Vortrag im Rahmen der 200-Jahrfeier der Gesellschaft für Natur-und Heilkunde 18. März 2010 im Kaiserin Friedrich-Haus Christoph Wilhelm Hufeland Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern Prävention zu Zeiten Hufelands und aus heutiger Sicht von Dr. Klaus-Michael Koeppen ( Mitglied Nr. 572 der Gesellschaft für Natur und Heilkunde ) Vorbemerkungen: Hufeland war 1810, dem Gründungsjahr unserer Gesellschaft, Ärztlicher Leiter der Charite´, der erste Dekan der medizinischen Fakultät der neugegründeten Berliner Friedrich-WilhelmUniversität und gleichzeitig als Verwaltungsbeamter der erste Arzt im preußischen Staat. Christoph Wilhelm Hufeland wurde noch im Jahre 1810 Mitglied der Gesellschaft für Naturund Heilkunde, Mitglied Nr. 18. Hufeland war schon damals berühmt durch sein in viele Sprachen übersetztes Buch „Makrobiotik oder die Kunst, das Leben zu verlängern“, ein damaliger Bestseller. Dieses Buch soll im Mittelpunkt des Artikels stehen. In seinen Gedanken, Worten und Schriften gehört Hufeland zu den großen Humanisten und deswegen muss man ihn der Deutschen Klassik zurechnen. Hufeland war trotz seiner vielen Aufgaben immer ein sehr engagierter Arzt, der sich vor allem um das Wohl seiner Patienten kümmerte und immer wieder die Wichtigkeit eines gesunden Lebens pries. Als Arzt und Humanist war er ein würdiger Nachfolger des Urvaters aller Ärzte, des Asklepios. Mythologische Vorbemerkungen: In der griechischen Mythologie ist Asklepios der Urvater aller Ärzte. Er stammt von dem goldgelockten Sonnengott Apollon ab. Apollon verliebte sich in die wunderschöne Koronis, eine Sterbliche. Sie empfing von ihm einen Sohn, verliebte sich aber während der Schwangerschaft in einen Sterblichen, mit dem sie Apollon betrog. Apollon war tief verletzt und ließ Koronis durch seine Schwester Artemis töten. Im letzten Augenblick – schon lag Koronis auf dem Scheiterhaufen – zeigte der Gott Erbarmen mit seinem Kind und holte es aus dem Leib der Mutter und nannte es Asklepios. Apollon gab seinem Sohn Asklepios als Lehrer den klugen Kentaur Chiron zur Seite. Asklepios wuchs unter diesem klugen Ratgeber zu einem großen Arzt heran und benutzte sein Wissen zur Diagnostik und Behandlung von Krankheiten. Aber als Asklepios den toten Sohn des Königs von Minos und auch den toten Hippolytos, den die Pferde in Stücke gerissen hatten, wieder zum Leben erweckte, beschwerte sich Hades, der Gott der Unterwelt und der Toten bei dem Göttervater Zeus über Asklepios. Das Erwecken von Toten zum Leben ging auch für Zeus zu weit. Tote zu erwecken, war ausschließlich Recht der Götter! Mit einem seiner Blitze tötete der Göttervater Zeus seinen Seite 1 Enkel Asklepios. Im Augenblick seines Todes hielt Asklepios ein beschriebenes Blatt in der Hand, auf der eine heilende Wunderformel vermerkt war. Das Blatt fiel zu Boden und vermischte sich mit der regennassen Erde, aus der eine Pflanze empor wuchs. Der Mythologie nach „die Knoblauch-Pflanze“. In dieser alten mythologischen Geschichte über die Aufgaben der Ärzte wird uns Ärzten bewusst gemacht, wo die Grenzen der Machbarkeit liegen. Dagegen ist nach dieser mythologischen Geschichte die Belehrung über „gesundes Leben“ und damit von „Makrobiotik“ uralte ärztliche Tradition. Leben und Wirken Hufelands in seinem gesellschaftlichen und politischen Umfeld: Hufeland wurde am 12. August 1762 in Langensalza in Thüringen geboren. Im Frühjahr 1763 war das Ende des Siebenjährigen Krieges. Hufelands Vater war ein angesehener Arzt in Langensalza und wurde