„Komachi in Sekidera“ Tanzperformance im Deutsche Guggenheim 2. Februar 2004, 18 Uhr Miwa Yanagi: „Das Pathos der Vergänglichkeit“ als Symbol für die „alte Frau“ Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, den sogenannten „Rôjo no mai“ (Tanz der alten Frau) zu tanzen. Zum japanischen Neujahrsfest führen der ehrwürdige Alte, „Okina“, und die ehrwürdige Alte, „Ouna“ im Noh-Theater als Personifizierungen antiker Götter einen Tanz auf. Daß Menschen in der Rolle von Göttern auftreten oder ihnen mit Tanz und Gesang huldigen, ist in der ganzen Welt verbreitet, doch in Japan gibt es eine spezielle Tradition, nach der die Alten als „Oji no kami“ (alte Götter) geachtet werden. Das heisst, sie existieren an der Grenze zwischen Leben und Tod. Das interessiert mich seit längerem. Anlässlich der Ausstellung meiner Arbeiten „My Grandmothers“ (einer Fotoserie mit fiktiven Selbstporträts alter Frauen, für die sich junge Frauen vorstellen, wie sie in fünfzig aussehen werden) beschloss ich nun, einen Tanz mit dem Titel „Komachi in Sekidera“ (Die schöne Komachi am Gateway-Tempel Sekidera) aufzuführen. „Komachi in Jahrhundert, Tanz Sekidera“ das bearbeitet ich ist zu habe. ein einem Noh-Drama aus traditionellen „Komachi“ war der dem 13. japanischen Name einer überragenden Schönheit, die vor tausend Jahren lebte, und ist bis heute Inbegriff einer schönen Frau. Komachi kommt als Figur in zahllosen Noh-Stücken vor, zum Beispiel in „Sotoba Komachi“ (Komachi und die Pagode), neu inszeniert von Mishima Yukio. Die Geschichte von „Komachi in Sekidera“ ist folgende: Ein Mönch, der im Sekidera-Tempel lebt, besucht mit einer Schar Kindern eine alte Frau in der Nähe, die ihnen alles über die Kunst des waka (japanische Gedichtform) erzählt. Und während sie erzählt, erkennen die Kinder, dass die Alte Komachi ist, Dichterin. Komachi unansehnlich vergisst die sagenumwobene, schämt geworden sie ist. allmählich sich, unglaublich weil Angeregt ihren sie durch körperlichen schöne alt die und Kinder, Zustand. Sie erinnert sich an frühere Zeiten und beginnt zu tanzen. Als die Sonne aufgeht, wird sie wieder zur gebrechlichen Alten. Auf ihren Stock gestützt, humpelt sie zu ihrer Strohhütte zurück. Komachis Seelenzustand wird durch ruhige Lieder und extrem langsame Bewegung ausgedrückt, die sogenannte „Bewegung in Stille“, eine Spielweise, die in der perfektionierten NohÄsthetik als äußerst schwierig gilt und von vielen älteren Schauspielern gepflegt wird. Komachi spürt die Vergänglichkeit der Welt und bringt ihren Gram über ihr Alter in Liedern (Gedichten) wie „Ich schäme mich für meinen alten Leib“ und „Ich schäme mich für die hundertjährigen ‚Uba‘ (Alte)“ zum Ausdruck, die immer wieder von Komachis Angst vor dem Tod handeln. Komachi unterscheidet sich in ihrer Hinfälligkeit stark von einer alten Frau, die etwa die Stärke der antiken Göttinnen besitzt, von denen ich anfangs sprach. Wenn es mir um den Tanz einer alten Frau ginge, der voller Leben ist, bliebe mir nichts anderes übrig, als in der primitiven matriarchalischen Gesellschaft aus der Zeit vor der Einführung des Buddhismus in Japan nachzuforschen. Im stark vom Buddhismus geprägten Noh-Theater aus dem 13. Jahrhundert sind „alt gewordene Frauen“ Welt als „Pathos der Vergänglichkeit“. Sinnbild für die Dieses Pathos der eingeschlossen, nichts von Vergänglichkeit, bezieht Bestand sich ist; sie buddhistischen Lehren vollständig akzeptieren. zu auf die gehört und die zu ist Person Vorstellung, den versucht, Es eigene grundlegenden diese eine dass Tatsache Weltsicht, eine Wahrheit, mit einer eigenen Ästhetik. „Komachi in Sekidera“ beginnt mit den Versen: Elende, die ich bin – Wasserunkraut auf den Wellen, Von den Wurzeln gebrochen –, Winkte mir eine Strömung zu Ich würde ihr folgen. Komachi und die Welt sind sterblich. Dies zu verkörpern, gilt selbst im Noh als äußerst bedeutsam und wichtig, aber auch kompliziert. Je länger mich der ich darüber Gedanke, nachdachte, Komachis Tanz desto zu mehr tanzen. faszinierte „Komachi in Sekidera“ kommt nämlich in „My Grandmothers“, den Porträts junger Frauen im Alter, nicht vor. Komachis Kummer und weder die Pathos sind dort nicht vorhanden. Diese Großmütter von heute wünschen sich Vergangenheit zurück noch fürchten sie sich vor der Zukunft (Tod); sie vertreten Frauenwünsche in einer äußerst klaren Form. Es müsste doch interessant sein, Komachis Vergänglichkeit vor diesen Frauen zu tanzen? MIWA YANAGI (Übersetzung aus dem Englischen Marion Kagerer) Ort: Datum: Beginn: 18 Uhr Deutsche Guggenheim Atrium der Deutschen Bank 2. Februar 2004 Pathos der