Werner Roddeck

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Werner Roddeck
Projektarbeit mit Industrierobotern bei der Ausbildung
von Mechatronik-Ingenieuren
1. Einleitung
Im Jahr 1993 hat die Fachhochschule Bochum als erste deutsche Hochschule mit der Ausbildung
von Mechatronik-Ingenieuren in einem grundständigen Studiengang begonnen. Dies sind
Ingenieure, die nicht nur in einem engen Feld der Methodik eines speziellen Fachgebietes wie
Maschinenbau, Elektrotechnik oder Informatik ausgebildet sind, sondern im Studium einen
breiten Überblick über alle diese Gebiete erhalten und lernen, dieses breite Wissen für
fachbereichsübergreifende Lösungen komplexer Probleme einzusetzen. Der innovative,
interdiziplinäre Ansatz „Mechatronik“ legte von vornherein auch neue Wege in der
Ingenieurausbildung nahe. Insbesondere die Methodik der Wissensvermittlung an Hochschulen
steht bereits seit längerem in intensiver Diskussion.
2. Situation in der Ingenieurausbildung
Die technikorientierte Ausbildung der Ingenieure an Hochschulen war auch schon in der
Vergangenheit anders als bei anderen Hochschulausbildungen durch ein relativ hohes Maß an
praktischen Ausbildungskomponenten geprägt. So gehört dort das sogenannte Praktikum zu einer
der Standardlehrveranstaltungen neben den in eher theoriegeprägten Studiengängen
vorherrschenden Veranstaltungstypen Vorlesung, Übung und Seminar. Dies beruht auf der
Erkenntnis, daß man gewisse Fertigkeiten wie beispielsweise den Umgang mit Meßgeräten kaum
durch eine theoretische Unterweisung, wie etwa durch einen Vortrag, ausreichend vermitteln
kann. Bei einer späteren Anwendung solcher Meßgeräte würden ohne praktische Unterweisungen
sonst in der Regel Probleme auftreten. Trotz der Erkenntnis, daß in einem Praktikum erlerntes
Wissen häufig besser und länger präsent bleibt
als theoretisch erlangtes Wissen, unterscheidet
Der Mensch behält, was er ...
man gerne zwischen Stoffinhalten, die durch
reinen Vortrag und solchen, die am besten
durch Üben oder praktisches Tun vermittelt
Lesen
werden können. Tatsächlich nimmt die
Stoffvermittlung durch reinen Vortrag einen
Hören
breiten Raum ein, weil dies eine sehr
Beobachten
ökonomische Vorgehensweise ist. Man kann
durch einen einzelnen Vortragenden eine große
Hören+Sehen
Zahl von Zuhörern gleichzeitig erreichen. In
Extremfällen hat man hier ja schon von
Selber Sagen
Vorlesungen mit über 500 Zuhörern gehört.
Selber Tun
Demgegenüber sind Obergrenzen für Praktika
0
20
40
60
80
100
bei ca. 6 Studenten pro Gruppe und einer
Prozent
Betreuungsrelation von drei Gruppen je
Ausbilder zu sehen. Daran wird sofort
deutlich, daß die in der Hochschulausbildung
Bild 1: Abhängigkeit des Behaltens von der
am häufigsten verwendete Form der
Vermittlungsform
Lehrveranstaltung, nämlich die Vorlesung,
wohl weniger deshalb verwendet wird, weil ein großer Stoffumfang auf diese Art effektiv
vermittelt werden kann, sondern weil die Ökonomie es so gebietet.
Dem steht die Erkenntnis der didaktischen Wissenschaft gegenüber, daß der langfristige
Lernerfolg in einer Lehrveranstaltung von der Art der Präsentation abhängt. So zeigt Bild 1 [1],
daß der Lernerfolg durch reines Zuhören relativ schlecht ist, so daß langfristig nur 20 % des
gehörten Wissens erinnert werden. Eine geschickte Präsentation, bei der das Wort durch andere
Medien unterstützt wird, hat immerhin schon einen langfristigen Lernerfolg von 50%. Jedoch das
selbst Durchgeführte wird am besten im Gedächtnis verankert, so daß man davon bis zu 90 %
behält. Daher sollten optimale Lehrveranstaltungen einen hohen Anteil von solchen Phasen
besitzen, in denen der Student durch eigenes Tun zu neuen Erkenntnissen kommt.
