Albanien: Das einstige Armenhaus Europas macht Fortschritte

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Albanien: Das einstige Armenhaus Europas macht Fortschritte
Erscheinungsdatum Website: 15.06.2012 12:25:02
Erscheinungsdatum Publikation: 19.06.2012
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Anteil der Menschen mit sehr geringen Einkommen ist deutlich gesunken /
Wirtschaftswachstum beträgt durchschnittlich 6%
BELGRAD (NfA/gtai)--Albaniens Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um circa 3,5%
gewachsen, gibt das Finanzministerium an. Laut dem Interationalen Währungsfonds (IWF)
waren es circa 2%. Eine aktuelle Bedrohung stellt die Euro-Krise dar. Noch ist Albanien im
Vergleich mit den Nachbarländern bemerkenswert stabil. Aufgrund der engen
Handelsverflechtungen mit Italien und Griechenland zeichnen sich aber negative Effekte
deutlich ab, schon allein deshalb, weil etwa 10% des BIP von den Überweisungen der mehr
als 1 Mio in diesen Ländern tätigen Albanern abhängen. Für viele albanische Familien stellen
diese Überweisungen eine Haupteinnahmequelle dar.
Das Land hat seit 1998 bedeutende Fortschritte auf dem Weg der Transformation von einer
kommunistischen in eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaft erzielt. Dabei zeigte sich
die Konjunktur inmitten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre
bemerkenswert stabil und wies - auch wegen des geringen Ausgangsniveaus - durchgehend
Wachstum auf. Gleichzeitig behindern zahlreiche teils strukturelle, teils hausgemachte
Probleme, vor allem die alle Bereiche erfassende Korruption, fehlende Rechtssicherheit,
Eigentumsproblematik und Staatsverschuldung, die weitere Entwicklung und neue
Investitionen.
Durch Wachstumsraten von im Durchschnitt 6% über die vergangenen zehn Jahre - ein
Spitzenwert in Europa - ist Albanien in die Reihe der Länder mittleren Einkommens
aufgerückt. Dennoch gehört der Staat im europäischen Vergleich nach wie vor zu den ärmsten
Ländern. Das BIP pro Kopf wird für 2011 vom Finanzministerium auf 4.066 USD geschätzt.
Es ist gelungen, den Anteil der in absoluter Armut lebenden Bevölkerung zu halbieren, aber
er beträgt immer noch 12,4%.
Ein Teil des Wachstums der vergangenen Jahre geht auf Strukturveränderungen zurück: Der
Anteil der landwirtschaftlichen Produktion und der überalterten Schwerindustrie schrumpften,
hingegen stieg die Bedeutung von Dienstleistungen und der verarbeitenden Industrie.
Probleme sind einerseits die zunehmende Konkurrenz durch andere arme Länder, andererseits
muss sich Albanien dem Wettbewerb mit Industrieländern stellen. Wachstumsmotoren sind
die Textil- und Schuhindustrie, der Handel und der Tourismus. Auch die Bauwirtschaft mit
einem Anteil von 9% am BIP und vor allem der Dienstleistungssektor, der 52% zum BIP
beiträgt, haben lange das Wachstum getragen.
Der Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP hat sich während des letzten
Jahrzehnts auf 18,1% halbiert. Sie bindet noch 47% der Arbeitskräfte und wird zumeist in
Subsistenzwirtschaft betrieben.
Investoren leiden unter gravierenden Defiziten in der Regierungsführung, bei
Eigentumsfragen, rechtlichen Regelungen, der Justiz sowie unter Korruption. Die
innenpolitische Stagnation ist auch ein wirtschaftliches Problem. Trotz mancher Fortschritte
durch strukturelle Reformen bleiben Anstrengungen zur Verbesserung des Investitionsklimas
und zum Schutz der Investoren notwendig.
Zudem bleibt die Infrastruktur stark verbesserungswürdig, wenngleich Projekte
internationaler Geber Wirkung zeigen. Positiv sind deutliche Verbesserungen beim Ausbau
des Straßennetzes zu bewerten. Spürbare Fortschritte wurden auch bei der Entwicklung des
Seehafens Durres erreicht. Er soll durch eine Vertiefung des Hafenbeckens einen größeren
Anteil am Seehandel mit Kosovo, Mazedonien und Griechenland erzielen.
Der einzige internationale Flughafen in Albanien, der Flughafen Tirana, wurde 2007 eröffnet
und arbeitet seither sehr erfolgreich. Betrieben wird er von einem Konsortium unter Führung
von Hochtief. Verhandlungen über die Auflösung des vertraglich vereinbarten Monopols des
Flughafens zugunsten eines weiteren Standortes im Süden des Landes zwecks Erschließung
des touristischen Potenzials dauern an. Auch dank deutscher Unterstützung gelang es, in
einigen Städten eine erhebliche Verbesserung der Wasserver- und Abwasserentsorgung zu
erreichen. So verfügen die Städte Korca und Pogradec mittlerweile über eine
Komplettversorgung mit sauberem Trinkwasser sowie über eine geordnete
Abwasserentsorgung.
Mängel bei der Energieversorgung stellen weiterhin ein Haupthindernis für Entwicklung dar.
Der Großteil des Stroms wird durch Wasserkraft im Norden des Landes produziert, die
Verbrauchszentren liegen aber an der Küste - es kommt zu Transmissionsverlusten. Nicht
kostendeckende Tarife und eine schlechte Zahlungsmoral erschweren nachhaltig den Aufbau
einer effizienten Energiewirtschaft. Die Regierung setzt auf die Schaffung neuer Kapazitäten
primär durch Wasserkraftwerke, eine bessere Anbindung Albaniens an das System der
europäischen Hochspannungsleitung-Versorgungsnetze und Reformen beim staatlichen
Versorger Kesh. Aufgrund der Defizite muss in Trockenzeiten mehr und mehr Energie teuer
importiert werden.
In der Schlussphase des kommunistischen Regimes überlebte Albanien ökonomisch vor allem
dank seiner Bodenschätze, die nach Jahren der Vernachlässigung wieder Interessenten finden.
Besonders der Chromexport nach Europa und Asien erlebte seit 2010 einen Aufschwung. