Merkel lässt Weber fallen

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Handelsblatt
11.02.2011 , aktualisiert 11.02.2011 20:49 Uhr
Bundesbankpräsident:
Merkel lässt Weber fallen
Paukenschlag in Berlin: Nach einem kurzen, aber heftigen Hin und Her ist nun
endgültig über die Zukunft von Axel Weber als Bundesbankpräsident
entschieden worden. Nach einem Gespräch des Chef-Notenbankers mit
Kanzlerin Angela Merkel, verkündete ihr Sprecher kurz und knapp: Weber
geht - und zwar schon im April. Der Geschasste schwieg - und streifte wortlos
aus dem Kanzleramt.
HB BERLIN. Bundesbank-Präsident Axel Weber tritt Ende April und damit ein
Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit zurück. Dies habe Weber in einem Gespräch
mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in Berlin mitgeteilt,
erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sein Nachfolger solle nächste
Woche bekanntgegeben werden. Der 53-jährige Weber ist seit 2004 Chef der
Bundesbank.
Weber habe erklärt, er wolle mit Ende seines siebten Amtsjahres zum 30.
April 2011 aus dem Amt scheiden, hieß es weiter. Die Kanzlerin und
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hätten diese Entscheidung „mit
Respekt für Professor Webers persönliche Gründe zur Kenntnis genommen“.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle bedauerte das Ausscheiden
Webers und hob dessen Eintreten für eine stabilitätsgerechte Geldpolitik
hervor. „Die Entscheidung von Bundesbankpräsident Professor Weber
bedauere ich sehr, respektiere aber seine Entscheidung“, sagte der FDPPolitiker. Weber habe für eine der Grundfesten der Marktwirtschaft
gestanden: die Unabhängigkeit der Bundesbank. Weber sei für eine auf
Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik eingetreten und habe damit das
Vertrauen der Wirtschaft wie der Bürger in ein inflationsfreies Wachstum
stabilisiert. Der Minister würdigte, dass Weber „in nicht immer einfachen
Situationen“ den Kurs der Europäischen Zentralbank mitgestaltet habe. „Dafür
gebührt ihm Respekt und Dank“, sagte Brüderle.
Die Opposition sieht im Abgang Webers eine Blamage für die schwarz-gelbe
Bundesregierung und greift die Kanzlerin frontal an. SPD-Fraktionschef FrankWalter Steinmeier sagte „Spiegel online“, Merkel habe Weber zum Verzicht
auf eine EZB-Kandidatur gedrängt. „Merkel hat ihren Kandidaten
hängenlassen, jetzt zieht er die Konsequenzen.“ Der Rückzug Webers lege
das „personalpolitische Desaster dieser Regierung in Europa offen“.
In Regierungskreisen hatte es zuvor geheißen, Merkel hätte Weber im Falle
einer Kandidatur unterstützt. Dies sei ihm auch bekannt gewesen. SPD-Chef
Sigmar Gabriel sagte unterdessen der „Stuttgarter Zeitung“, Merkel habe
Weber „ganz offensichtlich aus dem Amt gejagt“.
Weber ist einer der mächtigsten Falken in der Welt der Notenbanken. Für
diese Vertreter einer stabilitätsorientierten Geldpolitik hat der Kampf gegen
die Inflationsgefahren stets Vorrang vor anderen Zielen. Der Abgang des
Bundesbank-Präsidenten hat deshalb durchaus das Potenzial, die
Finanzmärkte zu verunsichern - sie fürchten nichts mehr als Schreckgespenst
Inflation.
Von Panik ist dennoch nichts zu spüren: Unter den Experten setzte sich in den
vergangen Tagen die Auffassung durch, dass sich an der Geldpolitik im
Frankfurter Eurotower auch ohne den Boss der benachbarten Bundesbank
nichts ändern wird. „Wir werden auch in Zukunft eine stabilitätsorientierte
Zentralbankpolitik haben“, prognostiziert UniCredit-Analyst Kornelius Purps.
Am Freitagnachmittag regierte der Euro kaum auf die Nachricht, dass Weber
sein Amt zum 30. April aufgeben wird. Die Gemeinschaftswährung kostete um
die 1,3550 Dollar.
Am Mittwoch war der Euro kurzzeitig auf Talfahrt gegangen, nachdem
Reuters aus Kreisen über den bevorstehenden Rückzug Webers und damit
den Verzicht auf eine Kandidatur als EZB-Präsident berichtet hatte. Es kamen
Befürchtungen auf, ohne die Stimme Webers könne es zu einer laxeren
Geldpolitik in der Euro-Zone kommen. Weber hat seine Kompromisslosigkeit
im Kampf gegen die Inflation 2010 mit öffentlicher Kritik am EZB-Kauf von
Staatsanleihen mehrfach unterstrichen. Diese „unorthodoxe geldpolitische
Maßnahme“ gilt Vertretern der reinen Lehre als Sündenfall. Sie sehen darin
den ersten Schritt zur Finanzierung von Staatsschulden in der Euro-Zone
durch die Notenpresse.
Doch die erste Unruhe legte sich schnell. Die meisten Experten gehen davon
aus, das die EZB auch ohne Weber an ihrem Kurs festhalten wird. „Weber war
nicht der einzige Falke unter den Kandidaten für den EZB-Chefposten“,
erklärten etwa die Devisenanalysten der Commerzbank. „Sein meistgenannter
Konkurrent Mario Draghi vertritt beispielsweise genau die gleiche
geldpolitische Schule.“ Draghi ist Notenbank-Chef im hochverschuldeten
Italien, weshalb seine Kandidatur zumindest in der deutschen Öffentlichkeit
auf Skepsis stößt.
Die Aufgabe, für Preisstabilität zu sorgen, ist allerdings im Mandat der EZB
festgeschrieben. Ihre Erfüllung sei nicht von der Person abhängig, welche die
Geldpolitik an der Spitze durchsetzt und mit den Märkten kommuniziert,
erklärten Analysten. Zudem ist es für Marktteilnehmer eine ausgemachte
Sache, dass im stabilitätsorientierten Deutschland wieder ein Falke an die
Bundesbank-Spitze berufen wird. Dessen Wort wird allein schon aufgrund der
wirtschaftlichen Stärke Deutschlands im EZB-Rat Gewicht haben.
Dass Webers Rückzug den Euro recht kalt ließ, dürfte allerdings auch daran
liegen, dass es derzeit wichtigere Themen am Devisenmarkt gibt: Investoren
schauen vor allem auf die anhaltenden Unruhen in Ägypten. Zudem fürchten
sie, dass die europäische Staatsschuldenkrise in Portugal wieder hochkocht.
Während der Euro durch den Abgang Webers also wohl keinen Schaden
nimmt, erhält das Ansehen der Bundesbank nach dem Streit um Ex-Vorstand
Thilo Sarrazin eine weitere Schramme. „Die Bundesbank steht mal wieder im
schiefen Licht, nachdem sie ja in den vergangenen Monaten schon einigen
Grund zu Diskussionen geliefert hatte“, sagte Purps. „Es wäre für alle
Beteiligten von Vorteil, wenn schnell eine Lösung für die Bundesbank
gefunden wird und Weber von seinen EZB-Aufgaben entlastet wird.
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