbar an Stelle des Gemeinderats.32 Ihnen kann die Erledigung einzelner Angelegenheiten übertragen werden (Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO). Hiervon ausgeschlossen sind eine Reihe besonders wichtiger Angelegenheiten, die nicht auf einen beschließenden Ausschuss delegiert werden dürfen, sondern vom Gemeinderat selbst entschieden werden müssen.33 Hierzu gehört beispielsweise die Beschlussfassung über den Finanzplan der Gemeinde (Art. 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 GO). Die Größe der einzelnen Ausschüsse ist in der Regel nicht gesetzlich vorgegeben. Sie wird in der vom Gemeinderat erlassenen Geschäftsordnung geregelt (Art. 33 Abs. 1 Satz 1 GO). Die Ausschussstärke sollte jedoch nicht zu gering festgesetzt werden, da die Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen „Parteien und Wählergruppen“ (Fraktionen)34 Rechnung tragen müssen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO). Die Mitglieder eines Ausschusses werden vom Gemeinderat für die Dauer seiner Wahlzeit, auf Vorschlag der einzelnen „Fraktionen“35, aus seiner Mitte bestellt (nicht gewählt!) (Art. 33 Abs. 1 Satz 4 GO, Art. 27 Abs. 2 Satz 1 LKrO analog). Von der Möglichkeit einen Ausschuss aufzulösen kann der Gemeinderat jederzeit gebrauch machen (Art. 32 Abs. 5 GO). Von den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern zu unterscheiden, sind die berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieder. Diese können vom Gemeinderat in Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern gewählt werden (Art. 40 Satz 1 GO), und erfüllen eine Doppelfunktion:36 Zum einen „haben sie in den Sitzungen des 30 Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1 und die vgl. Büchner: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 63 31 32 ebenda 33 vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1 und die vgl. Büchner: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 65 34 35 36 ebenda vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2 und die - 10 Gemeinderats und seiner Ausschüsse in Angelegenheiten ihres Aufgabengebiets eine keinen Weisungen des ersten Bürgermeisters unterworfene beratende Stimme“37 (Art. 40 Satz 2 GO), und zum anderen „sind sie regelmäßig als Referenten in leitender Funktion in den Verwaltungsapparat der Gemeinde eingegliedert.“38 3.1.2 Der erste Bürgermeister Das zweite Hauptorgan der bayerischen Gemeinde ist, wie bereits erwähnt, der erste Bürgermeister, der in Großen Kreisstädten und in kreisfreien Städten die Amtsbezeichnung „Oberbürgermeister“ führt. Auch er wird, wie der Gemeinderat von den Gemeindebürgern in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl für die Dauer von sechs Jahren gewählt.39 Im Gegensatz zu einem ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglied, muss der erste Bürgermeister Deutscher im Sinn des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sein und am Wahltag bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben (Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GLKrWG). In kreisfreien Städten, Großen Kreisstädten und in kreisangehörigen Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern ist der erste Bürgermeister Beamter auf Zeit (berufsmäßiger Bürgermeister). Kreisangehörige Gemeinden mit höchstens 10000 Einwohnern haben die Möglichkeit das Amt des ersten Bürgermeisters ehrenamtlich zu verwalten und ihn zum Ehrenbeamten zu ernennen (Art. 34 Abs. 1 und 2 GO). In jedem Fall ist er aber, im Gegensatz zu den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern, ein Beamter der Gemeinde (Art. 34 Abs. 1 Satz 1 GO). Der ehrenamtliche erste Bürgermeister wird stets (außer bei Neuwahlen) zugleich mit dem Gemeinderat gewählt (Art. 41 Abs. 1 GLKrWG). Der berufsmäßige erste Bürgermeister wird hingegen nur dann gleichzeitig mit dem Gemeinderat gewählt, wenn der Beginn seiner Amtszeit mit dem Beginn der Wahlzeit des Gemeinderats zusammenfällt (Art. 42 Abs. 1 Satz 2 GLKrWG). Außerdem darf er um wählbar zu sein am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr nicht vollendet haben (Art. 39 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG). Der erste Bürgermeister führt den Vorsitz im Gemeinderat, und bereitet dessen Beratungsgegenstände vor (Art. 36 Satz 1, Art. 46 Abs. 2 Satz 1 GO). Als Vorsitzender beruft er den Gemeinderat unter Angabe der Tagesordnung mit 37 Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2 38 ebenda 39 vgl. Kapitel 2.4 und die - 11 angemessener Frist ein (Art. 46 Abs. 2 Satz 2 GO). Der Gemeinderat ist unverzüglich einzuberufen, wenn es ein Viertel der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder schriftlich unter Bezeichnung der Beratungsgegenstände verlangt (Art. 46 Abs. 2 Satz 3 GO). In den Sitzungen handhabt der erste Bürgermeister außerdem die Ordnung und übt das Hausrecht aus (Art. 53 Abs. 1 Satz 1 GO). In der Regel führt er auch den Vorsitz in den Ausschüssen des Gemeinderats (Art. 33 Abs. 2 GO). Die Beschlüsse des Gemeinderats werden durch ihn vollzogen (Art. 36 Satz 1 GO). Darüber hinaus vertritt er die Gemeinde nach außen (Art. 38 Abs. 1 GO) und ist „Leiter des Verwaltungsapparates der Gemeinde“40, was bedeutet, dass er im Rahmen der Geschäftsordnung die Geschäfte leitet und verteilt (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 GO). Er ist Dienstvorgesetzter der Gemeindebeamten und führt über sie und über die sonstigen Mitarbeiter der Gemeinde die Dienstaufsicht (Art. 37 Abs. 4, Art. 43 Abs. 3 GO). Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO erledigt der erste Bürgermeister in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Zur Klarstellung um welche Angelegenheiten es sich hierbei im Einzelnen konkret handelt, kann der Gemeinderat Richtlinien aufstellen (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO). Neben diesen laufenden Angelegenheiten kann der Gemeinderat jedoch noch weitere Angelegenheiten dem ersten Bürgermeister zur selbständigen Erledigung übertragen (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GO). Hiervon ausgenommen sind der Erlass von Satzungen und alle Angelegenheiten, die nicht auf beschließende Ausschüsse übertragen werden können41 (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2). Sofern dringliche Anordnungen zu treffen sind oder es um die Besorgung unaufschiebbarer Geschäfte geht, ist der erste Bürgermeister sogar befugt, an Stelle des Gemeinderats oder eines Ausschusses, selbst tätig zu werden (Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO). Dem ersten Bürgermeister obliegt zudem die Pflicht, Entscheidungen des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse, die er für rechtswidrig hält, zu beanstanden, ihren Vollzug auszusetzen und, soweit erforderlich, die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeizuführen (Art. 59 Abs. 2 GO). Im Falle seiner Verhinderung (z.B. Krankheit oder Urlaub) wird der erste Bürgermeister von den so genannten „weiteren Bürgermeistern“ vertreten (Art. 40 Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2 41 vgl. Kapitel 3.1.1 und die - 12 39 Abs. 1 Satz 1 GO). Diese werden vom Gemeinderat aus seiner Mitte für die Dauer seiner Wahlzeit gewählt, wobei mindestens einer gewählt werden muss und höchstens zwei gewählt werden dürfen (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 GO). Beachtlich ist hierbei, dass nur die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder wählbar sind, welche auch die Voraussetzungen für die Wahl zum ersten Bürgermeister erfüllen, also Deutsche im Sinn des Art. 116 Abs. 1 GG sind, und das 21. Lebensjahr vollendet haben (Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GO i.V.m. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GLKrWG). Sie sind, wie auch der erste Bürgermeister, Beamte der Gemeinde, und zwar in der Regel Ehrenbeamte (ehrenamtliche weitere Bürgermeister), wenn nicht der Gemeinderat durch Satzung bestimmt, dass sie Beamte auf Zeit (berufsmäßige weitere Bürgermeister) sein sollen (Art. 35 Abs. 1 Satz 2 GO). Auf Grund der Möglichkeit des ersten Bürgermeisters einzelne seiner Befugnisse den weiteren Bürgermeistern zu übertragen (Art. 39 Abs. 2 GO), sind ihnen außerdem regelmäßig Referate der Gemeindeverwaltung übertragen.42 Gemäß Art. 33 Abs. 2 GO steht dem ersten Bürgermeister auch das Recht zu, den Vorsitz eines Ausschusses generell (also nicht nur im Verhinderungsfall) auf die weiteren Bürgermeister in ihrer Reihenfolge zu übertragen.43 3.2 Die Organe der hessischen Gemeinde 3.2.1 Die Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung) Wie bereits in Kapitel 2.5 erwähnt, wird auch in den hessischen Gemeinden die Verwaltung von zwei Organen besorgt. Davon stellt die Gemeindevertretung, welche in den Städten die Bezeichnung „Stadtverordnetenversammlung“ führt (§9 Abs. 1 Satz 3 HGO), in gewisser Hinsicht das Pendant zum bayerischen Gemeinderat dar. Denn auch hierbei handelt es sich um ein Kollegialorgan, dessen Mitglieder (Gemeindevertreter) von der Bürgerschaft in freier, allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl gewählt werden und somit zusammen die vom Grundgesetz geforderte „Vertretung des Volkes in der Gemeinde“ bilden (§ 29 i.V.m. § 1 Abs. 1 KWG). Die Gemeindevertreter führen in den Städten die Bezeichnung „Stadtverordneter“ (§ 49 Satz 2 HGO). Ein bezeichnender Unterschied zum Gemeinderat besteht jedoch unter anderem in 42 vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2 und die vgl. Büchner: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 68f 43 - 13 der Wahlzeit der Gemeindevertreter, welche nämlich nur fünf Jahre und nicht, wie die des Gemeinderats, sechs Jahre beträgt (§ 36 Satz 1 HGO).44 Wie beim Gemeinderat ist die Zahl der zu wählenden Gemeindevertreter durch das Gesetz festgelegt und hängt von der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde ab. So besteht gemäß § 38 Abs. 1 HGO die Stadtverordnetenversammlung der mittelgroßen hessischen Stadt Gießen (ca. Einwohnern)45 72000 aus 59 Stadtverordneten. Die Zahl der Gemeinderatsmitglieder einer bayerischen Stadt vergleichbarer Größenordnung würde hingegen nur 44 betragen und ist somit deutlich weniger als die Zahl der Stadtverordneten in einer hessischen Stadt dieser Größenordnung. Doch auch sonst läge die Zahl der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder einer bayerischen Gemeinde stets unter der Zahl der Gemeindevertreter einer hessischen Gemeinde mit gleicher Einwohnerzahl. Für die Wählbarkeit zum Gemeindevertreter gilt grundsätzlich das gleiche wie für Wählbarkeit zum Gemeinderatsmitglied: Wählbar sind nur Bürger der Gemeinde, die seit mindestens sechs Monaten in der Gemeinde ihren Wohnsitz haben und nicht nach sonstigen Vorschriften des Gesetzes von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind (§§ 8, 30 Abs. 1, § 32 HGO).46 Gemeindevertreter können im Falle des § 37 HGO gehindert sein, ihr Amt anzutreten. Diese Hinderungsgründe entsprechen im Grunde denen