kurze Zeit später Leibarzt in Weimar beim Großherzog, wie schon der Großvater es auch gewesen war. Er verlebte eine glückliche Kindheit in Langensalza und in Weimar, wohin der Vater 1765 versetzt wurde. Mit 5 Jahren kam er in eine strenge Erziehung durch einen Hauslehrer. Aber schon als Jugendlicher begleitete er seinen Vater auf Hausbesuchen. Während Hufelands Jugendzeit bewegten die Ideen der Aufklärung die Menschen. Die großen Werke des Königsberger Philosophen Kant erschienen und wurden heftig diskutiert. Durch Jean Jaques Rousseau wurden neue pädagogische Prinzipien eingeführt und Johann Bernhard Basedow versuchte diese neuen Ideen in seinem Philantropium umzusetzen. – In Weimar dominierte in dieser Zeit Anna Amalia mit ihrem Musenhof, Wieland kam als Erzieher des jungen Herzog nach Weimar und 1776 siedelte Goethe nach Weimar um. Hufeland hatte als Jugendlicher ( 13 Jahre ) enge freundschaftliche Beziehungen zu den Kindern der Frau von Stein und hatte dadurch schon in diesen jungen Jahren Kontakt zu Goethe, dem damaligen Jugendidol. Goethe wurde der feurige Herr Doktor genannt. Hufeland begann im Jahre 1780 das Medizinstudium in Jena. Dies war eine fröhliche ausgelassene Studentenzeit nach der strengen Ordnung durch den Hauslehrer. Deswegen musste Hufeland auf Anordnung seines Vaters nach Göttingen wechseln, wo er im Jahre 1783 mit der Dissertation „Vom Gebrauch der elektrischen Kraft beim Scheintod“ das Studium abschloss. Schon am Tag nach der Promotion verließ Hufeland Göttingen, um in Weimar die Praxis des schwer erkrankten Vaters zu übernehmen. 10 Jahre führte er die Praxis von 1783 -1793. Er übernahm eine große Stadt-und Landpraxis, neben der ärztlichen Tätigkeit musste er nachmittags die Arzneien selbst herstellen, was Hufeland sehr gut gefiel, weil er dadurch dem Patienten angepasste Medikamente selbst erstellen konnte. 1786 wurde er zum Hofmedicus ernannt mit einem Gehalt von 100 Talern pro Jahr. Er arbeitete von morgens 9.00 Uhr bis abends 8.00 Uhr und nannte dies „praktische Tätigkeit“, in den Morgenstunden beschäftigte er sich mit seinen Publikationen. Die Stunden von 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr waren dem Geist geweiht, dem stillen Nachdenken, dem eigenen produktiven Arbeiten ( denn früh ist der Geist am reinsten und produktivsten, am meisten sich selbst gleich am wenigsten gestört durch das Irdische und dadurch reinerer und höherer Eingebung fähig) Seite 2 Er veröffentlichte über die Pocken, über den Scheintod und viele andere Themen und beschäftigte sich schon in dieser Zeit intensiv mit der Makrobiotik. Während dieser Jahre in Weimar als praktischer Arzt wurde seine Persönlichkeit durch die vielen wichtigen Persönlichkeiten wie Herder, Wieland, Schiller und Musäus, aber vor allem durch Goethe geprägt, der das gesamte geistige, künstlerische und wissenschaftliche Leben von Weimar beeinflusste. Die Diskussionen der damaligen Zeit waren beherrscht von den Ereignissen der französischen Revolution, die 1789 mit dem Sturm auf die Bastille begann. Die geistige Elite diskutierte intensiv die Ideale der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. In der Freitagsgesellschaft Goethes trug Hufeland aus einem Kapitel der „Makrobiotik“ vor. Der Herzog war gegenwärtig. „trug ich ein Fragment aus meiner Arbeit über Makrobiotik vor, der Herzog war gegenwärtig..“ Der Herzog sagte nach der Vorlesung sofort: „der Hufeland paßt zu einem Professor, ich will ihn nach Jena versetzten“. 