Liebe deinen Nächsten wie dich selbst

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Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“
Wie bereits gesagt wurde, sind in der Regel „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ alle
übrigen 612 Gebote eingeschlossen, so wie die Weisen sagten „und der Rest ist Erklärung“.
Im Traktat Shabbat sagten die Weisen, dass man mithilfe der Erfüllung der 612 Gebote der
Erfüllung des Gebotes „Liebe deinen Nächsten“ würdig wird, und danach auch der Liebe zum
Schöpfer.
Wenn dem so ist, was gibt uns dann die Liebe zu Freunden? Im Artikel 5 wurde gesagt, dass
da bei jedem Menschen die Liebe zum Nächsten sehr schwach ist, noch nicht in Erscheinung
getreten ist, sich mehrere Menschen zu einer Gruppe vereinigen müssen. Denn wenn man in
der Tat etwas für einen anderen tun soll, und der Mensch im Gedächtnis behält, dass er in
seinen Gedanken beschlossen hatte, seinen Egoismus (Eigenliebe) zu annullieren, dann sieht
er, dass er zugunsten eines Anderen nicht einmal auf den kleinsten Genuss seines Egoismus
verzichten kann.
Wenn sich jedoch mehrere Menschen versammeln, die einer Meinung sind, dass man zur
Nächstenliebe gelangen muss, und wenn sich jeder gegenüber den anderen annulliert, dann
bekommt jeder die Kraft aller anderen. Und dadurch konzentrieren sich bei jedem einzelnen
große Kräfte, entsprechend der Größe der Gemeinschaft. Und dann hat man die Möglichkeit
die Nächstenliebe zu verwirklichen.
Anscheinend entsteht hier ein Widerspruch- die Weisen sagten doch, dass man zur Erfüllung
dieses Gebotes alle übrigen 612 erfüllen soll, und wir sehen, dass zur Erreichung der
Nächstenliebe allein die Liebe zu Freunden in der Gruppe notwendig ist.
Im Leben um uns herum sehen wir, dass bei weltlichen Menschen ebenfalls Liebe zu
Freunden existiert - sie versammeln sich ebenfalls zu unterschiedlichen Gruppen, um die
Freundesliebe zu haben. Wenn dem so ist, worin besteht dann der Unterschied zwischen einer
frommen [Anmerk. d. Übers: die auf dem Prinzip der Nächstenliebe aufgebaut ist] und einer
weltlichen Gruppe?
In den Psalmen (1. Psalm) heißt es: „Einer Versammlung von Spöttern sollst du nicht
beiwohnen“. Und man muss verstehen - was bedeutet das Verbot über die „Versammlung von
Spöttern“? Denn es sind Verbote bekannt, üble Nachrede über die Anderen zu führen oder
über sinnlose Dinge zu sprechen. Wozu war es notwendig, separat den Zeitvertreib in einer
Gesellschaft von Spöttern zu verbieten? Offensichtlich unterscheidet sich dieses Verbot in
etwas von den ersten zwei.
