Making chaos visible

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Das Chaos sichtbar machen
Wiener Forscher entwickeln zum 50-jährigen
„Chaos-Jubiläum“ eine neue Visualisierungs-Methode
Exakt 50 Jahre nach der Entdeckung von Chaos durch den US-Amerikanischen
Meteorologen Edward Lorenz (erinnern Sie sich an den "Butterfly-Effekt"!) übt das Thema
noch immer eine ungebrochene Faszination aus. Eine neue, an der Universität Wien
entwickelte Visualisierungtechnik hilft nun, Chaos für das menschliche Auge besser
erkennbar zu machen.
Die Schwingungszustände eines dynamischen (chaotischen) Systems konnten bislang nur
durch Verfahren dargestellt werden, welche von Nicht-Mathematikern schwer zu
interpretieren sind bzw. mehrere Abbildungen benötigen. Eine Arbeitsgruppe um den
Biophysiker Dr. Christian Herbst vom Department für Kognitionsbiologie der Universität
Wien hat nun in Zusammenarbeit mit dem Chaos-Experten Dr. Hanspeter Herzel von der
Charité in Berlin ein neuartiges Visualisierungsverfahren für derartige Phänomene
entwickelt: das sogenannte „Phasegram“. Dieses Verfahren erlaubt es, die Symptome von
Systemen „auf dem Weg zum Chaos“ intuitiv in einer einzigen Abbildung sichtbar zu
machen. Die in der Fachzeitschrift Royal Society Interface publizierte Methode ermöglicht
die einfache Interpretation von chaotischen bzw. chaos-nahen Phänomenen und bringt so
die faszinierende Welt der Chaostheorie einer breiteren Öffentlichkeit näher.
Bibliographische Information:
Herbst CT, Herzel H, Svec JG, Wyman MT, Fitch WT. 2013 Visualization of system
dynamics using phasegrams. J R Soc Interface 20130288.
http://dx.doi.org/10.1098/rsif.2013.0288
Kontakt:
Universität Wien
Department für Kognitionsbiologie
Althanstrasse 14
1090 Vienna, Austria
Dr. Christian Herbst: +43-1-4277-76101 – [email protected]
Presseaussendung für: Herbst et al., Visualization of system dynamics using phasegrams. J R Soc Interface 20130288
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Prof. Tecumseh Fitch: [email protected]
Nadja Kavcik (Secretary): +43-1-4277-76101 (Fax: +43-1-4277-9761) [email protected]
Presseaussendung für: Herbst et al., Visualization of system dynamics using phasegrams. J R Soc Interface 20130288
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Phasegram – die Visualisierungsmethode im Überblick
Chaos ist nicht purer Zufall, sondern kommt durch die Fähigkeit eines simplen Systems,
unter bestimmten Rahmenbedingungen komplexes unregelmäßiges Verhalten zu
erzeugen, zustande. Dies trifft auf viele in der Natur vorkommende Phänomene zu:
Wetter, Herzrhythmus, Modelle für Bevölkerungswachstum, Wirtschaftsdaten, bestimmte
chemische Reaktionen oder die Stimme von Mensch und Tier. Die langfristige
Vorhersagbarkeit des Verhaltens solcher Systeme wird schwierig, wenn sich
Rahmenbedingungen ändern oder nicht exakt bestimmt werden können - man denke nur
an die Wettervorhersage.
Ein periodisch schwingendes System kann unter bestimmten Umständen durch die
minimalste Änderung eines einzigen Einflussfaktors abrupt in chaotisches Verhalten
umspringen. Es kann aber auch verschiedene Symptome "auf dem Weg zum Chaos"
zeigen: so genannte Periodenverdopplungen bzw. subharmonische Schwingungen, sowie
abrupte Sprünge zwischen verschiedenen periodischen Schwingungsarten. Das Schreien
von Babys oder das "Kicksen" von Knaben im Stimmbruch sind aus dem Leben gegriffene
Beispiele hierfür.
Überhaupt ist die Stimme von Mensch und Tier ein eindrucksvolles und sehr lebensnahes
Beispiel eines einfachen dynamischen Systems welches imstande ist Chaos zu erzeugen.
