Auto, Ente, Fußball, Schere, Teller, Baum, Herz, Maßstab/Lineal

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FGZ
LERNEN
EIN VERGLEICH MODERNER HIRNFORSCHUNG MIT
ALTBEWÄHRTEN WEISHEITEN
Alexander Kallay
18.10.2011
BETREUER
Herr A. Morell
KOREFERENT
Herr H.-P. Müller
0
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .................................................................................................................................................... 3
Zur Studie ................................................................................................................................................ 3
Abkürzungen .......................................................................................................................................... 3
1.
Einleitung ................................................................................................................................................ 4
1.1
Ziele ............................................................................................................................................. 4
1.2
Fragestellung und Hypothese............................................................................................ 4
1.3
Theoretischer Teil .................................................................................................................. 6
1.3.1
2.
3.
Gedächtnisstufen- und arten ............................................................................ 6
1.3.1.1
Was ist mit Gedächtnis gemeint?................................................. 7
1.3.1.2
Gedächtnisarten ................................................................................. 7
1.3.1.2.1
Ultra- und Kurzzeitgedächtnis ............................ 7
1.3.1.2.2
Langzeitgedächtnis .................................................. 8
1.3.2
Wahrnehmung in sensorischen Feldern ................................................... 11
1.3.3
Speicherorte im Gehirn .................................................................................... 12
1.3.4
Gedächtnis auf interzellulärer Ebene ......................................................... 14
1.3.5
Gedächtnis auf intrazellulärer Ebene ......................................................... 16
Material & Methoden ....................................................................................................................... 19
2.1
Testart ..................................................................................................................................... 21
2.2
Testpersonen ........................................................................................................................ 21
2.3
Bedingungen für die Testpersonen .............................................................................. 21
2.4
Ablauf ....................................................................................................................................... 22
2.5
Testablauf ............................................................................................................................... 23
Resultate ............................................................................................................................................... 24
3.1
Portraits .................................................................................................................................. 24
3.2
Vergleiche............................................................................................................................... 28
3.3
3.2.1
Ausgeschlafen – müde ...................................................................................... 28
3.2.2
Hungrig – satt....................................................................................................... 30
Gruppenfazit ......................................................................................................................... 32
1
4.
Diskussion ............................................................................................................................................ 33
4.1
Der Einfluss von Cortisol auf die Gedächtniskonsolidierung............................. 33
4.2
Das multifunktionale Ghrelin ......................................................................................... 35
4.3
Übung macht den Meister ................................................................................................ 37
5.
Zusammenfassung ............................................................................................................................ 38
6.
Quellenverzeichnis ........................................................................................................................... 39
7.
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................... 40
2
Vorwort
Wir lernen, täglich, jeder von uns, bewusst oder unbewusst. Keine Frage. Doch was passiert
da genau? Wo und wie lernt der Mensch? Im Biologieunterricht erhielt ich einen ersten
Einblick in die Neurobiologie und erfuhr einiges über unser Gedächtnis. Wunderbar, wenn es
funktioniert! Doch was folgt, wenn es nicht funktioniert? Schon einmal etwas vergessen?
Dann heisst es: zurückrennen und holen! Denn: „Wer keinen Kopf hat, hat Beine!“; „Wer
nicht hören will, muss fühlen!“. Und, ach ja, da gibt es eine ganze Menge solcher
Redensarten. Höchst interessant, einige davon genauer zu prüfen.
All diese Gedanken führten schliesslich zu der vorliegenden Arbeit.
Dafür war ich allerdings auf die Mithilfe zahlreicher kompetenter Personen, als auch auf
Probanden angewiesen. Ich möchte mich deshalb bei allen Beteiligten für das herzhafte
Engagement bedanken, ohne das diese Maturaarbeit nicht in diesem Rahmen zustande
gekommen wäre. Dabei wende ich mich konkret an meinen Betreuer Herrn A. Morell und
meinen Koreferenten Herrn H.-P. Müller und danke ihnen für die tatkräftige Unterstützung.
Zusätzlich gilt mein Dank den Klassenlehrkräften Frau B. Isler sowie Herrn H. R. Bühlmann,
die mir durch ihr Vertrauen ihre jeweiligen Klassen VK 2 und 1.2 des Schuljahres 2010 bis
2011 zur Verfügung gestellt haben. Darüber hinaus möchte ich mich ganz herzlich bei Frau
Dr. Catherine Alioth, tätig im Neuroscience Network Basel, bedanken, die mir bei der
Erarbeitung des Tests geholfen hat. Nicht zu vergessen ist der Einsatz der Schülerinnen und
Schüler der erwähnten Klassen, die ganze Arbeit für meinen Test geleistet haben, den sie mit
Bravour meisterten.
Zur Studie
In meiner Maturaarbeit habe ich einfachheitshalber nur die männliche Form verwendet.
Abkürzungen
vgl.
=
vergleiche
bzw.
=
beziehungsweise
MW
=
Mittelwert
SA
=
Standardabweichung
3
1.
Einleitung
1.1
Ziele
Während des Unterrichts kamen mir fortlaufend viele Sprichwörter in den Sinn, die mich seit
meiner Kindheit begleiteten. Beispielsweise „Übung macht den Meister“, „Wer viel schläft,
lernt wenig.“ und „Plenus venter, non studet libenter.“ Tatsächlich verbesserte sich meine
Lernleistung, nachdem ich nun bewusst viel geübt und nicht mit vollem Magen gelernt hatte.
Da ich nun auch zahlreiche neurobiologische Vorgänge kennen gelernt und einen Einblick in
wissenschaftliche Fragestellungen erhalten habe, nimmt es mich wunder, ob diese drei
altbekannten Weisheiten in Form von Sprichwörtern überhaupt schon bewiesen sind. Es
animierte mich, ihre Gültigkeit zu untersuchen.
Außerdem beabsichtigte ich, meine Kenntnisse zum Wesen des Gedächtnisses zu vertiefen
und die Recherchen übersichtlich zusammenzufassen. (Theorieteil)
1.2
Fragestellung und Hypothese
Sprichwörter
Diese Gedankengänge motivierten mich
1.
Wer viel schläft, lernt wenig.
2.
Plenus venter, non studet libenter.
3.
Übung macht den Meister.
somit, folgenden Fragestellungen auf den
Grund zu gehen: Wie funktioniert lernen
neurobiologisch? Was und wo ist unser
Gedächtnis? Was bedeutet lernen und
vergessen? Stimmen diese Sprichwörter
Abbildung 1: Ausgewählte Sprichwörter
überhaupt? (siehe Abbildung 1)
Darum wurde in dieser Studie geprüft, ob
die Sprichwörter zutreffen. (siehe Material
& Methoden)
Meine Erwartungen dabei waren, dass alle
Probanden durch die Wiederholung des
Tests sich immer mehr Gegenstände merken können.
Abbildung 2: Lern- und
Ebbinghaus
Vergessenskurve
von
4
Ebenso vermutete ich, dass müde und hungrige Testkandidaten weniger aufmerksam und
konzentriert sind als ausgeschlafene und satte. (siehe 4.1 und 4.2); somit sollten sie sich in der
gleichen Zeit weniger Gegenstände merken können.
Damit die Resultate von 1 und 2 am Schluss repräsentativ sind, müssen jeweils die ersten
Durchgänge miteinander verglichen werden. Denn der erste Durchlauf stellt sicher, dass der
Leistungsunterschied nur auf den Bedingungen ausgeschlafen vs. müde bzw. satt vs. hungrig
gründet, weil kein Lernprozess durch reines Wiederhohlen stattgefunden hat.
Meine Hypothesen lauteten deshalb wie folgt:
1.
a)
Der Mittelwert der erinnerten Gegenstände wird bei der Gruppe A&S
sowie A&H in allen Durchgängen grösser sein als bei der Gruppe M&S
bzw. M&H.
b)
Der Mittelwert der erinnerten Gegenstände wird bei der Gruppe A&S
sowie A&H im ersten Durchgang1 um jeweils 20% grösser sein als bei
der Gruppe M&S bzw. M&H.
2.
Die Steigung zwischen dem ersten und letzten Durchgang der Gruppe A&S
gegenüber der Gruppe A&H wird um 2% grösser sein als zwischen den
Gruppen M&S und M&H.
3.
Bei allen Gruppen nimmt der Mittelwert der gemerkten Gegenstände um
mindestens 1 Gegenstand pro Durchgang zu.