der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder in Bayern. So können Gemeindevertreter beispielsweise nicht gleichzeitig hauptamtliche Beamte bzw. haupt- und nebenberufliche Angestellte der Gemeinde sein, in dessen Gemeindevertretung sie gewählt worden sind (§ 37 Nr. 1 Buchst. a HGO). Für die Gemeindevertreter gilt, wie auch für die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder, der Grundsatz des freien Mandats, welcher sogar ausdrücklich in der Hessischen Gemeindeordnung aufgeführt wird. Hiernach üben die Gemeindevertreter ihre Tätigkeit nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung aus und sind an Aufträge und Wünsche der Wähler nicht gebunden (§ 35 Abs. 1 HGO). Eine entsprechende Regelung enthält die Bayerische Gemeindeordnung nicht. Hier ist 44 vgl. Kapitel 2.5 45 vgl. Stadt Gießen, http://www.giessen.de/media/custom/684_1013_1.PDF vom 23.01.2008 46 vgl. auch Kapitel 3.1.1 - 14 der Grundsatz des freien Mandats aus der Bayerischen Verfassung abzuleiten (vgl. Art. 13 Abs. 2 BV).47 Für die Beschlussfassung der Gemeindevertretung gilt im Grunde das gleiche wie für die des Gemeinderats in Bayern: Beschlüsse werden, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt, in offener Abstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 HGO). Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 HGO). Wahlen sind in der Regel schriftlich und geheim vorzunehmen (§ 55 Abs. 3 Satz 1 HGO). Die Hessische Gemeindeordnung lässt es jedoch unter Umständen zu, dass, wenn kein Gemeindevertreter widerspricht, Wahlen auch in offener Abstimmung vorgenommen werden können (§ 55 Abs. 3 Satz 2 HGO). In Bayern hingegen sind Wahlen im Gemeinderat ausnahmslos geheim vorzunehmen (Art. 51 Abs. 3 Satz 1 GO). Entsprechend den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern, üben auch die hessischen Gemeindevertreter ihr Mandat ehrenamtlich aus, woraus sich, wie für sonstige ehrenamtlich Tätige auch, gewisse Rechte und Pflichte ableiten lassen. Diese sind beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht und das Recht auf Entschädigung, wie Verdienstausfallsersatz und Aufwandsentschädigung (§ 35 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 24, 27 HGO). Den Vorsitz in der Gemeindevertretung führt nicht etwa der Bürgermeister, wie es im Gemeinderat der Fall ist, sondern eine von den Gemeindevertretern für die Dauer ihrer Wahlzeit aus ihrer Mitte gewählte Person (§ 57 Abs. 1 Satz 1 HGO)48. Der Vorsitzende der Gemeindevertretung führt in Städten die Bezeichnung „Stadtverordnetenvorsteher“ (§ 49 Satz 2 HGO) und ist als Mitglied der Gemeindevertretung ebenfalls ehrenamtlich tätig.49 Zeitgleich mit dem Vorsitzenden werden in der ersten (konstituierenden) Sitzung ein oder mehrere stellvertretende Vorsitzende, ebenfalls aus der Mitte der Gemeindevertreter gewählt (§ 57 Abs. 1 Satz 1 HGO).50 Die genaue Zahl der stellvertretenden Vorsitzenden bestimmt die Hauptsatzung, welche von der Gemeindevertretung erlassen wird (§§ 6, 51 Nr. 6, § 57 Abs. 1 Satz 2 HGO). 47 ebenda 48 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S 4 49 vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Hessen, S. 1 50 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S 4 und die - 15 Der Vorsitzende der Gemeindevertretung nimmt zum großen Teil die Aufgaben wahr, welche auch der erste Bürgermeister in Bayern als Vorsitzender des Gemeinderats wahrnimmt: Er beruft die Gemeindevertreter zu den Sitzungen der Gemeindevertretung unter Angabe der Gegenstände der Verhandlung mit einer Frist von in der Regel mindestens drei Tagen (§ 58 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO). Auch er muss die Gemeindevertretung unverzüglich einberufen, wenn es ein Viertel der Gemeindevertreter unter Angabe der zur Verhandlung zu stellenden Gegenstände verlangt. Neben den Gemeindevertretern hat jedoch auch der Gemeindevorstand51 und der Bürgermeister das Recht die unverzügliche Einberufung der Gemeindevertretung zu verlangen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 HGO). Der Vorsitzende leitet zudem die Verhandlungen der Gemeindevertretung, er handhabt die Ordnung in den Sitzungen und übt das Hausrecht aus (§ 58 Abs. 4 Satz 1 HGO). Anders als der bayerische erste Bürgermeister als Vorsitzender des Gemeinderats, führt der Vorsitzende der Gemeindevertretung nur die Beschlüsse aus, welche die innere Ordnung der Gemeindevertretung betreffen (§ 58 Abs. 4 Satz 2 HGO).52 Beachtlich ist schließlich noch die Tatsache, dass sowohl der Vorsitzende als auch seine Stellvertreter von den Gemeindevertretern mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln ihrer gesetzlichen Zahl abberufen werden können (§ 57 Abs. 2 HGO).53 Eine Abberufung des ersten Bürgermeisters als Vorsitzender des Gemeinderats ist in der Bayerischen Gemeindeordnung hingegen nicht vorgesehen. Wie zuvor bereits aufgeführt beschließt die Gemeindevertretung als oberstes Organ über die Angelegenheiten der Gemeinde, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 HGO). Hierzu gehören insbesondere alle wichtigen Entscheidungen, die für die Gemeinde zu treffen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 HGO). Ob es sich bei einer bestimmten Angelegenheit um eine „wichtige Entscheidung“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 HGO, oder um eine zum Zuständigkeitsbereich des Gemeindevorstands gehörende Angelegenheit der laufenden Verwaltung handelt, kann nicht für alle Gemeinden einheitlich beurteilt werden. Vielmehr