Von Einheit keine Spur Wer von Einheit redet, darf von Kapitalismus und sozialer Spaltung nicht schweigen! Am 3.Oktober, zum 20.Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung, soll die „Einheit“ gefeiert werden. Die Lebensrealität vieler Menschen sieht heute in Deutschland jedoch anders aus. Zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR und des Kalten Krieges ist das Leitbild von Bundesregierung, Konzernen und Medienkampagnen die Spaltung. Fünf Millionen Arbeitslose (von denen sich nur 3,5 Mio. in der offiziellen Statistik wiederfinden) werden mit „Hartz 5“ verhöhnt: Gerade einmal 5 Euro mehr im Monat sollen die Hartz-IV-EmpfängerInnen bekommen, während sie gleichzeitig die Hauptlast des Sozialkahlschlags durch das „Kürzungspaket“ tragen. Zur gleichen Zeit bekommen die Energiekonzerne 127 Milliarden Euro geschenkt, die sie durch die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke an zusätzlichen Gewinnen erzielen werden. Ein Viertel der EinwohnerInnen Deutschlands lebt an der Armutsgrenze – und soll jetzt noch dafür zahlen, dass die Bundesregierung den Banken die Kosten der Finanzkrise abgenommen hat. Während der Fall der Mauer gefeiert wird, sind die Grenzen Europas so dicht wie nie zuvor: Diese Grenzen werden mit polizeilich-militärischen Mitteln gegen Menschen auf der Flucht vor Not und Unterdrückung „verteidigt“. Gerade Bremer Firmen (OHB, Atlas Elektronik, Rheinmetall u.a.) verdienen daran. Inzwischen wandern mehr Menschen aus Deutschland aus als nach Deutschland ein. Welches Deutschland hier verteidigt wird, hat Thilo Sarrazin mit seiner Hetzkampagne gegen Arme und MigrantInnen auf den Punkt gebracht: Deutschland, das sind nach Sarrazin diejenigen, die keinen Migrationshintergrund haben – die „anderen“ gehören nicht dazu. Inzwischen greift auch SPD-Chef Sigmar Gabriel die Spalter-Parole von den „Integrationsverweigerern“ sinngemäß auf. Gerade zwei Jahre nach der Wiedervereinigung hatten SPD, CDU und FDP gemeinsam das individuelle Grundrecht auf Asyl abgeschafft. Mit dem „Asylbewerberleistungsgesetz“ wurde das begonnen, was SPD und Grüne mit Agenda 2010 und Hartz-Gesetzen fortsetzten: Der Ausschluss von immer mehr Menschen vom Recht auf Existenzsicherung. Wer arm und in Not ist, gehört nicht dazu – und wer nicht dazu gehört, der wird bestraft, indem seine Existenzsicherung an immer weiter ausufernde „Bedingungen“ geknüpft wird. Das Ende der DDR – Sieg des Kapitalismus? Die deutsche Spaltung nach 1945 war das Ergebnis von Faschismus und deutschem Angriffskrieg. Die deutschen Landes- und Staatsverfassungen nach 1945 zeigen, wie stark die allgemeine Überzeugung war, dass Nationalismus, Militarismus und eine ungerechte und aggressive Wirtschafts- und Eigentumsordnung die tieferen Ursachen der von Deutschland verursachten Katastrophe waren und dass diese Ursachen überwunden werden müssen. Die Gründung der DDR als sozialistischem Staat auf deutschem Boden wurde von vielen mit der Hoffnung begleitet, eine friedliche und soziale Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu begründen. Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die Errichtung einer politischen Diktatur und die Einschränkung bürgerlicher, politischer und gewerkschaftlicher Rechte und Freiheiten verhinderten, dass die DDR eine positive Alternative zur kapitalistischen Bundesrepublik darstellen konnte. Die Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni, der Mauerbau, die Unterstützung des Einmarsches in Un- garn und der Tschechoslowakei sowie die Wirtschaftskrise der 80er Jahre waren Stationen der Unhaltbarkeit des Regimes, gegen das die Bevölkerung mit Massenflucht, zivilem