Bevor man zu den Materialien und Methoden des Tests kommt, habe ich zum besseren
Verständnis der Diskussion noch einen Theorieteil eingebaut. Wie gelangt die Information ins
Gehirn? Wie wird sie verschlüsselt? Wie kursiert sie in unserem Gehirn? Wie speichern wir
Informationen und wie geraten sie auch wieder vergessen? Generell formuliert: Was passiert
mit den Informationen, die ins Gehirn aufgenommen wurden?
1
Warum der erste Durchgang? Weil somit die Startbedingungen isoliert gemessen werden können.
5
1.3
Theoretischer Teil
Schon ab Geburt beginnt das Kind zu lernen. Lernen ist persönlich, umweltbedingt und nicht
begrenzt, sondern das ganze Leben lang möglich. Somit bilden sich automatisch Erfahrungen.
Zusätzliches Lernen wird die bereits bestehenden Erfahrungen umändern oder neue bilden.
Man besinnt sich durch Lernen auf bisherige Strategien, also auf die Erfahrung, und korrigiert
sie wenn nötig. Erwerben und Bereitstellen von Erfahrungen, die in Zukunft neue Aktivitäten
beeinflussen, sind die wesentlichsten Merkmale des Lernens. (Edelmann, 1994, S. 5f.)
Logik, Einsicht und Verständnis fördern das Lernen und machen es effizient und schnell; als
sinnlos Erachtetes, auf Unlogik Basierendes und unter Zwang Gelerntes gelten als
lernhemmende Voraussetzungen. Der Fortschritt ist generell bei Lernprozessen anfangs gross,
flacht mit der Zeit aber ab. Foucault brachte dies auf den Punkt: „Die Lernzeit wächst
proportional dem Quadrat der Silbenzahl.“ (Vester, 2006, S. 108)
Das Prinzip ist offensichtlich, dass sich mit zunehmender Zahl die Wiederholungen häufen;
bei sinnlosen mehr als bei sinnvollen Begebenheiten. Solche Zustände herrschen nur vor dem
ersten Lernvorgang. Was geschieht da genau? Es muss dabei zwischen mechanischem 2 und
inhaltlichem Lernen unterschieden werden:
Sinnlose Silbenabfolgen wie Mei, Lut, Oar wirken auf den ersten Blick unecht. Sie tendieren
zu keinem repräsentativen Ergebnis, weil die Lerntechnik jedes einzelnen unterschiedlich
ausfallen würde und man somit keine Vergleiche ziehen könnte. Was bringt uns die berühmte
Teststudie von Ebbinghaus mit irgendwelchen zusammenhangslosen Silben eigentlich? Sie
stellt durch diese Versuchsanordnung sicher, dass sich der Leser nicht vorbereiten und ebenso
wenig irgendwelche Assoziationen herstellen kann. (Edelmann, 1994, S. 254ff.)
1.3.1
Gedächtnisstufen- und arten
Wie bereits erwähnt, verfügt jeder Mensch über ein Gedächtnis, worin sich Speichern, Lernen
und Erinnern, aber auch Vergessen abspielt.
Nicht jede Information aber wird im Gehirn dauerhaft gespeichert. Nur einige, markante und
vom Menschen als wichtig empfundene Ereignisse finden den Weg ins Langzeitgedächtnis.
(siehe Buch Morell, S. 158) Doch was versteht man konkret unter einem Langzeitgedächtnis?
2
Mechanisches Lernen = reines Auswendiglernen
6
Müsste es nicht auch ein Kurzzeitgedächtnis geben? Und wie gelangt eine Information von
der einen in die andere Gedächtnisart?
Es ist bekannt, dass Informationen von so hoher Bedeutung sind und waren, weil sie, im
Gegensatz zu Energie und Materie, nach der Weitergabe immer noch existieren. Nachrichten
lassen sich sogar vervielfältigen, ohne dabei noch mehr davon aufnehmen zu müssen.
Information ist also ein abstrakter Begriff, der weder auf Raum noch auf Zeit angewiesen ist.
1.3.1.1 Was ist mit Gedächtnis gemeint?
Das Gedächtnis ist Teil unseres Gehirns und immer aktiv. Es erhält die Informationen unserer
Sinnesorgane über die Nervenzellen und verarbeitet diese. Somit ist das Gedächtnis der Ort
für die Lernprozesse sowie deren Speicherung. Ein System also, das die Grundlage für die
Lernprozesse bildet mit der Fähigkeit, Informationen für eine bestimmte Dauer zu speichern
und abzurufen. Gedächtnis und Lernen sind voneinander abhängig und werden unter dem
Begriff der menschlichen Informationsverarbeitung zusammengefasst. (Edelmann, 1994, S.
7f.) Unterschieden wird zusätzlich zwischen explizitem und implizitem Gedächtnis (siehe
1.3.1.2 Gedächtnisarten). Ersteres ist gefüllt von Inhalten, die man sich bewusst gemerkt hat;
z. B. das altbekannte Schulwissen, das bei unregelmäßiger Repetition weniger schnell wieder
abgerufen werden kann. Letzteres betrifft die angewöhnten Fertigkeiten, die auch nach einer
langen Pause wieder schnell beherrscht werden. (Knabe & Förstl, 2008, S. 15) Doch nicht
jede Information wird gespeichert. Warum das von Vorteil ist und wieso deshalb auch
unterschiedliche Speicherstufen existieren müssen, folgt
im nächsten Abschnitt. (Fuchs,
1980, S. 60ff.)
1.3.1.2 Gedächtnisarten
1.3.1.2.1 Ultra- und Kurzzeitgedächtnis
Nachdem die Informationen über das sensorische Gedächtnis weitergeleitet worden sind,
gelangen sie in das Ultrakurzzeitgedächtnis3 und sind für zirka 1 Sekunde festgehalten. Dabei
können es wenige Informationen von mehreren Ereignissen sein oder mehrere von einem.
(Buch Morell, S. 158) Nachher erfolgt un– wie auch bewusst eine Selektion (siehe
Informationsselektion) dieses Realitätsabbildes. Nach dieser Verarbeitung werden die übrig
3
Später UZKG
7
bleibenden Nachrichten im Kurzzeitgedächtnis4 abgelegt. Dort können zirka 7 Einheiten5 für
ungefähr 15 Sekunden gespeichert werden. (Gedächtnis und Lernen, Kapitel 3.1.1.) Der
Übergang von Informationen zwischen den zwei Gedächtnisstufen ist zeitlich nicht klar
definiert. Das KZG speichert Informationen von 0.5 Sekunden bis 10 Minuten (buch morell s.
159). Dabei spielt aber deren Komplexität eine Rolle. UKZG sowie KZG sind beide nur
temporäre Speicher, die ständig durch Konzentration auf andere Inhalte vollständig durch
diese überschrieben werden. Im Unterschied zum UKZG findet daher im KZG ein
Denkprozess statt; die Neuronen (siehe 1.3.5 bzw. 1.3.6) sind aktiv und erzeugen oder leiten
Impulse weiter. Jedoch wird keine Veränderung der Synapsen festgestellt.
Gibt es Unterschiede zwischen dem UKZG und KZG? Für den Informationsübergang von
UKZG ins KZG ist dringend Zeit für die Verinnerlichung notwendig; und zwar möglichst in
den nächsten Sekunden. Gehemmt werden kann diese Festigung durch fehlendes Interesse
und mangelnder Assoziationsmöglichkeiten, verhindert durch Störungen wie Schmerz;
letzterer lässt die elektrisch kreisenden Ströme und Schwingungen der Sinnesinformationen
im Gehirn stoppen und das bisher Gespeicherte vollständig löschen. (Vester, 2006, S. 59ff. &
67ff.)