muss diese Abgrenzung in Abhängigkeit der Einwohnerzahl, der Verwaltungs- und insbesondere auch der 51 siehe Kapitel 3.2.2 52 vgl. Kapitel 3.1.2 53 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S 4 - 16 Finanzkraft der jeweiligen Gemeinde vorgenommen werden.54 Wie der Gemeinderat in Bayern, kann auch die Gemeindevertretung die Beschlussfassung über bestimmte Angelegenheiten auf andere Organe bzw. Hilfsorgane wie den Gemeindevorstand oder einen Ausschuss übertragen (§ 50 Abs. 1 Satz 2 HGO). Jedoch schränkt § 51 HGO diese Möglichkeit ein, indem er einen Katalog an Angelegenheiten auflistet, welche von der Gemeindevertretung nicht übertragen werden können. Hierzu gehört beispielsweise der Erlass, die Änderung und Aufhebung von Satzungen (§ 51 Nr. 6 HGO). Diese Vorschrift entspricht also insoweit dem Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO, als er die Angelegenheiten aufzählt, die vom Gemeinderat nicht auf beschließende Ausschüsse übertragen werden dürfen. Entsprechend dem Gemeinderat ist die Gemeindevertretung neben der Entscheidung über wichtige Gemeindeangelegenheiten auch für die Überwachung der gesamten Verwaltung der Gemeinde zuständig (§ 9 Abs. 1 Satz 2, § 50 Abs. 2 Satz 1 HGO). Zudem überwacht sie die Geschäftsführung des Gemeindevorstands, insbesondere die Verwendung der Gemeindeeinnahmen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 HGO). Wie bereits angedeutet, ist auch der hessischen Gemeindevertretung die Möglichkeit gegeben Ausschüsse aus ihrer Mitte zu bilden, und zwar sowohl zur Vorbereitung ihrer Beschlüsse als auch zur endgültigen Beschlussfassung bestimmter Angelegenheiten (§ 50 Abs. 1 Satz 2, § 62 Abs. 1 Satz 1 und 3 HGO). Ausgenommen sind natürlich die Angelegenheiten, die gemäß § 51 HGO nicht von der Gemeindevertretung übertragen werden dürfen (§ 50 Abs. 1 Satz 3 HGO). Das Gesetz erlaubt es der Gemeindevertretung ausdrücklich Angelegenheiten, deren Beschlussfassung sie auf einen Ausschuss übertragen hat, jederzeit wieder an sich zu ziehen (§ 50 Abs. 1 Satz 5, § 62 Abs. 1 Satz 3 HGO). Inwiefern dies auch dem Gemeinderat in Bayern möglich ist, ist strittig, da es in der bayerischen Gemeindeordnung keine entsprechende eindeutige Regelung gibt. Der hessische Gesetzgeber stellt es der Gemeindevertretung frei, ob sie die Zahl, die Zusammensetzung und das Aufgabengebiet der Ausschüsse durch einfachen Beschluss, durch die Geschäftsordnung oder die Hauptsatzung bestimmt.55 In bayerischen Gemeinden hingegen muss der Gemeinderat die Zusammensetzung seiner Ausschüsse in der Geschäftsordnung regeln (Art. 33 Abs. 1 Satz 1 GO). 54 vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern, 2003, S. 137 55 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 6 - 17 Anders als in Bayern muss die Zusammensetzung eines Ausschusses nicht zwingend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen in der Gemeindevertretung entsprechen. Die Gemeindevertreter können sich auch dazu entschließen die Ausschussmitglieder unabhängig vom Stärkeverhältnis der Fraktionen aus ihrer Mitte zu wählen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 HGO). Entscheiden sie sich jedoch für die Zusammensetzung nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen, so werden die Mitglieder eines Ausschusses, wie auch in Bayern, auf Benennung der einzelnen Fraktionen bestellt (§ 62 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 HGO). Wie der Gemeinderat, so kann auch die Gemeindevertretung Ausschüsse jederzeit auflösen. Die hessische Gemeindeordnung räumt der Gemeindevertretung zudem ausdrücklich die Möglichkeit ein, Ausschüsse jederzeit wieder neu zu bilden (§ 62 Abs. 1 Satz 5 HGO). 3.2.2 Der Gemeindevorstand (Magistrat) Kommen wir nun zum Gemeindevorstand, dem zweiten Organ einer hessischen Gemeinde. In Städten führt er die Bezeichnung „Magistrat“ (§ 9 Abs. 2 Satz 2 HGO). Als Verwaltungsbehörde der Gemeinde besorgt er nach den Beschlüssen der Gemeindevertretung im Rahmen der bereitgestellten Mittel die laufende Verwaltung der Gemeinde (§ 9 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO). Er ist, wie auch die Gemeindevertretung, ein Kollegialorgan, welches sich aus dem Bürgermeister als Vorsitzenden, dem Ersten Beigeordneten und weiteren Beigeordneten zusammensetzt (§ 65 Abs. 1 HGO).56 In Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern „Oberbürgermeister“ führt und der der Bürgermeister Erste Beigeordnete die die Amtsbezeichnung Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ (§ 45 Abs. 1 Satz 1 HGO). In Städten führen die Beigeordneten die Bezeichnung „Stadtrat“ (§ 45 Abs. 2 Satz 1 HGO). Grundsätzlich sind die Beigeordneten ehrenamtlich tätig, wobei einzelne Beigeordnetenstellen auch hauptamtlich verwaltet werden können (§ 44 Abs. 2 HGO). In jedem Fall werden sie aber, wie auch der Bürgermeister, zu Beamten ernannt (§ 46 HGO).57 Wie andere ehrenamtlich Tätige, erhalten auch die ehrenamtlichen Beigeordneten eine Entschädigung nach § 27 HGO, also unter anderem Verdienstausfalls- und Fahrkostenersatz.58 Zur Zahl der Beigeordneten gibt die Hessische Gemeindeordnung nur vor, dass mindestens zwei 56 ebenda 57 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 7 58 ebenda - 18 Beigeordnete (also der Erste Beigeordnete und ein weiterer Beigeordneter) bestellt werden müssen und dass die Zahl der hauptamtlichen Beigeordneten die der ehrenamtlichen nicht übersteigen darf (§ 44 Abs. 2 Sätze 2 und 4 HGO). Die konkrete Zahl der Beigeordneten und