1790 ging Hufeland als Hochschullehrer nach Jena und sofort stürzte er sich in seine neue Tätigkeit. Er wollte seine Studenten zu „aufrichtigen, tatkräftigen Humanisten“ ausbilden. Dafür gab er auch eine kleine Schrift heraus mit dem Titel: „Ein Wort an meine künftigen Herren Zuhörer als Ankündigung meiner Vorlesung“. Gleichzeitig bot er auch seine Makrobiotik als Vorlesung für ein breites Publikum ( bis zu 600 Zuhörer ) an; zum 1. Mal hielt ein Professor eine populärwissenschaftliche Vorlesung, Beginn der Volkshochschule. Auch in Jena kam er mit bedeutenden Persönlichkeiten in engen Kontakt: Fichte, Schelling und den Brüdern Schlegel, die den frühromantischen Kreis bildeten. Und er veröffentlichte 1796 sein Hauptwerk: „Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“. Dieses Werk wurde ein Bestseller, es wurde in alle europäischen Sprachen übersetzt und Hufeland wurde dadurch weltbekannt. Aber er hatte immer mehr Ärger mit der Universität in Jena und dem Hof in Weimar, zusätzlich traf ihn ein Schicksalsschlag: er erblindete auf dem rechten Auge.1800 kam das Angebot aus Berlin. 1801 zog Hufeland mit seiner Familie nach Berlin. Er übernahm viele Aufgaben und Funktionen:“Ich betrat einen für mich ganz neuen Schauplatz, eine große Welt, in der ich wirken sollte, einen Königlichen Hof, dem ich als Leibarzt dienen sollte, eine medizinische Fakultät ( das Collegium medico-chirurgicum), dem ich als Direktor vorstehen sollte, ein großes Krankenhaus, in welchem ich der erste Arzt sein sollte, überdies noch die Akademie der Wissenschaften, die meine Tätigkeit in Anspruch nahm. Es waren viele und wichtige Geschäfte, die meine ganze Kraft erforderten, ja überstiegen.“ Die Charité war in schlechtem Zustand, Berlin befand sich in einem Entwicklungsprozess zur Großstadt, die Hygiene war katastrophal. Durch ein Geschenk des Königs und durch den Beginn der engen Freundschaft mit dem Berliner Volksarzt Ernst Ludwig Heim – „Vater Heim“ – wie ihn die Berliner nannten, blieb er in Berlin. Ernst Ludwig Heim ist Mitglied Nr. 3 der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Politisch war es eine hochbrisante Zeit, die auch großen Einfluss auf das persönliche Leben Seite 3 von Hufeland hatte. 1804 krönte sich Napoleon zum Kaiser. 1806 preußische Niederlage bei der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt. Flucht des preußischen Königspaares nach Memel in Begleitung von Hufeland, 1806 Einzug Napoleons in Berlin, 1807 der Friede von Tilsit mit der eklatanten Niederlage von Preußen, Teilung und hohe Reparationskosten. Innenpolitisch kam es nach der Niederlage Preußens zu erheblichen Reformen. Die Bildungsund Erziehungsreform von W. von Humboldt, die Stein´schen Reformen, Schleiermachers Aufruf zum Widerstand gegen die „Mächte der Finsternis“, Fichtes „Reden an die deutsche Nation“, 1809 kehrte die königliche Familie und Hufeland nach Berlin zurück, 1810 Gründung der Berliner Universität. Hufeland wurde im gleichen Jahr der 1. Dekan der medizinischen Fakultät, er war verantwortlich für die Neuorganisation der gesamten staatlichen Medizinalverwaltung und gründete die 1. Poliklinik für arme Menschen. Politisch veränderte sich auch alles. 1812 versuchte Napoleon Russland zu erobern, es kam zur Konvention von Tauroggen, 1813 preußisch-russisches Bündnis und 1813 Völkerschlacht bei Leipzig mit der vernichtenden Niederlage von Napoleon. 