1.3.1.2.2 Langzeitgedächtnis
Für längere Zeit Informationen speichern zu können, ist eine Fähigkeit, die unter dem Begriff
„Langzeitgedächtnis“ zusammengefasst wird. Merkmale des Langzeitgedächtnisses6 sind die
grosse Speicherkapazität und die Möglichkeit, Informationen nach langen Zeitperioden
wieder abrufen zu können. Wichtige Gründe für eine erfolgreiche Informationsspeicherung
im Langzeitgedächtnis sind das Verstehen und das Interesse; also das Begreifen der Essenz
und Verknüpfen mit Vorwissen. Beim ersten Einprägen wird versucht, die Lernobjekte zu
ordnen und sie unter Oberbegriffen zusammenzufassen. Ausserdem kann man sie inhaltlich in
Zusammenhang bringen. Auch das Erkennen der Hauptthemen ist von Vorteil. Bower baute
die Erkenntnis von Ebbinghaus noch aus. Er fand heraus, dass sich sinnvolle Wortpaare
leichter lernen lassen, wenn man sich diese in Abhängigkeit vorstellt. Das Herstellen von
Beziehungen unter den Wörtern zu logischen Begriffspaaren, eine Hierarchie also, erleichtert
den Lernvorgang massgebend. Das Ordnen des zu lernenden Stoffes in Ober- und
Untergruppen erhöht zudem die Erinnerungsfähigkeit. (Guyer, 1967, S. 115)
Später KZG
Silben, Wörter, Zahlen, Buchstaben
6 Später LZG
4
5
8
Diese Vorgänge verlangen höchste Aufmerksamkeit (siehe 1.3.3 Speicherorte im Gehirn)
(vgl. Buch Morell, S. 158)
Der Übergang vom Kurz- zum Langzeitgedächtnis erfolgt im Hippocampus, der das
Gedächtnis kontrolliert (Buch Morell, S. 157). Denn dort entstehen die Assoziationen; es wird
die Gesamtsituation ermittelt. Informationen dafür kommen auch aus dem sensorischen
Cortex, weil die es das Sehzentrum ist und die meisten Ereignisse durch Sehen und Hören
entstehen. (buch morell s. 158) Die Geschwindigkeit dieses Vorganges kann durch eine
emotionale Verbindung mit einem positiven, emotionalen Ereignis erhöht werden. (siehe
1.3.3 Speicherorte im Gehirn) Der „AHA“-Effekt ist Sinnbild für eine erfolgreiche
Assoziation, also eine Überführung von einer bestimmten Informationsmenge vom KZG ins
LZG. Dieser Vorgang heisst Gedächtniskonsolidierung oder Lerneffekt. Die Erinnerungen
sind jedoch überall im Gehirn gespeichert. (Buch Morell)
Die LZG-Inhalte gehen im Unterschied zum Kurzzeitgedächtnis nicht verloren. Jedoch muss
man zwischen einem „täglichen“ und einem „echten Langzeitgedächtnis“ unterscheiden, weil
ja nicht alle Informationen in diesem Gedächtnis das ganze Leben lang behalten werden. Hier
spricht man von der Verknüpfung von Neuronen, weil das Langzeitgedächtnis auf der
Veränderung der Synapsen beruht. Dauerhaftes Wissen ist also verschlüsselt im Gehirn
gespeichert. Die Anordnung der Neuronen und deren Verbindungen zu anderen sind
sinnbildlich für die Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ebenso werden Nervenverbindungen nicht
verändert oder neu gebildet, sondern man stellt eine Wandlung der prä- und/oder der
postsynaptischen Membran in der Synapse fest. Es ändert die Empfindlichkeit der
Membranen und/oder die Ausschüttung der Neurotransmitter wird erhöht oder verringert.
Jedoch kann die Information auch im Langzeitgedächtnis verloren gehen. (quelle morell s.
159) Um dem vorzubeugen, muss man das Gelernte repetieren. Wenn man sich emotional mit
dem Gelernten identifizieren kann, ist der Vergessensgrad kleiner als bei Ereignissen mit
gefühlsneutraler Wirkung.
Beim Wiedererkennen oder Erinnern wird das Objekt codiert und im visuellen Cortex
verarbeitet. Danach gelangt das Signal in den Frontallappen über den kortikalen aber auch
durch den limbischen Weg. Durch letzteren erhält man auch das Gefühl, dass man das Objekt
schon einmal gesehen hat. Es werden somit Emotionen mit dem Ereignis zusammengeführt.
Ein typisch und gelegentlich auftretender Fehler des limbischen Systems ist das Déjà-vu.
Dabei wird fälschlicherweise ein Objekt als bekannt markiert. (morell s. 161)
9
Was man noch nicht weiß, ist, welche
Verknüpfungsmuster
welchen
Denkfähigkeiten entsprechen. Ebenso
unklar ist, welche Ablaufmuster mit
welchen
Denkprozessen
korrespondieren. Jedoch weiß man,
dass Lernen auf der Veränderung
neuronaler Verbindungen beruht. Aber
nicht
jede
Aktivierung
ruft
eine
Veränderung hervor. (Formüller, 1991,
S. 18ff.)
Abbildung 3: Gedächtnismodell
Das Langzeitgedächtnis differenziert – wie bereits in
1.3.1.2.2 erwähnt – zwischen zwei Unterarten; das deklarative und das prozedurale
Gedächtnis. Ersteres ist in unserem Falle von zentralerer Bedeutung, weil es von den
Testkandidaten regelrecht gefordert wurde.
10
1.3.2.2.1 Deklaratives Gedächtnis
Darin wird das faktische Wissen, zusammengesetzt aus dem Wissen über sich selbst, das
sogenannte episodische Gedächtnis, und dem, was um einen herum passiert, das so genannte
semantische Gedächtnis, festgehalten.
Damit man aber nicht vergisst, was man explizit gelernt hat, muss man es rasch möglichst
wiederholen; Meumann (deutscher Experimentalpsychologe) beschreibt die erste Repetition
als die wichtigste und die folgenden nur noch zu deren Fixierung. Diese Vergessensart nennt
sich Interferenztheorie. Bei reell scheinenden Geschichten ist es einfacher, die Spreu vom
Weizen zu trennen. Nach Ebbinghaus ist ein Gedicht nach 24 Stunden noch zu 50%
wortwörtlich abrufbar. Begrifflich geordnete und gelernte Wörter können besser abgerufen
werden als zufällig zusammengestellte. Parallel zu der ersten Art der Vergessensmethode
steht die physiologische Spurenzerfalltheorie. Dort werden Nervenbahnen wortwörtlich
aufgelöst.
1.3.2.2.2 Prozedurales Gedächtnis
Dies ist das Gedächtnis, welches körperliche Abläufe steuert, ohne dass wir auf diese bewusst
Einfluss nehmen können. Jene meist komplizierten Vorgänge werden vorwiegend im
Kleinhirn gespeichert.
1.3.2
Wahrnehmung in sensorischen Feldern
Das Gehirn – Zentrum aller Lernvorgänge – ist ein hoch komplexes Organ, welches knapp
anderthalb Kilogramm wiegt. Bei unterschiedlichen Reizen wird eine bestimmte Kombination
von Gehirnregionen aktiv, manchmal nur ein Wahrnehmungsfeld. Danach werden die
verarbeiteten Reize zu den Assoziationsfeldern geleitet, die diese weiterverarbeiten.
Jedoch gelangen nur die wichtigsten Informationen ins Gehirn und werden im Gedächtnis
gespeichert. Wie diese Selektion genauer aussieht, erfährt man im nächsten Abschnitt.
11
1.3.2.1 Informationsselektion
Nicht
alle
Sinnesorgane
Informationen
werden
von
unserer
unserem
Gehirn aufgenommen. Zuerst werden sie
sortiert
und
nur
die
wichtigsten
gespeichert. Ohne diese Selektion würde
man
in
einer
Informationsflut
„ersticken“; die mentale Kontrolle über
sich verlieren. Pro Sekunde werden 109
Bits7
Informationen
aufgenommen.
Davon werden aber nur 102 Bits wirklich
im
Gehirn
weiterverarbeitet.
Neben
Abbildung
4:
Der
Informationsverarbeitung
„Flaschenhals“
der
unbewussten Auslesevorgängen kommt
auch der Mensch ins Spiel, indem er bewusst viele Informationen mit bereits im Gehirn
gespeicherten Inhalten vergleicht und nach Assoziationen sucht. Dies geschieht beim
Herstellen von Zusammenhängen; Verstehen heisst dieser Vorgang. Dabei werden die
ausgewählten Informationen wieder auf 107 Bits pro Sekunde angereichert. Sie werden an das
Individuum angepasst. Somit kann erklärt werden, warum die Realität unterschiedlich
wahrgenommen wird. Denn Denken und Handeln jedes Einzelnen basiert auf diesen wenigen
und ans Individuum angepassten Informationen. (Vester, 2006, S. 90f.)
1.3.3
Speicherorte im Gehirn
Man stellt sich deshalb in den Neurowissenschaften schon lange die Frage, wo die
„Information“ in unserem Gehirn gespeichert ist. Ein paar Antworten sind bereits gefunden
worden.