Von Unternehmen, die ausgebildete Ingenieure später einstellen sollen, wird heute eine weitere
Forderung gestellt. Sie erwarten, daß eine Ausbildung der Studenten auch in sogenannten
Schlüsselqualifikationen stattfindet. Der Anteil dieser Qualifikationen an der Ausbildung wird
allgemein als zu gering angesehen, da in der Vergangenheit der Schwerpunkt in der
Ingenieurausbildung sicherlich bei der Vermittlung von Fach- und Methodenwissen lag.
Nach einer Empfehlung des VDI von 1995 sollte die Struktur des Ingenieurstudiums wie folgt
aussehen:
 30% mathematisch - naturwissenschaftliche Grundlagen
 30% technische Grundlagen
 20% exemplarische Vertiefung in einem Anwendungsgebiet
 20% nichttechnische Fächer (Sprachen, Betriebswirtschaft, Sozialkompetenz)
Dieser Anteil der zuletzt genannten 20% nichttechnischen Fächer, zu denen auch die
Schlüsselqualifikationen gehören, werden heute nur in wenigen ingenieurwissenschaftlichen
Studiengängen erreicht.
Was ist nun unter Schlüsselqualifikationen zu verstehen? Man zählt dazu nicht solche
Qualifikationen, die mit exaktem Faktenwissen verbunden sind, sondern Eigenschaften wie
Selbstständigkeit, Kreativität, Erkundungs-, Handlungs-, Sprach- und Konfliktkompetenz, Teamund Präsentationsfähigkeit.
Für das Erlernen solcher Schlüsselqualifikationen sind nun aber Lehrveranstaltungen in Form
von Vorlesungen und Übungen völlig ungeeignet, seminaristische Lehrveranstaltungen können
lediglich einen Teil dieser Fähigkeiten fördern.
Schaut man sich an, warum Unternehmen bei Absolventen das Fehlen solcher
Schlüsselqualifikationen vermissen, so kann dies wohl nicht daran liegen, daß Ingenieure in der
Vergangenheit mehr von diesen Schlüsselqualifikationen in ihrer Ausbildung mitbekommen
hätten. Der Unterschied liegt vermutlich in der geänderten Arbeitsweise der Unternehmen.
Während früher der Entstehungsprozeß von Produkten durch eine starre Struktur mit getrennten
Aufgaben und Tätigkeiten in funktional definierten Abteilungen (Entwicklung, Konstruktion,
Fertigung, Vertrieb, usw.) gekennzeichnet war, entstehen heute viele Entwicklungen bis hin zum
Marketing des fertigen Produktes in Form von Projekten.
3. Projekte mit Industrierobotern
3.1 Was ist ein Projekt?
Im Sprachgebrauch wird der Begriff Projekt für viele Abläufe und Vorhaben benutzt [2]. Es gibt
aber bereits genormte Definitionen dafür, was man unter einem Projekt versteht. So definiert die
DIN 69901:Projektmanagement den Begriff Projekt wie folgt:
Vorhaben, das im wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit
gekennzeichnet ist, wie z. B.
 Zielvorgabe
 zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Abgrenzungen
 Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben
 projektspezifische Organisation
Die hohe Nachfrage der Unternehmen nach Schlüsselqualifikationen folgt vor allem aus dem
letztgenannten Charakteristikum der Projektdefinition. Die projektspezifische Organisationsform
weicht stark von der traditionellen, durch hierarchische Strukturen geprägte Vorgehensweise in
Unternehmen ab. Projekte werden in der Regel durch interdisziplinäre Projektteams abgewickelt.
In solche Teams werden Mitglieder aus allen Abteilungen des Unternehmens aufgrund ihrer
entsprechenden Fachkompetenz ganz oder arbeitsteilig delegiert. Eine solche Gruppe wird von
einem extra für dieses Thema benannten Projektleiter angeleitet und moderiert, der gegenüber
dem Auftraggeber für den zeit- und kostengerechten Ablauf des Projektes verantwortlich ist.
