3 Die Organe der hessischen und bayerischen Gemeinde

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Die Kommunalverfassungen norddeutscher
und süddeutscher Prägung im Vergleich am
Beispiel der Gemeindeordnungen der Länder
Hessen und Bayern
Diplomarbeit
eingereicht am Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung der
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern
von
Peter Edinger
Matrikelnummer 20050022
Jahrgang 2005/2008
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................... I
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................ II
1
Einleitung ...................................................................................................... - 1 -
2
Allgemeines zu den Kommunalverfassungen Hessens und Bayerns ............ - 2 -
3
2.1
Die hessischen und bayerischen Kommunen........................................- 2 -
2.2
Kreisfreie und kreisangehörige Gemeinden ..........................................- 2 -
2.3
Das Homogenitätsprinzip ......................................................................- 4 -
2.4
Grundzüge der bayerischen Gemeindeverfassung ...............................- 4 -
2.5
Grundzüge der hessischen Gemeindeverfassung .................................- 5 -
Die Organe der hessischen und bayerischen Gemeinde ............................... - 7 3.1
Die Organe der bayerischen Gemeinde ................................................- 7 -
3.1.1
Der Gemeinderat...............................................................................- 7 -
3.1.2
Der erste Bürgermeister ..................................................................- 10 -
3.2
Die Organe der hessischen Gemeinde ...............................................- 12 -
3.2.1
Die Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung)..............- 12 -
3.2.2
Der Gemeindevorstand (Magistrat) .................................................- 17 -
4
Rechtsstellung und Aufgaben des hessischen Bürgermeisters ................... - 22 -
5
Schlussgedanke .......................................................................................... - 24 -
Quellenverzeichnis ............................................................................................. - 26 Rechtsquellenverzeichnis ................................................................................... - 27 Erklärung ............................................................................................................ - 28 -
II
Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
Art.
Artikel
Buchst.
Buchstabe
BV
Verfassung des Freistaates Bayern
bzw.
beziehungsweise
f.
folgende
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
GLKrWG
Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz
GO
Gemeindeordnung des Freistaats Bayern
GrKrV
Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte
HGO
Hessische Gemeindeordnung
HKO
Hessische Landkreisordnung
i.V.m.
in Verbindung mit
KWG
Hessisches Kommunalwahlgesetz
Nr.
Nummer
S.
Seite
vgl.
vergleiche
z.B.
zum Beispiel
-1-
1 Einleitung
Als Studierender an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und
Rechtspflege in Bayern (kurz: FHVR) wird mir ein umfassender Einblick in das
deutsche Rechtssystem gewährt. Neben Privatrecht, Sicherheitsrecht und
allgemeinem Verwaltungsrecht, bildet das bayerische Kommunalrecht einen
wichtigen Schwerpunkt der Ausbildung zum Diplomverwaltungswirt. Auf Grund
des in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Föderalismus umfasst das
deutsche Rechtssystem nämlich nicht nur die Gesetze, welche vom Deutschen
Bundestag förmlich erlassen worden sind (Bundesgesetze), sondern auch die
des jeweiligen Bundeslandes, soweit es für das entsprechende Rechtsgebiet die
Gesetzgebungskompetenz besitzt.
Das
Kommunalrecht
ist
eines
dieser
Rechtsgebiete. Es obliegt den einzelnen Bundesländern das Wesen und die
Verwaltung ihrer Kommunen, insbesondere ihrer Gemeinden durch eine eigene
Kommunalverfassung gesetzlich zu regeln.
Beschäftigt man sich nun als Studierender in Bayern mit der Bayerischen
Gemeindeordnung, welche die Grundzüge der Gemeindeverfassung regelt,
vergisst man schnell, dass diese ausschließlich im Freistaat Bayern Anwendung
findet,
und
dass
jenseits
der
bayerischen
Staatsgrenze
eine
andere
Gemeindeordnung gelten muss, die die Gemeindeverfassung des jeweiligen
Landes regelt. So gilt beispielsweise im bayerischen Nachbarland Hessen die
Hessische Gemeindeordnung (HGO), welche mit der Gemeindeordnung des
Freistaats Bayern (GO) weniger gemeinsam hat als man anfänglich vermuten
könnte. Dies wurde mir erst bewusst, als ich aus reiner Neugier einen Blick in die
Hessische Gemeindeordnung geworfen hatte. Mir vertraute Begriffe wie
„Gemeinderat“ oder „Gemeinderatsmitglied“ suchte ich vergebens und fand dafür
Begriffe wie „Magistrat“ oder „Stadtverordnetenvorsteher“, von denen ich nicht
wüsste, sie im Zusammenhang mit der Bayerischen Gemeindeordnung je gehört
zu haben.
In dieser Diplomarbeit möchte ich dem Leser und der Leserin mit Hilfe eines
Vergleichs der Hessischen mit der Bayerischen Gemeindeordnung die
Unterschiede der Kommunalverfassungen beider Länder aufzeigen und damit ein
Bewusstsein für die Vielfalt des Kommunalrechts in der Bundesrepublik schaffen.
Den
Schwerpunkt
lege
Hauptverwaltungsorgane
der
ich
hierbei
hessischen
auf
und
die
Vorstellung
bayerischen
der
Gemeinden,
insbesondere auf die Rechtsstellung des bayerischen bzw. hessischen
-2Bürgermeisters. Von der Betrachtung ausgeschlossen sind die Teile der
Gemeindeordnungen, welche Regelungen über die Gemeindewirtschaft und die
staatliche Aufsicht zum Inhalt haben, da sie den Rahmen dieser Arbeit sprengen
würden.
2 Allgemeines zu den Kommunalverfassungen Hessens
und Bayerns
2.1 Die hessischen und bayerischen Kommunen
Das Wort „Kommune“ im kommunalrechtlichen Sinn ist ein Sammelbegriff für
sämtliche administrativen Gebietskörperschaften eines Staates, die selbst jedoch
nicht über Staatsqualität verfügen. Die Tätigkeit der Kommunen beschränkt sich
nämlich im Unterschied zum Bund und zu den Ländern ausschließlich auf die
vollziehende Gewalt (Exekutive).1
Anders als Bayern, ist Hessen lediglich in zwei kommunale Ebenen, den
Gemeinden und den Landkreisen (Gemeindeverbände) gegliedert (vgl. § 1 Abs.
2 HGO, § 1 Abs. 1 Satz 1 HKO)2. In Bayern kennt man neben diesen beiden
noch eine „dritte kommunale Ebene“: die Bezirke3. Sie umfassen das Gebiet der
ihnen zugeteilten Landkreise und kreisfreien Gemeinden und sind, wie Gemeinde
und Landkreis eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 1 Satz 1
GO, Art. 1 Satz 1 LKrO, Art. 1, 7 BezO).
2.2 Kreisfreie und kreisangehörige Gemeinden
Beide Bundesländer unterscheiden ihre Gemeinden in solche, die einem
Landkreis angehören (kreisangehörige Gemeinden) und solche, die kein
Bestandteil eines Landkreises sind (kreisfreie Gemeinden)4 (Art. 5 Abs. 1 GO). In
Hessen sind lediglich die fünf dort existierenden Großstädte mit mehr als 100000
Einwohnern (Darmstadt, Frankfurt am Main, Kassel, Offenbach am Main und
Wiesbaden) kreisfrei.5 In Bayern hingegen gibt es insgesamt 25 kreisfreie
Gemeinden, bei denen es sich jedoch nicht nur um Großstädte, sondern auch
1
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 23
2
vgl. Hessische Landeszentrale für politische Bildung: Die Hessische Kommunalverfassung,
http://www.hlz.hessen.de/uploads/media/kommunalverfassung.pdf vom 16.10.2007, S. 1
3
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 18
4
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 1f
5
vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den
deutschen Ländern, 2003, S. 131
-3um mittelgroße Städte (zwischen 50000 und 100000 Einwohner) oder um solche
mit weniger als 50000 Einwohner handelt. In Bayern nehmen die kreisfreien
Gemeinen
zusätzlich
alle
Aufgaben
des
Landratsamtes
als
Kreisverwaltungsbehörde (untere staatliche Verwaltungsbehörde) und als
Kreisbehörde (kommunale Verwaltungsbehörde des Landkreises) wahr (Art. 9
Abs. 1 GO). Auch in Hessen obliegen den fünf kreisfreien Städten sowohl die
Aufgaben der Gemeinde als auch die des Landkreises6 (vgl. § 146a HGO).
Unter den kreisangehörigen Gemeinden gibt es in Bayern auch solche, die
ursprünglich kreisfrei waren und dann im Zuge der kommunalen Gebietsreform in
den 70iger Jahren in einen Landkreis eingegliedert worden sind7. Sie werden als
„Große Kreisstadt“ bezeichnet und nehmen, zusätzlich zu den Aufgaben einer
kreisangehörigen Gemeinde, einige Aufgaben wahr, die sonst vom Landratsamt
als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wahrzunehmen sind (Art. 9 Abs.