Die eine Speicherung einer Information im Langzeitgedächtnis ist von zahlreichen
Faktoren abhängig. In den ersten 0.2 Sekunden ist die Information im UKZG. Um diese vor
dem Verlust zu bewahren, muss man ihr Aufmerksamkeit schenken. Die Hirnaktivität, dieses
bewussten Vorganges, wird vom sich in der Mitte des Gehirns befindenden Thalamus
geregelt. Die Aufmerksamkeit kann noch durch Emotionen vergrößert werden. Dafür
7
109 Bits = 19 Milliarden Bits
12
zuständig ist die Amygdala. Alle Informationen, die durch ein emotionales Ereignis generiert
wurden, gelangen immer zuerst durch die Amygdala. Dieser Prozess läuft um 0.25 Sekunden
nach Reaktionsauslösung durch den äußerlichen Reiz ab. Damit die Konzentration nicht
unterbrochen wird, unterdrückt der Frontallappen mögliche Ablenkungen. (buch morell s.
158).
Auf der Suche nach dem Speicher- und Verarbeitungsort unserer Informationen sind wir
gezwungen, in das noch weitaus unbekannte, aber geheimnisvolle Gewebe, die graue
Gehirnrinde, einzudringen. Dieses faustgroße „Ding“ besteht alleine schon aus zehn
Milliarden Nervenzellen. (Vester, 2006, S. 26 – 30)
Die graue Gehirnrinde, ein
zusammengeschobener
Lappen,
ist
ein
Menschen
sehr
ausgeprägtes
Organ.
diesem
In
halben
Quadratmeter
pro
Hirnhälfte
sich
spielen
Denken,
Erkennen,
Erinnern,
Abbildung 5: Bild der grauen Gehirnrinde der linken Gehirnhälfte eines
Menschen mit den verschiedenen Gebieten und deren Funktionen
im
Kombinieren,
Lernen und Vergessen ab.
Die
zwei
grauen
Gehirnrinden sind durch den Balken, eine Brücke aus Nervenfasern, verbunden.
Im gesamten Neocortex, dem jüngsten Teil des Cortex bzw. der Grosshirnrinde8, werden die
deklarativen Informationen abgespeichert. Ordnung darin schafft nicht, wie man annehmen
würde, die Grosshirnrinde selbst, sondern das limbische System, welches sehr eng mit den
Sinnesorganen kooperiert; sie sind grundlegend für unser Gedächtnis. (Vester, 2006, S. 26ff.)
Doch wo spielt sich das ab? Wie (siehe 1.3.5.3 Synaptische Plastizität) ist schon geklärt.
Ein wichtiger Teil ist der so genannte Hippocampus. Über die sensomotorischen Neuronen
gelangen die Informationen aus allen Gehirnarealen (Buch Morell, S. 159) zu ihm. Durch die
Erhöhung der neuronalen Aktivität werden die Daten, zirkulierend im Hippocampus, dort
encodiert und anschliessend im LZG eingelagert. Danach kehren die umgewandelten
8
= Teil der grauen Gehirnrinde
13
Kurzzeiterinnerungen wieder in das Gehirnareal zurück, wo sie entstanden sind. (Querverweis
Gehirnareale) (Buch Morell s. 159)
1.3.4
Gedächtnis auf interzellulärer Ebene
Nervenzellen sind in verschiedenen Kreisen miteinander verknüpft, welche ebenfalls wieder
untereinander zusammenhängen. Doch wie ist nun die Rolle einer einzigen Nervenzelle in
diesem komplizierten System zu gewichten und wie sieht sie aus? Dazu betrachten wir zuerst
unser Nervensystem.
Die Dendriten empfangen die elektrischen Signale von anderen Nervenzellen oder
Sinneszellen, das Axon leitet sie weiter, falls ein Aktionspotenzial im Soma entstanden ist.
Durch Schnürringe zwischen Hüllzellen wird das Signal enorm schneller weitergeleitet. Am
Ende des Axons wählt der ankommende Impuls eine Endverzweigung. Dann gelangt er zu der
Synapse. Durch die Stärke des elektrischen Potentials werden chemische Stoffe, sogenannte
Transmitter, in den synaptischen Spalt freigesetzt. Entweder kann das Signal entweder
hemmen oder aktivieren. (siehe 1.3.5.1 Synapsen)
Ein einzelnes Neuron kann zwar Impulse von bis zu tausenden anderer Neuronen aufnehmen,
jedoch ermöglichen erst unzählige Verbindungen komplexe Lernprozesse. Doch für
spezifische
Leistungen
sind
exzitatorische9
und
inhibitorische10
Neuronen
sowie
Rückkopplungsschleifen im Gehirn notwendig. Die Bedeutung ist entscheidend für die
Strukturierung der neuronalen Aktivität. Die Rückkopplungsschleife ermöglicht eine
gezieltere und differenziertere Impulsweitergabe. Es ist also ein formgebender Prozess,
welcher
den
aktivierenden
Neuronen
eine
spezifische
Form
verleiht.
Durch
Rückkopplungsschleifen können sich Neuronen auch selber hemmen oder zusätzlich
aktivieren. Beim Lernen oder auch „Potenzierung“ genannt, verknüpfen sich einzelne
Neuronen zum einem „Verband“. Wenn ein Neuron ein Aktionspotenzial abgibt und alle tun
es ihm in dieser Neuronengruppe gleich, dann sind die Neuronen sensibilisiert worden und ein
Lernprozess hat stattgefunden; diese können theoretische Fakten sein aber auch persönliche
Erlebnisse. die neuronalen Muster reaktiviert, die beim Erleben generiert wurden. (Buch
Morell, S. 157)
Damit eine „Daueraktivierung oder –hemmung“ verhindert wird, sind die Schleifen mit
anderen Neuronenverbänden gekoppelt. Das Nervensystem bewältigt vielschichtige
Aktivitätsmuster. Man ist sich heute zwar immer noch im Unklaren darüber, welches davon
9
aktivierende
hemmende
10
14
welche Leistung hervorruft, aber es ist unbestritten, dass ein solches System alle
Voraussetzungen für die „Informationsverarbeitung“ enthält. (Formüller, 1991, S. 11ff.)
15
1.3.5
Gedächtnis auf intrazellulärer Ebene
1.3.5.1 Synapsen
Synapsen sind kleine Endknöpfchen an
den Enden der verzweigten Nervenfasern.
Zwischen
den
Synapsen
Dendriten
der
nächsten
und
den
Nervenzelle
besteht ein kleiner Spalt11, der wie ein
Schalter funktioniert. Er kann entweder
ein- oder ausgeschaltet werden. Die
Synapse gibt die Impulse vom einen an
das andere Neuron weiter, und zwar nur in
Abbildung 6: Darstellung einer Synapse
eine Richtung. Ebenso ist sie ein Teil, der
für die Informationsspeicherung verantwortlich ist. Es sind schätzungsweise 500 Billionen.
1.3.5.2 Weiterleitung des Signals an der Synapse
Durch den elektrischen Puls wird ein Bläschen,
ein sogenanntes synaptisches Vesikel mit den
Überträgerstoffen darin, angestoßen und zur
präsynaptischen Membran katapultiert, mit der es
nachher verschmilzt und platzt. Dabei werden
Transmitter freigesetzt. Danach wandern diese
durch den synaptischen Spalt zu den Rezeptoren.
Beim Andocken wird der Ionenkanal geöffnet
und
Ionen
strömen
ein.
Wenn
diese
Informationen von den Sinnesorganen kommen,
Abbildung 7: Chemische Weiterleitung
elektrischen Impulses an der Synapse
des
nennt man die Nervenbahn eine afferente Bahn, wenn sie schon verarbeitet wurden und auf
dem Weg zu den Effektoren (Muskeln etc.) sind, nennt man dies eine efferente Bahn. (vgl.
Edelmann, 1994, S. 19f.) (Helmich, 2011) & (Formüller, 1991, S. 7 – 10 (oben))
11
= synaptischer Spalt
16
1.3.5.3 Synaptische Plastizität
Darunter versteht man die (schwache oder starke) Veränderung der synaptischen Aktivität.
Kurze,
sich
derholende
1.
Proteinkinase A:
Produktion von
MEHR katalytischen
und regulatorischen
Untereinheiten
wieAk-
tionspotenziale
können
eine
2.
Ab gewisser Anzahl
katalytischer
Untereinheiten:
Prtoteinkinase A
kann in Zellkern
gelangen
4.
Erstes Protein hemmt
Produktion
regulatorischer
Untereinheiten der
Proteinkinase A
3.