Innerhalb der Gruppe arbeiten die Teammitglieder eigenverantwortlich, müssen sich aber in
hohem Maße mit den anderen abstimmen und kooperieren. Der Einzelkämpfer, der für ein
kleines Stück einer Entwicklung verantwortlich ist und die übrigen Mitarbeiter nur am Rande
wahrnimmt, ist nicht mehr gefragt.
Um nun erfolgreich in einem Team mitzuarbeiten oder gar es zu leiten sind die oben genannten
Schlüsselqualifikationen wichtig. Je mehr davon ein in Hochschulen Ausgebildeter bereits bei
Studienabschluß mitbringt, um so erfolgreicher wird er sich in Projekte im Unternehmen
integrieren lassen.
Wenn denn nun einerseits die Vermittlung von Schlüsselqualifkationen von den Unternehmen
gefordert wird, um Absolventen für die Projektarbeit fit zu machen und andererseits praktisches,
eigenverantwortliches Handeln hohe Werte des langfristigen Lernerfolgs sichert, ist nichts
naheliegender, als in der Ausbildung Projekte als Lehrform zu verwenden.
3.2 Warum Projekte mit Industrierobotern?
Um eine hohe Motivation der Studierenden zu erhalten und innerhalb eines begrenzten Zeit- und
Kostenrahmens ein ingenieurmäßiges Entwicklungsprojekt in allen Phasen von der Ideenfindung
über Entwicklung und Konstruktion, der Projektabwicklung bis zur erfolgreichen Präsentation
durchlaufen zu können, hat sich der Industrieroboter bestens bewährt. Zum einen ist der
„Roboter“ mit einem gewissen mystischen Flair behaftet [3], was ihm einen hohen Grad an
Interesse sichert, zum anderen ist aber auch eine stetige Zunahme der Anzahl von
Roboterinstallationen in der Industrie zu verzeichnen.
Bild 2 zeigt die z. T. geschätzte Anzahl von Roboterinstallationen in den wichtigsten
Industrienationen im Jahr 1995. Auch wenn die Zahlenangaben für Japan teilweise auf
unterschiedlichen Definitionen des Begriffes
Industrieroboter beruhen, sieht man doch
Japan
deutlich, daß die Installationszahlen in
USA
Deutschland verglichen mit Japan immer noch
Deutschland
stark steigerungsfähig sind. Abgesehen davon
Frankreich
25 000
rangiert Deutschland hier auf Platz 3 der
England
17 000
weltweiten
Statistik.
Daher
ist
die
Robotertechnik ein zunehmend wichtiger
Korea
12 000
werdender Einsatzbereich für Ingenieure.
Schweden
9 500
Von dieser Bedeutung der Robotertechnik
Spanien
6 800
abgesehen eignet sich der Industrieroboter als
Benelux
4 900
Quelle: VDMA/IPA
universaler, programmierbarer Bewegungsautomat dazu, Aufgaben aus dem gesamten
Bild 2: Anzahl der Industrieroboter im Jahr 1995
Bereich der Produktionstechnik bis hin zu
Aufgaben im Servicebereich zu übernehmen. Die Anzahl der denkbaren Projekte, die man mit
Industrierobotern durchführen kann, ist daher nahezu unbegrenzt. Hinzu kommt, daß zu Beginn
eines solchen Projektes der Bewegungsautomat schon voll einsatzfähig vorhanden ist und durch
Ausrüstung mit teilweise sehr einfachen Aktoren und Sensoren relativ schnell für die
verschiedensten Arbeitsaufgaben hergerichtet werden kann.
Besitzt der Industrieroboter zudem noch ein intelligentes Programmiersystem, so sind neben der
eigentlichen Bewegungsprogrammierung noch beliebige andere Meß-, Steuerungs- und
Regelungsaufgaben möglich. Die Demonstrationen zum Schluß eines Projektes fallen meist sehr
eindrucksvoll aus und die pflichtenheftgemäße Erfüllung der Arbeitsaufgabe ist leicht zu
demonstrieren und zu überprüfen.
Industrieroboter, insbesondere sensorgeführte Systeme, stellen gute Beispiele für
mechatronische Systeme dar. Daher sind sie auch gut für die Ausbildung von
Mechatronikingenieuren geeignet.