welche Beigeordnetenstellen hauptamtlich zu verwalten sind, kann durch die Hauptsatzung bestimmt werden (§ 44 Abs. 2 Satz 3 HGO). Die Mitglieder des Gemeindevorstands werden, mit Ausnahme des Bürgermeisters, von der Gemeindevertretung gewählt (§ 39a Abs. 1 Satz 1 HGO). Gemäß dem Grundsatz der Inkompatibilität dürfen sowohl Bürgermeister als auch Beigeordnete nicht gleichzeitig Gemeindevertreter sein (§ 65 Abs. 2 Satz 1 HGO).59 Ferner ist es auch ausgeschlossen, dass jemand, der beispielsweise gegen Entgelt im Dienst der Gemeinde steht, zum Bürgermeister oder zum Beigeordneten gewählt wird (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 HGO). Die ehrenamtlichen Beigeordneten werden für die Wahlzeit der Gemeindevertretung, also für fünf Jahre gewählt (§ 39a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. § 36 Satz 1 HGO). Hauptamtliche Beigeordnete sowie der Bürgermeister werden hingegen aus Gründen der Verwaltungskontinuität für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt (§ 39 Abs. 3 Satz 1, § 39a Abs. 2 Satz 1 HGO).60 Wählbar zum ehrenamtlichen Beigeordneten ist nur, wer auch die Voraussetzungen für die Wählbarkeit zum Gemeindevertreter erfüllt, also Bürger der Gemeinde ist und seit mindestens sechs Monaten in der Gemeinde seinen Wohnsitz hat (§ 39a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 32 HGO). Für die Wählbarkeit zum hauptamtlichen Beigeordneten gelten hingegen die Vorschriften zur Wählbarkeit zum Bürgermeister entsprechend. Hiernach sind nur Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG und Unionsbürger wählbar, die am Wahltag das 25. Lebensjahr vollendet haben (§ 39a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 39 Abs. 2 HGO). Gemäß § 55 Abs. 1 HGO werden die ehrenamtlichen Beigeordneten in einem Wahlgang nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt, während die hauptamtlichen Beigeordneten jeweils in einem besonderen Wahlgang nach Stimmenmehrheit gewählt werden.61 Im besonderen Maße kennzeichnend für die hessische Kommunalverfassung ist die Tatsache, dass sowohl Bürgermeister als auch die hauptamtlichen Beigeordneten unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig abberufen werden 59 ebenda 60 ebenda 61 ebenda - 19 können (§ 76 Abs. 1 und 4 HGO). Dies wurde ermöglicht, „um nachhaltige Störungen des für eine gedeihliche Zusammenarbeit zum Wohl der Gemeinde unerlässlichen Vertrauensverhältnisses der kommunalen Organe zu beheben.“62 Die vorzeitige Abberufung der hauptamtlichen Beigeordneten geschieht durch die Gemeindevertretung in einem streng geregelten Verfahren. Die vorzeitige Abwahl des Bürgermeisters kann nur durch die Bürgerschaft erfolgen (§ 76 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 HGO). Die Bayerische Gemeindeordnung sieht hingegen keine vorzeitige Abwahl des ersten Bürgermeisters vor. Die Aufgaben des Gemeindevorstands decken sich zu einem großen Teil mit denen des ersten Bürgermeisters in Bayern. So fällt beispielsweise die gesamte laufende Verwaltung in seinen Zuständigkeitsbereich. Die Hessische Gemeindeordnung enthält, wie auch die Bayerische, keine gesetzliche Definition des Begriffs „laufende Verwaltung“ bzw. „laufende Angelegenheit“. Der Rechtsprechung zufolge „ist ein Geschäft der laufenden Verwaltung bei Angelegenheiten anzunehmen, die mehr oder weniger gleichförmig in regelmäßiger Wiederkehr vorkommen, sachlich und finanziell wenig erheblich sind sowie zur ungestörten und ununterbrochenen Fortführung der Gemeindeverwaltung notwenig sind.“63 Die einzelnen Arbeitsgebiete (Dezernate) werden vom Bürgermeister unter die Mitglieder des Gemeindevorstands verteilt (§ 70 Abs. 1 Satz 3 HGO).64 Bei laufenden Verwaltungsangelegenheiten von geringerer Bedeutung, zu denen nicht der Gemeindevorstand im Ganzen zur Entscheidung berufen ist, entscheiden die zuständigen Beigeordneten (Dezernenten) innerhalb ihres Aufgabengebiets selbstständig (§ 70 Abs. 2 HGO). Sie sind dann in Sachfragen nicht einer Weisungsbefugnis des Bürgermeisters unterlegen.65 Des Weiteren vertritt der Gemeindevorstand die Gemeinde im Rechtsverkehr, was bedeutet, dass Erklärungen, welche die Gemeinde verpflichten in der Regel durch den Bürgermeister im Namen des Gemeindevorstands abgegeben werden (§ 71 Abs. 1 HGO).66 In Bayern ist für die Vertretung der Gemeinde nach außen grundsätzlich der erste Bürgermeister zuständig (Art. 38 Abs. 1 GO). Der Gemeindevorstand hat zudem die Beschlüsse 62 Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 7f 63 Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 10 64 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 8 der 65 Gemeindevertretung vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern, 2003, S. 141 66 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 10 - 20 vorzubereiten und auszuführen (§ 66 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 HGO). Auch diese Aufgabe wird in Bayern insoweit vom ersten Bürgermeister wahrgenommen, als er die Beratungsgegenstände des Gemeinderats vorbereitet und dessen Beschlüsse vollzieht (Art. 36 Satz 1, Art. 46 Abs. 2 Satz 1 GO). Im Rahmen der Vorbereitung der Beschlüsse der Gemeindevertretung, hat der Gemeindevorstand das Recht, dass seine Anträge in die Tagesordnung der Sitzung der Gemeindevertretung aufgenommen werden (§ 58 Abs. 5 Satz 1 HGO). Der Gemeindevorstand nimmt darüber hinaus an den Sitzungen der Gemeindevertretung teil und muss jederzeit zum Gegenstand der Verhandlung gehört werden (§ 59 Sätze 1 und 2 