Unisex-Tarife zwangen Versicherungen zu Umstellungen Im Hause Debeka sprach die DVG mit Vertretern der Versicherung über die Problematik bei der Umstellung auf die geforderten Unisex-Tarife. Unser Foto zeigt von links: DVG-Bundesvorsitzender Kurt Rieß, den Bereichsleiter Öffentlicher Dienst der Debeka-Gruppe Stefan Naumann, DVG-Bundesgeschäftsführer Karlheinz Hühnlein, den hessischen Debeka-Landesgeschäftsstellenleiter Markus Wirth und Dietrich Merz von der DVG Hessen. Die Problematik bei der erforderlichen Umstellung der bisher unterschiedlichen Tarife für Männer und Frauen bei Versicherungen auf die sogenannten Unisex-Tarife stand im Mittelpunkt der Gespräche des Bundesvorsitzenden Kurt Rieß mit dem Bereichsleiter Öffentlicher Dienst der Debeka-Versicherungsgruppe, Stefan Naumann, in Hause Debeka in Wiesbaden. Begleitet wurde er dabei vom Bundesgeschäftsführer Karlheinz Hühnlein und Dietrich Merz, von der DVG Hessen. Landesgeschäftsstellenleiter Markus Wirth von der Debeka vervollständigte die Gesprächsrunde. Hier die wichtigsten Fragen, die von Stefan Naumann beantwortet wurden: 1. Warum führte die Debeka überhaupt die so genannten „Unisex-Tarife“ in der privaten Krankenversicherung (PKV) ein? Grund hierfür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte am 1. März 2011 entschieden, dass spätestens ab dem 21. Dezember 2012 alle neu abgeschlossenen Versicherungsverträge mit geschlechtsunabhängigen Beiträgen kalkuliert werden müssen. Jedes Versicherungsunternehmen ist daher seit diesem Zeitpunkt dazu verpflichtet, „Unisex-Tarife“ anzubieten. 2. Hat das Urteil Einfluss auf die bisherigen geschlechtsabhängig kalkulierten Tarife (so genannte „Bisex-Tarife“)? Nein, das Urteil bezieht sich nur auf die ab 21. Dezember 2012 neu abgeschlossenen Tarife. Auf bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene „Bisex-Tarife“ hat die Umsetzung des EuGH-Urteils grundsätzlich keinen Einfluss. 3. Hätten Sie nicht die bestehenden Tarife in die neuen Unisex-Tarife umstellen können? Es gab zwei Möglichkeiten, das Unisex-Urteil des EuGH umzusetzen: So wäre Variante 1 gewesen, die alten Tarife beizubehalten, jedoch mit einer geschlechtsunabhängigen Kalkulation. Tarifstruktur und Bezeichnung wären gleich geblieben, allerdings hätten sich die Beiträge entsprechend geändert. Variante 2 bestand darin, neue Tarife mit komplett neuen Leistungsinhalten einzuführen. In beiden Fällen musste die bisherige Tarifwelt jedoch (kalkulatorisch) geschlossen und neu aufgelegt werden. 4. Für welche Variante hat sich die Debeka entschieden? Da Leistungsänderungen bei bestehenden Tarifen nur bedingt umsetzbar sind, hat die Debeka die Chance genutzt und eine neue Tarifwelt geschaffen. Dadurch konnten wir unseren Leistungskatalog so formulieren, dass in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der neueste medizinische Standard abgebildet wird bzw. wir sogar darüber hinaus leisten. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass wir auch bisher schon bei unseren Bisex-Tarifen Leistungen auf freiwilliger Basis gezahlt haben. Der Vorteil der neuen Unisex-Tarife ist jedoch, dass der Versicherte jetzt ein schriftliches Leistungsversprechen hat, auf das er sich berufen kann. 5. Führt denn die Einführung der Unisex-Tarife nicht zu einer „Vergreisung“ der Bisex-Tarife? Nein! Das Vorurteil, dass Tarife vergreisen, wenn es keine Neuzugänge mehr gibt und folglich nicht mehr finanzierbar wären, stimmt nicht. 