Körper und Sprache – einige Systematisierungsaspekte

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KörperSprache – einige Systematisierungsaspekte
(s-koerpersprache-systematik – Wolfgang Boettcher)
Sortierhilfen:
„Körpersprache“ als Ausschnitt Nonverbaler Kommunikation (= neben Raum-Verhalten); Stimmverhalten als Ausschnitt von Körpersprache
oder als eigener, dritter Bereich des Nonverbalen?
2-stufige Unterscheidung (verbal – nonverbal, nonverbal = vokal - nonvokal
Unterscheidung aus der Perspektive der Verbalität: verbal – paraverbal – extraverbal
Unterscheidung aus der Perspektive der Linguistik: linguistisch – paralinguistisch – extralinguistisch
Unterscheidung nach Kanälen: auditiv – visuell – taktil – olfaktorisch (= geruchlich) – gustatorisch (= geschmacklich) – thermisch
Komplexität mündlicher Kommunikation:
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Gesprächsbeteiligte produzieren einen hochkomplexen ganzheitlichen Informationsstrom aus körpersprachlichen und wortsprachlichen und
stimmsprachlichen Komponenten, dessen Komponenten einander vielfach ergänzen, verdeutlichen, kommentieren und den anderen
Bedeutungs-Angebote machen, die die anderen – mit den `Anbietern´ gemeinsam – im Verständigungsprozess weiterbearbeiten
„Im unmittelbaren kommunikativen Austausch mit anderen ist der Körper auf geradezu aufdringliche Weise präsent. Während die gesprochenen Wörter
eins nach dem andern produziert, aufgereiht, serialisiert und durch das Nadelöhr des Nacheinander gezwängt werden müssen, ist der Körper einfach da
und hat dazu noch die Möglichkeit, mit vielem zugleich an der Kommunikation teilzuhaben. Die mimischen Vorgänge und das Blickverhalten, die Gestik
und Pantomimik, die Haltung, Position und Orientierung des Körpers, sein Territorial- und Distanzverhalten – beinahe alle diese Komponenten können
gleichzeitig an einer Kommunikation beteiligt sein. Diese Simultankapazität des Körpers lässt ahnen, welch vielfältige Funktionen er im interaktiven
Austausch mit anderen übernehmen kann“ (Bergmann, J.: Editorial zu „Psychotherapie und Sozialwissenschaft 1/2002, 1)
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Im Verständigungsalltag haben wir selten Zweifel, wie andere zu verstehen sind, in der Analyse von Kommunikationsverläufen führt diese
Komplexität zu erheblichen methodischen Problemen und Unsicherheit hinsichtlich der Rolle der einzelnen Komponenten
Gibt es eine Hierarchie der Wichtigkeit von nonverbalen Signalen oder gar „Schlüsselreize“?
Widersprüchliche Botschaften (Kanaldiskrepanz, „nonverbal leakage“ [Ekman/Friesen 1969])
zur Beziehung zwischen Sprache und Körpersprache:
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gesellschaftliche Abwertung „un-gehobelter“ Körpersprache im „Prozess der Zivilisation“ (Norbert Elias) (vgl. die ruhige, begrenzte
„würdevolle“ Körpersprache von staatlichen/kirchlichen Würdenträgern, aber demgegenüber auch die spontane Begeisterung angesichts
gelegentlicher unbekümmert-„frischer“-„natürlicher“ Verhaltensweisen von hochrangigen Personen)
strategische Zubereitung der Körpersprache zum rhetorischen Werkzeug – Kult um Körpersprache als unverstellter Zugang zum Inneren von
Individuen
in der westlichen Kultur: Dominanz der Sprache über die Körpersprache in der Darstellungsfunktion; Körpersprache in der gesellschaftlichen
Wahrnehmung (und in der Körpersprachforschung) auf Ausdrucks- und Appellfunktionen reduziert
Ausdrucksfunktionen: Körpersprache zeigt meine (inneren) Zustände (z.B. Emotionen), meine Einstellung (z.B. zu den anderen
Kommunikationsbeteiligten = „Beziehungsaspekt“ Watzlawicks), meine `Persönlichkeit´)
Sind körpersprachliche Informationen nur Doublette zu sprachlichen (mit lediglich innerpsychischer Funktion bei der Sprachproduktion) oder
notwendiges Komplement zu sprachlichen Informationen? (Aber wäre nicht auch eine Doublette für die Verstehens-Sicherheit und –
Eindeutigkeit sehr hilfreich?)
Rolle körpersprachlicher Informationen in den einzelnen Stationen eines Gesprächsablaufs:
Vor-Bereitung der Kommunikationssituation (Distanz – Orientierung – Blickkontakt – Lächeln/... - ...)
Gesprächsorganisation
Hinweise zur Bearbeitung der produzierten (sprachlichen) Informationen: Fertigkeitsgrad – Gliederung – Relevanz – Bedrohlichkeit - ...
Zeichen-Status der Körpersprache:
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digital – analog („ikonische Gesten“)
diskret - kontinuierlich
Zeichen – Anzeichen
präverbale Zeichen – postverbale Zeichen
Bedeutungsbasis körpersprachlicher Signale?
bewusst – unbewusst
willentlich – unwillkürlich
unstrukturiert - `syntaktisch´ strukturiert
„Was gemeinhin „nonverbales Verhalten“ genannt wird oder gar „Körpersprache“, ist in Wirklichkeit ein Ensemble von Handlungsmodi, zwischen denen
erhebliche semiotische Unterschiede bestehen“ (Streeck/Streeck 2002, 64)
Körpersprache in der unterrichtlichen Kommunikation:
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Körpersprache als geeignetes Medium für abwertende Schüler-`Kommentare´ gegenüber Lehrpersonen: man kann (auf körpersprachliche
Botschaften angesprochen) bestreiten, dass man solche Botschaften gesendet hat, wie sie genau aussahen und was sie bedeuten sollten);
verbale Botschaften sind demgegenüber unerbittlich `öffentlich´ und nicht bestreitbar
Körpersprache eignet sich für die Nebenkommunikation von Schülern, die die (= verbale) Hauptkommunikation (die von der Lehrperson
dominiert wird) störungsarm überlagert (während – lautes - `Schwätzen´ konkurriert)
Lehrpersonen regulieren – von der Sitzordnung über ihr eigenes Verhalten bis zur nonverbalen Version von Hörrückmeldungen – viele
gesprächsorganisatorische wie auch beziehungsbezogene Funktionen non-verbal. Ein großer Teil der Sprechwechselregulierung läuft
nonverbal (sich melden – drangenommen werden)
Probleme der Analyse von Körpersprache:
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nicht primär auf die Körpersprachproduzierende Person schauen, sondern auf die gegenwärtige kommunikative Situation: die gegenwärtige
kommunikative Aufgabe, die Beteiligung der anderen bei der Bewältigung dieser Aufgabe, den Informations-Gesamtfluss:
„Wir sehen in der Interaktion nicht Prozesse der Kodierung und Dekodierung, sondern Bedeutungsvorschläge von seiten aller Beteiligten und eine
allmähliche Stabilisierung der Interpretation im weiteren Fortgang der Interaktion“ (Dausendschön-Gay/Krafft 2002, 32 f)
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