Daher wird die Phasegram-Methode im Folgenden am Beispiel eines im Labor zur
Tonproduktion angeregten Hirsch-Kehlkopfes erläutert (siehe beiliegendes Video).
Ausgangspunkt ist ein Zeitsignal, das ist eine in regelmäßigen Abständen von ca. 0.02 ms
aufgenommene Reihe von Messdaten, welche die Schwingung der Stimmlippen
repräsentiert (siehe Abb. 1). Es folgen zwei Verarbeitungsschritte: ein mathematisch
relativ komplexer (Abb. 2) und einer, in welchem das Verhalten des Systems auf einen
extrem einfachen Nenner gebracht wird (Abb. 3).
Abb. 1: Ausschnitt (160 ms) des Zeitsignals, welches die Schwingung der Stimmlippen im untersuchten
Hirschkehlkopf repräsentiert. Die in der Abbildung dargestellte Wellenform ist irregulär, d.h. nicht
periodisch.
In regelmäßigen Abständen werden Ausschnitte des oben beschriebenen Zeitsignals in
einen so genannten zweidimensionalen Phasenraum eingebettet, und zwar mittels eines
vor ca. 30 Jahren beschriebenen mathematischen Verfahrens (siehe Abb. 2). Es entsteht
eine geometrische Figur, welche je nach Systemverhalten eine distinkte Charakteristik
aufweist. Ein Schnitt durch den Phasenraum (die orange Diagonale in Abb. 2) ergibt die in
Abb. 2 rot gekennzeichneten Schnittpunkte.
Presseaussendung für: Herbst et al., Visualization of system dynamics using phasegrams. J R Soc Interface 20130288
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Presseaussendung für: Herbst et al., Visualization of system dynamics using phasegrams. J R Soc Interface 20130288
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Abb. 2: Zwischenergebnis des Phasegram-Verarbeitungsalgorithmus: Einbettung des untersuchten
Zeitsignals (blau) in einem so genannten zweidimensionalen Phasenraum. Die Schnittpunkte (rot)
entlang der orangen Diagonalen werden weiter verarbeitet.
Die Schnittpunkte im Phasenraum werden in regelmäßigen Abständen entlang einer
Zeitachse aufgetragen (Abb. 3). Das resultierende Phasegram ist sehr leicht zu lesen: Zeit
verläuft entlang der (horizontalen) x-Achse. Die Anzahl der Linien entlang der
(vertikalen) y-Achse lässt auf das Systemverhalten zum jeweiligen Zeitpunkt schließen:




eine Linie: keine Oszillation (Stillstand des Systems)
zwei Linien: periodische Schwingung
vier, sechs, acht etc. Linien: Periodenverdopplung, subharmonische Schwingungen
keine durchgängigen Linien: Irreguläres Systemverhalten, Indikator für Chaos
Abb. 3: Phasegram einer im Labor erzeugten Tonproduktion eines Hirschkehlkopfes. Zeit ist entlang der
(horizontalen) x-Achse, und die im Phasenraum gefundenen Schnittpunkte sind entlang der (vertikalen)
y-Achse aufgetragen.
Wie oben erwähnt, zeigt Abb. 3 das Phasegram eines im Labor künstlich zur
Tonproduktion angeregten Hirschkehlkopfes. Der zum Antrieb der Stimmlippen des
Hirsches maßgebliche Luftdruck wurde im Versuchsaufbau als einzige Größe graduell
verändert: Während der ersten Hälfte des Versuches (0 – 9 Sekunden) steigt der Luftdruck
graduell an, danach sinkt er mit gleichbleibender Rate. Der Versuch zeigt auf
eindrucksvolle Weise die Fähigkeit eines einfachen Systems, Chaos bzw. Vorstufen dazu
zu erzeugen: Trotz der stetigen Veränderung des Luftdrucks ändern sich die gefundenen
Schwingungsformen abrupt, die Reihenfolge der durchlaufenen Modi (Stillstand,
periodisch, irregulär, Periodenverdopplung, periodisch) ist symmetrisch für
zunehmenden bzw. abnehmenden Luftdruck. Das Auftreten der einzelnen
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Schwingungsformen abhängig vom verwendeten Luftdruck ist im Versuchsaufbau bei
gleichbleibenden Rahmenbedingungen verlässlich reproduzierbar.
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