2 Satz 1 GO). So fällt beispielsweise die Erteilung von Baugenehmigungen in
den Zuständigkeitsbereich der Großen Kreisstadt (§ 1 Nr. 1 GrKrV).8
Mit dem bayerischen Modell der Großen Kreisstadt sind in Hessen die so
genannten „Sonderstatus-Städte“ vergleichbar.9 Hierbei handelt es sich auch um
kreisangehörige Städte, die jedoch „auf Grund ihrer besonderen Verwaltungskraft
zusätzliche Aufgaben wahrnehmen“10 (vgl. § 4a HGO). Zu diesen Aufgaben
gehört beispielsweise, wie auch bei der Großen Kreisstadt in Bayern, das
Bauwesen.11 Anders als in Bayern, wird eine kreisangehörige Gemeinde in
Hessen
kraft
Gesetzes
zu
einer
„Sonderstatus-Stadt“
mit
erweitertem
Aufgabenbereich, sobald sie die Einwohnerzahl von 50000 übersteigt (§ 4a
HGO). Eine bayerische kreisangehörige Gemeinde hingegen muss, sofern sie
eine Große Kreisstadt werden möchte, dies beantragen und unter anderem mehr
als 30000 Einwohner haben (Art. 5a Abs. 4 GO). In Bayern besteht auch die
Möglichkeit Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern für kreisfrei zu erklären
(Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GO). In Hessen hingegen scheint der Status der
Kreisfreiheit allein den Großstädten, also Städten mit mehr als 100000
Einwohnern, vorbehalten zu sein.
6
ebenda
7
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 56
8
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 63
9
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 2
10
Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 2
11
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 29, Fußnote 3 zu § 4a HGO
-4-
2.3 Das Homogenitätsprinzip
Die Gesetzgebungskompetenz in Sachen Kommunalrecht liegt nun, wie bereits
in der Einleitung erwähnt, nicht beim Bund, sondern bei den einzelnen Ländern,
da das Grundgesetz dem Bund hierfür keine Gesetzgebungsbefugnisse verleiht
(Art. 70 Abs. 1 GG). Dies ist daraus abzuleiten, dass die Materie weder im
Katalog der ausschließlichen Gesetzgebung (Art. 71, 73 GG), noch in dem der
konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG) aufgelistet ist.12 Die Länder sind
somit zum Erlass kommunalrechtlicher Vorschriften ermächtigt, welche unter
anderem das Wesen und die Verfassung ihrer Gemeinden regeln. Diese
Tatsache ermöglicht die föderale Vielfalt der rechtlichen Gestaltung dieser
Vorschriften, welche jedoch wesentlich durch das Homogenitätsgebot des Art. 28
Abs. 1 Satz 2 GG eingeschränkt wird.13 Hiernach muss das Volk in den Ländern,
Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen,
unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.
2.4 Grundzüge der bayerischen Gemeindeverfassung
Dem Homogenitätsgebot des Grundgesetzes wird der Freistaat Bayern mit der
für
die
bayerischen
Gemeinden
einheitlich
angewandten
süddeutschen
Ratsverfassung gerecht.14 Die vom Grundgesetz geforderte Vertretung des
„Volkes in der Gemeinde“ (der Gemeindebürger) ist gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 1
GO der Gemeinderat. In Städten führt er die Bezeichnung „Stadtrat“, und in
Marktgemeinden die Bezeichnung „Marktgemeinderat“ (Art. 30 Abs. 1 Satz 2).
Die
stimmberechtigten
Mitglieder
dieses
Kollegialorgans
(ehrenamtlichen
Gemeinderatsmitglieder) werden „von der Bürgerschaft nach den Grundsätzen
der allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahl gewählt, und zwar
für eine Dauer von sechs Jahren“15 (Art. 22 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 GLKrWG).
Neben diesem Gremium stellt der erste Bürgermeister das zweite der beiden
Hauptorgane einer bayerischen Gemeinde dar (Art. 29 GO). Er führt in
kreisfreien
Gemeinden
und
in
Großen
Kreisstädten
die
Bezeichnung
„Oberbürgermeister“ (Art 34 Abs. 1 Satz 2 GO). Auch dieser wird nach den
kommunalen
Wahlrechtsgrundsätzen
(allgemeine,
gleiche,
unmittelbare,
12
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 34
13
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 40
14
vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1
15
Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1
und
und
die
die
-5geheime und freie Wahl) von den Gemeindebürgern für eine Amtszeit von sechs
Jahren gewählt (Art. 40 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GLKrWG).
Somit kennt die süddeutsche Ratsverfassung „zwei unmittelbar von den Bürgern
gewählte Gemeindeorgane:
gesetzlich
vermutet,
Gemeinderat
dass der
und Bürgermeister.“16 Es wird
Gemeinderat
über
alle Angelegenheiten
entscheidet, soweit nicht das Gesetz dem ersten Bürgermeister die alleinige
Zuständigkeit einräumt17 (Art. 29 GO). Ausdrücklich wird dem Gemeinderat
jedoch die Überwachung der gesamten Gemeindeverwaltung, insbesondere die
Ausführung seiner Beschlüsse, auferlegt (Art. 30 Abs. 3 GO). Dem Gemeinderat
wird außerdem die Möglichkeit der Ausschussbildung gegeben, auf die in Kapitel
3.1.1 noch genauer eingegangen wird.
Neben den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern ist auch der erste
Bürgermeister ein stimmberechtigtes Mitglied des Gemeinderats18 (Art. 31 Abs. 1
GO). Den Vorsitz im Gemeinderat führt der erste Bürgermeister (Art. 36 Satz 1
GO). Hieran lässt sich bereits ein kennzeichnendes Merkmal der süddeutschen
Ratsverfassung erkennen, nämlich die starke Stellung des Bürgermeisters, auf
die im Kapitel 3.1.2 noch genauer eingegangen wird.
2.5 Grundzüge der hessischen Gemeindeverfassung
Um den Vorgaben des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht zu werden, entschied
sich der hessische Gesetzgeber für die Schaffung einer so genannten „unechten
Magistratsverfassung“, die heute in allen hessischen Gemeinden zur Anwendung
gebracht wird.19
Die Gemeindevertretung ist hier das oberste Organ der Gemeinde (§ 9 Abs. 1
Satz
1
HGO).
In
Städten
führt
sie
die
Bezeichnung
„Stadtverordnetenversammlung“ (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HGO). Die Mitglieder dieses
Kollegialorgans (Gemeindevertreter) werden von den Bürgern der Gemeinde in
freier, allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl für eine Dauer von
fünf Jahren gewählt, und bilden zusammen somit die vom Grundgesetz
geforderte „Vertretung des Volkes in der Gemeinde“ (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 29, §
36 Satz 1, § 49 Satz 1 HGO, § 1 Abs. 1 KWG). Man kann also sagen, dass die
16
Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 36
17
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 36
18
ebenda
19
vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Hessen, S. 1
und
die
-6Gemeindevertretung in Hessen insoweit dem entspricht, was in Bayern der
Gemeinderat ist. Es sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass die Wahlzeit der
Gemeindevertreter fünf Jahre beträgt, wohingegen in Bayern die ehrenamtlichen
Gemeinderatsmitglieder für die Dauer von sechs Jahren gewählt werden (§ 36
Satz 1 HGO, Art. 23 Abs. 1 GLKrWG). Die Gemeindevertreter führen in den
hessischen Städten die Bezeichnung „Stadtverordneter“ (§ 49 Satz 2 HGO). Den
Vorsitzenden der Gemeindevertretung wählen die Gemeindevertreter aus ihrer
Mitte (§ 57 Abs. 1 Satz 1 HGO). In den Städten führt er die Bezeichnung
„Stadtverordnetenvorsteher“ (§ 49 Satz 2 HGO). Entsprechend dem bayerischen
Gemeinderat, beschließt die Gemeindevertretung über alle Angelegenheiten der
Gemeinde, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 50 Abs. 1 Satz 1
HGO). Explizit hat sie die wichtigen Entscheidungen zu treffen und (wie auch der
bayerische Gemeinderat) die gesamte Verwaltung zu überwachen (§ 9 Abs. 1
Satz 2 HGO).
Das zweite Organ einer hessischen Gemeinde ist der Gemeindevorstand. Er ist
das Verwaltungsorgan der Gemeinde und ist, wie auch die Gemeindevertretung
kollegial gestaltet.20 Er führt in den Städten die Bezeichnung „Magistrat“ (§ 9 Abs.
2 Satz 2 HGO). Zusammengesetzt ist der Gemeindevorstand aus dem
Bürgermeister als Vorsitzenden, dem Ersten Beigeordneten und weiteren
Beigeordneten (§ 65 Abs. 1 HGO). Der Bürgermeister wird wie auch in Bayern
nach den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen von den Bürgern der Gemeinde
für die Dauer von sechs Jahren gewählt (§ 39 Abs. 1a Satz 1, Abs. 3 Satz 1
HGO). In Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern führt er die Bezeichnung
„Oberbürgermeister“ (§ 45 Abs. 1 Satz 1 HGO). Die übrigen Mitglieder des
Gemeindevorstandes (Erster Beigeordneter und weitere Beigeordnete) werden
von der Gemeindevertretung gewählt (§ 39a Abs. 1 Satz 1 HGO). Der Erste
Beigeordnete führt in Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern die
Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ (§ 45 Abs. 1 Satz 1 HGO). Dieser wird jedoch
nicht wie der Oberbürgermeister von der Bürgerschaft, sondern von der, von den
Bürgern gewählten Gemeindevertretung gewählt. Der Gemeindevorstand ist die
Verwaltungsbehörde der Gemeinde und als solche für die laufende Verwaltung
zuständig (§ 9 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO).
Somit
stehen
eigenständigen
in
Hessen
einander
zwei
Entscheidungsbefugnissen
Kollegialorgane
21
gegenüber:
die
mit
jeweils
von
20
ebenda
21
vgl. Kitzeder: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern, 1997, S. 38
der
-7Bürgerschaft „gewählte Gemeindevertretung als willensbildendes, oberstes
Organ der Gemeinde“22 und der „Gemeindevorstand als kollegiales Organ der
laufenden Verwaltung.“23 Letzteres Organ wird in Bayern monokratisch
organisiert und entspricht dem Amt des ersten Bürgermeisters.