Nach Transkirption
und Translation der
mRNA ins Zellplasma:
Produktion von
Proteasen durch
Ribosomen
Abbildung 8: Kreislauf der Protease
Quelle: Alexander Kallay
Langzeitpotenzierung auslösen, bei der das erregte Neuron noch nach Tagen erregende
Potenziale hervorruft. So muss es also zwei (Unter-)Arten von synaptischer Plastizität geben,
eine für das Ultrakurz- und Kurzzeitgedächtnis, die andere für das Langzeitgedächtnis. Bei
der letzteren müssen die Veränderungen gefestigt werden. Doch wie passiert das? Zum
besseren Verständnis rollt man den Vorgang von hinten auf:
Bei einer Langzeitpotenzierung werden erstens Proteasen12 produziert, die schlussendlich
wieder ihren Erhalt sicherstellen. Doch wie hängt diese Produktion mit der synaptischen
Aktivität zusammen? Diese findet im Hippocampus (siehe 1.3.2.2.1 Deklaratives
Gedächtnis) statt.
Man stellt sich also vor, die Transmitter kommen in Kontakt mit der Zellmembran ihres
Neurons und docken ebenfalls an Rezeptoren an. Dabei wird ein G-Protein aktiviert. Dieses
12
= eiweissspaltendes Enzym (gemäss Duden Band 5, 9. Auflage)
17
aktiviert als Nächstes ein Verstärkermolekül13, welches seinerseits wiederum aus einem ATP
ein cAMP synthetisiert. Dieses spaltet die sogenannte Proteinkinase14 in katalytische und
regulatorische Einheiten, welche schlussendlich Moleküle phosphoryliert, die unter anderem
an der Ausschüttung der Neurotransmitter beteiligt sind. Gemäss heutigem Forschungsstand
ist das die molekulare Grundlage bei der Konsolidierung für das Kurzeitgedächtnis.
Dem gegenüber wird bei der Informationsverarbeitung für das Langzeitgedächtnis die
Proteinsynthese via Zellkern in Gang gesetzt; denn dort aktiviert die Proteinkinase A
sogenannte CREB-Moleküle, die das Gen zu den ganz am Anfang genannten Proteinen zur
Transkription, also zur Kopie, freigibt. Die Proteinkinase A kann aber nur in die
Zellkernmembran des Soma hindurchdringen, wenn genug katalytische Einheiten vorhanden
sind; dies hängt nun von der Anzahl ausgeschütteter Transmitter ab. Dafür braucht es mehr
Aktionspotenziale und somit mehr Reize von den Sinnesorganen.
13
14
= Enzym Adenylatcyclase
= Enzym, welches für die Spaltung ATP benötigt.
18
Vermehrte
Transmitterausschüttung
Andocken der Transmitter
an postsynaptischen
Membran UND an
Zellmembran des eigenen
Neurons
Letzteres Andocken an
Rezeptoren löst G-ProteinAktivierung aus
cAMP aktiviert
Proteinkinase A
Verstärkermolekül wandelt
ATP in cAMP um
G-Protein aktiviert
Verstärkermolekül
Proteinkinase A spaltet sich
in katalytische und
regulatorische
Untereinheiten auf
Ab gewisser Anzahl
katalytischer
Untereinheiten:
Proteinkinase A dringt in
Zellkern ein und aktiviert
CREP-Moleküle
CREP-Moleküle geben Gen
für spätere Proteinsynthese
zur Transkription (Kopie)
frei
2. Proteine:
•Erstes hemmt Bildung von
regulatorischen
Untereinheiten
•Zweites bildet
Membranproteine zur
Ausbildung neuer
Endverzweigungen mit
Synapsen
Abbildung 9: Vorgang der Langzeitpotenzierung auf neuronaler Ebene
Proteinsynthese im
Zellplasma durch
Ribosomen
Quelle: Alexander Kallay
Produkt dieses Zyklus sind Proteine, die in den Neuronen gelegene Membranproteine
aktivieren, die zum Auswachsen neuer Nervenzellfortsätze führen.
Mein Test soll die Wirkung der synaptischen Plastizität (1.3.5.3 Synaptische Plastizität)
aufzeigen, andererseits auch den Einfluss von zu wenig Schlaf bzw. Nahrung aufzeigen.
2.
Material & Methoden
Ebbinghaus und seine Vergessenskurve (siehe Abbildung 2) zeigen, dass rein auswendig
gelernte Silben ohne häufige Wiederholungen rasch vergessen werden. Diese Feststellung war
19
nur aufgrund der Unlogik möglich. Allerdings lernt heute kaum jemand mehr freiwillig
sinnlosen Stoff.
Deshalb habe ich meinen Testkandidaten statt unzusammenhängenden Silben einzelne,
voneinander unabhängige Objekte ohne unmittelbar logische Verknüpfung gezeigt. (siehe 2.1
Testart). Einzelne Silben lassen sich ebenso wie einzelne Bilder assoziieren; allerdings sind
die Silben abstrakter als konkrete Gegenstände und deshalb schwieriger einprägsam. Der
grundlegende Faktor stellt die unlogische Verknüpfung zwischen den Bildern bzw. Silben
dar. Dabei habe ich nicht die „Vergessensrate“, sondern den Lernprozess mit jedem
zusätzlichen Durchgang getestet.
Der Test dauerte insgesamt 25 Minuten; dies verdeutlicht, dass die Gegenstände bei den
Probanden ins LZG (siehe 1.3.1.2.2 Langzeitgedächtnis) überführt worden sind; zumindest
waren diese dort unmittelbar gesichert. „[…] Inhalte des Langzeitspeichers bleiben ‚lange‘
erhalten, wobei über die zeitliche Beschränkung der Informationsspeicherung noch keine
exakten Ergebnisse bekannt sind.“ (Neurobiologische Grundlagen, S. 7)
20
2.1
Testart
Mein entwickelter Test war visuell. Darin werden 20 Alltagsgegenstände als schwarzweiß Bilder gezeigt, wobei der Hintergrund weiß ist.
Gegenstände:
Abbildung 10: Folie mit den 20 Gegenständen
(farbig)
Abbildung 11: Den Testkandidaten gezeigte
Folie (schwarzweiß)
Auto, Ente, Fußball, Schere, Teller, Baum, Herz, Maßstab/Lineal, Schrank/Kasten, Fenster, Lampe,
Velo (= Fahrrad), Geldbeutel, Taschenrechner, Flugzeug, Mond, Vogel, Fisch, Schiff und Telefon.
2.2
Testpersonen
Die Testpersonen waren zum Zeitpunkt des Tests zwischen 11 und 14 Jahren alt. Von den
mindestens 7 Personen waren mindestens 3 weiblich. Sie kamen aus der Vorklasse 1.2 und 2
des Freien Gymnasium Zürich des Semesters 2010/2012.
2.3
Bedingungen für die Testpersonen
Ausgeschlafen (= A) =
mindestens 9 Stunden Schlaf oder spätestens um 21:00 Uhr ins
Bett!
Müde (= M)
=
weniger als 8 Stunden Schlaf; kein Schlaf mehr seit dem
Morgen!
Satt (= S)
=
40 Minuten vor dem Test keine Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsaufnahme mehr!
Hungrig (= H)
=
mindestens 5 Stunden vor dem Test keine Nahrungs- sowie
Flüssigkeitsaufnahme mehr!
21
2.4
Ablauf
Es gibt insgesamt 2 Testtage: Die beiden Tage umfassen insgesamt 12 Tests. Es gibt 4
verschiedene Testgruppen, die eine Kombination von jeweils zwei Bedingungen (siehe 2.3
Bedingungen für die Testpersonen) darstellten. Sie sind unten aufgeführt:
Testtag 1; Tagesablauf der Gruppe M&S am Montag, dem 4. Juli 2011
1.
3. Juli 2011: Frühestens um 23:00 Uhr ins Bett
2.
4. Juli 2011: Normal aufstehen
3.
Frühstücken obligatorisch!
4.
10-Uhr-Pause-Snack freiwillig, aber erlaubt!
5.
Nach dem Turnunterricht so viel essen, wie man kann und will; aber bis spätestens 12:50 Uhr in der
Mensa das Mittagessen eingenommen haben!
6.
13:30 bis 14:10 Uhr: Test im Zimmer 602 des FGZ (6. Stock)
Testtag 1; Tagesablauf der Gruppe M&H am Montag, dem 4. Juli 2011
1.
3. Juli 2011: Frühestens um 23:00 Uhr ins Bett
2.
4. Juli 2011: Normal aufstehen
3.
Frühstück freiwillig, aber erlaubt.
4.
10-Uhr-Pause- Snack freiwillig, aber erlaubt!
5.
Nach 10:10 Uhr bis vor Testbeginn ist eine Nahrungs- sowie Flüssigkeitsaufnahme verboten!
15:10 bis 15:50 Uhr: Test im Zimmer 607 des FGZ (6. Stock)
Testtag 2; Tagesablauf der Gruppe A&S am Mittwoch, dem 29. Juni 2011
1.
