Auf den Spuren von Winnetou… Bereits im August 2004 flogen Alexander Müller und ich auf Alex’ Vorschlag hin zusammen ein 601 km-Dreieck mit der ASK-21. Dadurch gewannen wir den Barron-Hilton-Cup in der Doppelsitzerklasse und wurden im Juli auf die Flying M Ranch in Nevada eingeladen „Die 57 landet jetzt in Circle L.“- „Okay 57, Landung in Circle L, die Schleppmaschine startet in 5 Minuten.“ Eine ganz gewöhnliche Außenlandegeschichte? Nein, denn es kam etwas anders… Ich war gerade auf dem Heimflug von einem Überlandflug mit dem Discus. Die Streckenwahl entlang von wenigen Wolkenaufreihungen führte mich zunächst in die White Mountains, einer Gebirgskette östlich der Sierra Nevada. Nach ca. 200 km wendete ich dort und ging auf Nordkurs. Etwa am Ende der White Mountains, welches durch den Boundary Peak gekennzeichnet ist, flog ich zusammen mit Uwe Hartmann (Ventus 2) nach Nordosten. Es entwickelten sich teilweise größere Wolkenaufreihungen, die uns schnell vorankommen ließen. Gegen 16:30 und gut im Zeitplan entschlossen wir uns zur Umkehr. Das Wetter entwickelte sich allerdings zunehmend schlechter. Zunächst mussten wir Schauern ausweichen, später gab es nur noch ganz vereinzelt einige kleine Cumuli. Es wurde blau, die Steigwerte gingen zurück. Gegen 19:00 Uhr entschloss ich mich zu einer Sicherheitsaußenlandung. Das Erreichen des nächsten Flugplatzes war unsicher und dazwischen lag nur unlandbare Wüste. Ein kurzer Blick auf die Karte bestätigte, was ich vor mir sah ein Flugplatz mit zwei gekreuzten Landebahnen willkommen in Circle L. Im Funk erreichte ich noch Richard, der die Landemeldung an die Flying M Ranch durchgab. Ein Schleppflugzeug startete kurze Zeit später. So war die Anweisung, dass ich in Circle L landen solle, obwohl ich doch noch schwaches Steigen fand und ein Weiterflug nun möglich schien. Der Entschluss zu landen war nun endgültig gefasst und ich verheizte schnell meine Höhe. Überflog dabei ein nahegelegenes Bergwerk und in ca. 5 km Entfernung eine kleine Siedlung, die sogar bewohnt schien. Das war dann auch die erste größere Siedlung (größer = mehr als zwei Häuser), die ich seit einigen Stunden überflogen hatte. In 350 m versuchte ich das Fahrwerk auszufahren. Damit kippte auch die Stimmung radikal, denn der Fahrwerkshebel ließ sich selbst unter größter Anstrengung nicht verriegeln. Verdammt! Nach zig Versuchen dann die Funkmeldung. Uwe empfahl mir das Fahrwerk ganz einzufahren und es erneut zu versuchen& Natürlich ging das Einfahren auch nicht mehr richtig, geschweige denn das Verriegeln nach dem Ausfahren. Zu allem Überdruss erkannte ich nun immer weitere Details auf meinem Landefeld. Die saftig grünen Büsche mitten auf der Rollbahn zierten die sonst graubraune Umgebung zwar auf schöne Weise, zeugten aber von einer eher unregelmäßigen Benutzung und verbesserten nicht gerade die Landung ohne Fahrwerk. Dann der Tipp, es mit beiden Händen und nach tiefem Luftholen ein letztes Mal zu versuchen. Das Flugzeug trimmte ich auf neutral, holte noch einmal Luft und schob mit größtem Schwung den Fahrwerkshebel nach vorne, der dann auch mit einem erlösenden Krachen seinen Stillstand in der verriegelten Position fand. Die Anspannung lässt schlagartig nach. Noch zwei Kreise, dann ging es in den Gegenanflug. Nahe dem ersten Drittel der Rollbahn standen zwei Häuser - sieht doch gar nicht schlecht aus. Dann der Anflug, doch Vorsicht - Strommasten im Endteil also etwas höher anfliegen. Im Nachhinein hätte ich mir selbiges sparen können. Die Idylle von einem verlassenen Ort in der Prärie kam erst so richtig