Ungehorsam, „innerer Emigration“ und schließlich mit der friedlichen Revolution vom 9. November 1989 revoltierte. Der Wunsch der DDRBevölkerung nach einer schnellen Wiedervereinigung war auch dem Willen geschuldet, den Bruch mit dem SED-Regime unumkehrbar zu machen. Die Art und Weise, wie diese Wiedervereinigung von der BRD-Regierung faktisch diktiert wurde, sollte die DDR möglichst schnell verschwinden lassen und dafür sorgen, dass sich westdeutsche Konzerne und „Investoren“ das Volksvermögen billig aneignen konnten. Der Versuch, die Vergangenheit möglichst auszulöschen, hat die Erfahrungen der ehemaligen DDRBewohnerInnen verworfen und ihnen ihre persönliche Geschichte abgesprochen. Selbst die Deutsche Bank hatte darauf hingewiesen, dass eine sofortige Wirtschafs- und Währungseinheit zur Entwertung der Produktion und zur Deindustrialisierung der neuen Bundesländer führen würde. Dieser Effekt war jedoch gewünscht und machte die neuen Bundesländer zum „Schnäppchenmarkt“ für westliche Großvermögen. Aus den „blühenden Landschaften“, die den EinwohnerInnen der neuen Länder versprochen wurden, wurden Massenarbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit. Kapitalismus heißt Spaltung Was Regierung und Kapital an der Vermarktung der „Einheit“ interessiert, ist vor allem die Botschaft, dass sich mit dem Ende der DDR und der sozialistischen Staaten überhaupt der Kapitalismus als beste aller möglichen Welten erwiesen hätte. Davon kann jedoch nicht die Rede sein. Schon zu Zeiten der DDR existierten im kapitalistischen Teil Europas Regime, die in keinster Weise demokratisch waren und die Menschenrechte offen mit Füßen traten: Portugal und Spanien, in denen der Faschismus bis 1974 bzw. 1975 regierte; Griechenland und die Türkei, wo von 1967-74 bzw. 1980-82 kapitalistische Militärdiktaturen regierten. Soziale und demokratische Zugeständnisse im Kapitalismus gibt es nur wenn (und nur solange wie) Gewerkschaften, soziale Bewegungen und eine organisierte Linke stark genug sind, sie durchzusetzen und zu verteidigen. Kapitalismus heißt auch Imperialismus: Der Kampf um Rohstoffe, Öl, billige Arbeitskraft in der Dritten Welt und militärisch kontrollierte Handelswege ist in vollem Gange. Mit dem Kapitalismus werden wir das 21.Jahrhundert nicht überleben – Krieg, Umweltzerstörung, Klimakata- strophe und weltweites soziales Elend lassen sich so nicht überwinden. Kapitalismus heißt einfach, dass einer kleinen Gruppe von Eigentümern die Produktion und der gesellschaftliche Reichtum gehören und sie damit machen können, was sie wollen. Das gilt auch unter den heutigen Bedingungen einer parlamentarischdemokratischen Staatsverfassung. Wer an der Supermarktkasse sitzt, kann auf Verdacht gekündigt werden – wer Milliarden auf den Finanzmärkten verzockt, dem wird geholfen. Weltweit suchen Menschen heute Auswege aus dem Kapitalismus. In Südamerika versuchen die Menschen in Venezuela und anderen Ländern, einen Sozialismus des 21.Jahrhunderts zu bauen. Von Attac bis zum Weltsozialforum wird an Ideen für eine „Solidarische Ökonomie“ gearbeitet. Auch DIE LINKE hält daran fest, dass einem demokratischen Sozialismus die Zukunft gehört. Die DDR, so wie sie war, ist kein Modell für eine Alternative. Aber der Kapitalismus, so wie er ist, ist kein Modell für das 21.Jahrhundert. Wir wollen keine „Einheit“ feiern, die in Wahrheit soziale Spaltung heißt. Wir wollen ein offenes, soziales, antimilitaristisches Deutschland, in dem die Ursache der sozialen Spaltung – der Kapitalismus – endlich abgeschafft ist. Das Deutschland, von dem Sarrazin träumt, wollen wir in der Tat abschaffen. V.i.S.d.P.: A.Hein, Faulenstr. 72, 28195 HB Landesverband Bremen