Die hessische Kommunalverfassung wird als „unechte“ Magistratsverfassung
bezeichnet, weil Beschlüsse der Gemeindevertretung nicht, wie bei der echten
Magistratsverfassung, an die Zustimmung des Gemeindevorstands gebunden
sind.24
3 Die Organe der hessischen und bayerischen Gemeinde
3.1 Die Organe der bayerischen Gemeinde
3.1.1 Der Gemeinderat
Im Folgenden werden die wichtigsten Organe einer bayerischen Gemeinde
vorgestellt
und
anschließend
den
Organen
der
hessischen
Gemeinde
gegenübergestellt.
Eines der beiden Hauptorgane einer bayerischen Gemeinde ist, wie bereits
erwähnt, der von den Gemeindebürgern auf sechs Jahre gewählte Gemeinderat,
der je nach Bezeichnung der Gemeinde als Stadtrat oder Marktgemeinderat
bezeichnet wird.25 Er setzt sich zusammen aus dem ersten Bürgermeister als
Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern (Art. 31 Abs. 1,
Abs. 2 Satz 1, Art. 36 Satz 1 GO). Die jeweilige Zahl der Gemeinderatsmitglieder
einer
Gemeinde
bestimmt
das
Gesetz
anhand
der
entsprechenden
Einwohnerzahl der Gemeinde. So besteht beispielsweise der Stadtrat einer
mittelgroßen bayerischen Stadt wie Aschaffenburg mit knapp 70000 Einwohnern
aus 44 ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern und dem Oberbürgermeister (vgl.
Art. 31 Abs. 2 Satz 2 GO). Wählbar für das Amt des Gemeinderatsmitglieds sind
nur Gemeindebürger, die sich seit mindestens sechs Monaten im Wahlkreis mit
dem Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen aufhalten und nicht nach sonstigen
Vorschriften des Gesetzes von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind (Art. 15
Abs. 2 GO i.V.m. Art. 1, 21 GLKrWG).
22
Hessische Landeszentrale für politische Bildung: Die Hessische Kommunalverfassung,
http://www.hlz.hessen.de/uploads/media/kommunalverfassung.pdf vom 16.10.2007, S 2
23
ebenda
24
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 3
25
vgl. Kapitel 2.4
-8Das einzelne Gemeinderatsmitglied ist, da es das Volk auf gemeindlicher Ebene
vertritt, „nach den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie bei der
Ausübung seines Amtes nur seinem Gewissen verantwortlich und an Aufträge
nicht gebunden (Grundsatz des freien Mandats; vgl. Art. 13 Abs. 2 BV).“26
Soweit es sich bei einer Beschlussfassung des Gemeinderats nicht ausdrücklich
um Wahlen handelt, werden die Beschlüsse stets in offener Abstimmung mit
Mehrheit der Abstimmenden gefasst (Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GO).
Dabei zählt die Stimme des ersten Bürgermeisters ebensoviel wie die der
ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag
abgelehnt (Art. 51 Abs. 1 Satz 2 GO).
Die Wahl zum Gemeinderatsmitglied ist mit der Pflicht verbunden dieses Amt
auch anzutreten, da es sich hierbei um ein gemeindliches Ehrenamt handelt (Art.
19 Abs. 1 Satz 1 GO). Die Übernahme des Amtes kann nur aus wichtigem Grund
abgelehnt oder niedergelegt werden (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GO). Gemäß dem
Grundsatz der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat (Inkompatibilität)27, können
ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder unter anderem nicht gleichzeitig Beamte
bzw. leitende oder hauptamtliche Angestellte der Gemeinde sein, in deren
Gemeinderat sie gewählt worden sind (Art. 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GO). Diese
Vorschrift dient der Verhinderung von Interessenskonflikten, „die sich vor allem
dann ergeben könnten, wenn jemand als Mitglied des Gemeinderats sich selbst
als Bediensteten der Gemeinde kontrollieren müsste.“28 Dem Gemeinderat
obliegt nämlich die Überwachung der gesamten Gemeindeverwaltung (Art. 30
Abs. 3 GO).29
Wie
alle
ehrenamtlich
tätigen
Gemeindebürger,
haben
auch
die
Gemeinderatsmitglieder einen Anspruch auf angemessene Entschädigung und
auf Ersatzleistungen, beispielsweise für den, durch die notwendige Teilnahme an
Gemeinderatssitzungen, entstandenen Verdienstausfall (Art. 20a Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Nr. 1 GO). Mit dem Ehrenamt des Gemeinderatsmitglieds sind jedoch
auch Pflichten, wie beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht verbunden (Art.
20 GO).
26
Büchner: Der Gemeinderat, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 48
27
vgl. Büchner: Der Gemeinderat, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 46
28
Büchner: Der Gemeinderat, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 2005, S. 46
29
vgl. Kapitel 2.4
-9Im Kapitel 2.4 wurde bereits angesprochen, dass für den Gemeinderat die
Möglichkeit besteht, als „Unterorgane“30 Ausschüsse zu bilden. Gemeint sind
hiermit sowohl vorberatende als auch beschließende Ausschüsse (so genannte
„Gemeindesenate“) (Art. 32 Abs. 1 und 2 GO). Vorberatende Ausschüsse dienen
lediglich der Vorbereitung der Beratungsgegenstände und erleichtern somit die
Beschlussfassung im Gemeinderat.31 Beschließende Ausschüsse hingegen
entscheiden unmittelbar an Stelle des Gemeinderats.32 Ihnen kann die
Erledigung einzelner Angelegenheiten übertragen werden (Art. 32 Abs. 2 Satz 1
GO).
Hiervon
ausgeschlossen
sind
eine
Reihe
besonders
wichtiger
Angelegenheiten, die nicht auf einen beschließenden Ausschuss delegiert
werden dürfen, sondern vom Gemeinderat selbst entschieden werden müssen.33
Hierzu gehört beispielsweise die Beschlussfassung über den Finanzplan der
Gemeinde (Art. 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 GO). Die Größe der einzelnen
Ausschüsse ist in der Regel nicht gesetzlich vorgegeben. Sie wird in der vom
Gemeinderat erlassenen Geschäftsordnung geregelt (Art. 33 Abs. 1 Satz 1 GO).
Die Ausschussstärke sollte jedoch nicht zu gering festgesetzt werden, da die
Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen „Parteien und
Wählergruppen“ (Fraktionen)34 Rechnung tragen müssen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2
GO). Die Mitglieder eines Ausschusses werden vom Gemeinderat für die Dauer
seiner Wahlzeit, auf Vorschlag der einzelnen „Fraktionen“35, aus seiner Mitte
bestellt (nicht gewählt!) (Art. 33 Abs. 1 Satz 4 GO, Art. 27 Abs. 2 Satz 1 LKrO
analog). Von der Möglichkeit einen Ausschuss aufzulösen kann der Gemeinderat
jederzeit gebrauch machen (Art. 32 Abs. 5 GO).
Von den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern zu unterscheiden, sind die
berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieder. Diese können vom Gemeinderat in
Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern gewählt werden (Art. 40 Satz 1 GO),
und erfüllen eine Doppelfunktion:36 Zum einen „haben sie in den Sitzungen des
30
Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1
und
die
vgl. Büchner: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht,
2005, S. 63
31
32
ebenda
33
vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 1
und
die
vgl. Büchner: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht,
2005, S. 65
34
35
36
ebenda
vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2
und
die
- 10 Gemeinderats und seiner Ausschüsse in Angelegenheiten ihres Aufgabengebiets
eine keinen Weisungen des ersten Bürgermeisters unterworfene beratende
Stimme“37 (Art. 40 Satz 2 GO), und zum anderen „sind sie regelmäßig als
Referenten in leitender Funktion in den Verwaltungsapparat der Gemeinde
eingegliedert.“38
3.1.2 Der erste Bürgermeister
Das zweite Hauptorgan der bayerischen Gemeinde ist, wie bereits erwähnt, der
erste Bürgermeister, der in Großen Kreisstädten und in kreisfreien Städten die
Amtsbezeichnung „Oberbürgermeister“ führt. Auch er wird, wie der Gemeinderat
von den Gemeindebürgern in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und
freier Wahl für die Dauer von sechs Jahren gewählt.39 Im Gegensatz zu einem
ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglied, muss der erste Bürgermeister Deutscher
im Sinn des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sein und am Wahltag bereits das
21. Lebensjahr vollendet haben (Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GLKrWG).
In kreisfreien Städten, Großen Kreisstädten und in kreisangehörigen Gemeinden
mit mehr als 10000 Einwohnern ist der erste Bürgermeister Beamter auf Zeit
(berufsmäßiger Bürgermeister). Kreisangehörige Gemeinden mit höchstens
10000 Einwohnern haben die Möglichkeit das Amt des ersten Bürgermeisters
ehrenamtlich zu verwalten und ihn zum Ehrenbeamten zu ernennen (Art. 34 Abs.
1 und 2 GO). In jedem Fall ist er aber, im Gegensatz zu den ehrenamtlichen
Gemeinderatsmitgliedern, ein Beamter der Gemeinde (Art. 34 Abs. 1 Satz 1 GO).