Nachteilig sind lediglich die relativ hohen Investitionskosten für ein Robotersystem. So muß man
für einen 6-achsigen Knickarmroboter mit einer sinnvollen Tragfähigkeit zwischen 10 und 20 Kg
mit Investitionskosten von 80-120 TDM rechnen. Dazu kommen unter Umständen noch Kosten
für Werkzeugwechselsysteme oder ähnliches. Die heutigen Generationen von Industrierobotern
sind jedoch so ausgereift und zuverlässig, daß selbst bei geringer Wartungsintensität im
Ausbildungsbereich eine Einsatzdauer von 10-15 Jahren erreicht wird. Während dieser Zeitdauer
sind in der Regel die Betriebs- und Unterhaltungskosten minimal. Danach ist das Gerät ohnehin
technisch veraltet und müßte schon aus diesem Grund ersetzt werden.
Kosten, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Projekten entstehen, liegen meist im
Kostenrahmen von 50 - 200 DM, wenn nicht spezielle Hard- und Software über den
Ausgangszustand des Robotersystems hinaus beschafft werden muß. Solche Zusatzinvestitionen
für beispielsweise zusätzliche E/A-Steckkarten lassen sich aber dann wieder langfristig für
weitere Projekte nutzen.
Hat man erst einmal ein oder mehrere solcher Robotersysteme zur Verfügung, so ist die
langfristige Durchführung verschiedenartigster Entwicklungsprojekte aus dem Bereich der
Ingenieurwissenschaften sichergestellt.
Um aufzuzeigen, welche Einzelschritte bei der Realisierung eines solchen Projektes von den
Studierenden gegangen werden müssen und welche Qualität der Projektrealisierung im
Zeitrahmen von einem Semester erreicht werden kann, wird im folgenden ein an der FH Bochum
im Rahmen der Lehrveranstaltung „Industrieroboter“ durchgeführtes Beispielprojekt vorgestellt.
Dabei sind viele Darstellungen der von den Studierenden erstellten Projektdokumentation
entnommen.
3.3
Durchgeführtes
Beispielprojekt
„Nachführen eines Roboterarms
an einer Freiformfläche“
3.3.1 Projektidee
Bei vielen Automatisierungsaufgaben, bei
denen der IR ein Werkzeug handhaben soll,
besteht die Aufgabe, das Werkzeug entlang
einer ebenen oder räumlichen Kontur mit
konstantem Abstand zum Werkstück zu
bewegen. Beispiele hierfür sind das Laserund Wasserstrahlschneiden oder das
Auftragen einer Kleberraupe. Im Normalfall
wird der Verlauf der erforderlichen
Bild 3: Veränderungen des Schneidspaltes bei Abstandsänderungen zwischen Werkzeug und
Werkstück aufgrund des konischen Schneidstrahls
Werkzeugbahn durch Teachen von Bahnstützpunkten dem IR mitgeteilt. Vielfach sind bei
solchen Verfahren die Werkstücke (Blechteile, Kunststoffteile) aufgrund der inneren Instabilität
oder durch Toleranzen in ihrer Geometrie nicht sehr genau. Reagiert dann das
Bearbeitungsverfahren empfindlich auf Abstandsveränderungen zwischen Werkzeug und
Werkstück, so ist häufiges Nachteachen der Bahnstützpunkte erforderlich oder die
Verfahrensqualität schwankt sehr stark. Bild 3 zeigt eines der Strahlverfahren. Da der
Schneidstrahl (Laser, Wasser) nicht zylindrisch sondern konisch ist, kommt es bei
Abstandsänderungen der Schneiddüse zum Werkstück zu Veränderungen des Schneidspaltes.
Dieses Problem könnte gelöst
werden, wenn der Roboter
aufgrund von Abstandsmeßdaten einer Sensorik den
Bahnverlauf in Abhängigkeit
von
den
aktuellen
Werkstückschwankungen
selbsttätig korrigieren würde.
Die Projektidee besteht daher
darin, eine Sensorik zu
entwickeln und mit der
Steuerung des Roboters zu
verbinden. Die Meßwerte
werden in die Steuerung
übernommen, ausgewertet und
die Bahndaten eines Bewegungsprogramms
aufgrund
dieser Meßwerterfassung auto- Bild 4: Abstandsregelung für das Laserschneiden
matisch korrigiert.
