Predigt zu Fronleichnam (14.06.2009) Lesejahr B Balthasar Schrott 1. Historischer Einstieg Was das heutige Fest, so ganz von außen betrachtet, am meisten von allen anderen Festen der Christenheit unterscheidet, ist die damit verbundene Prozession. Und so kann man ruhig einmal versuchen, von der Prozession her das Wesen dieses Festes zu betrachten. Die Fronleichnamsprozession ist im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts lokal entstanden. Anfang des 15. Jahrhunderts ist sie schon weit verbreitet. Sie ist entstanden aus der allgemeinen Sitte der Flurprozessionen. In diesen schreitet der Mensch alle irdischen Dimensionen seines Daseins heiligend ab und trägt das „Heilige“ – die Reliquien der Kirche bis eben zum „Allerheiligsten“ – in seine ganze Welt hinein. In dieser Prozession verschränkt der Mensch Räume und Vollzüge seines Daseins: die offene Weite wird zur Kirche, die Sonne zum Altarlicht, an den Weg- oder Straßenecken des Alltags stehen die Altäre und hier bewegt sich ein bunter Zug vor Gott stehender Menschen. So ist und wird die Prozession das Sichtbarwerden der Bewegung des Menschen durch die Räume seines Daseins auf sein Ziel hin und das Zeigen des Heiligen, das im letzten diese Bewegung trägt und sie auf ihr eigentliches Ziel hinführt: Gott – Weg und Ziel allen Lebens. 2. Fronleichnam – Eucharistie Von hier aus kommen wir zum Sinn des Fronleichnamsfestes, zum Sinn des Festes der Eucharistie schlechthin: Aus dem Markusevangelium haben wir gerade die eucharistischen Einsetzungsworte Jesu gehört. Jesus Christus hat uns also dieses Vermächtnis seines Lebens in diesen elementaren Zeichen von Brot und Wein geschenkt. Er ist uns vorausgegangen, nichts hat er ausgespart in seinem eigenen Leben, was uns Menschen begegnen kann an Gutem und an Schwierigem. Darum ist es auch gut, wenn wir in der Öffentlichkeit unseres Lebens sichtbar machen, hier ist einer, der dir wirklich in allem begegnen und helfen kann. Er ist nicht nur in der Stille unseres Herzens, er ist nicht nur da in der Intimität der Anbetung, sondern er ist auch wirklich da auf den Wegen und Straßen der Welt. Er ist da, wo Menschen sich abarbeiten. Er ist da, wo Menschen alles tun und sich einsetzen für das Wohl der anderen. Er ist da, wo Menschen leiden, er ist wirklich auf allen Straßen der Welt. Er geht mit in den Situationen und verschiedenen Aufgaben des menschlichen Lebens. Ob wir an Schulen vorbei gehen, an Krankenhäusern, an Altersheimen, an Wohnhäusern usw.: Überall ist das Leben der Menschen, und da ist er. Darum wollen wir nun nach der Eucharistiefeier ihn in diesem Sinne hinaustragen. Es ist uns dies alles gegeben zum Gedächtnis. Dieses Wort vom Gedächtnis dürfen wir nicht so auffassen, als ob es bloße Rückerinnerungen an eine ehemalige Geschichte ist, die aber längst vergangen ist, deren wir uns eben tröstlich erinnern. Sondern dieses Wort hat in der Bibel den Sinn, dass etwas, das ein für alle Mal geschehen ist, ganz lebendig wieder bei uns erscheint. Es kann nicht einfach wiederholt werden, aber die Kraft von dem einmaligen Geschehen kommt auch zu uns. Deswegen auch das Wort in jeder heiligen Messe: Tut dies zu meinem Gedächtnis. Das ist das Wunder der Eucharistie, dass wir genauso daran teilnehmen dürfen wie die Jünger im Abendmahlssaal. Es wird immer möglich sein, den Herrn wie das Brot aus vielen Körnern auszuteilen und das macht umso sinnfälliger, dass wir in einer Gemeinschaft des Glaubens verbunden sind. Es entsteht eine Gemeinsamkeit, die wir mit unserem Wort Solidarität andeuten können. Wir inszenieren sozusagen eine weltweite Solidarität, wenn wir heute hinausgehen und es auch stellvertretend für viele tun, die aus unterschiedlichen Gründen nicht dabei sein können oder wollen. Wir beten auch für sie und gehen für sie auf die Wege und Straßen unserer Lebenswelt. 3. Das Gastmahl aller Völker Ein deutscher Künstler hat ein Abendmahl gemalt, wo er geradezu visionär Menschen verschiedenster Herkunft und Hautfarbe um den Tisch sitzen lässt. Es ist sozusagen das Gastmahl aller Völker am Ende der Zeit: Das Mahl mit Brot und Wein, das Mahl mit dem Leib und Blut des Herrn und alle, die sich sonst zerfleischen, alle die sich sonst zerstören, sitzen einträchtig, friedfertig an einem Tisch. So wie eben ein gutes Mahl ein wunderbarer Ausdruck der Gemeinschaft sein kann. Wenn wir die Eucharistie als Zeichen für das Leben der Welt erkennen, möchten wir dahin kommen, dass wir wirklich mit allen Völkern, mit allen Rassen, mit den verschiedensten Menschen einträchtig zusammen sind. In dieser unserer Zeit wird das nur ein kleines Gleichnis, ein Abbild, ein Fragment bleiben. Aber wenn wir es schon einmal versuchen, ist es sehr viel mehr, als das, was sonst in unserem Leben ist. Wenn wir ein klein wenig diesen Traum jetzt schon wahr machen können, dann vollzieht sich das Geheimnis der Eucharistie auch heute in den Strukturen unserer Welt. In diesem Sinne ist es auch das Sakrament der Einheit und des Friedens und das Sakrament, das überall in der ganzen Welt an jedem Tag wieder neu wird. Es ist ein Zeichen, ein Sakrament, das tief in die Zeit hineinreicht, tief in die Geschichte hineingeht, buchstäblich alltäglich wird. Es ist ein Zeichen, das mit uns geht auch durch unser eigenes Lebensalter hindurch – von der frühen Kindheit an bis in die letzten Stunden, in denen diese Sakrament Wegzehrung wird. Darum, weil es gerade auch in unserer Geschichte, in unseren Alltag hineinreicht, machen wir sein Geheimnis durch unser Zeugnis, das wesentlich dazugehört, erkennbar in der Öffentlichkeit unseres Lebens. 3. Schluss So lasst uns also gehen, jetzt und immer wieder, alle Straßen dieses Lebens, die ebenen und die rauem, die seligen und die blutigen, der Herr ist dabei, das Ziel und die Kraft dieses Weges, und das heutige Fest ist eine Station dieses Weges. Amen