Karin Kleppin: Motivation im DaF-Unterricht in Japan. Lektorenfachseminar in Naruto 2005 Der folgende Teil wurde aktualisiert nach Kleppin, K. (2001): Motivation. Nur ein Mythos? Teil I. In: Deutsch als Fremdsprache 4, 219-225. Das sozial-psychologische/sozial-edukative Modell Hierbei handelt es sich um die Konzeption, die die Motivationsforschung im Bereich Fremdsprachenlernen nachhaltig bis in heutige Zeit beeinflusst hat. Sie war so dominant, dass andere Konzeptionen häufig gar nicht daraufhin überprüft wurden, inwieweit sie für das Fremdsprachenlernen von Nutzen sein konnten. Dörnyei (1994a: 275) vermutet, dies sei auf die Einfachheit und Einsichtigkeit des Modells, das im Folgenden kurz umrissen werden soll, zurückzuführen: Das Lernen einer Fremdsprache unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderem Lernen, da Sprache zu der Person als sozialem Wesen gehört und einen Teil seiner Identität ausmacht. Im sozial-edukativen Modell, das eine Weiterentwicklung des sozialpsychologischen Modells darstellt, wird Motivation als Kombination von motivationaler Intensität (Anstrengung) plus Wunsch, die entsprechende Sprache zu lernen plus Einstellungen zum Lernen dieser Sprache gesehen (Gardner/Tremblay 1994: 364). Diese drei Komponenten (Anstrengung als Verhaltenskomponente, Wunsch als kognitive Komponente, Einstellungen als affektive Komponente) werden durch den AMTBi (Gardner 1985: 177-84) gemessen. Dieses Untersuchungsinstrument bezieht sich dabei auf eine Batterie von Fragen an die entsprechenden Probanden. Motivationelle Intensität wird aus dem Zeitund Arbeitsaufwand bei den Hausaufgaben, den zukünftigen Absichten, die Sprache zu studieren oder zu gebrauchen, ihrer Verwendung außerhalb der Schule sowie dem Stellenwert, den sie für den Einzelnen einnimmt, abgeleitet. Außerdem wird der tatsächliche Wunsch des Lernenden, die andere Sprache zu erlernen, ermittelt, indem sein Interesse am Unterricht und seine Bereitwilligkeit und Aufmerksamkeit, die er den anfallenden Aufgaben widmet, erfragt wird. Wichtig sind zudem die Einstellungen zur Gruppe, die die Zielsprache als Muttersprache spricht. Besonders bekannt wurde die Unterscheidung zwischen integrativer und instrumenteller Orientierung der Motivation. Dabei wird in der Rezeption (vgl. u. a. Düwell 1998) häufig übersehen, dass es sich in dem überarbeiteten Modell (Gardner 1985) nicht mehr um integrative bzw. instrumentelle Motivation handelt, sondern um Orientierungen innerhalb der Motivation, also um Gründe, die dazu führen, dass man eine Sprache lernen möchte. Es handelt sich um eine integrative Orientierung, wenn der Lerner eine Sprache lernt, weil er sich mit der Kultur der Sprecher identifizieren möchte; eine instrumentelle Orientierung besteht hingegen dann, wenn eine Reihe von externen Faktoren auf die Motivation wirken wie etwa finanzielle Belohnungen oder auch Prüfungsdruck. Ursprünglich stellte sich in Untersuchungen heraus, dass eine integrative Orientierung in der Motivation zu einem besseren Lernerfolg führte. Gardner/Tremblay (1994a: 361) behaupten allerdings, dass nicht allein die instrumentelle Orientierung zu einem höheren Lernerfolg führt, sondern dass integrativ motivierte Lerner mehr Anstrengungen unternehmen und daher insgesamt motivierter seien. Andere Studien haben dies allerdings für andere Lernkontexte widerlegt (z.B. Lukmani 1972). Kritisiert wurde, dass man bei der Einordnung in instrumentell oder integrativ zum Teil durchaus unterschiedlich vorgehen kann. Lukmani (1972) ordnet z.B. den Grund, in das Zielland zu fahren, als instrumentell, Burstall u.a. (1974) als integrative Orientierung ein. Oxford/Shearin (1994: 12) legen dar, dass sich auch instrumentelle und integrative Orientierung in einer Person verbinden können und dass damit die Dichotomie hinfällig würde. Eine Auflösung der Dichotomie ergibt sich ebenfalls durch das Hinzufügen weiterer Orientierungen der Motivation, wie z.B. im Hinblick auf Freundschaften und Vertrauen, Karin Kleppin: Motivation im DaF-Unterricht in Japan. Lektorenfachseminar in Naruto 2005 Reisewünsche, Wunsch nach mehr Wissen (vgl. z.B. Clément/Kruidenier 1983; Ellis 1994), auf den Lernkontext und den Lehrer (vgl. z.B. Mihaljevic 1990). Darüber hinaus wurde auch der Kausalhypothese widersprochen, dass nämlich Motivation die verursachende Kraft des Lernerfolgs darstelle. Der Zusammenhang kann sich durchaus gegenläufig entwickeln; wie Clare Burstall u.a. (1974: 244) so plakativ schrieben: „Nothing succeds like success“. Einer der Hauptkritikpunkte an dem Modell liegt darin begründet, dass es in einem besonderen Zweitsprachenerwerbskontext (Französisch in Kanada) entwickelt wurde und für andere Kontexte, insbesondere aber für das Lernen in einem institutionellen Kontext nicht zu übertragen ist (s. die Kritik von Düwell 1979: 15-20; Schwerdtfeger 1981). Dies gibt im übrigen auch Gardner selbst (1985: 4) zu. Das sozial-psychologische/sozial-edukative Modell war trotz aller Kritik, die es immer wieder erfahren hat, wegweisend für die weitere Forschung zu Motivation. Dies resultiert möglicherweise daraus, dass es immer wieder empirisch überprüft und modifiziert wurde und von einem statischen Modell in ein eher dynamisches überführt wurde. Selbst bei einer kritischen Betrachtung muss dem Erkenntnisziel Rechnung getragen werden: Es geht darum, individuelle Differenzen beim Erlernen einer Zweitsprache herauszufinden und nicht Wege der Motivierung abzuleiten und aufzuzeigen. Kritisch merken Gardner/Tremblay (1994a: 365f; Gardner/Tremblay 1994b: 524) im Übrigen zu den fremdsprachenunterrichtsspezifischen Modellen an, in denen auch Unterrichtsempfehlungen ausgesprochen werden, dass hierzu keine empirischen Untersuchungen vorlägen. Diese könnten allerdings wohl kaum dem empirischen Selbstverständnis der Gruppe um Gardner genügen; denn kontrollierte Untersuchungen sind im Unterrichtskontext nicht im - von ihnen geforderten - Maße durchzuführen. i AMTB = Attitude Motivation Test Battery