Es geht darum, dass sich Menschen für gewöhnlich zu Freundeskreisen in der Hoffnung
vereinigen, dass jedes der Mitglieder dieser Gruppe versuchen wird, die materielle
(körperliche) Situation des Anderen zu verbessern. Also wird folglich jedes der Mitglieder
von solch einer Gruppe die maximale materielle (körperliche) Hilfe vonseiten der Anderen
erhalten. Nach jeder so einer Versammlung überlegt sich jeder einzelne, was er als
Gegenleistung für seine Mühen, die er „zugunsten der Gesellschaft“ investiert hat, bekommen
hat, wie weit er mithilfe der anderen Gruppenmitglieder sein Verlangen zu genießen befriedigt
hat. Sicherlich hätte er mehr Erfolg, wenn er sich nur um seinen Eigennutzen gekümmert
hätte. Er sagt sich: „ Ich bin Mitglied dieser Gesellschaft geworden, weil ich dachte, dass ich
mehr gewinnen könnte, als ich selbst verdient hätte. Und nun sehe ich, dass ich nichts
verdient habe.“
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Und er bereut und sagt: „Statt der Zeit, die ich der Gesellschaft gegeben habe, wäre es besser
gewesen, wenn ich zumindest meine eigene kleine Kraft genutzt hätte. Nun habe ich der
Gesellschaft meine Zeit geschenkt, damit ich mit deren Hilfe zu mehr Besitz gelangen kann,
und am Ende sehe ich - nicht nur, dass ich nichts von der Gesellschaft gewonnen habe, sonder
ich habe das verloren, was ich mit eigenen Kräften hätte gewinnen können.“
Wenn in solch einer Gruppe ein Mensch auftaucht, der sagt, dass man sich mit der Liebe zu
Freunden um des Gebens willen beschäftigen muss, d.h. dass alle zugunsten des Nächsten
arbeiten, dann beginnen alle zu lachen und darüber zu spotten. Und es erscheint ihnen wie ein
Spaß. Und das ist eben eine „Versammlung von Weltlichen“. Und darüber sagten die Weisen:
„Alles Gute was sie tun, tun sie nur für sich.“ Und eine solche Gesellschaft entfernt den
Menschen von der Spiritualität (wörtl. Heiligkeit), worin auch das Verbot besteht: „Einer
Versammlung (Gesellschaft) von Spöttern sollst du nicht beiwohnen“ („In einer
Versammlung von Spöttern sollst du nicht sitzen“).
Und über solche Gemeinschaften sagten unsere Weisen (im Traktat Sanhedrin): „Für die
Sünder ist es besser, getrennt zu sein, besser für sie und für die ganze Welt, und noch besser,
es gäbe sie gar nicht. Für die Gerechten dagegen ist es besser, beisammen zu sein, in einer
Versammlung, gut ist es für sie und gut für die ganze Welt“.
„Gerechte“ sind diejenigen, welche die Regel „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“
erfüllen wollen - sie wollen aus der Macht des Egoismus austreten und eine vollkommen neue
Natur annehmen, welche die Liebe zum Nächsten ist. Da das ein Gebot ist, welches man
erfüllen muss, kann sich der Mensch unfreiwillig dazu zwingen, das zu tun, doch das wird
erzwungene Liebe sein. Aber Liebe ist eine Sache des Herzens, und das Herz eines Menschen
kann sich seiner Natur nach nicht damit einverstanden geben. Wenn dem so ist, was kann der
Mensch tun, damit sein Herz den Nächsten aufrichtig liebt?
Genau zu diesem Zweck wurden uns die restlichen 612 Gebote gegeben, mit deren Hilfe man
zum Gefühl im Herzen gelangen kann. Doch da es gegen die Natur des Menschen ist, ist
dieses Gefühl nur ein kleiner Teil, welcher die Möglichkeit hat, die Liebe zu Freunden zu
verwirklichen, obwohl er die Notwendigkeit danach hat. Deshalb muss man jetzt auf
Ratschschläge achten, welche man umsetzen kann.
Und hier ist der Rat, wie der Mensch seine Kraft in der Erfüllung der Regel „Liebe deinen
Nächsten“ vergrößern kann: Dies macht er durch die „Liebe zu Freunden“. Wenn jeder der
Mitglieder einer Gemeinschaft sich gegenüber seinem Freund annulliert, dann entsteht ein
einziger Organismus, wo alle kleinen Teilchen, welche die Nächstenliebe wollen, sich zu
einer großen Kraft vereinigen, welche aus vielen Teilen besteht. Und wenn er diese große
Kraft hat, ist er in der Lage seine Liebe zum Nächsten zu äußern.
Und erst dann kann der Mensch die Liebe zum Schöpfer erlangen. All das gilt nur unter jener
notwendigen Bedingung, wenn sich jeder gegenüber dem anderen annulliert. Wenn er jedoch
vom Freund getrennt ist, dann kann er von seinem Freund nicht jenen Teil erhalten, den er
erhalten sollte. Jeder muss sich sagen, dass er eine Null gegenüber seinem Freund ist.
