Wirtschaftsdenken im Klassenzimmer? - Wohin steuern unsere Schulen? Vortragsreihe zur aktuellen Schulentwicklung mit einem kritischen Blick hinter die Kulissen ab 1. November im Hörsaalgebäude Den Sommer über fanden und finden in Marburg regelmäßig „Montagsforen“ zum Thema „Rhön-Klinikum“ statt – Bürgerversammlungen in der Elisabethkirche, die dem Protest dagegen Ausdruck geben, dass Gesundheitsfürsorge mehr und mehr ökonomischem Kalkül unterliegt, einem Gewinnstreben auf Kosten der Patienten. Wird es solche Veranstaltungen auch irgendwann zum Thema Schule geben müssen? Denn auch hier herrscht – von vielen unbemerkt – in zunehmendem Maße betriebswirtschaftliches Denken, ein ökonomisiertes Menschenbild, und perspektivisch droht Bildung zur Ware zu schrumpfen. „Ökonomisierung oder Demokratisierung? Was wird aus unserem Bildungswesen?“ lautet denn auch der Titel einer aktuellen Vortragsreihe, die im Wintersemester am 1. November startet. Bereits G8 hat gezeigt, dass in punkto Schule so einiges im Wandel ist. Die neuen Begriffe Bildungsstandards, Kompetenzorientierung, Lernstandserhebungen, selbständige Schule, Output-Orientierung und immer wieder PISA bestimmen die derzeitige Schulreform in Hessen. Jeden zweiten Donnerstag wird es nun darum gehen, die aktuellen Entwicklungen in der Bildungspolitik und ihre konkrete Auswirkung auf den Unterricht, die Kinder und Jugendlichen sowie die Lehrenden zu betrachten und kritisch zu hinterfragen. Angeknüpft wird dabei an das Unbehagen, das bei vielen Schülern, Eltern, Lehrkräften und auch Erziehungswissenschaftlern festzustellen ist. Dieses Unbehagen gründet in der Sorge, dass Schulen nach dem Modell privater Dienstleistungsunternehmen umgebaut werden könnten, die ´Effizienzsteigerung` proklamieren und ´weniger Geld plus mehr Leistungsdruck` meinen, bei denen ganzheitliche Bildung einer ausufernden Testerei (verbunden mit Konkurrenz und Rankings) geopfert werden könnte. Es ist schlicht die Sorge, dass die Zukunft der Kinder auf Unternehmerinteressen ausgerichtet werden könnte – vergleichbar mit den in der Elisabethkirche geäußerten Befürchtungen, dass Renditestreben eine umfassende und humane Patientenversorgung verhindert. Ist diese Sorge nicht übertrieben? Ist es nicht wünschenswert, wenn Kinder Kompetenz erlangen, Bildungsabschlüsse vergleichbar werden und Schulen an Autonomie gewinnen? Solchen Überlegungen versucht die Vortragsreihe ein Forum zu bieten. Sie möchte kritischkonstruktive Denkanstöße geben und zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der derzeitigen Bildungspolitik und ihren Folgen einladen. Dabei soll neben dem Blick auf den hessischen Reformansatz und die damit verbundenen „Zauberwörter“ (s.o.) auch nach den Hintergründen im Kontext (welt-)wirtschaftlicher Entwicklungen gefragt werden bis hin zu einer Suche nach Alternativen. Alles in allem wird es um die Frage gehen: „Welche Schule wollen wir für unsere Kinder?“ (s. Titel der Podiumsdiskussion zum Auftakt der Reihe), um schließlich hoffentlich sagen zu können: „Eine bessere Schule ist möglich!“ (vgl. Titel des Vortrags am 31.1.2013). Renate Görg Das Programm der Vortragsreihe im Überblick: 1. November: „Ökonomisierung oder Demokratisierung? Welche Schule wollen wir für unsere Kinder?“ Podiumsdiskussion mit dem Landesvorsitzenden der GEW, dem Leiter des Instituts für Qualitätsentwicklung sowie Vertretern des Hessischen Kultusministeriums, der Gesellschaft für Bildung und Wissen, des Landeselternbeirats und der Landesschülervertretung - Moderation: Prof. Hans Peter Voss (Leiter der Geschäftsstelle für Hochschuldidaktik, Karlsruhe) 15. November: „Der Bluff der Bildungsstandards – Was verbirgt sich hinter den neuen Zauberwörtern der bildungspolitischen Debatte?“, Prof. Dr. Hans Peter Klein (Universität Frankfurt/M.) 29. November: „Von der OECD zur neuen Unterrichtspraxis: Wie das Wirtschaftsdenken das Klassenzimmer erobert“, Dr. Sigrid Hartong (Universität Bamberg) 13. Dezember: Nachruf auf PISA – nebst einer Warnung vor den verheerenden Folgen dieses Unternehmens“, Prof. Dr. Thomas Jahnke (Universität Potsdam) 17. Januar 2013: „Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb! Einsprüche gegen die betriebswirtschaftliche Umsteuerung des Bildungswesens“, Dr. Matthias Burchardt (Universität Köln) 31. Januar 2013: „Alternativen: Eine bessere Schule ist möglich!“ Prof. Dr. Anton Hügli (Universität Basel) 7. Februar 2013: „Emanzipation statt Anpassung: Was müssen Menschen in einer Welt der Umbrüche wissen und können?“, Prof. Dr. Oskar Negt (Hannover) Veranstalter der Reihe, die jeweils donnerstags von 19 bis 21 Uhr im Hörsaal 00/0070 in der Biegenstraße 14 stattfindet, sind die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der ASTA Marburg, der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi), der Buchladen Roter Stern und die kulturelle Aktion Strömungen.