1815 Wiener Kongress mit der Neuordnung Europas. Ab 1820 zog sich Hufeland, auch bedingt durch eine zunehmende Erblindung ins Privatleben zurück und gab als letzte Schrift und Vermächtnis das Enchiridium medicum heraus: „Der Arzt muß in der Ausübung seiner Kunst bloß den Menschen und keinen Unterschied unter den Armen und Reichen, Großen und Niedrigen machen, denn: das Leben der Menschen zu erhalten und wo möglich zu verlängern, ist das höchste Ziel der Heilkunst..“ Hufeland verstirbt am 25. August 1836 im Alter von 73 Jahren und wird auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin begraben. Das Buch „Makrobiotik“: Die Erstveröffentlichung von Hufelands Hauptwerk „Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“ erschien 1796 in Jena. Das Buch wurde ein Bestseller und in alle europäische Sprachen übersetzt, später auch auf Japanisch. Zahlreiche Nachdrucke und Auflagen sind erschienen und 2010 wird das Buch im Reichl-Verlag neu aufgelegt. Das Werk ist aufgeteilt in einen theoretischen Teil mit 9 Vorlesungen und einen praktischen Teil mit 2 Abschnitten: 1. Abschnitt: Verkürzungsmittel des Lebens, 2. Abschnitt: Verlängerungsmittel des Lebens. Das Buch ist über 220 Jahre als, von einem Autor geschrieben, von einem noch jungen Arzt, der seine Ideen und seine ganz persönlichen Ansichten und Überzeugungen über gesundes Leben – Prävention mit den naturwissenschaftliche Erkenntnissen am Ende des 18. Jahrhunderts - schildert. Das Buch hat einen sehr poetischen Stil. Hufeland beginnt mit einer Vorrede: Das menschliche Leben ist, physisch betrachtet, eine eigenthümliche animalisch=chemische Operation, eine Erscheinung, durch die Konkurrenz vereinigter Naturkräfte und immer wechselnder Materien bewirkt.- Diese Operation muß, so wie jede andere physische, ihre bestimmten Gesetze, Grenzen und Seite 4 Dauer haben, inso fern sie von dem Maas der verliehenen Kräfte und Materie, ihrer Verwendung, und manchen andern äussern und innern Umständen abhängt;- aber sie kann, so wie jede physische Operation, befördert oder gehindert, beschleunigt oder retardiert werde.- Durch Festsetzung richtiger Grundsätze über ihr Wesen und Bedürfnisse, und durch die Erfahrung lassen sich die Bedingungen bestimmen, unter welchen dieser Prozeß beschleunigt und verkürzt, oder retardirt und also verlängert werden kann. und später in der Vorrede: Langes Leben war von jeher ein Hauptwunsch, ein Hauptziel der Menschheit, aber wie verworren, wie widersprechend waren und sind noch jetzt die Ideen über seine Erhaltung und Verlängerung! Der strenge Theologe lächelt über solche Unternehmungen und sagt: Ist nicht jedem Geschöpf sein Ziel bestimmt, und wer vermag ein Haarbreit seiner Länge oder eine Minute seiner Lebensdauer zuzusetzen? Der practische Arzt ruft uns zu: Was sucht ihr nach besondern Mitteln der Lebensverlängerung? Braucht meine Kunst, erhaltet Gesundheit, laßt keine Krankheit aufkommen, und die, welche sich einstellen, curieren; dies ist der einzige Weg zum langen Leben. Der Adept zeigt uns sein Lebenselixier, und versichert, nur, wer diesen verkörperten Lebenssaft fleißig einnähme, könne hoffen alt zu werden. Der Philosoph sucht das Problem so zu lösen, daß er den Tod verachten, und das Leben durch intensiven Gebrauch verdoppelt lehrt. In der 1. Vorlesung geht Hufeland auf medizinhistorische Fakten ein: Hippokrates legte Wert auf: Mäßigkeit, Genuss der freien und reinen Luft, Bäder, tägliche Reibungen des Körpers, Leibesübungen und – darauf legten die Griechen besonderen Wert: die Übungen des Leibes und die Übungen der Seele müssen immer in gleichem Verhältnis stehen! Pythagoras empfahl den Menschen: Diät, Mäßigung der Leidenschaften