Der ehrenamtliche erste Bürgermeister wird stets (außer bei Neuwahlen)
zugleich mit dem Gemeinderat gewählt (Art. 41 Abs. 1 GLKrWG). Der
berufsmäßige erste Bürgermeister wird hingegen nur dann gleichzeitig mit dem
Gemeinderat gewählt, wenn der Beginn seiner Amtszeit mit dem Beginn der
Wahlzeit des Gemeinderats zusammenfällt (Art. 42 Abs. 1 Satz 2 GLKrWG).
Außerdem darf er um wählbar zu sein am Tag des Beginns der Amtszeit das 65.
Lebensjahr nicht vollendet haben (Art. 39 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG).
Der erste Bürgermeister führt den Vorsitz im Gemeinderat, und bereitet dessen
Beratungsgegenstände vor (Art. 36 Satz 1, Art. 46 Abs. 2 Satz 1 GO). Als
Vorsitzender beruft er den Gemeinderat unter Angabe der Tagesordnung mit
37
Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2
38
ebenda
39
vgl. Kapitel 2.4
und
die
- 11 angemessener Frist ein (Art. 46 Abs. 2 Satz 2 GO). Der Gemeinderat ist
unverzüglich
einzuberufen,
wenn
es
ein
Viertel
der
ehrenamtlichen
Gemeinderatsmitglieder schriftlich unter Bezeichnung der Beratungsgegenstände
verlangt (Art. 46 Abs. 2 Satz 3 GO). In den Sitzungen handhabt der erste
Bürgermeister außerdem die Ordnung und übt das Hausrecht aus (Art. 53 Abs. 1
Satz 1 GO). In der Regel führt er auch den Vorsitz in den Ausschüssen des
Gemeinderats (Art. 33 Abs. 2 GO). Die Beschlüsse des Gemeinderats werden
durch ihn vollzogen (Art. 36 Satz 1 GO). Darüber hinaus vertritt er die Gemeinde
nach außen (Art. 38 Abs. 1 GO) und ist „Leiter des Verwaltungsapparates der
Gemeinde“40, was bedeutet, dass er im Rahmen der Geschäftsordnung die
Geschäfte leitet und verteilt (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 GO). Er ist Dienstvorgesetzter
der Gemeindebeamten und führt über sie und über die sonstigen Mitarbeiter der
Gemeinde die Dienstaufsicht (Art. 37 Abs. 4, Art. 43 Abs. 3 GO).
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO erledigt der erste Bürgermeister in eigener
Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine
grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen
erwarten lassen. Zur Klarstellung um welche Angelegenheiten es sich hierbei im
Einzelnen konkret handelt, kann der Gemeinderat Richtlinien aufstellen (Art. 37
Abs. 1 Satz 2 GO). Neben diesen laufenden Angelegenheiten kann der
Gemeinderat jedoch noch weitere Angelegenheiten dem ersten Bürgermeister
zur selbständigen Erledigung übertragen (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GO).
Hiervon ausgenommen sind der Erlass von Satzungen und alle Angelegenheiten,
die nicht auf beschließende Ausschüsse übertragen werden können41 (Art. 37
Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2). Sofern dringliche Anordnungen zu treffen sind oder es
um die Besorgung unaufschiebbarer Geschäfte geht, ist der erste Bürgermeister
sogar befugt, an Stelle des Gemeinderats oder eines Ausschusses, selbst tätig
zu werden (Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO).
Dem ersten Bürgermeister obliegt zudem die Pflicht, Entscheidungen des
Gemeinderats oder seiner Ausschüsse, die er für rechtswidrig hält, zu
beanstanden,
ihren
Vollzug
auszusetzen
und,
soweit
erforderlich,
die
Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeizuführen (Art. 59 Abs. 2 GO).
Im Falle seiner Verhinderung (z.B. Krankheit oder Urlaub) wird der erste
Bürgermeister von den so genannten „weiteren Bürgermeistern“ vertreten (Art.
40
Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2
41
vgl. Kapitel 3.1.1
und
die
- 12 39 Abs. 1 Satz 1 GO). Diese werden vom Gemeinderat aus seiner Mitte für die
Dauer seiner Wahlzeit gewählt, wobei mindestens einer gewählt werden muss
und höchstens zwei gewählt werden dürfen (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 GO).
Beachtlich ist hierbei, dass nur die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder
wählbar sind, welche auch die Voraussetzungen für die Wahl zum ersten
Bürgermeister erfüllen, also Deutsche im Sinn des Art. 116 Abs. 1 GG sind, und
das 21. Lebensjahr vollendet haben (Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GO i.V.m. Art. 39 Abs.
1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GLKrWG). Sie sind, wie auch der erste Bürgermeister,
Beamte der Gemeinde, und zwar in der Regel Ehrenbeamte (ehrenamtliche
weitere Bürgermeister), wenn nicht der Gemeinderat durch Satzung bestimmt,
dass sie Beamte auf Zeit (berufsmäßige weitere Bürgermeister) sein sollen (Art.
35 Abs. 1 Satz 2 GO). Auf Grund der Möglichkeit des ersten Bürgermeisters
einzelne seiner Befugnisse den weiteren Bürgermeistern zu übertragen (Art. 39
Abs. 2 GO), sind ihnen außerdem regelmäßig Referate der Gemeindeverwaltung
übertragen.42 Gemäß Art. 33 Abs. 2 GO steht dem ersten Bürgermeister auch
das Recht zu, den Vorsitz eines Ausschusses generell (also nicht nur im
Verhinderungsfall) auf die weiteren Bürgermeister in ihrer Reihenfolge zu
übertragen.43
3.2 Die Organe der hessischen Gemeinde
3.2.1 Die Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung)
Wie bereits in Kapitel 2.5 erwähnt, wird auch in den hessischen Gemeinden die
Verwaltung von zwei Organen besorgt. Davon stellt die Gemeindevertretung,
welche in den Städten die Bezeichnung „Stadtverordnetenversammlung“ führt
(§9 Abs. 1 Satz 3 HGO), in gewisser Hinsicht das Pendant zum bayerischen
Gemeinderat dar. Denn auch hierbei handelt es sich um ein Kollegialorgan,
dessen
Mitglieder
(Gemeindevertreter)
von
der
Bürgerschaft
in
freier,
allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl gewählt werden und
somit zusammen die vom Grundgesetz geforderte „Vertretung des Volkes in der
Gemeinde“ bilden (§ 29 i.V.m. § 1 Abs. 1 KWG). Die Gemeindevertreter führen in
den Städten die Bezeichnung „Stadtverordneter“ (§ 49 Satz 2 HGO). Ein
bezeichnender Unterschied zum Gemeinderat besteht jedoch unter anderem in
42
vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Bayern, S. 2
und
die
vgl. Büchner: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht,
2005, S. 68f
43
- 13 der Wahlzeit der Gemeindevertreter, welche nämlich nur fünf Jahre und nicht,
wie die des Gemeinderats, sechs Jahre beträgt (§ 36 Satz 1 HGO).44
Wie beim Gemeinderat ist die Zahl der zu wählenden Gemeindevertreter durch
das Gesetz festgelegt und hängt von der Einwohnerzahl der jeweiligen
Gemeinde
ab.
So
besteht
gemäß
§
38
Abs.
1
HGO
die
Stadtverordnetenversammlung der mittelgroßen hessischen Stadt Gießen (ca.
Einwohnern)45
72000
aus
59
Stadtverordneten.
Die
Zahl
der
Gemeinderatsmitglieder einer bayerischen Stadt vergleichbarer Größenordnung
würde hingegen nur 44 betragen und ist somit deutlich weniger als die Zahl der
Stadtverordneten in einer hessischen Stadt dieser Größenordnung. Doch auch
sonst
läge
die
Zahl
der
ehrenamtlichen
Gemeinderatsmitglieder
einer
bayerischen Gemeinde stets unter der Zahl der Gemeindevertreter einer
hessischen Gemeinde mit gleicher Einwohnerzahl.
Für die Wählbarkeit zum Gemeindevertreter gilt grundsätzlich das gleiche wie für
Wählbarkeit zum Gemeinderatsmitglied: Wählbar sind nur Bürger der Gemeinde,
die seit mindestens sechs Monaten in der Gemeinde ihren Wohnsitz haben und
nicht
nach sonstigen Vorschriften des Gesetzes von der Wählbarkeit
ausgeschlossen sind (§§ 8, 30 Abs. 1, § 32 HGO).46 Gemeindevertreter können
im Falle des § 37 HGO gehindert sein, ihr Amt anzutreten. Diese
Hinderungsgründe
entsprechen
im
Grunde
denen
der
ehrenamtlichen
Gemeinderatsmitglieder in Bayern. So können Gemeindevertreter beispielsweise
nicht gleichzeitig hauptamtliche Beamte bzw. haupt- und nebenberufliche
Angestellte der Gemeinde sein, in dessen Gemeindevertretung sie gewählt
worden sind (§ 37 Nr. 1 Buchst. a HGO).
Für
die
Gemeindevertreter
gilt,
wie
auch
für
die
ehrenamtlichen
Gemeinderatsmitglieder, der Grundsatz des freien Mandats, welcher sogar
ausdrücklich in der Hessischen Gemeindeordnung aufgeführt wird. Hiernach
üben die Gemeindevertreter ihre Tätigkeit nach ihrer freien, nur durch die
Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung aus und sind an
Aufträge und Wünsche der Wähler nicht gebunden (§ 35 Abs. 1 HGO). Eine
entsprechende Regelung enthält die Bayerische Gemeindeordnung nicht. Hier ist
44
vgl. Kapitel 2.5
45
vgl. Stadt Gießen, http://www.giessen.de/media/custom/684_1013_1.PDF vom 23.01.2008
46
vgl. auch Kapitel 3.1.1
- 14 der Grundsatz des freien Mandats aus der Bayerischen Verfassung abzuleiten
(vgl. Art. 13 Abs. 2 BV).47
Für die Beschlussfassung der Gemeindevertretung gilt im Grunde das gleiche
wie für die des Gemeinderats in Bayern: Beschlüsse werden, soweit das Gesetz
nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt, in offener Abstimmung mit der
Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 HGO).
Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 HGO).
Wahlen sind in der Regel schriftlich und geheim vorzunehmen (§ 55 Abs. 3 Satz
1 HGO). Die Hessische Gemeindeordnung lässt es jedoch unter Umständen zu,
dass, wenn kein Gemeindevertreter widerspricht, Wahlen auch in offener
Abstimmung vorgenommen werden können (§ 55 Abs. 3 Satz 2 HGO). In Bayern
hingegen sind Wahlen im Gemeinderat ausnahmslos geheim vorzunehmen (Art.
51 Abs. 3 Satz 1 GO).
Entsprechend den ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern, üben auch die
hessischen Gemeindevertreter ihr Mandat ehrenamtlich aus, woraus sich, wie für
sonstige ehrenamtlich Tätige auch, gewisse Rechte und Pflichte ableiten lassen.
Diese sind beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht und das Recht auf
Entschädigung, wie Verdienstausfallsersatz und Aufwandsentschädigung (§ 35
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 24, 27 HGO).
Den Vorsitz in der Gemeindevertretung führt nicht etwa der Bürgermeister, wie es
im Gemeinderat der Fall ist, sondern eine von den Gemeindevertretern für die
Dauer ihrer Wahlzeit aus ihrer Mitte gewählte Person (§ 57 Abs. 1 Satz 1
HGO)48. Der Vorsitzende der Gemeindevertretung führt in Städten die
Bezeichnung „Stadtverordnetenvorsteher“ (§ 49 Satz 2 HGO) und ist als Mitglied
der Gemeindevertretung ebenfalls ehrenamtlich tätig.49 Zeitgleich mit dem
Vorsitzenden werden in der ersten (konstituierenden) Sitzung ein oder mehrere
stellvertretende Vorsitzende, ebenfalls aus der Mitte der Gemeindevertreter
gewählt (§ 57 Abs. 1 Satz 1 HGO).50 Die genaue Zahl der stellvertretenden
Vorsitzenden bestimmt die Hauptsatzung, welche von der Gemeindevertretung
erlassen wird (§§ 6, 51 Nr. 6, § 57 Abs. 1 Satz 2 HGO).
47
ebenda
48
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S 4
49
vgl. Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann (Bearb.): Die Gemeindeordnungen
Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, Hessen, S. 1
50
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S 4
und
die
- 15 Der Vorsitzende der Gemeindevertretung nimmt zum großen Teil die Aufgaben
wahr, welche auch der erste Bürgermeister in Bayern als Vorsitzender des
Gemeinderats wahrnimmt: Er beruft die Gemeindevertreter zu den Sitzungen der
Gemeindevertretung unter Angabe der Gegenstände der Verhandlung mit einer
Frist von in der Regel mindestens drei Tagen (§ 58 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO).
Auch er muss die Gemeindevertretung unverzüglich einberufen, wenn es ein
Viertel der Gemeindevertreter unter Angabe der zur Verhandlung zu stellenden
Gegenstände verlangt. Neben den Gemeindevertretern hat jedoch auch der
Gemeindevorstand51 und der Bürgermeister das Recht die unverzügliche
Einberufung der Gemeindevertretung zu verlangen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 HGO).
Der Vorsitzende leitet zudem die Verhandlungen der Gemeindevertretung, er
handhabt die Ordnung in den Sitzungen und übt das Hausrecht aus (§ 58 Abs. 4
Satz 1 HGO).
Anders
als
der
bayerische
erste
Bürgermeister
als
Vorsitzender
des
Gemeinderats, führt der Vorsitzende der Gemeindevertretung nur die Beschlüsse
aus, welche die innere Ordnung der Gemeindevertretung betreffen (§ 58 Abs. 4
Satz 2 HGO).52 Beachtlich ist schließlich noch die Tatsache, dass sowohl der
Vorsitzende als auch seine Stellvertreter von den Gemeindevertretern mit einer
Mehrheit von mindestens zwei Dritteln ihrer gesetzlichen Zahl abberufen werden
können (§ 57 Abs. 2 HGO).53 Eine Abberufung des ersten Bürgermeisters als
Vorsitzender des Gemeinderats ist in der Bayerischen Gemeindeordnung
hingegen nicht vorgesehen.
Wie zuvor bereits aufgeführt beschließt die Gemeindevertretung als oberstes
Organ über die Angelegenheiten der Gemeinde, soweit sich aus dem Gesetz
nichts anderes ergibt (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 HGO). Hierzu
gehören insbesondere alle wichtigen Entscheidungen, die für die Gemeinde zu
treffen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 HGO). Ob es sich bei einer bestimmten
Angelegenheit um eine „wichtige Entscheidung“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2
HGO, oder um eine zum Zuständigkeitsbereich des Gemeindevorstands
gehörende Angelegenheit der laufenden Verwaltung handelt, kann nicht für alle
Gemeinden einheitlich beurteilt werden. Vielmehr muss diese Abgrenzung in
Abhängigkeit der Einwohnerzahl, der Verwaltungs- und insbesondere auch der
51
siehe Kapitel 3.2.2
52
vgl. Kapitel 3.1.2
53
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S 4
- 16 Finanzkraft der jeweiligen Gemeinde vorgenommen werden.54 Wie der
Gemeinderat
in
Bayern,
kann
auch
die
Gemeindevertretung
die
Beschlussfassung über bestimmte Angelegenheiten auf andere Organe bzw.
Hilfsorgane wie den Gemeindevorstand oder einen Ausschuss übertragen (§ 50
Abs. 1 Satz 2 HGO). Jedoch schränkt § 51 HGO diese Möglichkeit ein, indem er
einen Katalog an Angelegenheiten auflistet, welche von der Gemeindevertretung
nicht übertragen werden können. Hierzu gehört beispielsweise der Erlass, die
Änderung und Aufhebung von Satzungen (§ 51 Nr. 6 HGO). Diese Vorschrift
entspricht also insoweit dem Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO, als er die
Angelegenheiten aufzählt, die vom Gemeinderat nicht auf beschließende
Ausschüsse übertragen werden dürfen. Entsprechend dem Gemeinderat ist die
Gemeindevertretung
neben
der
Entscheidung
über
wichtige
Gemeindeangelegenheiten auch für die Überwachung der gesamten Verwaltung
der Gemeinde zuständig (§ 9 Abs. 1 Satz 2, § 50 Abs. 2 Satz 1 HGO). Zudem
überwacht sie die Geschäftsführung des Gemeindevorstands, insbesondere die
Verwendung der Gemeindeeinnahmen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 HGO).
Wie bereits angedeutet, ist auch der hessischen Gemeindevertretung die
Möglichkeit gegeben Ausschüsse aus ihrer Mitte zu bilden, und zwar sowohl zur
Vorbereitung ihrer Beschlüsse als auch zur endgültigen Beschlussfassung
bestimmter Angelegenheiten (§ 50 Abs. 1 Satz 2, § 62 Abs. 1 Satz 1 und 3
HGO). Ausgenommen sind natürlich die Angelegenheiten, die gemäß § 51 HGO
nicht von der Gemeindevertretung übertragen werden dürfen (§ 50 Abs. 1 Satz 3
HGO).
Das
Gesetz
erlaubt
es
der
Gemeindevertretung
ausdrücklich
Angelegenheiten, deren Beschlussfassung sie auf einen Ausschuss übertragen
hat, jederzeit wieder an sich zu ziehen (§ 50 Abs. 1 Satz 5, § 62 Abs. 1 Satz 3
HGO). Inwiefern dies auch dem Gemeinderat in Bayern möglich ist, ist strittig, da
es in der bayerischen Gemeindeordnung keine entsprechende eindeutige
Regelung gibt. Der hessische Gesetzgeber stellt es der Gemeindevertretung frei,
ob sie die Zahl, die Zusammensetzung und das Aufgabengebiet der Ausschüsse
durch einfachen Beschluss, durch die Geschäftsordnung oder die Hauptsatzung
bestimmt.55 In bayerischen Gemeinden hingegen muss der Gemeinderat die
Zusammensetzung seiner Ausschüsse in der Geschäftsordnung regeln (Art. 33
Abs. 1 Satz 1 GO).
54
vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den
deutschen Ländern, 2003, S. 137
55
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 6
- 17 Anders als in Bayern muss die Zusammensetzung eines Ausschusses nicht
zwingend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen in der Gemeindevertretung
entsprechen. Die Gemeindevertreter können sich auch dazu entschließen die
Ausschussmitglieder unabhängig vom Stärkeverhältnis der Fraktionen aus ihrer
Mitte zu wählen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 HGO). Entscheiden sie sich
jedoch für die Zusammensetzung nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen, so
werden die Mitglieder eines Ausschusses, wie auch in Bayern, auf Benennung
der einzelnen Fraktionen bestellt (§ 62 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 HGO). Wie der
Gemeinderat, so kann auch die Gemeindevertretung Ausschüsse jederzeit
auflösen. Die hessische Gemeindeordnung räumt der Gemeindevertretung
zudem ausdrücklich die Möglichkeit ein, Ausschüsse jederzeit wieder neu zu
bilden (§ 62 Abs. 1 Satz 5 HGO).