HGO). Wie bereits erwähnt, hat der erste Bürgermeister in Bayern die Pflicht, Beschlüsse des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse, die er für rechtswidrig hält, zu beanstanden und ihren Vollzug auszusetzen (Art. 59 Abs. 2 GO). Dementsprechend hat auch der Bürgermeister in Hessen die Pflicht rechtswidrigen Beschlüssen der Gemeindevertretung oder ihrer Ausschüsse mit aufschiebender Wirkung zu widersprechen (§ 63 Abs. 1 und 3 HGO). Kommt er dieser Pflicht jedoch nicht fristgerecht nach, so geht die Widerspruchspflicht auf den Gemeindevorstand über (§ 63 Abs. 4 HGO). Schließlich ist der Gemeindevorstand noch für die Anstellung, Beförderung und Entlassung der Gemeindebediensteten zuständig (§ 73 Abs. 1 Satz 1 HGO). In Bayern muss genauer differenziert werden: Die Beamten und Angestellten der Gemeinde werden grundsätzlich vom Gemeinderat ernannt und befördert, bzw. eingestellt und höher gruppiert sowie entlassen (Art. 43 Abs. 1 GO). Bei den Arbeitern der Gemeinde ist hierfür der erste Bürgermeister zuständig (Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GO).67 Die Beschlüsse des Gemeindevorstands werden, wie auch die der Gemeindevertretung, in offener Abstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wobei jedes Mitglied eine Stimme hat und somit grundsätzlich gleichberechtigt ist (§§ 67, 68 HGO).68 Nur bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden, also die des Bürgermeisters den Ausschlag (§ 68 Abs. 2 Satz 3 HGO). Das Verbot der geheimen Abstimmung erstreckt sich beim 67 In den Gemeinden, in denen der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zur Anwendung kommt, wird zugunsten eines einheitlichen Beschäftigtenbegriffs auf die bisherige Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern verzichtet. Nach Aussage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, können sich jedoch die Kommunen bis auf weiteres zur Kompetenzabgrenzung für personalrechtliche Entscheidungen an den bisherigen Begriffen orientieren. 68 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 8 - 21 Gemeindevorstand sogar auf Wahlen, sofern nicht ein Drittel der Mitglieder eine geheime Abstimmung verlangt (§ 67 Abs. 2 HGO). Trotz der Gleichberechtigung, haben einige Mitglieder des Gemeindevorstands neben dem Bürgermeister eine gewisse Sonderstellung: So ist beispielsweise der Erste Beigeordnete der allgemeine Vertreter des Bürgermeisters, wenn dieser verhindert ist (§ 47 Satz 1 HGO). Als solcher nimmt er im Vertretungsfall unter anderem die Aufgaben wahr, welche dem Bürgermeister als Vorsitzendem des Gemeindevorstands obliegen, und gibt an Stelle des Bürgermeisters Erklärungen der Gemeinde im Namen des Gemeindevorstands ab (§ 71 Abs. 1 Satz 2 HGO).69 Die übrigen Beigeordneten sind zur allgemeinen Vertretung des Bürgermeisters nur berufen, wenn der Erste Beigeordnete verhindert ist (§ 47 Satz 2 HGO). In Bayern wird der erste Bürgermeister im Falle seiner Verhinderung von den aus der Mitte des Gemeinderats gewählten weiteren Bürgermeistern in deren Reihenfolge vertreten.70 Eine weitere Sonderstellung hat der mit der Verwaltung des Finanzwesens betraute Beigeordnete. Als hauptamtlicher Beigeordneter führt er in Städten die Bezeichnung „Stadtkämmerer“ (§ 45 Abs. 2 Satz 1 HGO). Er bereitet unter anderem den Entwurf der Haushaltssatzung vor, der vom Gemeindevorstand festgestellt wird (§ 97 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO). Zudem ist er berechtigt, der Gemeindevertretung eine abweichende Stellungnahme zu dem Entwurf des Gemeindevorstands vorzulegen und seine abweichende Auffassung in der Beratung der Gemeindevertretung zu vertreten (§ 97 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 HGO). Abschließend sei noch erwähnt, dass der Gemeindevorstand zu seiner Entlastung Kommissionen bilden kann, die ihm unterstehen.71 Diese können von ihm mit der Erledigung vorübergehender Aufträge sowie mit der dauernden Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftsbereiche beauftragt werden (§ 72 Abs. 1 HGO). Die Kommissionen bestehen aus dem Bürgermeister, weiteren Mitgliedern des Gemeindevorstands, Mitgliedern der Gemeindevertretung sowie eventuell aus sachkundigen Einwohnern (§ 72 Abs. 2 Satz 1 HGO). Den Vorsitz in den Kommissionen führt der Bürgermeister oder ein von ihm bestellter Beigeordneter (§ 72 Abs. 3 HGO). Näheres zum Verfahren 69 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 9 70 vgl. Kapitel 3.1.2 71 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 10 - 22 und zum Geschäftsgang der Kommissionen kann der Gemeindevorstand regeln (§ 72 Abs. 4 Satz 1 HGO). 4 Rechtsstellung und Aufgaben des hessischen Bürgermeisters Da sich das Kapitel 3.1.2 bereits ausführlich mit dem ersten Bürgermeister als ein Hauptorgan der bayerischen Gemeinde auseinandersetzt, möchte ich in diesem Kapitel etwas genauer auf die Rechtsstellung und die Aufgaben des Bürgermeisters der hessischen Gemeinde eingehen und mit dem bayerischen ersten Bürgermeister vergleichen. Der hessische Bürgermeister führt, wie bereits dargestellt, in Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern die Amtsbezeichnung „Oberbürgermeister“ (§ 45 Abs. 1 Satz 1 HGO). Bei diesen Gemeinden handelt es sich, sofern sie keine der fünf hessischen Großstädte sind, um die so genannten „Sonderstatus-Städte“, die auf Grund ihrer besonderen Verwaltungskraft zusätzliche Aufgaben wahrnehmen.72 Auch in Bayern ist die Bezeichnung „Oberbürgermeister“ für den ersten Bürgermeister