und Gymnastik und von den Römern hören wir das bekannte: mens sana in corpore sana. In der 2. Vorlesung macht sich Hufeland Gedanken über die Lebenskraft und die Lebensdauer. „Das Erste, worauf es uns bei Verlängerung des Lebens ankommt, muß wohl nähere Kenntnis der Natur des Lebens und besonders der Lebenskraft, der Grundursache alles Lebens sein. Für Hufeland gehören zur Lebenskraft Licht, Wärme, Lift und Wasser dazu. Die Lebenskraft ist unerschöpflich, unendlich, ein wahrer Hauch Seite 5 der Gottheit. Die Dauer des Lebens hängt ab: Summe der Lebenskraft, Festigkeit der Organe, Prozess der Konsumption und den Möglichkeiten der Regeneration. In den folgenden Vorlesungen werden Erfahrungen über das Altwerden von Pflanzen, Tieren und Menschen ausgeführt. Allgemein gilt der Grundsatz: qoad fiat fit, cito perit. In den letzten drei Vorlesungen geht Hufeland auf die Einheit zwischen Körper und Seele ein und stellt die Frage. Was ist eigentlich Leben? und antwortet: die menschliche Organisation ist gleichsam ein Zauberband , durch welches zwei Welten von ganz verschiedener Natur, die körperliche und die geistige miteinander verknüpft und verwebt sind;.. Ein ewig unbegreifliches Wunder, durch welches der Mensch Bewohner zweier Welten zugleich der intellektuellen und der sinnlichen, wird. Das wichtigste Grundmotiv Hufeland ist: Nur die Übereinstimmung der physischen und der geistigen Welten führt zur Makrobiotik. Beim Vergleich der Alterungsprozesse bei Mensch und Tier kommt er zu einer wichtigen Entscheidung: Einen Hauptunterschied macht die vollkommene Hirnorganisation und Denkfähigkeit des Menschen- die Vernunft! Welche Stärkung, welche unerschütterliche Festigkeit kann uns nicht der einzige Gedanke und Glaube an die Unsterblichkeit geben. Er fasst am Ende seiner theoretischen Ausführungen zusammen: Leben kann verlängert werden durch: Vermehrung der Lebenskraft Abhärtung der Organe Retardierung der Lebenskonsumption Erleichterung und Vervollkommnung der Restauration. Der praktischen Teil hat 2 Abschnitte, in denen Hufeland praktisch auf alle Lebensbereiche und auf alle Altersstufen eingeht, in denen es Hufeland wichtig erscheint „gesundes Leben“ und damit „Makrobiotik“ zu lehren. Summarische Zusammenfassung der beiden Abschnitte: Verkürzungsmittel des Lebens: Schwächliche Erziehung; Ausschweifungen in der Liebe; übermäßige Anstrengungen der Seelenkräfte; Krankheiten; gewaltsamer Tod; unreine Luft, das Zusammenleben der Menschen in großen Städten; Unmäßigkeit im Essen und Trinken;Leidenschaften; üble Laune; allzu große Geschäftigkeit; Müßiggang; Untätigkeit; Seite 6 überspannte Einbildungskraft; Empfindelei; Gifte ( sowohl physische als auch kontagiöse ); das Alter. Verlängerungsmittel des Lebens: Gute physische Herkunft; vernünftige physische Erziehung; tätige und arbeitssame Jugend; Enthaltsamkeit von dem Genuss der physischen Liebe in der Jugend und außer der Ehe; glücklicher Ehestand; der Schlaf; körperliche Bewegung; Genuss der freien Luft – mäßige Temperatur der Wärme; das Land-und Gartenleben; Reisen; Reinlichkeit und Hautkultur – Untersuchung, ob wollene oder linnene Hautbekleidung besser sei; gute Diät und Mäßigkeit im Essen und Trinken; Ruhe der Seele – Zufriedenheit – Wahrheit des Charakters; angenehme und mäßig genossene Sinnes-und Gefühlreize; Verhütung und vernünftige Behandlung von Krankheiten; Rettung in schnellen Todesgefahren; das Alter und seine gehörige Behandlung; Kultur der geistigen und körperlichen Kräfte; Anwendung obiger Regeln