Da das Problem Abstandsänderung bei den oben genannten Bearbeitungsverfahren seit längerem bekannt ist, gibt es natürlich kommerzielle Produkte, die das Problem lösen. Beispielsweise
wird beim Laserschneiden eine kapazitive Abstandssensorik benutzt, deren Meßwerte eine
separate Zustellachse ansteuern (Bild 4). Wegen dieses Aufwandes und verschiedener
technologischer Zusatzfunktionen ist ein solches
System sehr teuer und liegt in einem
Kostenrahmen von ca. 50 TDM. Die zusätzliche
Stellachse in z-Richtung des Koordinatensystems
ist beispielsweise bei einer Laserbearbeitungsanlage für ebene Bleche ohnehin erforderlich, da
die Bewegungskinematik einer solchen Anlage nur
Bewegungen in der x-y-Ebene vorsieht. Hierdurch
wird beispielsweise die Welligkeit einer ansonsten
ebenen Blechtafel ausgeglichen. Wendet man das
Verfahren an räumlich gekrümmten Oberflächen
an, indem man den Laserschneidkopf von einem
6-achsigen Industrieroboter (Bild 5) führen läßt, so
enthält die Bewegungskinematik schon alle
Freiheitsgrade die erforderlich wären, um
Abweichungen von Form und Lage auszugleichen.
Trotzdem verwendet man in kommerziellen
Produkten auch ein komplettes Regelungssystem Bild 5: 6-achsiger Knickarmroboter
mit zusätzlicher Stellachse, um vom Robotertyp
und seinen steuerungstechnischen Fähigkeiten unabhängig zu sein.
Aus dieser Aufgabenstellung wurde von den Studierenden daher die Projektidee entwickelt,
durch Einsatz einer preiswerten Sensorik den Roboter in die Lage zu versetzten, eine
vorgegebene Bahn über einer beliebigen Freiformfläche mit konstantem Abstand und konstanter
Orientierung zur Freiformfläche abzufahren.
3.3.2 Zielformulierung
Die
Zielformulierung
eines
Projektes erfolgt durch das
Pflichtenheft. Es besteht aus
einer
detaillierten
und
strukturierten Beschreibung aller
Eigenschaften, die das zu
entwickelnde Produkt haben soll.
Außer
einer
detaillierten
Beschreibung der technischen
Eigenschaften soll es auch
Kriterien für die Abnahme des
Produktes enthalten. Es muß
durch den Projektadministrator
nach Fertigstellung genehmigt
werden.
Gerade
im
Bereich
der
Entwicklung wird es natürlich
immer
vorkommen,
daß
bestimmte Unwägbarkeiten zu
Beginn des Projektes nicht
abgeschätzt werden können. Wie
das Beispiel für das Pflichtenheft
in Bild 6 dieses Projektes zeigt,
kann es Projektziele geben, deren
Realisierungsmöglichkeiten
unter den Gesichtspunkten des
Kosten- und Zeitaufwands bei
Projektbeginn nicht eindeutig
Bild 6: Pflichtenheft
geklärt werden können. Es ist
daher notwendig, Teilziele als Muß- (M) oder Wunschziele (W) zu qualifizieren. Dabei sind
Mußziele solche, die auf dem Weg zum Projektergebnis zwingend erreicht werden müssen und
Wunschziele solche, deren Erreichung zwar wünschenswert wäre, aber für den Projekterfolg
nicht ausschlaggebend sind. Die Formulierung der Ziele sollte noch keine Lösungen enthalten, da
dies zu Motivationsverlusten im Team führen kann und den Problemlösungshorizont unnötig
einengt.
Natürlich wird das Pflichtenheft durch gewisse Randbedingungen teilweise vorgegeben. Für das
konkrete Projekt ist eine solche Randbedingung sicher der eingesetzte IR und sein
Steuerungssystem. Damit der IR überhaupt für das Projekt verwendbar ist, muß folgendes erfüllt
sein:
 6-Achs-Kinematik, um auf einer beliebig gekrümmten Fläche die Orientierung zur Fläche stets
senkrecht zu halten.
 Intelligente Steuerung, die es erlaubt, geteachte oder anders vorgegebene Bahnen aufgrund
von Wegmeßdaten zu modifizieren.