3.2.2 Der Gemeindevorstand (Magistrat)
Kommen wir nun zum Gemeindevorstand, dem zweiten Organ einer hessischen
Gemeinde. In Städten führt er die Bezeichnung „Magistrat“ (§ 9 Abs. 2 Satz 2
HGO). Als Verwaltungsbehörde der Gemeinde besorgt er nach den Beschlüssen
der Gemeindevertretung im Rahmen der bereitgestellten Mittel die laufende
Verwaltung der Gemeinde (§ 9 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO).
Er ist, wie auch die Gemeindevertretung, ein Kollegialorgan, welches sich aus
dem Bürgermeister als Vorsitzenden, dem Ersten Beigeordneten und weiteren
Beigeordneten zusammensetzt (§ 65 Abs. 1 HGO).56 In Gemeinden mit mehr als
50000
Einwohnern
„Oberbürgermeister“
führt
und
der
der
Bürgermeister
Erste
Beigeordnete
die
die
Amtsbezeichnung
Amtsbezeichnung
„Bürgermeister“ (§ 45 Abs. 1 Satz 1 HGO). In Städten führen die Beigeordneten
die Bezeichnung „Stadtrat“ (§ 45 Abs. 2 Satz 1 HGO).
Grundsätzlich sind die Beigeordneten ehrenamtlich tätig, wobei einzelne
Beigeordnetenstellen auch hauptamtlich verwaltet werden können (§ 44 Abs. 2
HGO). In jedem Fall werden sie aber, wie auch der Bürgermeister, zu Beamten
ernannt (§ 46 HGO).57 Wie andere ehrenamtlich Tätige, erhalten auch die
ehrenamtlichen Beigeordneten eine Entschädigung nach § 27 HGO, also unter
anderem Verdienstausfalls- und Fahrkostenersatz.58 Zur Zahl der Beigeordneten
gibt die Hessische Gemeindeordnung nur vor, dass mindestens zwei
56
ebenda
57
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 7
58
ebenda
- 18 Beigeordnete (also der Erste Beigeordnete und ein weiterer Beigeordneter)
bestellt werden müssen und dass die Zahl der hauptamtlichen Beigeordneten die
der ehrenamtlichen nicht übersteigen darf (§ 44 Abs. 2 Sätze 2 und 4 HGO). Die
konkrete Zahl der Beigeordneten und welche Beigeordnetenstellen hauptamtlich
zu verwalten sind, kann durch die Hauptsatzung bestimmt werden (§ 44 Abs. 2
Satz 3 HGO).
Die
Mitglieder
des
Gemeindevorstands
werden,
mit
Ausnahme
des
Bürgermeisters, von der Gemeindevertretung gewählt (§ 39a Abs. 1 Satz 1
HGO). Gemäß dem Grundsatz der Inkompatibilität dürfen sowohl Bürgermeister
als auch Beigeordnete nicht gleichzeitig Gemeindevertreter sein (§ 65 Abs. 2
Satz 1 HGO).59 Ferner ist es auch ausgeschlossen, dass jemand, der
beispielsweise gegen Entgelt im Dienst der Gemeinde steht, zum Bürgermeister
oder zum Beigeordneten gewählt wird (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 HGO). Die
ehrenamtlichen Beigeordneten werden für die Wahlzeit der Gemeindevertretung,
also für fünf Jahre gewählt (§ 39a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. § 36 Satz 1
HGO). Hauptamtliche Beigeordnete sowie der Bürgermeister werden hingegen
aus Gründen der Verwaltungskontinuität für eine Amtszeit von sechs Jahren
gewählt (§ 39 Abs. 3 Satz 1, § 39a Abs. 2 Satz 1 HGO).60 Wählbar zum
ehrenamtlichen Beigeordneten ist nur, wer auch die Voraussetzungen für die
Wählbarkeit zum Gemeindevertreter erfüllt, also Bürger der Gemeinde ist und
seit mindestens sechs Monaten in der Gemeinde seinen Wohnsitz hat (§ 39a
Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 32 HGO). Für die Wählbarkeit zum
hauptamtlichen Beigeordneten gelten hingegen die Vorschriften zur Wählbarkeit
zum Bürgermeister entsprechend. Hiernach sind nur Deutsche im Sinne des Art.
116 Abs. 1 GG und Unionsbürger wählbar, die am Wahltag das 25. Lebensjahr
vollendet haben (§ 39a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 39 Abs. 2 HGO). Gemäß § 55 Abs.
1 HGO werden die ehrenamtlichen Beigeordneten in einem Wahlgang nach den
Grundsätzen
der
Verhältniswahl
gewählt,
während
die
hauptamtlichen
Beigeordneten jeweils in einem besonderen Wahlgang nach Stimmenmehrheit
gewählt werden.61
Im besonderen Maße kennzeichnend für die hessische Kommunalverfassung ist
die Tatsache, dass sowohl Bürgermeister als auch die hauptamtlichen
Beigeordneten unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig abberufen werden
59
ebenda
60
ebenda
61
ebenda
- 19 können (§ 76 Abs. 1 und 4 HGO). Dies wurde ermöglicht, „um nachhaltige
Störungen des für eine gedeihliche Zusammenarbeit zum Wohl der Gemeinde
unerlässlichen Vertrauensverhältnisses der kommunalen Organe zu beheben.“62
Die vorzeitige Abberufung der hauptamtlichen Beigeordneten geschieht durch die
Gemeindevertretung in einem streng geregelten Verfahren. Die vorzeitige
Abwahl des Bürgermeisters kann nur durch die Bürgerschaft erfolgen (§ 76 Abs.
1, Abs. 4 Satz 1 HGO). Die Bayerische Gemeindeordnung sieht hingegen keine
vorzeitige Abwahl des ersten Bürgermeisters vor.
Die Aufgaben des Gemeindevorstands decken sich zu einem großen Teil mit
denen des ersten Bürgermeisters in Bayern. So fällt beispielsweise die gesamte
laufende
Verwaltung
in
seinen
Zuständigkeitsbereich.
Die
Hessische
Gemeindeordnung enthält, wie auch die Bayerische, keine gesetzliche Definition
des Begriffs „laufende Verwaltung“ bzw. „laufende Angelegenheit“. Der
Rechtsprechung zufolge „ist ein Geschäft der laufenden Verwaltung bei
Angelegenheiten
anzunehmen,
die
mehr
oder
weniger
gleichförmig
in
regelmäßiger Wiederkehr vorkommen, sachlich und finanziell wenig erheblich
sind
sowie
zur
ungestörten
und
ununterbrochenen
Fortführung
der
Gemeindeverwaltung notwenig sind.“63 Die einzelnen Arbeitsgebiete (Dezernate)
werden vom Bürgermeister unter die Mitglieder des Gemeindevorstands verteilt
(§ 70 Abs. 1 Satz 3 HGO).64 Bei laufenden Verwaltungsangelegenheiten von
geringerer Bedeutung, zu denen nicht der Gemeindevorstand im Ganzen zur
Entscheidung
berufen
ist,
entscheiden
die
zuständigen
Beigeordneten
(Dezernenten) innerhalb ihres Aufgabengebiets selbstständig (§ 70 Abs. 2 HGO).
Sie sind dann in Sachfragen nicht einer Weisungsbefugnis des Bürgermeisters
unterlegen.65
Des Weiteren vertritt der Gemeindevorstand die Gemeinde im Rechtsverkehr,
was bedeutet, dass Erklärungen, welche die Gemeinde verpflichten in der Regel
durch den Bürgermeister im Namen des Gemeindevorstands abgegeben werden
(§ 71 Abs. 1 HGO).66 In Bayern ist für die Vertretung der Gemeinde nach außen
grundsätzlich der erste Bürgermeister zuständig (Art. 38 Abs. 1 GO). Der
Gemeindevorstand
hat
zudem
die
Beschlüsse
62
Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 7f
63
Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 10
64
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 8
der
65
Gemeindevertretung
vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den
deutschen Ländern, 2003, S. 141
66
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 10
- 20 vorzubereiten und auszuführen (§ 66 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 HGO). Auch diese
Aufgabe wird in Bayern insoweit vom ersten Bürgermeister wahrgenommen, als
er die Beratungsgegenstände des Gemeinderats vorbereitet und dessen
Beschlüsse vollzieht (Art. 36 Satz 1, Art. 46 Abs. 2 Satz 1 GO). Im Rahmen der
Vorbereitung
der
Beschlüsse
der
Gemeindevertretung,
hat
der
Gemeindevorstand das Recht, dass seine Anträge in die Tagesordnung der
Sitzung der Gemeindevertretung aufgenommen werden (§ 58 Abs. 5 Satz 1
HGO). Der Gemeindevorstand nimmt darüber hinaus an den Sitzungen der
Gemeindevertretung teil und muss jederzeit zum Gegenstand der Verhandlung
gehört werden (§ 59 Sätze 1 und 2 HGO).
Wie bereits erwähnt, hat der erste Bürgermeister in Bayern die Pflicht,
Beschlüsse des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse, die er für rechtswidrig
hält, zu beanstanden und ihren Vollzug auszusetzen (Art. 59 Abs. 2 GO).