27. Juni 2011: Spätestens um 21:00 Uhr ins Bett
2.
28. Juni 2011: Normal aufstehen
3.
Frühstücken obligatorisch!
4.
10-Uhr-Pause-Snack freiwillig, aber empfehlenswert!
5.
Zwischen 11:00 und 11:10 Uhr MUSS ein Snack (Mars, Snickers, etc.) zu sich genommen werden!
11:50 bis 12:30 Uhr: Test im Zimmer 601 des FGZ (6. Stock)
Testtag 2; Tagesablauf der Gruppe A&H am Mittwoch, dem 29. Juni 2011
1.
27. Juni 2011: Spätestens um 21:00 Uhr ins Bett
2.
28. Juni 2011: Normal aufstehen
3.
Frühstücken UND 10-Uhr-Pause-Snack verboten!
4.
11:50 bis 12:30 Uhr: Test im Zimmer 601 des FGZ (6. Stock)
22
2.5
Testablauf
Testfolie
(30s)
Informationen
für Probanden
Zeit zum
Aufschreiben
(120s)
Start
Video (3min)
zur
Ablenkung
Abbildung 12: Grafische Darstellung des Testablaufes
Quelle: Alexander Kallay
Der Kreislauf wurde 3 Mal wiederholt.
23
3.
Resultate
Nun werden die Resultate des Tests ausgewertet. Dabei wird zuerst jede Gruppe allein
begutachtet, nachher stehen diejenigen Gruppen im Vergleich, die auch in meinen
Hypothesen verglichen wurden.
3.1
Portraits
3.1.1
Gruppe A&S
In der Gruppe A&S stellt man fest, dass sich 8 von 9 Schülern jeweils mit jedem zusätzlichen
Durchgang mehr Gegenstände haben merken können. Ein Kandidat hat beim dritten Mal 3
Gegenstände weniger als zuvor gewusst. Es ist aber festzuhalten, dass die durchschnittliche
Behaltensleistung ständig zunimmt. Der prozentuale Anstieg zwischen den ersten beiden
Durchgängen beträgt 17.7%, zwischen den letzten 9%.
Gruppe A&S
Anzahl behaltener Gegenstände
20.00
18.06
15.00
10.00
13.22
15.33
15.56
m = 1.94
18.28
17.11
15.94
13.05
11.11
5.00
0.00
Durchgang 1
Durchgang 2
Durchgang 3
MW
13.22
15.56
17.11
MW-SA
11.11
13.05
15.94
MW+SA
15.33
18.06
18.28
Stichprobengrösse: 9
Abbildung 13: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe A&S
24
3.1.2
Gruppe A&H
In der Gruppe A&H sank die Gegenstandsanzahl von 2 Schülern zwischen den ersten beiden
Durchgängen, war jedoch im dritten höher als im ersten. Ein Schüler erreichte im dritten
Durchgang das Maximum von 20 Gegenständen. Die restlichen Schüler haben sich
kontinuierlich gesteigert.
Zwischen den ersten beiden Durchgängen beträgt der prozentuale Anstieg 31.25%, zwischen
den letzten 11.11%.
Gruppe A&H
Anzahl behaltener Gegenstände
20.00
15.00
10.00
16.24
15.80
17.90
17.35
m = 2.1
19.19
16.61
14.25
13.70
11.16
5.00
0.00
Durchgang 1
Durchgang 2
Durchgang 3
MW
13.70
15.80
17.90
MW-SA
11.16
14.25
16.61
MW+SA
16.24
17.35
19.19
Stichprobengrösse: 10
Abbildung 14: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe A&H
25
3.1.3
Gruppe M&S
Die Gruppe M&S zeichnet sich dadurch aus, dass jeder Schüler mit jedem weiteren Male
mehr Gegenstände hat behalten können; außer einem, der in den ersten beiden Durchgängen
die gleiche Leistung erbracht hat.
Man erkennt zusätzlich, dass sich die Testkandidaten im dritten Durchgang durchschnittlich
doppelt so viele Gegenstände eingeprägt haben als im Startdurchgang. Der prozentuale
Anstieg zwischen der ersten und letzten Runde beläuft sich auf 110%; die Fähigkeit der
Informationsspeicherung hat sich mehr als verdoppelt.
Gruppe M&S
Anzahl behaltener Gegenstände
20.00
19.07
16.63
15.62
15.00
m = 4.38
12.50
10.00
9.12
7.88
14.18
9.38
6.63
5.00
0.00
Durchgang 1
Durchgang 2
Durchgang 3
MW
7.88
12.50
16.63
MW-SA
6.63
9.38
14.18
MW+SA
9.12
15.62
19.07
Stichprobengrösse: 8
Abbildung 15: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe M&S
26
3.1.4
Gruppe M&H
3 Schüler haben im dritten Durchlauf alle Gegenstände gewusst. Einer davon sogar schon in
der zweiten Runde. Der prozentuale Zuwachs des Gegenstandsdurchschnittes nimmt mit
jedem Lauf weiter ab; von 36% auf 17.3%.
Gruppe M&H
20.10
Anzahl behaltener Gegenstände
20.00
18.30
15.50
15.00
17.60
m= 3.1
14.31
15.10
12.70
11.40
10.00
8.49
5.00
0.00
Durchgang 1
Durchgang 2
Durchgang 3
11.40
15.50
17.60
MW-SA
8.49
12.70
15.10
MW+SA
14.31
18.30
20.10
MW
Stichprobengrösse: 10
Abbildung 16: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe M&H
27
3.2
Vergleiche
3.2.1
Ausgeschlafen – müde
Die erste Hypothese (siehe 1.2 Fragestellung und Hypothese) beschäftigt sich mit dem
Vergleich der Bedingungen ausgeschlafen und müde. Da alle Testprobanden satt (siehe
Abbildung 17) bzw. müde (siehe Abbildung 18) waren, dürfen wir letztere weglassen.
Die Gruppe A&S erzielt in jedem Durchgang eine höhere Leistung als die Gruppe
M&S. Letztere holt jedoch rasch auf und erreicht erstere knapp mit einer Differenz von 0.48
Gegenständen. Knapp ist aber nicht ganz. Somit ist auch die Hypothese 1a) bewiesen, die eine
bessere Leistung der Gruppe A&H gegenüber der Gruppe M&H in allen drei Durchgängen
vorausgesagt hat.
Wenn man zudem den ersten Durchlauf der beiden Gruppen A&S bzw. M&S betrachtet, stellt
man fest, dass der Leistungsunterschied 67.7% zugunsten der Ausgeschlafenen beträgt. Die
Hypothese 1b) ist somit bestätigt worden.
Vergleich Gruppe A&S vs. M&S
Anzahl behaltener Gegenstände
25.00
20.00
15.00
10.00
13.22
15.33
15.56
18.06
17.11
18.28
16.63
15.94
19.07
15.62
14.18
12.50
13.05
11.11
7.88
9.12
9.38
6.63
5.00
0.00
1. D. (A&S)
2. D. (A&S)
3. D. (A&S)
1. D. (M&S)
1. D. (M&S)
3. D. (M&S)
MW
13.22
15.56
17.11
7.88
12.50
16.63
MW-SA
11.11
13.05
15.94
6.63
9.38
14.18
MW+SA
15.33
18.06
18.28
9.12
15.62
19.07
Abbildung 17: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests zwischen den Gruppen
A&S und M&S
28
Vergleich Gruppe A&H vs. M&H
Anzahl behaltener Gegenstände
25.00
20.00
15.00
16.24
13.70
10.00
15.80
17.35
17.90
20.10
19.19
18.30
16.61
15.50
15.10
14.31
14.25
12.70
11.40
11.16
17.60
8.49
5.00
0.00
1 D. (A&H)
2. D. (A&H)
3. D. (A&H)
1. D. (M&H)
2. D. (M&H)
3. D. (M&H)
MW
13.70
15.80
17.90
11.40
15.50
17.60
MW-SA
11.16
14.25
16.61
8.49
12.70
15.10
MW+SA
16.24
17.35
19.19
14.31
18.30
20.10
Abbildung 18: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests zwischen den Gruppen A&H
und M&H
Dieser Vergleich bestätigt die in Abbildung 17 aufgestellten Behauptungen.
In beiden Grafiken wird ersichtlich, dass der Mittelwert der vier Gruppen mit jedem
zusätzlichen Durchgang um mindestens 1 Gegenstand gestiegen ist, was die 3. Hypothese
bestätigt.
29
Hungrig – satt
3.2.2
Die zweite Hypothese (siehe 1.2 Fragestellung und Hypothese) überprüft, ob hungrige oder
satte Menschen eine bessere Leistung erbringen.