auf, als ich erkannte, dass die Masten nur noch Überreste waren. Die Stromleitung selbst war wohl schon vor längerer Zeit entfernt worden. Also Landung auf der Piste mit Blick in Westrichtung. Es staubte kurz und nach wenigen Metern kam ich zum Stehen. Nach Durchgabe der Landemeldung hatte ich dann Zeit mir die hübsche Gegend etwas genauer anzusehen: Die Rollbahn bestand nicht aus Asphalt, auch nicht aus Gras, Erde oder ähnlichem, es war einfach nur Sand - willkommen im Wilden Westen. Links und Rechts gab es in einem Abstand von vielleicht 5 Metern kleine Hügel, die an Dünen erinnerten. Auf diesen Dünen standen in regelmäßigem Abstand kleine Masten mit Lichtern, als Rollbahnmarkierung. Die Piste selbst war etwa 1500 m lang, bewachsen von grünen Büschen und bewohnt von Echsen und seltsamen großen schwarzen Käfern. In ca. 100 m Entfernung standen zwei, drei heruntergekommene ältere Häuser. Im Garten vegetierten zwei vertrocknete Bäume und im Vorhof war ein verrosteter Mähdrescher geparkt. Ich zog es vor am Flugzeug zu verharren, wurde mir während des Briefings doch eingebläut, dass etwaige Bewohner ein solch abgeschottetes Leben bewusst gewählt haben. Ein Hilfe suchender Segelflugzeugpilot beispielsweise wurde gar von einem mit einer Shotgun bewaffneten Rancher von seinem Grund vertrieben. Also sitzen bleiben und warten. Die Schleppmaschine erwartete ich bereits in den nächsten 15 Minuten. Die Flying M Ranch war nur 100 km entfernt. Gemütlich sitzend trank ich bei einer Außentemperatur von immer noch ca. 40 ° C meine letzten Wasserreste und versuchte immer wieder die Schleppmaschine im Funk zu erreichen& Nichts, keine Antwort. Irgendwann wurde ich dann doch etwas stutzig… Ich zog die Karte erneut aus der Seitentasche. In der Mitte der Karte entdeckte ich die Flying M Ranch und auf der Rückseite auch Circle L alles etwa auf demselben Breitengrad, so schien es zumindest. Dann faltete ich die Karte auseinander und wurde zunehmend beunruhigt. Circle L faltete sich nämlich nun auch weiter in den südlichen Kartenteil, um genau zu sein 130 km nach Süden. In der Eile hatte ich einfach die Karte falsch abgelesen, das kann ja wohl nicht war sein. Alles hatte doch gepasst, sah auf einen flüchtigen Blick so aus wie in der Karte dargestellt, nur mit dem kleinen Unterschied von 70, 80 Meilen. In Circle L war ich also nicht… Die Schleppmaschine vielleicht, aber wo war ich? Ein erneuter Blick fesselte mich auf einen Punkt, in dessen nähe ein Bergwerk eingezeichnet war. Zweifellos musste ich hier gelandet sein, mitten im Niemansland, mitten auf der Rollbahn von Gaabs. Der Tag ging langsam aber doch sicher zu Ende. An einen Rückschlepp war inzwischen nicht mehr zu denken. Doch dann die Hoffnung, vielleicht noch Uwe im Funk erreichen zu können. Und tatsächlich, er war noch in der Luft. Was für ein Glück. Aber er verstand mich nicht richtig, wiederholte immer wieder den falschen Flughafen als Landepunkt. Dann nach Buchstabieren im NATO-Alphabet endlich die Bestätigung. „Landung in Gaabs, ich gebs weiter.“ Kaum zwei Minuten später dann verschwand Uwe hinter einem größeren Bergmassiv und der einzig mögliche Funkkontakt brach nun ab. Puhh, das ging gerade noch mal gut. Ohne Handy, ohne Funk, ohne Zivilisation hätte ich mich sonst auf eine „schöne“ Nacht im Flugzeugcockpit einstellen können. Es war so gegen 8 Uhr, als sich im Funk dann doch wieder was regte. „57, hier ist die BH (Barron Hilton’s Hughes 500), verstehen sie mich?