1. NEZI-Konferenz in Zürich, 7./8. November 2013 Abstracts des Referats und der Workshops Inputreferat (Prof. Dr. Janine Dahinden, Universität Neuchâtel) Anmerkungen zum Kulturbegriff Ausgangspunkt meines Referats ist die Feststellung, dass das «Kulturargument» gegenwärtig eines der der zentralen Elemente ist, wie sozialer Ausschluss entlang von ethnischreligiösen Grenzlinien im Zusammenhang mit Migration erstellt wird. Ziel dieses Referats ist deshalb eine kritische Reflexion des Kulturbegriffs. Ich werde insbesondere argumentieren, dass es aus einer sozialwissenschaftlichen Sicht notwendig scheint, zwischen einem analytischen und einem ‚common-sense‘ Kulturbegriff zu unterscheiden und dass hierbei Einsichten aus der Ethnizitätsforschung von Nutzen sind. Workshop 1 (Dr. Brigit Allenbach, Universität Fribourg und PH Zürich) Bildungsaspirationen von albanischen Jugendlichen in der Schweiz In meiner Forschung im Nationalen Forschungsprogramm NFP 58 habe ich mich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie es für albanische Kinder und Jugendliche ist, in der Schweiz aufzuwachsen. Welche Strategien entwickeln diese Jugendlichen, um sich hier zu Hause zu fühlen? Welche Rolle spielen dabei Schule, Freizeit, Familie und die Beziehungen zu Gleichaltrigen? Was bedeutet ihnen das Herkunftsland der Eltern? Wie leben sie die albanische Kultur in der Schweiz? Welche Bedeutung hat Religion in ihrem Alltag? Diese Fragen zur kulturellen Identität sind zwar für die Jugendlichen selber durchaus relevant, da sowohl von den Schweizern als auch von der ersten Migrationsgeneration selber die kulturellen Differenzen zwischen den beiden Gruppen hervorgehoben werden. Doch ist der Migrationshintergrund nur ein Aspekt in der Lebenswelt von albanischen Jugendlichen in der Schweiz. Auf die Frage nach ihrem grössten Wunsch (oder Problem) haben die Jugendlichen generell den erfolgreichen Abschluss von Schule und Ausbildung genannt. In meinem Beitrag möchte ich deshalb näher auf die Bildungsaspirationen von albanischen Jugendlichen eingehen. Bildung ist in modernen Gesellschaften eine wichtige Voraussetzung für Integration und gesellschaftliche Partizipation. Viele Jugendliche betonten, dass die Eltern selbst es in ihren Herkunftsländern schon irgendwie geschafft hätten, über die Runden zu kommen. Die Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder in der Schweiz waren oft ein wichtiges Motiv für den Familiennachzug, vor allem nach der Auflösung Jugoslawiens in den 90er Jahren. Auch Väter und Mütter, die selbst keine oder nur sehr wenig Schulbildung haben, wissen um die zentrale Bedeutung von Bildung für eine bessere Zukunft und für sozialen Aufstieg. Wie auch anderen Forschungen zeigen, wird mit der Migration das Projekt des sozialen Aufstiegs auf die nächste Generation übertragen. Die zentrale Bedeutung von Ausbildung und Beruf für albanische Jugendliche in der Schweiz soll im Workshop anhand von Fallbeispielen illustriert werden. Wir werden den Blick auf die folgenden drei Aspekte richten: 1) Albanische Jugendliche und Prozesse des Andersmachens bei der Lehrstellensuche; 2) Familie und Tradition als Zufluchtsort 3) Schulerfolg und sozialer Aufstieg als Grundlage für gesellschaftliche Anerkennung. Abschliessend soll die Frage diskutiert werden, wie soziale Mobilität und transnationale Zugehörigkeit miteinander verknüpft sind. 1 Workshop 2 (Prof. Dr. Andrea Haenni Hoti; Pädagogische Hochschule Luzern) Akkulturation, psychosoziale Adaptation und Bildungserfolg: Jugendliche mit albanischem, italienischem und portugiesischem Migrationshintergrund im Vergleich In diesem Workshop