Gottesdienst am 14.3.2010: Laetare, in Marquartstein, Erlöserkirche um 9.30 Uhr Lieder: 396, 1-4; 801/6; 97, 1-3+5; 262, 1-5 „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12, Vers 24) Predigt zu 2. Korinther 1, 3 – 10 (Luther – Übersetzung) 3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, 4 der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. 5 Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. 6 Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. 7 Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben. 8 Denn wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asien widerfahren ist, wo wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, so dass wir auch am Leben verzagten 9 und es bei uns selbst für beschlossen hielten, wir müssten sterben. Das geschah aber, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt, 10 der uns aus solcher Todesnot errettet hat und erretten wird. Auf ihn hoffen wir, er werde uns auch hinfort erretten. Liebe Gemeinde! Der amerikanische Büroangestellte und Nachtportier William Paul Young hat vor etwa drei Jahren ein Buch geschrieben mit dem Titel „Die Hütte“. Nur durch Mundpropaganda, Empfehlungen und Internetforen entwickelte sich dieses Buch zum meistverkauften Bestseller 2008. Den engagierten Christen trieb die Frage um: „Wie kann Gott unaussprechliches Leid zulassen?“ In diesem Buch wird erzählt, wie vor Jahren Mackenzies jüngste Tochter verschwunden ist. Ihre letzten Spuren hat man in einer Schutzhütte im Wald gefunden. Vier Jahre später, mitten in seiner tiefen Trauer, erhält Mack eine rätselhafte Einladung in diese Hütte. Ihr Absender ist Gott. Trotz seiner Zweifel lässt Mack sich auf diese Einladung ein. Eine Reise ins Ungewisse beginnt. Was er dort findet, wird Macks Welt und Leben für immer verändern. Ich zitiere aus diesem Buch: „Wieder hielt Mack inne und dachte nach. Es stimmte natürlich. Er brachte viel Zeit damit zu, sich Sorgen wegen der Zukunft zu machen. Seine diesbezüglichen Vorstellungen waren häufig ziemlich düster und deprimierend oder sogar schlichtweg fürchterlich. Und Jesus hatte auch damit recht, dass in Macks Vorstellungsbildern von der Zukunft Gott immer abwesend war. „Warum mache ich das so?“ fragte Mack. „Es ist ein verzweifelter Versuch, etwas zu kontrollieren, über das du keine Kontrolle hast. Es ist unmöglich für dich, Macht über die Zukunft zu erlangen... Du versuchst, Gott zu spielen, indem du dir vorstellst, das von dir befürchtete Böse könnte Realität werden, und dann Pläne schmiedest, um das, wovor du dich fürchtest, zu verhindern und gegen alle Eventualitäten abzusichern… „Warum bin ich dann so voller Furcht?“ „Weil du nicht glaubst. Du weißt nicht, dass wir dich lieben. Ein Mensch, der in Furcht lebt, findet keine Freiheit in meiner Liebe…“ Unser heutiger Predigttext, liebe Gemeinde, hilft uns, Freiheit zu finden in der Liebe Gottes, und das ganz konkret. Zehn mal tauchen in diesen paar Sätzen die Worte Trost und Trösten auf – mitten in der „Großen Traurigkeit“ der Menschen. Paulus wie Mack im Buch des Amerikaners, war zu dieser Zeit ein gehetzter, um sein Leben und um das Leben anderer zitternder Mensch, mit einer schweren Krankheit geschlagen. Aber der Apostel strahlt in unserem Abschnitt nicht Trauer oder Verzweiflung aus. Vielmehr erklingt hinter der gedrängten Sprache echter Trost an, Trost, der wie das Glockengeläute eines alten Domes dicke Mauern durchdringt und Herzen bewegt. Paulus verschweigt das Geheimnis dieses Trostes nicht: Er kann sogar selber trösten, weil er sich im Glauben selbst getröstet weißt. In diesem Trost akzeptiert er seine Leiden, seine Verfolgung und seine Krankheit. Er erfährt mitten in seiner Schwachheit Mut und Kraft, seine Arbeit fortzusetzen. Und damit kann er Trost spenden für die Korinther, die aufgehetzt sind, zerstritten und von Spaltung bedroht, wie wir so oft. Sie werden von Paulus ermächtigt, das in Christus begonnene Leben allen Anfechtungen zum Trotz fortzusetzen. So erkennt Paulus in seinem Leiden gleichsam eine produktive Kraft und bejaht in seinem Glauben und Leben diese ohne Wenn und Aber. Leiden und Trost gehören für ihn zum Leben in Christus, so wie Lunge und Luft, die beide zusammen erst Atmen und Leben bewirken. Der krasse Gegensatz zu unserem gewohnten