6. Warum ist das so? In der PKV bildet jeder Versicherte mit seinem eigenen Beitrag Rückstellungen für die im weiteren Versicherungsverlauf zu erwartenden steigenden Kosten aufgrund des Älterwerdens. Die Kosten für eine bestimmte Altersgruppe (z. B. alle 70-Jährigen) werden also nur innerhalb dieser Gruppe ausgeglichen. Ein Zugang jüngerer Versicherter zu dem Tarif ist daher völlig unerheblich. Anders ist es hingegen bei dem umlagefinanzierten System in den gesetzlichen Krankenkassen. Hier bildet die Vergreisung tatsächlich aufgrund der demographischen Entwicklung ein großes Problem. Denn hier werden die Kosten der „Alten und Kranken“ unmittelbar von den „Jungen und Gesunden“ gegenfinanziert. Spätestens dann, wenn das Verhältnis zwischen den beiden Gruppen nicht mehr stimmt, wird das System der gesetzlichen Krankenkassen große Finanzierungsprobleme bekommen. 7. Nochmals zurück zu den Tarifen und den Altersgruppen. Können Sie das genauer erläutern? Gerne. Die Kosten für eine bestimmte Altersgruppe werden ausschließlich innerhalb der jeweiligen Gruppen ausgeglichen. Ich zeige das an einem Beispiel auf: Im August 2013 befinden sich in unseren beihilfekonformen Bisex-Tarifen insgesamt 707.206 Männer und 602.593 Frauen. Die Altersgruppe der 30-Jährigen gliedert sich in 13.751 Männer und 7.320 Frauen, die Altersgruppe der 50-Jährigen in 15.339 Männer und 12.375 Frauen und die der 70-Jährigen in 9.212 Männer und 11.866 Frauen. Die einzelnen Gruppen sind daher so groß, dass sie selbst für einen Ausgleich zwischen „gesund“ und „krank“ sorgen. Um jetzt die Behauptung zu überprüfen, die PKV könne ohne neue Kunden nicht funktionieren, haben wir die Auswirkungen eines gänzlich ausbleibenden Neugeschäftes auf den Bestand simuliert, indem in einer fiktiven Auswertung die nach 1994 eingetretenen Neuzugänge aus dem Bestand herausgerechnet wurden. 8. Hierbei ergab sich doch sicherlich eine erhebliche Veränderung der Beiträge! Nein, gar nicht! Im Ergebnis wichen die Beiträge des Restbestandes um weniger als 1 % von den aktuellen Beiträgen des Gesamtbestandes ab. Dadurch wird deutlich, dass das Volumen des Neuzugangs keine Auswirkungen auf den Bestand hat. Die zugeordneten Alterungsrückstellungen führen somit zu einer demographieresistenten Vorsorge. 9. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Wechsel von Bisex- in Unisex-Tarife möglich? Ein Wechsel von Bisex- in Unisex-Tarife ist grundsätzlich möglich. Wie vorab beschrieben hat die Debeka allerdings das „Unisex-Urteil“ zum Anlass genommen, ihre Tarifbedingungen deutlich zu verbessern. In der Krankheitskostenvollversicherung wäre daher ein Wechsel in die Unisex-Tarife – soweit es die Mehrleistungen betrifft – nur unter Berücksichtigung einer erneuten Gesundheitsprüfung möglich. 10. Was bedeutet eine Gesundheitsprüfung? Mithilfe eines Antrages auf Erweiterung des Versicherungsschutzes wird der aktuelle Gesundheitszustand geprüft. Der bisherige Versicherungsschutz bleibt uneingeschränkt erhalten. Ausschließlich für Mehrleistungen kann je nach Gesundheitszustand eine besondere Vereinbarung (z. B. ein höherer Beitrag oder Leistungsausschluss) vereinbart werden. Dann erfolgt jedoch ein Angebot an das Mitglied. Der Vertrag kommt erst durch Annahme des Angebots zustande.