auf die verschiedenen Konstitutionen, Temperamente und Lebensarten der Menschen. Diese Verkürzungsmittel und Verlängerungsmittel des Lebens werden von Hufeland im Detail beschrieben. Hufeland führt uns vor Augen, was nach seiner, ganz persönlichen Meinung zu einem gesunden Leben führt. In diesem praktischen Teil wird jeder, der das Buch liest, auch heute noch Dinge finden, die für ihn persönlich sinnvoll wären, in seinem Leben zu ändern, obwohl Hufelands Ansichten über 200 Jahre alt sind. Es handelt sich wohl um Grundprinzipien, die zu allen Zeiten gelten, heute jedoch von niemandem so klar und deutlich ausgesprochen werden. Hufeland beendet sein Buch: „So wahr bleibt es ewig, was unsere Alten in zwei Worten als Inbegriff aller Lebensregeln aussprachen: Bete und arbeite- das übrige wird Gott schon machen. Denn was heißt das anderes als: der Friede Gottes im Herzen, und nützliche Tätigkeit nach außen sind die einzig wahren Grundlagen alles Glücks, aller Gesundheit und allen langen Lebens. Heutige Vorstellungen über Leben und Altern: Schematisiert und vereinfacht! Die wissenschaftlichen Erfolge der letzten Jahrzehnte lassen uns glauben: Die modernen Naturwissenschaften würden (fast) alles erklären können, die Biologie könne durch die Genforschung den geheimnisvollen Bereich „Leben“ erklären und könne vielleicht in Zukunft „ewiges Leben“ versprechen. Was wissen wir über das Leben: Die DNS ( DNA )= Desoxyribonukleinsäure enthält Moleküle, die alle Erbinformationen enthält und somit Grundbaustein des Lebens sind. Die DNS besteht aus einem Phosphat-Zucker-Rückgrat und 4 Molekülkomplexen. Im Zellkern sind die DNS-Stränge als Knäuel aufgerollt und bilden die Chromosomen. Die zwei DNSStränge sind gedreht und bilden eine Doppelspirale - die Doppelhelix (Crick-Watson). Neben dem Phosphat-Zucker-Rückgrat enthält die DNS die vier Bausteine: Adenosin-Thymidin und Seite 7 Guanosin-Cytidin. Die DNS ist ein chemisches System, dass sich selbst reproduzieren kann, damit ist es: das Erbmolekül und der Grundbaustein des Lebens. Gene sind bestimmte Anordnungen auf dem Strang der DNS über einen bestimmten Bereich und enthalten die Information zur Produktion der Proteine. Die Kombination der Bausteine und die Länge der DNS-Stränge bestimmen, um was für ein Lebewesen es sich handelt. Die Bausteine Adenosin-Thymidin und Guanosin-Cytidin sind bei allen Lebewesen gleich, egal ob Pflanze, Tier, Mensch, Bakterium oder Virus. Der Mensch hat ca. 3 Milliarden Bausteine. Benötigt die Zelle eine Information, um ein Protein zu bilden, so wird die DNS an einer bestimmten Stelle gespreizt, um die Information abzulesen. Von diesem gespreizten Abschnitt der DNS wird ein Spiegelbild erstellt; diese verlässt den Zellkern und gibt in den Ribosomen die Information zur Synthese des Proteins weiter. Von der menschlichen DNS werden nur 2% abgelesen, das sind die aktiven Gene. 98% der DNS wird nicht abgelesen und trägt keine Gene. Man könnte auch von einer „Erblast“ der Evolution sprechen. Die DNS ist eine universelle Baustrategie der Natur und des Lebens mit den 4 gleichen Bausteinen in allen lebenden Organismen. Zellalterung und Zelltod: Altern bedeutet: Die Reparationsmechanismen funktionieren nicht mehr so richtig, der Stoffwechsel verlangsamt sich, die Blutgefäße verlieren an Elastizität, das Immunsystem wendet sich gegen sich selbst und das Immunsystem reagiert nicht mehr so aggressiv und adäquat auf Erreger. Die Summe dieser verschiedenen Alterungserscheinungen macht uns alt und hinfällig, aber