geläufig, jedoch ist sie nicht primär von der Einwohnerzahl der Gemeinde abhängig, sondern vielmehr davon, ob es sich um eine kreisfreie Stadt bzw. eine Große Kreisstadt handelt (Art. 34 Abs. 1 Satz 2 GO). Gewählt wird der hessische Bürgermeister, wie auch in Bayern, von den wahlberechtigten Einwohnern der Gemeinde (Bürger) in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl für eine Amtszeit von sechs Jahren (§ 8 Abs. 2, § 39 Abs. 1a Satz 1, Abs. 3 Satz 1 HGO). Im Unterschied zu Bayern, sind in Hessen nicht nur Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, sondern auch Staatsangehörige der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger) zum Bürgermeister wählbar. Zudem muss ein Bewerber in Hessen am Wahltag das 25. Lebensjahr vollendet haben, während man in Bayern bereits ab dem vollendeten 21. Lebensjahr zum ersten Bürgermeister wählbar ist (§ 39 Abs. 2 Satz 1 HGO).73 Wie bereits dargestellt, kann der hessische Bürgermeister unter gewissen Voraussetzungen von der Bürgerschaft vorzeitig abgewählt werden, was in Bayern nicht möglich ist.74 72 vgl. Kapitel 2.2 73 vgl. Kapitel 3.1.2 74 vgl. Kapitel 3.2.2 - 23 Als Beamter der Gemeinde ist der hessische Bürgermeister in der Regel hauptamtlich tätig (§ 44 Abs. 1 Satz 1 HGO). Lediglich den Gemeinden mit nicht mehr als 1500 Einwohnern steht es frei durch die Hauptsatzung zu bestimmen, dass das Amt des Bürgermeisters ehrenamtlich zu verwalten ist (§ 44 Abs. 1 Satz 2 HGO). Auf Grund der kommunalen Gebietsreform hat diese Vorschrift jedoch nur noch eine geringe praktische Bedeutung.75 In Bayern haben hingegen noch die kreisangehörigen Gemeinden mit höchstens 10000 Einwohnern die Möglichkeit einen ehrenamtlichen Bürgermeister zu bestellen. In bayerischen Gemeinden bis zu 5000 Einwohnern ist der erste Bürgermeister sogar grundsätzlich ehrenamtlich tätig, sofern der Gemeinderat nicht rechtzeitig durch Satzung etwas anderes bestimmt (Art. 34 Abs. 2 Satz 2 GO). In den übrigen Gemeinden Bayerns ist der erste Bürgermeister zwingend hauptamtlich tätig (berufsmäßiger Bürgermeister).76 Als Vorsitzender des Gemeindevorstands nimmt der hessische Bürgermeister zum großen Teil die gleichen Aufgaben wie die seines bayerischen Amtskollegen in der Eigenschaft als Vorsitzender des Gemeinderats wahr: Er beruft die Beigeordneten zu den Sitzungen des Gemeindevorstands unter Angabe der Gegenstände der Verhandlung und leitet die Sitzungen (§ 69 i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 HGO).77 Er bereitet die Beschlüsse des Gemeindevorstands vor und führt sie aus, soweit nicht Beigeordnete mit der Ausführung beauftragt sind (§ 70 Abs. 1 Satz 1 HGO). Rechtswidrigen Beschlüssen des Gemeindevorstands hat der Bürgermeister mit aufschiebender Wirkung zu widersprechen (§ 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 HGO). Aber auch den Beschlüssen der Gemeindevertretung kann, bzw. muss der Bürgermeister widersprechen, wenn sie das Wohl der Gemeinde gefährden oder das Recht verletzen (§ 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO). Er hat zudem ein Eilentscheidungsrecht, was ihm ermöglicht, in dringenden Fällen, wenn die vorherige Entscheidung des Gemeindevorstands nicht eingeholt werden kann, die erforderlichen Maßnahmen von sich aus anzuordnen (§ 70 Abs. 3 Satz 1 HGO). Gleichzeitig hat er aber auch, wie der bayerische erste Bürgermeister, die Funktion des Behördenleiters: Er leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang der gesamten gemeindlichen Verwaltung und sorgt für einen geregelten Ablauf der Verwaltungsgeschäfte (§ 70 Abs. 1 Satz 2 HGO). Zudem verteilt er die Geschäfte 75 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 6 76 vgl. Kapitel 3.1.2 77 vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 8 - 24 unter die Mitglieder des Gemeindevorstands und ist Dienstvorgesetzter aller Beamten und sonstigen Mitarbeitern der Gemeinde mit Ausnahme der Beigeordneten (§ 70 Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 Satz 1 HGO). Im Unterschied zum bayerischen ersten Bürgermeister, nimmt der Bürgermeister in Hessen die Aufgaben der örtlichen Ordnungsbehörden in alleiniger Verantwortung wahr und ist somit bei seinen Entscheidungen insofern weder an Vorgaben des Gemeindevorstands noch solchen der Gemeindevertretung gebunden, sondern ist lediglich den Aufsichtsbehörden zur Rechenschaft verpflichtet (§ 150 Satz 1 HGO).78 Die Bayerische Gemeindeordnung kennt keine vergleichbare Vorschrift. Hier muss im Einzelfall differenziert werden, ob es sich bei einer bestimmten ordnungsrechtlichen Maßnahme beispielsweise um eine laufende Angelegenheit handelt, oder ob der Gemeinderat bzw. einer seiner Ausschüsse zu entscheiden hat. Die Stellung des hessischen Bürgermeisters wird durch eine Reihe weiterer Rechte gestärkt, die auch seine Sonderstellung unter den Mitgliedern des Gemeindevorstands hervorheben. So darf er beispielsweise im Rahmen der Anhörung des Gemeindevorstands in den Sitzungen der Gemeindevertretung eine von der (Mehrheits-) Auffassung des Gemeindevorstands abweichende persönliche Meinung vertreten (§ 59 Sätze 1 und 2 HGO). Darüber hinaus kann, wie bereits in Kapitel 3.2.1 dargestellt, nicht nur der Gemeindevorstand als Ganzes, sondern auch der Bürgermeister alleine die unverzügliche Einberufung der Gemeindevertretung verlangen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 HGO). Er hat zudem, neben dem Gemeindevorstand, einen Anspruch auf Annahme seiner Anträge auf die Tagesordnung