 Eingabebaugruppe (analog oder digital), die es erlaubt, Sensordaten aufzunehmen und für die
Weiterverarbeitung aufzubereiten.
Für dieses Projekt stand ein IR vom Typ S700 der Fa. Fanuc-Robotics mit einer RJ2-Steuerung
und dem KAREL-Programmiersystem zur Verfügung. Die Steuerung war mit Analog- und
Digital-Eingabebaugruppen ausgestattet, so daß dem Projektteam alle Möglichkeiten offenstanden.
Im Pflichtenheft in Bild 6 wurde die Beliebigkeit der Freiformfläche weiter so eingeschränkt, daß
eine Realisierungsmöglichkeit bei dem gegebenen Zeit- und Kostenbudget hohe
Wahrscheinlichkeit hat. Daher sollte die Krümmung nur in einer Achsrichtung des
Koordinatensystems verlangt sein, eine Erweiterung auf Krümmung in zwei Achsrichtungen ist
jedoch wünschenswert.
3.3.3 Projektplanung
Das Projekt wurde durch drei Studierende durchgeführt. Innerhalb des Projektes waren Aufgaben
mit mehr maschinenbaulich/konstruktiven , elektrotechnischen und Informatik-Schwerpunkten
zu lösen. Da die Teammitglieder Mechatronikstudenten waren, konnten alle Aufgaben prinzipiell
von allen Studenten übernommen werden. Trotzdem wurde eine Aufteilung der Aufgaben auf die
Studenten A,B und C mit den oben genannten Schwerpunkten vorgenommen. Um das Projekt
planen zu können, wurde ein Projektstrukturplan (Bild 7), eine Vorgangsliste (Bild 8) und ein
Balkenplan (Bild 9) erstellt. Der Projektstrukturplan dient dazu, das Gesamtprojekt in
überschaubare Einzelaufgaben zu gliedern; die Vorgangsliste ordnet dann den im
Projektstrukturplan festgelegten Vorgängen verantwortliche Personen, Zeit- und Kostenbudgets,
sowie Abhängigkeiten der Vorgänge untereinander zu. Um die zeitliche Reihenfolge innerhalb
der zur Verfügung stehenden Zeit von einem Semester und die Start und Endtermine deutlich
nachvollziehbar zu visualisieren und als Kontrollinstrument für die Projektdurchführung ist der
Balkenplan von großem Nutzen.
Nachführen eines Roboterarms
an einer Freiformfläche
VG- Sensortyp aussuchNr.
en und erproben
1
VG- Hardware entwickeln,
Nr.
fertigen und erproben
2
VGAuswahl des
Nr.
1.1 Meßverfahrens
VGNr.
1.2
VGNr.
1.3
Aussuchen des
Sensortyps
Beschaffung des
Sensors
VG- Test der AbstandsNr. empfindlichkeit
1.4 und der Linearität
VG- Entwicklung und
Nr. Bau eines Sensor2.1
trägers mit Anpaßelektronik
VG- Konstruktion eines
Nr. mechanischen
2.2
Sensorhalters zur
Befestigung am
Roboterflansch
VG- Grobplanung der
Nr. Auswertestrategie
3.1
des Sensors und
der Verrechnung
mit den Positionsdaten
VG- ProgrammablaufNr. plan der Pro3.2
VG- Erstellung des
Nr.
Programm-Quell3.3
VG- Montage des
Nr. Sensorsystems
2.4
VGNr.
3.4
sorhalters
VG- Inbetriebnahme
Nr. und Erprobung
2.5
des Sensors
VGDokumentation
Nr.
erstellen
4
VG- FertigungszeichNr. nungen für Me4.1
chanik und Elektronik
VGNr.
4.2
Verdrahtungspläne zwischen
Sensor und
Steuerung
VGNr.
4.3
Erstellung des
endgültigen Programmlistings
mit Kommentaren
VGNr.
4.4
Erstellung der
Produktbeschreibung mit Erläuterungen des
Programms
VGNr.