individuell sehr unterschiedlich. Eigentlich sind wir nämlich gar nicht so alt, überall findet Regeneration statt: Das Darmepithel erneuert sich innerhalb von 3 Tagen, die Haut innerhalb von 24 Tagen, das gesamt Blut innerhalb von 1 Jahr. Zusammengefasst heißt dies: Egal wie alt wir sind, nur wenige Teile unseres Körpers sind älter als 10 Jahre. Durch die neugebildeten Zellen wird unser Körper nicht jünger, denn nach jeder Zellteilung sind die Zellen nicht mehr so fit. Die Teilungsfähigkeit der menschlichen Zellen ist gegrenzt und festgelegt. In den letzten drei Jahrzehnten haben auf diesem Gebiet drei Forscher durch ihre Forschungsarbeiten besondere neue Erkenntnisse gewonnen. Dafür wurden Frau Dr. E.H. Blackburn, Frau Dr. C.W.Greider und Herr Dr. J.W. Szostak mit dem Nobelpreis 2009 für Physiologie und Medizin ausgezeichnet.- Die Chromosomen haben an ihren Enden spezifische DNS-Abschnitte, die die Chromosomen stabilisieren, die sogenannten Telomere. Vor jeder Zellteilung öffnet sich die Doppelhelix der DNS zu Einzelsträngen, die jetzt verdoppelt werden. Aber das dafür verantwortliche Protein arbeitet nicht korrekt. Es kann nämlich nicht den Anfand der Stränge kopieren. Dort bleibt ein Stück DNS übrig, das verloren geht, wodurch das Telomer immer kürzer wird. Dies geschieht vor jeder Zellteilung. Jedes Mal verliert das Chromosom am Ende ein Stück DNS und damit wird das Telomer, die Schutzkappe des Chromosoms immer kürzer. Wird eine kritische Grenze überschritten, lässt die Funktionsfähigkeit der Zellen nach und schlussendlich hören die Zellen auf, sich zu teilen oder leiten die Apoptose ein. Das nennen wir Altern oder Tod auf molekularer Ebene. Gilt dies nun für alle Zellen? Manche Zellen, wie die Keimzellen dürfen nicht altern, sondern müssen bei der Fortpflanzung das Telomer in voller Länge vererben. Das funktioniert so: Bevor sich die DNS auf die Teilung vorbereitet werden durch die Telomerasen am Anfang des Chromosoms DNS- Bausteine hinzugefügt. Jetzt wird die gesamte DNS auch mit den Seite 8 Enden verdoppelt, dadurch werden bei den Keimzellen die Schutzkappen nicht kürzer und die Zellen können sich unbegrenzt weiter teilen. Die DNS von Spermien und Eizelle bleibt durch diesen Mechanismus in ihrer ganzen Länge erhalten. Im sterblichen Körper hat so das Leben einen Weg gefunden, in einer neuen Generation weiter zu existieren. Es überleben die Gene! Denn in normalen Körperzellen ist die Telomerase nicht aktiv. Das Fehlen der Telomerase ist in unserem Körper auch ein Schutzschild. In Tumorzellen ist die Telomerase deutlich erhöht, wodurch unkontrolliertes Wachstum unterstütz wird. Tumorzellen sind unsterblich und dies wollen wir auf keinen Fall! Im Bereich des Mikrokosmos droht auf molekularer Ebene eine weiter Bedrohung der Zelle durch: Freie Radikale. In einer Zelle wird für verschiedene Funktionen Energie gebraucht und dafür ist Sauerstoff nötig. Das Kraftwerk der Zelle sind die Mitochondrien, die die Zelle mit Energie versorgen. Bei der Energiegewinnung wird u.a. auch Sauerstoff frei, indessen Folge hochaggressive Moleküle entstehen, die Radikale. Diese Radikale haben Bindungen frei, die alle Strukturen angreifen, die ihnen in die Quere kommen und sie zerstören. Aber wie alles im Körper haben natürlich auch die Radikale nicht nur negative Auswirkungen, sondern sind auch sinnvoll für den Körper. In jeder Zelle wird auch ständig „Müll“ produziert und dieser „Müll“ wird durch Radikale zerstört. Prävention heute: Die Entwicklung der Lebenserwartung