Verständnis von Leiden wird unüberhörbar. Leiden erscheint in unserer Welt als eine Art Betriebsunfall, den es zu vermeiden oder schleunigst zu reparieren gilt. Wer wagt denn, zu seinen Leiden oder zu den Leiden seiner Mitmenschen zu stehen? Eher versuchen wir das Leiden, das uns auferlegt ist, schnellstens zu beseitigen. Eine ganze Industrie steht zur Verfügung, Leiden durch Berieselung, Aufputschung, Betäubung zu verdrängen. Alkohol und Drogenkonsum, Fluchtverhalten aller Art sprechen eine deutliche Sprache: wir übersehen, vermeiden, verschweigen einen gewichtigen Teil unseres Lebens. So werden wir oft unempfindlich gegen uns selbst, aber auch unsensibel für andere. Teilnahmslosigkeit und Verdrängung wird zu einem Teil unseres Lebens: Sich nicht mehr begeistern können für ein Anliegen, allzu intensiven Kontakt vermeiden, Leiden aus dem Weg gehen. Es ist kalt in unserem Land – nicht nur äußerlich im scheidenden Winter – sondern vielmehr im Inneren, in den Beziehungen zwischen den Menschen. Sie haben keine Zeit füreinander. Erschrocken bin ich, wie uns das unsere afrikanischen Partner aus Tansania einmal mitgeteilt haben, als sie von einer Begegnung in unseren Gemeinden heimgekehrt sind und gefragt wurden: „Wie war es in Deutschland?“ Und sie geantwortet haben: „Die haben ganz viel, viel mehr, aber die haben auch eine Krankheit, die wir nicht kennen: Sie nennen es Depression.“ Und ein Student aus meiner früheren Studentengemeinde schrieb in einem Gedicht: „Es ist kalt in Deutschland…Sie leben ohne Augen und Ohren füreinander. Ohne Zeit, immer in Hektik, ständig bei der Verfolgung eigener Interessen…“ Auf diesem Hintergrund erstaunt es noch einmal mehr, wie Paulus seine Leiden, aber auch seine Kämpfe mit den Korinthern, menschlich warmherzig zur Sprache bringt. Das Thema ist nicht beherrscht von Leid, sondern von Trost, der unseren heutigen Predigttext durchdringt. Auch wir Hörer einer viel späteren Zeit werden noch bewegt von dem Danklied, das Paulus hier anstimmt. Wir mögen fragen: Worin liegt sein Geheimnis, dem Leiden diese Kraft und diese Bedeutung abzugewinnen? Antwort: In seinem tiefen Glauben. Paulus hat den von ihm verfolgten Christus als den Lebendigen erfahren. Blitzartig durchfuhr ihn die Erkenntnis: Gott beginnt in diesem Menschen Jesus seine Verheißung wahr zu machen, dass er das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen werde. Von da an sah Paulus sein ganzes Leben ganz neu: Seine Krankheit, seine Verfolgungen, seine Ängste, die er immer wieder erlitt, waren ihm Zeichen, dass er zur Teilnahme an den Leiden Christi gewürdigt war. Und indem er die Leiden trägt, die ihn mit dem Mensch gewordenen und gekreuzigten Christus verbinden, darf er auch hoffen, mit Christus in dessen neuen Leben ganz tief verbunden zu sein. Der Trost, von dem Paulus so wunderbar schreibt, liegt in Christus: Er spricht Mut zu in der Einsamkeit, er schenkt Kraft in der Schwachheit, er leidet mit, wenn ich leide. Er ist das Leben mitten in meiner großen Traurigkeit. Die erfahrene Leidensgemeinschaft mit Jesus Christus setzt sich fort in einer Trostgemeinschaft, die mich verändert. Wie das geschieht, darüber gibt das Wort „trösten“ Auskunft. Im Griechischen steht hier „parakalein“. Das heißt wörtlich: „herbeirufen, einladen, freundlich zu einem sprechen. Das eben tut Gott durch Jesus Christus. Er gibt uns Zuspruch, der sympathische Gott, der mich in meinen Traurigkeiten nicht allein lässt. Im Gottesdienst, im Lesen der Bibel werden wir freundlich angesprochen und getröstet. Ich werde offen für den Trost und sehe Möglichkeiten, mit Blick auf Christus und sein Kreuz geduldig umzugehen, ich, der ich oft so ungeduldig bin. Und das macht auch wach für das Leiden anderer Menschen. Das meint Paulus, wenn er schreibt, „dass wir auch selber trösten können“. Dieses Geschehen braucht einen Ort, an dem es stattfinden kann: Die Gemeinde Jesu Christi, die Kirche. Da ist das Getröstet werden und andere trösten urwichtig für uns, die wir immer wieder nicht so recht bei Trost sind. Wer zur Gemeinde Jesu gehört, sollte auch dazu beitragen: Dass der Trost Gottes in unserem Leben zur Sprache kommt. Niemand muss sein Leid verstecken oder verdrängen oder sich abwenden vom Leidenden. In der Gemeinde Jesu Christi lernen wir, Leid anzunehmen und Leid auch zu bearbeiten. Und so dürfen sie gerade bei uns auftauchen, in unseren Gedanken und Gesprächen und Gebeten: Die Einsamen, die oft tagelang keinen Gesprächspartner haben, die Verzweifelten, die im Leben zu kurz Gekommenen, die Traurigen und die Trauernden. Hier darf ich als Pfarrer einmal aus dem Nähkästchen unserer Beerdigungspraxis reden: Der Beginn der Aussegnung an der Friedhofskapelle erfolgt oft genau mit diesem Wort des Apostels Paulus: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und der Gott allen Trostes, der uns tröstet in all unserer Trübsal.“ Es ist zutiefst christlich, liebe Gemeinde, Menschen in ihrem Trauerprozess zu begleiten. Ja selbst unsere Konfirmanden tragen dabei das Kreuz als besonderes Hoffnungszeichen. Wie der Gott allen Trostes uns in Jesus und in seinem Leiden, in seiner Passion tröstet, so sollen auch wir mit unserer Nähe und Solidarität die vom Tod eines geliebten Menschen weitertrösten. Und dies kann durch einfühlsame Worte und Zeichen geschehen. Ja, Paulus macht noch auf einen größeren Zusammenhang aufmerksam: Dass unser ganzes Trösten und Zuversicht - Geben in das weitergehende Gotteslob eingebettet ist. Deswegen schlagen wir in unserer Kirche auch immer wieder Lieder zum Klagen und zum Loben und zum Mitsingen vor, damit unser Trösten nicht sang- und klanglos geschehe. Wie gut kann doch das Lied „Jesu, meine Freude tun und das „ach wie lang, ach lange, ist dem Herzen bange. Trübsal und Leiden gehören zu den Wachstumsfaktoren des Lebens, die verändern und neu zum Glauben finden lassen: Wir alle sind viel geliebter, als wir normal denken. Wir müssen nicht, ja wir können gar nicht Gott spielen, wenn wir Pläne für die Zukunft schmieden. Er kommt uns entgegen, immer wieder, so wie das im Buch von William Paul Young wunderschön erzählt wird, z.B. so: „Mack schaute Jesus fragend an. „Ist dir schon aufgefallen, dass ihr mich zwar Herr oder König nennt, dass ich euch gegenüber aber nie als ein solcher aufgetreten bin? Ich zwinge euch niemals meinen Willen auf und lasse euch völlige Entscheidungsfreiheit, selbst wenn eure Handlungen zerstörerisch und leidvoll für such selbst oder andere sind. Würde ich euch meinen Willen aufzwingen, wäre dies genau das Gegenteil von Liebe. Aufrichtige Beziehungen sind durch Hingabe gekennzeichnet…“ Amen. Fürbittengebet am Sonntag Laetare Wir danken Dir, barmherziger Gott, dass Du in Jesus Christus auch an unserem unaussprechlichen teilnimmst, ja es sogar teilst und uns dadurch Hoffnung und Zuversicht gibst und wir glauben dürfen: Nie bin ich allein. Wir bitten Dich: 1. Erbarme dich aller, die ganz unten sind, ganz niedergeschlagen und sich mit Selbstmordabsichten herumplagen. Alle: Wir bitten Dich, Herr, erhöre uns! 2. Öffne uns die Augen, für die kleine Not unseres Allernächsten, meiner Eltern, meiner Kinder, meiner Geschwister, meiner Großeltern und Enkel. Gib uns besonders Geduld für die Kranken um uns herum! Erbarme dich besonders alles missbrauchten Kinder und Jugendlichen! Alle: Wir bitten Dich, Herr, erhöre uns! 3. Erbarme dich aller, die dich nicht kennen oder dich vergessen haben. Erbarme dich aller, die ihre Zukunftspläne ohne dich schmieden. Alle: Wir bitten Dich, Herr, erhöre uns! 4. Erbarme dich besonders der Länder, die jetzt immer wieder vom tödlichen Terror heimgesucht werden. Erbarme dich der Menschen im Irak und in Afghanistan und in Israel! Und hilf den Terror überwinden! Alle: Wir bitten Dich, Herr, erhöre uns! 5. Öffne uns die Augen, Herr, für die Not der Menschen in Chile und in Haiti, die vom Erdbeben so schwer betroffen sind und lass die Welt ihnen in geeigneten Schritten Hilfe geben! Alle: Wir bitten Dich, Herr, erhöre uns! 6. Erhalte uns in allen Prüfungen den Glauben: Ja, wir sind geliebter als wir denken: Ja, wir können nicht tiefer fallen als in deine Hand! Alle: Wir bitten Dich, Herr, erhöre uns! 7. Öffne uns allen die Augen für unsere Kirche, dass Getröstet Werden und Trösten zu unseren besonderen Gaben und Aufgaben gehört: Ja, hilf uns, dass wir die Einsamen, die Trauernden, die Ratlosen, die Gemobbten und Schwierigen wirklich trösten lernen! Alle: Wir bitten Dich, Herr, erhöre uns! 8. Wir beten für unsere Verstorbenen, nimm sie gnädig in Deine Hand und tröste die Angehörigen. Amen.