4.5
Erstellung der
Unterlagen für
die Projektpräsentation
grammstruktur
VG- Mechanische FerNr. tigung des Sen2.3
am Roboter und
Verdrahtung mit
der Steuerung
Bild 7: Projektstrukturplan
VG- Software entwickeln,
Nr.
und erproben
3
textes
Vortest des
übersetzten
Programms
VG- Erprobung des
Nr. Programms mit
3.5
dem Sensor
3.3.4 Projektdurchführung
Nach Klärung des Pflichtenheftes
und der Aufstellung einer Projektplanung mußte als erstes das
Meßverfahren geklärt werden, mit
dem die Abstandsmessungen erfolgen sollten.
Die Entscheidung fiel auf optische
Verfahren, weil hier eine Vielzahl
fertig
käuflicher,
preiswerter
Sensortypen zur Verfügung steht.
In erster Linie wurden dabei
Infrarot-Reflexionslichtschranken
in Betracht gezogen. Die Reflexionseigenschaften verschiedener
Werkstoffe und Oberflächen für
infrarotes Licht sind zwar nicht
gleich, es war aber zu erwarten,
daß sich dies durch eine einfache
Kalibrierung ausgleichen läßt.
Außerdem wird eine InfrarotLichtstrecke relativ wenig durch
normales Umgebungslicht gestört.
Die Entscheidung fiel dann auf
einen kleinen integrierten InfrarotNäherungssensor vom Typ SY
113, in dessen Gehäuse sich eine
Leuchtdiode als Sender und ein
Fototransistor als Empfänger
Bild 8: Vorgangsliste
befinden.
Von diesen integrierten Bausteinen
ließen sich problemlos mehrere auf
kleinem Raum unterbringen.
An dieser Stelle war
eine Vorüberlegung
über das Meßkonzept erforderlich, da
hiervon die Anzahl
der
zu
beschaffenden
Sensoren
abhing.
Für die einfache
Aufgabe
der
Abstandsmes-sung
Bild 9: Balkenplan
wäre ein einzelner
Näherungs-sensor, der einen sich stetig ändernden Abstandsmeßwert liefert, ausreichend. Die
dritte Forderung des Pflichtenheftes sah jedoch vor, daß die Orientierung des TCP immer
senkrecht zur Oberfläche sein sollte. Bei der
Abstandsmessung muß daher die Neigung der
z
Freiformfläche
zur
z-Achse
des
WerkzeugKoordinatensystems bestimmt werden und daraus
abgeleitet muß die z-Achse stets senkrecht zur Fläche
orientiert werden. Die zusätzliche Meßaufgabe besteht
also darin, die Neigungswinkel x und y zwischen der
y
x- und y-Achse des Werkzeug-Koordinatensystems und
y
der Freiformfläche zu bestimmen (Bild 10). Diese
x
Neigungswinkel müssen im Soll-Zustand ungefähr Null
x
Grad betragen.
Um den Neigungswinkel zwischen zwei Geraden
Freiformfläche
(Tangente an die Freiformfläche - Koordinatenachse)
zu bestimmen, muß man von zwei Punkten einer
Parallelen
zur
Koordinatenachse
aus
eine Bild 10: Neigungswinkel des Koordinatensystems gegenüber der Freiformfläche
Abstandsmessung zur Tangente an die Freiformfläche
vornehmen (Bild 11). Sind die beiden Punkte nicht zu
E
weit voneinander entfernt und die Fläche nicht zu stark
P2 x
P1
gekrümmt, so kann man die Freiformfläche zwischen
x
A1
den beiden Meßpunkten durch eine Gerade ersetzen
A2
Frei
und der Winkel  ergibt sich dann zu:
form
fläc
he
 A2  A1 
  arctan 

 E 
Die minimale Anzahl von Sensoren für die Messung Bild 11: Winkelbestimmung zwischen
Koordinatenachse und
von zwei Winkeln beträgt drei, da man den Punkt A1
Freiformfläche
für beide Winkelmessungen gleich wählen kann.
Ordnet man die Sensoren symmetrisch auf einem Kreis an, so sollte eine Messung der Neigung
der xy-Ebene des Werkzeugkoordinatensystems gegenüber der Freiformfläche immer möglich
sein.