Dementsprechend
hat
auch
der
Bürgermeister
in
Hessen
die
Pflicht
rechtswidrigen Beschlüssen der Gemeindevertretung oder ihrer Ausschüsse mit
aufschiebender Wirkung zu widersprechen (§ 63 Abs. 1 und 3 HGO). Kommt er
dieser Pflicht jedoch nicht fristgerecht nach, so geht die Widerspruchspflicht auf
den Gemeindevorstand über (§ 63 Abs. 4 HGO).
Schließlich ist der Gemeindevorstand noch für die Anstellung, Beförderung und
Entlassung der Gemeindebediensteten zuständig (§ 73 Abs. 1 Satz 1 HGO). In
Bayern muss genauer differenziert werden: Die Beamten und Angestellten der
Gemeinde werden grundsätzlich vom Gemeinderat ernannt und befördert, bzw.
eingestellt und höher gruppiert sowie entlassen (Art. 43 Abs. 1 GO). Bei den
Arbeitern der Gemeinde ist hierfür der erste Bürgermeister zuständig (Art. 43
Abs. 2 Satz 1 GO).67
Die
Beschlüsse
des
Gemeindevorstands
werden,
wie
auch
die
der
Gemeindevertretung, in offener Abstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen
Stimmen gefasst, wobei jedes Mitglied eine Stimme hat und somit grundsätzlich
gleichberechtigt ist (§§ 67, 68 HGO).68 Nur bei Stimmengleichheit gibt die Stimme
des Vorsitzenden, also die des Bürgermeisters den Ausschlag (§ 68 Abs. 2 Satz
3 HGO). Das Verbot der geheimen Abstimmung erstreckt sich beim
67
In den Gemeinden, in denen der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zur Anwendung
kommt, wird zugunsten eines einheitlichen Beschäftigtenbegriffs auf die bisherige Unterscheidung
zwischen Angestellten und Arbeitern verzichtet. Nach Aussage des Bayerischen
Staatsministeriums des Innern, können sich jedoch die Kommunen bis auf weiteres zur
Kompetenzabgrenzung für personalrechtliche Entscheidungen an den bisherigen Begriffen
orientieren.
68
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 8
- 21 Gemeindevorstand sogar auf Wahlen, sofern nicht ein Drittel der Mitglieder eine
geheime Abstimmung verlangt (§ 67 Abs. 2 HGO). Trotz der Gleichberechtigung,
haben einige Mitglieder des Gemeindevorstands neben dem Bürgermeister eine
gewisse Sonderstellung:
So ist beispielsweise der Erste Beigeordnete der allgemeine Vertreter des
Bürgermeisters, wenn dieser verhindert ist (§ 47 Satz 1 HGO). Als solcher nimmt
er im Vertretungsfall unter anderem die Aufgaben wahr, welche dem
Bürgermeister als Vorsitzendem des Gemeindevorstands obliegen, und gibt an
Stelle des Bürgermeisters Erklärungen der Gemeinde im Namen des
Gemeindevorstands ab (§ 71 Abs. 1 Satz 2 HGO).69 Die übrigen Beigeordneten
sind zur allgemeinen Vertretung des Bürgermeisters nur berufen, wenn der Erste
Beigeordnete verhindert ist (§ 47 Satz 2 HGO). In Bayern wird der erste
Bürgermeister im Falle seiner Verhinderung von den aus der Mitte des
Gemeinderats gewählten weiteren Bürgermeistern in
deren Reihenfolge
vertreten.70
Eine weitere Sonderstellung hat der mit der Verwaltung des Finanzwesens
betraute Beigeordnete. Als hauptamtlicher Beigeordneter führt er in Städten die
Bezeichnung „Stadtkämmerer“ (§ 45 Abs. 2 Satz 1 HGO). Er bereitet unter
anderem den Entwurf der Haushaltssatzung vor, der vom Gemeindevorstand
festgestellt wird (§ 97 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO). Zudem ist er berechtigt, der
Gemeindevertretung eine abweichende Stellungnahme zu dem Entwurf des
Gemeindevorstands vorzulegen und seine abweichende Auffassung in der
Beratung der Gemeindevertretung zu vertreten (§ 97 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 3
HGO).
Abschließend sei noch erwähnt, dass der Gemeindevorstand zu seiner
Entlastung Kommissionen bilden kann, die ihm unterstehen.71 Diese können von
ihm mit der Erledigung vorübergehender Aufträge sowie mit der dauernden
Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftsbereiche beauftragt werden
(§ 72 Abs. 1 HGO). Die Kommissionen bestehen aus dem Bürgermeister,
weiteren
Mitgliedern
des
Gemeindevorstands,
Mitgliedern
der
Gemeindevertretung sowie eventuell aus sachkundigen Einwohnern (§ 72 Abs. 2
Satz 1 HGO). Den Vorsitz in den Kommissionen führt der Bürgermeister oder ein
von ihm bestellter Beigeordneter (§ 72 Abs. 3 HGO). Näheres zum Verfahren
69
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 9
70
vgl. Kapitel 3.1.2
71
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 10
- 22 und zum Geschäftsgang der Kommissionen kann der Gemeindevorstand regeln
(§ 72 Abs. 4 Satz 1 HGO).
4 Rechtsstellung
und
Aufgaben
des
hessischen
Bürgermeisters
Da sich das Kapitel 3.1.2 bereits ausführlich mit dem ersten Bürgermeister als ein
Hauptorgan der bayerischen Gemeinde auseinandersetzt, möchte ich in diesem
Kapitel etwas genauer auf die Rechtsstellung und die Aufgaben des
Bürgermeisters der hessischen Gemeinde eingehen und mit dem bayerischen
ersten Bürgermeister vergleichen.
Der hessische Bürgermeister führt, wie bereits dargestellt, in Gemeinden mit
mehr als 50000 Einwohnern die Amtsbezeichnung „Oberbürgermeister“ (§ 45
Abs. 1 Satz 1 HGO). Bei diesen Gemeinden handelt es sich, sofern sie keine der
fünf hessischen Großstädte sind, um die so genannten „Sonderstatus-Städte“,
die auf Grund ihrer besonderen Verwaltungskraft zusätzliche Aufgaben
wahrnehmen.72 Auch in Bayern ist die Bezeichnung „Oberbürgermeister“ für den
ersten Bürgermeister geläufig, jedoch ist sie nicht primär von der Einwohnerzahl
der Gemeinde abhängig, sondern vielmehr davon, ob es sich um eine kreisfreie
Stadt bzw. eine Große Kreisstadt handelt (Art. 34 Abs. 1 Satz 2 GO).
Gewählt wird der hessische Bürgermeister, wie auch in Bayern, von den
wahlberechtigten
Einwohnern
der
Gemeinde
(Bürger)
in
allgemeiner,
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl für eine Amtszeit von sechs
Jahren (§ 8 Abs. 2, § 39 Abs. 1a Satz 1, Abs. 3 Satz 1 HGO). Im Unterschied zu
Bayern, sind in Hessen nicht nur Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG,
sondern auch Staatsangehörige der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union (Unionsbürger) zum Bürgermeister wählbar. Zudem muss ein Bewerber in
Hessen am Wahltag das 25. Lebensjahr vollendet haben, während man in
Bayern bereits ab dem vollendeten 21. Lebensjahr zum ersten Bürgermeister
wählbar ist (§ 39 Abs. 2 Satz 1 HGO).73 Wie bereits dargestellt, kann der
hessische Bürgermeister unter gewissen Voraussetzungen von der Bürgerschaft
vorzeitig abgewählt werden, was in Bayern nicht möglich ist.74
72
vgl. Kapitel 2.2
73
vgl. Kapitel 3.1.2
74
vgl. Kapitel 3.2.2
- 23 Als Beamter der Gemeinde ist der hessische Bürgermeister in der Regel
hauptamtlich tätig (§ 44 Abs. 1 Satz 1 HGO). Lediglich den Gemeinden mit nicht
mehr als 1500 Einwohnern steht es frei durch die Hauptsatzung zu bestimmen,
dass das Amt des Bürgermeisters ehrenamtlich zu verwalten ist (§ 44 Abs. 1
Satz 2 HGO). Auf Grund der kommunalen Gebietsreform hat diese Vorschrift
jedoch nur noch eine geringe praktische Bedeutung.75 In Bayern haben hingegen
noch die kreisangehörigen Gemeinden mit höchstens 10000 Einwohnern die
Möglichkeit einen ehrenamtlichen Bürgermeister zu bestellen. In bayerischen
Gemeinden bis zu 5000 Einwohnern ist der erste Bürgermeister sogar
grundsätzlich ehrenamtlich tätig, sofern der Gemeinderat nicht rechtzeitig durch
Satzung etwas anderes bestimmt (Art. 34 Abs. 2 Satz 2 GO). In den übrigen
Gemeinden Bayerns ist der erste Bürgermeister zwingend hauptamtlich tätig
(berufsmäßiger Bürgermeister).76
Als Vorsitzender des Gemeindevorstands nimmt der hessische Bürgermeister
zum großen Teil die gleichen Aufgaben wie die seines bayerischen Amtskollegen
in der Eigenschaft als Vorsitzender des Gemeinderats wahr: Er beruft die
Beigeordneten zu den Sitzungen des Gemeindevorstands unter Angabe der
Gegenstände der Verhandlung und leitet die Sitzungen (§ 69 i.V.m. § 58 Abs. 1
Satz 1 HGO).77 Er bereitet die Beschlüsse des Gemeindevorstands vor und führt
sie aus, soweit nicht Beigeordnete mit der Ausführung beauftragt sind (§ 70 Abs.