Der Lernprozess – repräsentiert durch die Steigung15 der schwarzen Linien in der Abbildung
19 bzw. Abbildung 20 – beträgt bei der Gruppe A&H 30.66% und bei der Gruppe A&S
29.43%. Die Differenz beläuft sich also auf 1.23% zugunsten der Hungrigen.
Die zweite Mutmaßung um -3.23% widerlegt worden.
Vergleich Gruppe A&H vs. A&S
Anzahl behaltener Gegenstände
25.00
20.00
15.00
16.24
13.70
15.80 17.35
17.90 19.19
14.25
13.22
11.16
10.00
18.06
16.61
15.33
15.56
17.11 18.28
15.94
13.05
11.11
5.00
0.00
1 D. (A&H)
2. D. (A&H)
3. D. (A&H)
1. D. (A&S)
2. D. (A&S)
3. D. (A&S)
MW
13.70
15.80
17.90
13.22
15.56
17.11
MW-SA
11.16
14.25
16.61
11.11
13.05
15.94
MW+SA
16.24
17.35
19.19
15.33
18.06
18.28
Abbildung 19: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests zwischen den Gruppen A&H
und A&S
Obwohl der Unterschied zwischen den Mittelwerten des ersten Durchganges nicht markant
ist, haben die Hungrigen leicht besser abgeschnitten. Trotzdem haben alle Hungrigen in
diesem Durchgang besser abgeschnitten.
15
In Prozent %
30
Vergleich M&H vs. M&S
Anzahl behaltener Gegenstände
25.00
20.10
20.00
18.30
15.50
15.00
17.60
16.63
15.62
15.10
14.31
12.50
12.70
11.40
10.00
7.88
8.49
9.12
19.07
14.18
9.38
6.63
5.00
0.00
1. D. (M&H)
2. D. (M&H)
3. D. (M&H)
1. D. (M&S)
1. D. (M&S)
3. D. (M&S)
MW
11.40
15.50
17.60
7.88
12.50
16.63
MW-SA
8.49
12.70
15.10
6.63
9.38
14.18
MW+SA
14.31
18.30
20.10
9.12
15.62
19.07
Abbildung 20: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests zwischen den Gruppen M&H
und M&S
Hier variieren die Lernprozesse, somit auch die Steigungen, noch stärker, denn alle
Probanden dieses Tests (siehe Abbildung 20 oben) waren müde. (vgl. 4.1 Der Einfluss von
Cortisol
auf
die
Gedächtniskonsolidierung)
Die Gruppe M&H weist eine Steigung von 54.39%, die Gruppe M&S eine von 111.04% auf.
Somit ergibt sich ein Unterschied von 56.65% zugunsten der Satten.
In dieser Grafik ist die zweite Annahme nicht wie in der ersten bestätigt worden.
Dieser Vergleich bestätigt zudem, dass der durchschnittliche Behaltenswert der Gruppe M&H
in allen Durchgängen höher ist als in der M&S–Gruppe. Die Fakten in Abbildung 19 haben
sich bewahrheitet.
31
3.3
Gruppenfazit
Dier erste Hypothese ist bestätigt worden. Der Mittelwert der erinnerten Gegenstände ist in
der Gruppe A&S bzw. A&H in allen Durchgängen immer grösser als bei der Gruppe M&S
bzw. M&H.
Ebenso ist der Mittelwert der Gruppe A&S bzw. A&H im ersten Durchgang um 20% höher
als bei der Gruppe M&S bzw. M&H.
Dass die Steigung zwischen dem ersten und letzten Durchgang der Gruppe A&S um 2%
grösser ist als zwischen der Gruppe A&H, wurde durch die Resultate widerlegt; die Gruppe
A&H hat sogar um 1.23% besser abgeschnitten. Die Gruppe M&S weist jedoch eine mehr als
doppelt so hohe Steigung auf.
Zum Schluss ist bei jeder Gruppe der Mittelwert in jedem Durchgang um mindestens ein
Gegenstand gestiegen.
Schlussbemerkung
Es muss festgehalten werden, dass die Probanden sowohl betreffend der Nahrungsaufnahme
bzw. des Schlafverhaltens nicht überprüft werden konnten. Eine gewisse Fragwürdigkeit der
Repräsentanz kann somit nicht ausgeschlossen werden.
32
4.
Diskussion
4.1
Der Einfluss von Cortisol auf die
Gedächtniskonsolidierung
Ausgeschlafene können am darauffolgenden Tag besser lernen als müde. Warum?
Nach Ebbinghaus und G. E. Müller wird das vorher Gelernte durch anschliessende
Ablenkungen in seiner Fixierung beeinträchtigt. Je weniger anstrengende Aktivitäten nach
dem Lernen folgen, desto positiver wirkt sich das auf das Behalten aus. Der
Fixierungsvorgang des Gelernten im Ruhezustand läuft schneller als im Wachzustand ab.
In meinem Test ging es um das Lernvermögen nach kurzem und langem Schlaf. Gemäss
meinen Erwartungen ist ein Ausgeschlafener lernfähiger als ein Müder.
Giulio Tononi und Chiara Cirelli der Universität Wisconsin haben festgestellt, der Schlaf
diene dazu, dass sich die Synapsen von der Anstrengung des Tages erholen müssten. Dafür
notwendig ist eine normale Schlafstruktur, wie man sie heute mit den verschiedenen
Schlafstadien kennt. Die Verbesserung der Gedächtniskonsolidierung durch den Schlaf wurde
auch durch ein Experiment von Jenkins und Dallenbach bestätigt.
Die Probleme einer Dauerbelastung wären, dass die Synapsen zu viel Energie benötigten
(siehe 1.3.5.3 Synaptische Plastizität) und zu viel Platz beanspruchen würden. Das Gehirn
könnte somit am folgenden Tag Eindrücke und Erfahrungen nicht mehr verarbeiten; es käme
zu einer schlechteren Behaltensleistung. (Schlaf und Gedächtnis, S. 3)
Damit das Gedächtnis neuen Platz für die Informationsflut des nächsten Tages schaffen kann,
muss es Zeit haben, das Gelernte zu verankern, das heisst zu konsolidieren. Doch wann läuft
dieser Prozess überhaupt ab? Dazu stellt man sich einen durchschnittlichen, menschlichen
Schlafzyklus vor. Dieser besteht aus zwei verschiedenen Schlafphasen, die sich gegenseitig
abwechseln, jedoch unterschiedlich verteilt sind.
33
Der sogenannte DeltaSchlaf16 dominiert die
erste Nachthälfte17, der
REM-Schlaf18
zweite.
Heute
fest,
dass
die
steht
die
verschiedenen
Schlafstadien
unterschiedlich
Abbildung 21: Menschlicher Schlafzyklus mit REM- und Delta-Schlaf (=
Tiefschlaf)
zur
menschlichen
Informationsverarbeitung beitragen. (Schlaf und Gedächtnis, S. 2) Eine Studie ist zudem zum
Schluss gekommen, dass 20 bis 95% mehr deklarative Informationen (1.3.2.2.1 Deklaratives
Gedächtnis) nach dem Behaltensschlaf in NH1 abgerufen werden konnten als nach dem
Retentionsschlaf19 in NH2 und einem direkt angehängten Retentionsintervall 20. (Kuhne-Velte,
2002, S. 8) Solche extremen Leistungssteigerungen wurden bis jetzt weder nach langen REMSchalfphasen noch nach dem Lernen nicht-deklarativer Lerninhalte gemessen. Somit wird in
der ersten Hälfte des nächtlichen Schlafes das deklarative Gedächtnis konsolidiert. Warum
aber genau in der ersten?
Damit wir Menschen müde werden, sorgt das Cortisol. Ein in den Nebennierenrinden
sezernierte Hormon, welches das wichtigste unter den Glukokortikoiden darstellt, wird in der
ersten Nachthälfte für ca. 4 – 6 Stunden unterdrückt, davon besonders stark in den ersten 3
Stunden. Die höchsten und auch die niedrigsten Cortisolspiegel sind während des Schlafes zu
beobachten. In der ersten durch den Delta-Schlaf charakterisierten ersten Nachthälfte erreicht
die Cortisolkonzentration ihren Tiefpunkt. In der NH2, die zirka 200 Minuten nach dem
Einschlafen anfängt, beginnt die Konzentration dieses Hormons steil anzusteigen.