Nach Inbetriebnahme der Sensoren wurde über die Analogeingänge der Robotersteuerung die
Kennlinie der Sensoren aufgenommen. Wie zu erwarten zeigten diese das stark nichtlineare
Meßver-halten, daß sich im Diagramm in Bild 12 ablesen läßt. Als erstes kann man erkennen,
daß
sich
deutlich
unterscheidbare
Meßwertänderungen nur im
Bereich zwischen 12 mm und
30 mm ergeben. Um die dort
meßbaren Werte zur Berechnung der Entfernung auswerten zu können, müssen sie
jedoch linearisiert werden,
bzw.
die
nichtlineare
Kennlinie muß durch eine
bekannte rationale Funktion
approxi-miert werden. Dies
kann
man
durch
die
Newtonsche Interpolation der
Kennlinien-funktion
im
interessierenden
Bereich Bild 12: Sensormeßwerte und interpolierte Funktion
berechnen. Hier ergab sich folgende interpolierte Funktion:
W  0,158 (32,5  A)3  1789
wobei A der wahre Abstand in mm ist.
Die Anschmiegung dieses Polynoms dritter Ordnung
an die Kennlinie des Sensors paßt nur im Bereich
zwischen 15 mm und 25 mm, da hier die Abweichung
als Fehler in mm berechnet kleiner oder gleich 0,1 mm
beträgt. Der brauchbare Meßbereich beträgt demnach
10 mm, der Sollabstand für die Abstandsregelung
sollte in der Mitte des Meßbereichs bei 20 mm
Abstand von der Oberfläche liegen. Um noch
genügend Sicherheit für die Regelung zu haben, wurde
daher eine maximale Regelabweichung von +/- 3 mm
festgelegt. Durch diese Festlegungen war ein
vernünftiges Arbeiten einer Abstandskorrektur zu
erwarten.
Unter Einsatz der elektrischen und mechanischen
Bild 13: Sensorträger mit Roboterflansch
Fertigungsmöglichkeiten der Fachhochschule wurde
dann nach den von den Studierenden erstellten Fertigungsunterlagen der in Bild 13 dargestellte
Sensorträger mit den drei Sensoren gefertigt und anschließend mit dem Roboter zusammen in
Betrieb genommen.
Im Sensorträger sind die
Sensoren symmetrisch zum
Nullpunkt
des
WerkzeugKoordinatensystems, das im
Zentrum des Sensorträgers
angeordnet ist, um jeweils 120°
versetzt
angeordnet.
Der
entwickelte Algorithmus zur
Korrektur von Abstand und
Orientierung zur Freiformfläche
arbeitet so, daß jeweils ein
vorgegebenes Wegsegment in
Richtung der gewünschten
Bahn zurückgelegt wird, dann
mit Hilfe der drei Sensoren
Bild 14: Fahren über die Freiformfläche mit Sensorführung
deren
Abstand
zur
Freiformfläche gemessen und daraus ein Korrekturwert für Lage und Orientierung errechnet
wird. Dieser Wert wird dann beim Verfahren des nächsten Weginkrementes berücksichtigt. Bild
14 zeigt den Roboter mit dem am Roboterflansch angebrachten Sensorträger beim Fahren über
eine aus Zeichenkarton gebildete, beliebig geformte Freiformfläche. Für beim Laserschneiden
übliche Prozeßgeschwindigkeiten arbeitete der Korrekturalgorithmus ausreichend schnell um ein
Schneid-werkzeug in konstantem Abstand mit senkrechter Orientierung zur Freiformfläche zu
führen. Damit waren alle Forderungen des Pflichtenheftes erfüllt. Das Projekt konnte rechtzeitig
zu Semesterende von den Studierenden präsentiert werden.
Literaturhinweise:
[1] Dudziak, R.
Mechatronik-Ausbildung-eine Herausforderung hinsichtlich der Integration dreier Ingenieurwissenschaften.
In HNI-Verlagsschriftenreihe des Heinz Nixdorf Institutes, Paderborn, Bd. 38, 1998, S. 151
[2] Süß, G. M. ; Ehrl-Gruber, B.
Praxishandbuch Projektmanagement.
WEKA Verlag, Augsburg, 1995-1999
[3] Roddeck, W.
Einführung in die Mechatronik.
B. G. Teubner Verlag, Stuttgart, 1997
Autorenangaben:
Prof. Dr.-Ing. Werner Roddeck
Fachhochschule Bochum
Fachbereich Mechatronik und Maschinenbau
Postfach 44707
44707 Bochum
Tel.: 0234/3210400
Fax: 0234/3214275
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