der Gemeindevertretung (§ 58 Abs. 5 Satz 2 HGO).79 5 Schlussgedanke Nach eingehender Betrachtung und Gegenüberstellung beider Kommunalverfassungssysteme, drängt sich dem Leser oder der Leserin eventuell die Frage auf, welches der beiden Systeme denn nun das „bessere“ sei. Diese Frage kann man jedoch nicht so einfach beantworten. Eine solche Aussage wäre meiner Ansicht nach auch viel zu pauschal und ungenau. In der Praxis scheinen wohl beide Systeme gut zu funktionieren und sich im Laufe der Jahrzehnte, in denen sie bereits angewandt werden, entsprechend bewährt zu 78 vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern, 2003, S. 142 79 ebenda - 25 haben. Freilich könnte ich mir vorstellen, dass es der ein oder andere Bürgermeister in Hessen begrüßen würde, wenn, wie in Bayern, anstelle eines kollegialen Gremiums, er allein an der Spitze der Verwaltung stünde und dadurch seine Ideen unter Umständen schneller umsetzen könnte. Noch dazu wäre er in Bayern gleichzeitig nicht nur Mitglied der Bürgervertretung, sondern kraft Amtes auch ihr Vorsitzender und von den Bürgern nicht mehr abwählbar. Aber gerade diese Machtbalance zwischen einer kollegial gestalteten Verwaltungsleitung und einem eigenständigen Vorsitzenden der Gemeindevertretung einerseits sowie einem relativ starken, direkt gewählten Bürgermeister andererseits, ist meiner Ansicht nach gerade das interessante der hessischen Kommunalverfassung. Dieses System würde mich als Bürger in der Gewissheit bestärken, dass der Willensbildung der Gemeinde eine umfassende und ausgewogene Problemlösung voraus ging. Unabhängig vom Kommunalverfassungssystem bin ich zudem der Meinung, dass die Hessische Gemeindeordnung in mancher Hinsicht modernere Züge als die Bayerische Gemeindeordnung aufweist: So wird zum Beispiel in § 4b HGO die Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Gleichberechtigung von Frau und Mann als Aufgabe den Gemeinden zugewiesen. Darüber hinaus sieht die Gemeindeordnung in Gemeinden mit mehr als 1000 gemeldeten ausländischen Einwohnern die obligatorische Einrichtung von Ausländerbeiräten vor. Diese sollen die Interessen der ausländischen Einwohner der Gemeinde vertreten und die Organe in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, beraten (§§ 84, 88 HGO). Somit komme ich zu dem Schluss, dass Bayern in Sachen Kommunalpolitik ein Blick auf seinen hessischen Nachbarn unter Umständen nicht schaden könnte. - 26 - Quellenverzeichnis Bayerisches Staatsministerium des Innern: Schreiben an die Regierungen vom 01.12.2005, Betreff: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Auswirkungen auf den Vollzug der Kommunalgesetze. Büchner, Hermann: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Verein der Freunde der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern e.V. (Hrsg.): Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 8. Auflage, Hof 2005, S. 63-71. Büchner, Hermann: Der Gemeinderat, in: Verein der Freunde der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern e.V. (Hrsg.): Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 8. Auflage, Hof 2005, S. 45-62. Dreßler, Ulrich / Adrian, Ulrike: Hessische Kommunalverfassung, 16. Auflage, Deutscher Gemeindeverlag, Mainz 2001. Dreßler, Ulrich: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost, Andreas / Wehling, HansGeorg (Hrsg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern – Eine Einführung, 1. Auflage, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, S. 131152. Hessische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Die hessische Kommunalverfassung, http://www.hlz.hessen.de/uploads/media/kommunalverfassung.pdf vom 16.10.2007. Kitzeder, Peter: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 3. Auflage, Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.), München 1997. Schmidt-Eichstaedt, Gerd / Stade, Isabell / Borchmann, Michael (Bearb.): Die Gemeindeordnungen und die Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 22. Lieferung, W. Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag, Stuttgart/Berlin/Köln 1996. Stadt Gießen (Hrsg.): Statistikstelle der Universitätsstadt Gießen, http://www.giessen.de/media/custom/684_1013_1.PDF vom 23.01.2008. - 27 - Rechtsquellenverzeichnis BV Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (GVBl. S. 991), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. November 2003 (GVBl. S. 817) GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) GLKrWG Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2006 (GVBl. S. 834) GO Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. April 2007 (GVBl. S. 271) GrKrV Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. März 1991 (GVBl. S. 123, zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Mai 2007 (GVBl. S. 326) HGO Hessische Gemeindeordnung in der Fassung vom 1. April 1993 (GVBl. 1992 I S. 534), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2005 (GVBl. I S. 54) HKO Hessische Landkreisordnung in der Fassung vom 1. April 1993 (GVBl. 1992 I S. 569), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2000 (GVBl. I S. 588, 594) KWG Hessisches Kommunalwahlgesetz in der Fassung vom 4. September 2000 (GVBl. I S. 454), geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2000 (GVBl. I S. 542, 549) - 28 - Erklärung Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Alle abgegebenen Exemplare sind inhaltlich identisch. Hof, den 15. Mai 2016 ………….................................................... Unterschrift