“ Juhuu, es war jemand unterwegs, ich war erleichtert und wurde aufgefordert, das Flugzeug zu sichern und für eine Nacht in Gaabs vorzubereiten. Den Discus ganz aus der Rollbahn zu schieben, gelang mir nicht, der Boden war zu sandig und die Dünen zu hoch. Also schob ich das Segelflugzeug möglichst nahe an den Rand und drehte es aus dem nun auffrischenden Wind. Im Rumpf fand ich die Fallschirmtasche und füllte sie mit dem Sand der Rollbahn auf, bis sie schwer genug war, die Fläche auch gegen stärkere Böen am Boden halten zu können. Erschöpft von einem längeren Flug setzte ich mich nun wieder ins Cockpit. Die Sonne ging unter und tauchte den aufsteigenden Vollmond und die schroffen Berge im Osten in orangen-rotes Licht. Alles sehr idyllisch. Der Wind fegte einige vertrocknete Sträucher über den sandigen Untergrund und lies an alte Westernfilme erinnern. Exakt die selbe Umgebung fand ich hier vor. Nur eben ohne Indianer, ohne Cowboys und ohne irgend eine Bar in der Nähe. Einfach nichts, weit und breit. Aus meinen Gedanken wurde ich erst wieder durch ein seltsames Rascheln gerissen, das irgendein Tier in kleiner Entfernung verursachen musste. Ich hörte gespannt auf, das Geräusch wurde lauter. Sehr beunruhigend… Ich erinnerte mich an die Erzählungen von Klapperschlangen, die hier alles andere als eine Rarität waren. Selbst hatte ich zwar noch keine gesehen, aber sie musste sich wohl ungefähr so anhören. Ich zog es nun vor, im Cockpitrumpf zu verbleiben und die Haube zu schließen. Ein Schlangenbiss wäre ohne Gegenmaßnahmen binnen zwei Stunden tödlich gewesen. Das gemütliche Cockpit war also zweifellos die bessere Alternative. Es war nun kurz vor neun, als plötzlich alle Lichter auf dem Flugplatz angingen. Die gesamte Rollbahn war beleuchtet. Wer hat denn das Licht eingeschaltet ? Den todgeglaubten Flugplatz zum Leben erweckt? „Ups, was passiert jetzt?“ Was ich nun sah, war sehr sehr beunruhigend. In einigen Kilometern Entfernung bewegte sich aus östlicher Richtung ein Lichtpunkt auf mich zu. Der Lichtpunkt kam tiefer und wurde größer. Oh nein, oh Gott. Spätestens jetzt ergriff mich ein Gefühl der Panik, denn das Segelflugzeug stand im ersten Drittel der Rollbahn. Gedanken an alle erdenklichen Unfallszenarien schossen mir durch den Kopf… Dass ich rechtzeitig gesehen werden würde, war sehr unwahrscheinlich. Dass ein landendes Flugzeug nach mir aufsetzen würde ebenso und dass es mich verfehlen könnte, dafür war die Chance gleich null. Was tun also? Ich rannte los zum Flächenende, schmiss den Sandsack von der Tragfläche und wollte mit aller Kraft versuchen, den Segler irgendwie von hier wegzubekommen, egal wie, er musste weg, wollte ich eine nahenden Katastrophe verhindern. Entschlossen blickte ich erneut zu dem Lichtpunkt und bemerkte, dass er nicht weiter geradlinig auf die Rollbahn zusteuerte. Dann, ein Geräusch, welches wohl eine nie dagewesene Erleichterung in mir aufkommen ließ. Es war ein Hubschrauber, kein Zweifel. Er kam aus östlicher Richtung auf mich zugeflogen, die Ranch lag aber im Westen. Dann im Funk der Pilot der BH, der sich nach meiner exakten Position erkundigte. „Im ersten Drittel der Rollbahn, in der Nähe der Häuser“, war die Antwort. Das Geräusch wurde lauter, die Silhouette erkennbar. „Oh ja, super!“ Nach einem Suchkreis setzte die Hughes 500 in einer einzigen Staubwolke bei fast völliger Dunkelheit auf einer der kleinen Dünen auf, kippte etwas zur Seite, aber blieb dann sicher auf dem Untergrund haften. Sekunden später sprangen mir die ersten Menschen seit Stunden entgegen und halfen mir, den Discus aus der Rollbahn zu schieben. Ich kann mich nicht erinnern, mich schon einmal so über die Hilfe beim Zurückschieben gefreut zu haben… Einige Minuten später verschwanden die letzten Lichter von Gaabs im Sichtfenster des Hubschraubers. Auf Kurs war die Wüste, in großer Entfernung die Ranch. 