in den letzten 150 Jahren zeigt in Deutschland einen kontinuierlichen Anstieg. Im Jahre 1910 bestand in Deutschland noch die typische Alterspyramide, die ab 2000 in den typischen Alterspilz übergeht, der sich in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln wird. Diese Verdopplung der Lebenserwartung von rund 40 Jahren zu Hufelands Zeiten auf jetzt 80 Jahre ist natürlich Folge von der ungeheuren Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf allen Gebieten. Heute ist man der Meinung, dass ca.50% aller Erkrankungen auf nicht modifizierbare Risikofaktoren zurückzuführen sind, bei den anderen 50% aller Erkrankungen spielen modifizierbare Faktoren eine Rolle, die im Rahmen von Präventionsmaßnahmen verändert werden könnten. Aber die Prävention spielt im heutigen Gesundheitswesen weiterhin eine untergeordnete Rolle. Heute sind die Ärzte überwiegend Diagnostiker, wichtige Gespräche über „gesundes Leben, über Prävention ( Makrobiotik )werden selten geführt. Heute wie in Hufelands Zeiten überläßt man gerne dieses Feld den – wie Hufeland es nannte „Quacksalbern, Adepten und selbst berufenen Propheten“, denn das Geschäft mit der Angst um die Gesundheit ist ein großes Geschäft. Wissenschaftlich sind einige Fakten geklärt: In den Beiträgen zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes wird in dem Beitrag des RKI „20 Jahre nach dem Fall der Mauer: Wie hat sich die Gesundheit in Deutschland entwickelt?“wird aufgezeigt, wie durch die Umstellung der Lebens-und Essensgewohnheiten nach 20 Jahren sich die Lebenserwartung in den neuen Bundesländern der Lebenserwartung in den alten Bundesländern angepasst hat. Eine Studie von1986, die im New Engl. J. Med. veröffentlicht wurde, die berühmte Alumni-Studie hat gezeigt: 16.000 Absolventen der Harvard Universität wurden über Jahre beobachtet. Es zeigte sich, dass Personen, die pro Woche etwa 3.500 kcal in Form sportlicher Aktivität verbrauchten, ihr kardiovaskuläres Risiko im Vergleich zu den inaktiven Studienteilnehmern halbieren konnten. Zahlreiche weitere Studien haben gezeigt: Bewegung in jeder Form Seite 9 Gewichtsreduktion Geeignete Kost ( Diät ) Das Vermeiden toxischer Gifte wie Tabak, Alkohol und anderer Stimulantien haben einen guten präventiven Effekt. Neue theoretische Überlegungen: Die Verabreichung von sogenannten Radikalfängern hat keinen Vorteil gebracht. Neuere „Anti-Aging-Stoffe“ könnten ev. über eine Beeinflußung der Länge der Telomere eine positive Wirkung haben. Günstig wirkt sich eine Beeinflussung des chronischen Stresses aus, da der chronische Stress zu einer Verkürzung der Telomeren führt. Vermeidung von chronischem Stress führt, wie Frau Dr. Blackburn in ihrer Nobellecture 2009 ausführte, zu einer Verlängerung der Telomere. Da nähert sich unsere Nobelpreisträgerin Hufeland: Wie nannte es Hufeland: Harmonie von Körper und Seele Und was ist chronischer Stress denn anderes als ein Ungleichgewicht der Harmonie des Körpers und der Seele . Hufeland beendet sein Buch mit der Hoffnung: Wäre ich doch so glücklich, auf diese Weise einen doppelten Zweck zu erreichen, nicht bloß die Menschen gesünder, sondern auch durch das Streben danach besser und sittlicher zu machen. Wenigstens kann ich versichern, daß man eins ohne das andere vergebens suchen wird, und daß physische und moralische Gesundheit so genau verwandt sind wie Leib und Seele. Sie fließen aus gleichen Quellen, schmelzen in eins zusammen und geben vereint erst das Resultat der veredelten und vollkommenen Menschennatur. Seite 10