werden Ergebnisse der Schweizer MIRIPS-Studie (Mutual Intercultural Relations in Plural Societies) vorgestellt, in der die Akkulturationsstrategien von Jugendlichen mit albanischem, italienischem und portugiesischem Migrationshintergrund untersucht wurden. Akkulturationsstrategien umfassen Einstellungen und Verhaltensweisen, die sich in alltäglichen interkulturellen Begegnungen zeigen. Orientieren sich Jugendliche eher an den Normen und Traditionen der Herkunftskultur (ihrer Eltern) oder an der dominanten Mehrheitskultur der deutschsprachigen Schweiz (oder an beidem)? Und wie stehen sie der kulturellen Vielfalt in ihrer Umgebung gegenüber? Ausserdem wurde der Zusammenhang zwischen Akkulturationsstrategien, psychosozialer Adaptation (Lebenszufriedenheit etc.) und Bildungserfolg der Jugendlichen untersucht. Die Stichprobe bestand aus insgesamt 1526 Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe, die in städtischen Gebieten wohnhaft sind. Im Anschluss an die Präsentation werden die Ergebnisse der Studie von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gemeinsam reflektiert und diskutiert. Workshop 3 (Shpresa Jashari, Shqipe Bajrami, Ylfete Fanaj) Diskussionsforum mit Secondas zu ausgewählten Aspekten des Aufwachsens in und zwischen zwei Kulturen – Leben im ‚Hier und Dort’: Doppelte Belastung oder doppelte Chance? Die Generation der Jungen war und ist an allen Orten und zu allen Zeiten mehr oder minder stark dem Spannungsfeld des „Dazwischenseins“ ausgesetzt: Zwischen „früher“ und „heute“, zwischen den Forderungen der Eltern und denjenigen eines sich wandelnden Zeitgeistes, zwischen Eingliederung in die Gesellschaft und Neuerfindung derselben. Zu diesen Spannungsfeldern gesellt sich vor dem Hintergrund der Globalisierung eine weiteres folgenreiches „Dazwischen“, welches das Leben junger Menschen stark prägt: Dasjenige von Herkunfts- und Migrationsgesellschaft. Der Einfluss zweier zum Teil stark divergierender Norm- und Referenzsysteme ist spürbar auf nahezu allen Ebenen und in allen möglichen Bereichen des täglichen Lebens: Sprache, Bildung und Beruf, wirtschaftliche und soziale Position (in Herkunfts- und Migrationsland), Familie und Partnerschaft, Freundschaften und Freizeitgestaltung, Wohnsituationen, Gesundheit, Staatsbürgerschaft, Ferien- gestaltung, Mediennutzung und den abstrakten aber sich im Alltag mannigfaltig manifestierenden Orientierungs-grössen Identität und Heimat. Im Workshop sollen die drei Aspekte Bildung/sozialer Status, Familie/Partnerschaft und Identität/Heimat mit Bezug auf die albanische Diaspora in der Schweiz exempla-risch herausgegriffen und anhand konkreter Diskurse aus Medien, Politik und Social Media mit den Teilnehmenden diskutiert werden. Unsere persönlichen und profes-sionellen Erfahrungen in Sachen ‚Aufwachsen und Leben als Second/a’ sollen dazu beitragen, einen plastischen, lebensnahen Einblick in die Thematik zu gewinnen. Wir wollen Probleme, (Auf)Reibungen und Belastungen aufzeigen, wie sie im migrationstypischen Spannungsfeld des ‚Hier und Dort’ entstehen, oft mit Ursachen in und Rückwirkungen auf beide(n) Gesellschaftskontexte(n). Wir möchten aber auch deutlich machen, dass in dieser Doppeltheit nicht nur das viel diskutierte Problem-hafte existiert, sondern dass im Seconda/osein auch eine doppelte Chance entdeckt werden kann, für diese selbst und ihre Umfelder. Die Identitäten von Seconda/os mit ihren spezifischen Problem- und Möglichkeits-räumen 2 bilden dabei ein spezifisches Drittes, eine neue kulturelle Ausprägung, die sich von den Normen und Strukturen der Herkunfts- und Migrationsgesellschaft unterscheiden. 3