Das gleicht der Weise, wie man Zahlen schreibt: wenn man zunächst eine 1 schreibt, und
dann eine 0, dann hat man das 10-fache, d.h. zehnmal mehr; wenn man jedoch nach einer 1
zwei Nullen setzt, dann hat man 100, also hundertmal mehr. Das bedeutet, dass sein Freund
eine Eins ist, (und er sieht sich gegenüber seinem Freund als Null). Die Null danach bedeutet,
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dass er von seinem Freund das 10-fache erhält. Und wenn er sagt, dass er gegenüber seinem
Freund zwei Nullen ist, dann bedeutet dies, dass er von seinem Freund das 100-fache erhält
sein. Wenn er jedoch umgekehrt sagt, dass sein Freund die Null ist und er die Eins ist, dann ist
er um das 10-fache geringer als sein Freund, d.h. 0,1. Und wenn er sagen kann, dass er eine
Eins ist und er zwei Freunde hat, die beide Nullen sind, dann ist er ihnen gegenüber um ein
100-faches geringer, d.h. er ist 0,01. Je schlechter man also seine Freunde bewertet, desto
geringer ist die eigene Stufe.
Sogar, wenn er bereits diese Kraft erlangt hat, um die Nächstenliebe real zu äußern, und er
fühlt, dass der Eigennutz ihm nur schadet, nichtsdestotrotz – „Vertrau dir nicht selbst!“. Und
er muss ständig Furcht haben, in der Mitte des Weges stehen zu bleiben und in die Arme des
Egoismus zu fallen. D.h. kleinen Genüssen kann er bereits in der Absicht um zu geben
standhalten, und er ist auch bereit darauf zu verzichten, aber vor den großen Genüssen lebt er
in Angst.
Dies wird „Furcht“ genannt. Wenn man bereits sowohl über die Liebe zum Nächsten, als
auch über die Furcht vor dem Schöpfer verfügt, dann bleibt nur noch das Licht des Glaubens
zu erlangen, welches als des „Weilen der Shechina“ bezeichnet wird. Im Kommentar Sulam
heißt es: „Entsprechend der Größe der Furcht erlangt man die Stufe des Glauben.“
Daher muss man sich immer erinnern, dass man „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ als
ein Gebot, d.h. als ein Befehl des Schöpfers die Freunde zu lieben einhalten muss. Rabbi
Akiva erklärt uns nur, dass man aus diesem Gebot eine eiserne Regel machen soll, mit deren
Hilfe wir in der Lage sein werden, alle Gebote für den Schöpfer, und nicht für den eigenen
Nutzen zu erfüllen.
Das bedeutet, dass eine solche Einhaltung von den Geboten uns nicht zur Vergrößerung
unseres egoistischen Verlangens führt, d.h., dass der Mensch durch die Erfüllung der Gebote
viele Belohnungen erhält, sondern im Gegenteil. Es muss so sein: mithilfe der Erfüllung von
Mizwot werden wir tatsächlich einen Lohn erhalten, doch dieser Lohn wird es sein, dass wir in
der Lage sein werden, unseren Egoismus zu annullieren und Liebe zum Nächsten, und danach
die Liebe zum Schöpfer zu erreichen.
Nun verstehen wir, dass die Weisen sagten, dass wenn der Mensch es würdig wird, die Thora
für ihn zum Lebenselixier wird, und wenn er nicht würdig wird, sie für ihn zum Gift des
Todes wird. Das bedeutet, dass wenn er es nicht würdig wird, er Thora und die Gebote aus
Liebe zu sich einhält, und sich sein Egoismus dadurch nur vergrößert, und die Thora wird für
ihn so zum Gift des Todes. Wenn jedoch der Mensch würdig wird, dann verschwindet sein
Egoismus (seine Eigenliebe). D.h. er beabsichtigt eine Belohnung zu erhalten, welche darin
liegt, dass er die Kraft für die Nächstenliebe erlangt und dadurch zur Liebe zum Schöpfer
gelangt, und sein einziges Verlangen es sein wird, dem Schöpfer Vergnügen zu bereiten.
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