Jetzt ist erklärbar, warum die ausgeschlafenen Testkandidaten eine bessere Leistungsbilanz
haben als die müden. Die Schüler hatten einen bestimmten Rhythmus, weil sie immer etwas
um die gleiche Zeit ins Bett gingen. Dieser Rhythmus kann beeinflusst werden, wie das die
müden Probanden taten, jedoch ist das System träge. Denn die „innere Uhr“, welche die
Abfolge von Schlaf- und Wachzeiten bestimmt, passt sich sehr langsam an. (Stosszeit für die
= Tiefschlaf
= später NH1 bzw. NH2
18 REM = Rapid Eye Movement; REM-Schlaf auch Traumschlaf genannt
19 Synonym Behaltensschlaf
20 = starkes Abfallen der Behaltensleistung innerhalb der ersten 3 Stunden (website)
16
17
34
Lernmaschine, März 2011) Wenn der Schlafzustand um 9 Uhr abends einsetzt, man aber um
Elf abends erst ins Bett geht, hat man die schon den grössten Teil der ersten Nachthälfte
verpasst. Denn es gibt eine innere Uhr, die sagt, wann Cortisol ausgeschüttet werden muss.
Und diese ändert sich nicht von einem Tag auf den anderen, gleich wie auch zum Beispiel der
Jetlag. (quelle …) Die Kandidaten, welche erst ab 23:00 Uhr ins Bett gingen, verpassten also
zwei Drittel der Phase mit niedrigem Cortisolspiegel.
Ein anderer Ansatz für die schlechtere Leistung bei den Müden ist, dass man im Delta-Schlaf
physiologisch weniger erregt ist als im REM-Schlaf. Die sogenannte Verfallstheorie besagt
nämlich, dass bei dieser Erregtheit die Konsolidierung nicht richtig abläuft bzw. gestört ist.
Aber genau aus solchen Rhythmusstörungen folgt, dass die Bildung des deklarativen
Gedächtnisses beeinträchtigt ist, weil der Codierungsvorgang im Hippocampus wird verkürzt
wird.
Somit ist das zweite Sprichwort „Wer viel schläft, lernt wenig.“ nur ein Mythos. Jedoch
muss man nicht nur viel schlafen, sondern auch richtig schlafen; genau in der ersten
Nachthälfte und das deklarative Gedächtnis konsolidiert wird. Somit entspricht meine
Erwartung der Wahrheit. (Kuhne-Velte, 2002, S. 7,9,17,19)
Bei Multitasking, wie etwa paralleles Musikhören, setzt die notwendige Nachreifung nicht
ein. (Guyer, 1967, S. 111ff.)
4.2
Das multifunktionale Ghrelin
Die hungrigen Probanden schnitten entgegen meinen Erwartungen im ersten Durchgang
deutlich besser ab als die satten. Warum denn das? Eine aktuelle US-Studie zeigt auf, dass
Hunger die Gedächtnisleistung verbessern kann. Grund dafür ist ein von den Zellen der
Magenschleimhaut produziertes Hormon Ghrelin, das für unser Appetitgefühl verantwortlich
ist. Der schon lang anhaltende Befund, dass dieser Botenstoff noch andere Funktionen
ausübe, wurde nun von Tamas Horvath und seinen Kollegen an der Yale-Universität in New
Haven bestätigt.
Getestet an Laborratten verbesserte Ghrelin die Zusammenarbeit der Nervenzellen im
Hippocampus. Dies ist insofern interessant, speichert das Hirn in dieser Region doch neue
Informationen ab. Die Ratten, welche aufgrund eines Gen-Defektes kein Ghrelin produzieren
konnten, rund ein Viertel weniger Synapsen im Hippocampus als ihre genetisch
unveränderten Artgenossen.
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Somit ist „Plenus venter, non studet libenter.“ bewiesen. Ein voller Bauch studiert nicht
gern, aber ein leerer umso besser. (Hunger schärft das Gedächtnis, S. 1)
Jedoch schmolz ist der anfangs deutliche Vorsprung nach dem dritten Durchgang gewaltig
geschmolzen. Warum denn das? Ab dem zweiten Durchgang wird der Lernprozess nicht mehr
nur durch die Startbedingungen, sondern auch zusätzlich durch die Langzeitpotenzierung
bestimmt. Was das ist überhaupt? Die Antwort dazu und zur letzten Hypothese folgt im
nächsten Unterkapitel.
36
4.3
Übung macht den Meister
Übung macht den Meister spricht die Langzeitpotenzierung an, die der synaptischen
Plastizität zugrunde liegt. Dieser Vorgang im Gehirn ist unsere Lebensgrundlage. Ohne diese
Fähigkeit wäre ein Mensch unfähig zu denken. Mit der Plastizität verändert sich unsere
Gehirnstruktur, indem Synapsen entweder verstärkt oder sogar neu gebildet oder abgebaut
werden.
Während den drei Durchgängen passierten die Bilder verschiedene Gedächtnisstufen.
Als die Probanden die Folie mit den Gegenständen zum ersten Mal sah, gelangten diese direkt
ins KZG. Aber wurden Sie trotzdem besser, obwohl die Gegenstände für alle Teilnehmenden
immer im KZG gespeichert blieben und nie ins LZG übergingen? Und warum können die
Teilnehmenden heute wahrscheinlich nur noch sehr wenige, vor 4 Monaten gelernte
Gegenstände abrufen?
Erstens einmal findet die Gedächtniskonsolidierung nachts während dem Delta-Schlaf statt,
wobei dort auch nur die wichtigsten Informationen langfristig abgelegt werden. Dies erklärt
auch, warum KZG-Inhalte mehrere Tage erhalten bleiben können. Doch wie erklärt man
trotzdem die teilweise signifikante Leistungssteigerung?
KZG-Inhalte werden innerlich kontinuierlich wiederholt. Auf neuronaler Ebene geben dabei
Neuronen periodisch Aktionspotenziale ab. Somit werden auch insgesamt mehr Transmitter
in den synaptischen Spalt entlassen. Dadurch werden schliesslich die Verbindungen zwischen
den Nervenzellen verstärkt. (siehe 1.3.5.3 Synaptische Plastizität) Somit können
Informationen beim nächsten Male schneller abgerufen werden. Zusätzlich werden die neue
Gegenstände auch rascher in diesem Regelkreis aufgenommen. weil die schon vorhandenen
nicht mehr aufgenommen werden müssen. (Gedächtnis: Wiederhohlung macht den Meister)
„Übung macht den Meister.“ ist also bewiesen.
37
5.
Zusammenfassung
Folgt noch…
38
6.
Quellenverzeichnis
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Vester, F. (2006). Denken, Lernen, Vergessen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag
GmbH.
7.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ausgewählte Sprichwörter ............................................................................................... 4
Abbildung 2: Lern- und Vergessenskurve von Ebbinghaus ............................................................ 4
Abbildung 3: Gedächtnismodell .............................................................................................................. 10
Abbildung 4: Der „Flaschenhals“ der Informationsverarbeitung .............................................. 12
Abbildung 5: Bild der grauen Gehirnrinde der linken Gehirnhälfte eines Menschen mit
den verschiedenen Gebieten und deren Funktionen ..................................................................... 13
Abbildung 6: Darstellung einer Synapse ............................................................................................. 16
Abbildung 7: Chemische Weiterleitung des elektrischen Impulses an der Synapse.......... 16
Abbildung 8: Kreislauf der Protease ..................................................................................................... 17
Abbildung 9: Vorgang der Langzeitpotenzierung auf neuronaler Ebene .................................. 19
Abbildung 10: Grafische Darstellung des Testablaufes ........................................................................ 23
Abbildung 11: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe A&S ............... 24
Abbildung 12: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe A&H .............. 25
Abbildung 13: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe M&S .............. 26
Abbildung 14: Mittelwert und Standardabweichung des Tests der Gruppe M&H ............. 27
Abbildung 15: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests
zwischen den Gruppen A&S und M&S .................................................................................................. 28
Abbildung 16: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests
zwischen den Gruppen A&H und M&H ................................................................................................ 29
Abbildung 17: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests
zwischen den Gruppen A&H und A&S .................................................................................................. 30
Abbildung 18: Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen des Tests
zwischen den Gruppen M&H und M&S ................................................................................................ 31
Abbildung 19: Menschlicher Schlafzyklus mit REM- und Delta-Schlaf (= Tiefschlaf) ....... 34
Abbildungsquellen des Titelblattes:
1.
Neuron:
(Neuron)
2.
Mann mit Geige auf Fahrrad:
(Mann auf Fahrrad)
3.
Knabe vor vielen (Schul-)büchern: (Knabe vor vielen (Schul)büchern)
4.
Schlafende Frau:
(Schlafende Frau)
40
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