54 Meilen Entfernung. Einige Minuten später wieder der Blick auf den Volkslogger meines Nebensitzers immer noch 54 Meilen auf die Ranch. Das GPS des Hubschraubers lieferte dieselbe Information. Beide GPS, obwohl völlig unabhängig voneinander, lieferten die gleiche irreführende Angabe. Eine Antwort auf einen zeitgleichen Ausfall wäre vermutlich auf dem 30 km entfernt gelegenen Militärflughafen zu suchen gewesen. Wir zogen es allerdings vor mit Karte und Kompass, entlang von einigen Lichtern auf Kurs, zu navigieren. Auf der einen Seite war ich jetzt natürlich froh, doch noch heimzukommen, auf der anderen hatte ich aber auch ein riesiges schlechtes Gewissen, dass andere solche Strapazen auf sich nehmen mussten. Doch als der Neuseeländer Nicholas Reekie neben mir anfing seine Außenlandegeschichte zu erzählen, fand ich mich dann doch in bester Gesellschaft… Nicholas war etwa 60 km weiter im Osten außengelandet. Er traf auch einen Flugplatz, aber das hat ja in dieser Gegend nichts zu bedeuten. Angekommen stieg er zunächst aus und machte sich auf den Weg in das nahe gelegene Dorf. Der kürzeste Weg war nach seiner Aussage, aber nicht unbedingt der Beste. Größere Schlangen, die sich dort sonnten, ließen ihn sehr gern einen Umweg in Kauf nehmen. Dabei traf er dann auch auf den Dorfeigenen Sheriff. Ein rüstiger Mann Mitte 30 etwa. Dieser war so begeistert, in Nicholas einen exotischen Gesprächspartner im sonst wohl eher ruhigeren Dasein gefunden zu haben, dass er diesen gleich mit auf die Wache schleppte. Nicholas zögernder Blick auf die zwei Pistolen weckten im Dorfsheriff dann sofort das Verlangen, ihm auch seine anderen zwei Waffen, die er mit sich am Körper trug, stolz zu demonstrieren. Außerdem gab er an, in nur 4 Sekunden alle Waffen ziehen zu können, was in dieser Gegend möglicherweise immer noch wichtig sein könnte. Doch damit nicht genug: Auf die Frage „You want to see my guns?“ musste sich der Neuseeländer, welcher eigentlich nur ein Telefon gesucht hatte, die gesamte Waffensammlung anschauen: Pistolen, Gewehre und sogar ein Granatenwerfer gehörten zur Sammlung. Alles sehr beeindruckend. Bevor Nicolas dann aber mit dem Hubschrauber abgeholt wurde, bestand der Sheriff auf ein Abschlussfoto. Soweit so gut, aber natürlich nicht irgendein langweiliges Bild von einem erschöpften Piloten und seiner 304, nein. Nicholas musste sich an sein Segelflugzeug stellen, während der Sheriff mit der einen Hand seine Pistole an Nicholas Schläfe presste und mit der anderen den Auslöser des Fotoapparats bediente. Sicherlich ein sehr gutes Gefühl, so freundlich und begeistert aufgenommen zu werden. Nach dieser Story war ich dann auch froh, doch niemandem begegnet zu sein. Gegen 22 Uhr kamen wir nach einer Stunde Flugzeit doch merklich erleichtert auf der Flying M Ranch an. Teilweise geschockt, teilweise noch in Gedanken über die wohl krasseste Außenlandeerfahrung und die wohl außergewöhnlichste Rückholtour, die wir beide bisher erlebt haben. Ein sehr kurioser Tag, den man nicht so schnell vergisst und an dem man länger zu nagen hat! Ich muss mir dabei selber eingestehen, zu wenig mit der Karte navigiert zu haben. Sonst hätte sich einiges vermeiden lassen können. Sven Killinger © Dennis Ivans Abschiedsfoto von Gaabs – kurz vor Rückschlepp am nächsten Morgen © Dennis Ivans Anrollphase… – deutlich eingeschränkte Sicht IGC-File des Fluges