1 Satz 1 HGO). Rechtswidrigen Beschlüssen des Gemeindevorstands hat der
Bürgermeister mit aufschiebender Wirkung zu widersprechen (§ 74 Abs. 1 Sätze
1 und 4 HGO). Aber auch den Beschlüssen der Gemeindevertretung kann, bzw.
muss der Bürgermeister widersprechen, wenn sie das Wohl der Gemeinde
gefährden oder das Recht verletzen (§ 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGO). Er hat
zudem ein Eilentscheidungsrecht, was ihm ermöglicht, in dringenden Fällen,
wenn die vorherige Entscheidung des Gemeindevorstands nicht eingeholt
werden kann, die erforderlichen Maßnahmen von sich aus anzuordnen (§ 70
Abs. 3 Satz 1 HGO).
Gleichzeitig hat er aber auch, wie der bayerische erste Bürgermeister, die
Funktion des Behördenleiters: Er leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang der
gesamten gemeindlichen Verwaltung und sorgt für einen geregelten Ablauf der
Verwaltungsgeschäfte (§ 70 Abs. 1 Satz 2 HGO). Zudem verteilt er die Geschäfte
75
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 6
76
vgl. Kapitel 3.1.2
77
vgl. Dreßler/Adrian: Hessische Kommunalverfassung, 2001, S. 8
- 24 unter die Mitglieder des Gemeindevorstands und ist Dienstvorgesetzter aller
Beamten und sonstigen Mitarbeitern der Gemeinde mit Ausnahme der
Beigeordneten (§ 70 Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 Satz 1 HGO).
Im Unterschied zum bayerischen ersten Bürgermeister, nimmt der Bürgermeister
in Hessen die Aufgaben der örtlichen Ordnungsbehörden in alleiniger
Verantwortung wahr und ist somit bei seinen Entscheidungen insofern weder an
Vorgaben des Gemeindevorstands noch solchen der Gemeindevertretung
gebunden, sondern ist lediglich den Aufsichtsbehörden zur Rechenschaft
verpflichtet (§ 150 Satz 1 HGO).78 Die Bayerische Gemeindeordnung kennt keine
vergleichbare Vorschrift. Hier muss im Einzelfall differenziert werden, ob es sich
bei einer bestimmten ordnungsrechtlichen Maßnahme beispielsweise um eine
laufende Angelegenheit handelt, oder ob der Gemeinderat bzw. einer seiner
Ausschüsse zu entscheiden hat.
Die Stellung des hessischen Bürgermeisters wird durch eine Reihe weiterer
Rechte gestärkt, die auch seine Sonderstellung unter den Mitgliedern des
Gemeindevorstands hervorheben. So darf er beispielsweise im Rahmen der
Anhörung des Gemeindevorstands in den Sitzungen der Gemeindevertretung
eine von der (Mehrheits-) Auffassung des Gemeindevorstands abweichende
persönliche Meinung vertreten (§ 59 Sätze 1 und 2 HGO). Darüber hinaus kann,
wie bereits in Kapitel 3.2.1 dargestellt, nicht nur der Gemeindevorstand als
Ganzes, sondern auch der Bürgermeister alleine die unverzügliche Einberufung
der Gemeindevertretung verlangen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 HGO). Er hat zudem,
neben dem Gemeindevorstand, einen Anspruch auf Annahme seiner Anträge auf
die Tagesordnung der Gemeindevertretung (§ 58 Abs. 5 Satz 2 HGO).79
5 Schlussgedanke
Nach
eingehender
Betrachtung
und
Gegenüberstellung
beider
Kommunalverfassungssysteme, drängt sich dem Leser oder der Leserin
eventuell die Frage auf, welches der beiden Systeme denn nun das „bessere“
sei. Diese Frage kann man jedoch nicht so einfach beantworten. Eine solche
Aussage wäre meiner Ansicht nach auch viel zu pauschal und ungenau. In der
Praxis scheinen wohl beide Systeme gut zu funktionieren und sich im Laufe der
Jahrzehnte, in denen sie bereits angewandt werden, entsprechend bewährt zu
78
vgl. Dreßler: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den
deutschen Ländern, 2003, S. 142
79
ebenda
- 25 haben. Freilich könnte ich mir vorstellen, dass es der ein oder andere
Bürgermeister in Hessen begrüßen würde, wenn, wie in Bayern, anstelle eines
kollegialen Gremiums, er allein an der Spitze der Verwaltung stünde und dadurch
seine Ideen unter Umständen schneller umsetzen könnte. Noch dazu wäre er in
Bayern gleichzeitig nicht nur Mitglied der Bürgervertretung, sondern kraft Amtes
auch ihr Vorsitzender und von den Bürgern nicht mehr abwählbar. Aber gerade
diese Machtbalance zwischen einer kollegial gestalteten Verwaltungsleitung und
einem eigenständigen Vorsitzenden der Gemeindevertretung einerseits sowie
einem relativ starken, direkt gewählten Bürgermeister andererseits, ist meiner
Ansicht nach gerade das interessante der hessischen Kommunalverfassung.
Dieses System würde mich als Bürger in der Gewissheit bestärken, dass der
Willensbildung
der
Gemeinde
eine
umfassende
und
ausgewogene
Problemlösung voraus ging.
Unabhängig vom Kommunalverfassungssystem bin ich zudem der Meinung,
dass die Hessische Gemeindeordnung in mancher Hinsicht modernere Züge als
die Bayerische Gemeindeordnung aufweist: So wird zum Beispiel in § 4b HGO
die Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Gleichberechtigung von Frau
und Mann als Aufgabe den Gemeinden zugewiesen. Darüber hinaus sieht die
Gemeindeordnung in Gemeinden mit mehr als 1000 gemeldeten ausländischen
Einwohnern die obligatorische Einrichtung von Ausländerbeiräten vor. Diese
sollen die Interessen der ausländischen Einwohner der Gemeinde vertreten und
die Organe in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, beraten (§§ 84, 88 HGO).
Somit komme ich zu dem Schluss, dass Bayern in Sachen Kommunalpolitik ein
Blick auf seinen hessischen Nachbarn unter Umständen nicht schaden könnte.
- 26 -
Quellenverzeichnis
Bayerisches Staatsministerium des Innern: Schreiben an die Regierungen vom
01.12.2005, Betreff: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) –
Auswirkungen auf den Vollzug der Kommunalgesetze.
Büchner, Hermann: Ausschüsse des Gemeinderats, in: Verein der Freunde der
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern e.V.
(Hrsg.): Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 8. Auflage, Hof 2005,
S. 63-71.
Büchner, Hermann: Der Gemeinderat, in: Verein der Freunde der
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern e.V.
(Hrsg.): Hofer Hochschulskripten – Kommunalrecht, 8. Auflage, Hof 2005,
S. 45-62.
Dreßler, Ulrich / Adrian, Ulrike: Hessische Kommunalverfassung, 16. Auflage,
Deutscher Gemeindeverlag, Mainz 2001.
Dreßler, Ulrich: Kommunalpolitik in Hessen, in: Kost, Andreas / Wehling, HansGeorg (Hrsg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern – Eine
Einführung, 1. Auflage, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, S. 131152.
Hessische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Die hessische
Kommunalverfassung,
http://www.hlz.hessen.de/uploads/media/kommunalverfassung.pdf vom
16.10.2007.
Kitzeder, Peter: Gemeinde Landkreis Bezirk – Bürger und Kommunen in Bayern,
3. Auflage, Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.),
München 1997.
Schmidt-Eichstaedt, Gerd / Stade, Isabell / Borchmann, Michael (Bearb.): Die
Gemeindeordnungen und die Kreisordnungen in der Bundesrepublik
Deutschland, 22. Lieferung, W. Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag,
Stuttgart/Berlin/Köln 1996.
Stadt Gießen (Hrsg.): Statistikstelle der Universitätsstadt Gießen,
http://www.giessen.de/media/custom/684_1013_1.PDF vom 23.01.2008.
- 27 -
Rechtsquellenverzeichnis
BV
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Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (GVBl. S. 991),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. November 2003
(GVBl. S. 817)
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.
Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom
28. August 2006 (BGBl. I S. 2034)
GLKrWG
Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister,
der
Kreistage
und
der
Landräte
(Gemeinde-
und
Landkreiswahlgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung
vom 7. November 2006 (GVBl. S. 834)
GO
Gemeindeordnung
für
den
Freistaat
Bayern
(Gemeindeordnung) in der Fassung der Bekanntmachung
vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796), zuletzt geändert durch
Gesetz vom 10. April 2007 (GVBl. S. 271)
GrKrV
Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte in der
Fassung der Bekanntmachung vom 25. März 1991 (GVBl. S.
123, zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Mai 2007
(GVBl. S. 326)
HGO
Hessische Gemeindeordnung in der Fassung vom 1. April
1993 (GVBl. 1992 I S. 534), zuletzt geändert durch Gesetz
vom 31. Januar 2005 (GVBl. I S. 54)
HKO
Hessische Landkreisordnung in der Fassung vom 1. April
1993 (GVBl. 1992 I S. 569), zuletzt geändert durch Gesetz
vom 22. Dezember 2000 (GVBl. I S. 588, 594)
KWG
Hessisches Kommunalwahlgesetz in der Fassung vom 4.
September 2000 (GVBl. I S. 454), geändert durch Gesetz
vom 19. Dezember 2000 (GVBl. I S. 542, 549)
- 28 -
Erklärung
Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung
anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe; die aus
fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche
kenntlich gemacht.
Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen
Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Alle abgegebenen
Exemplare sind inhaltlich identisch.
Hof, den 15. Mai 2016
…………....................................................
Unterschrift
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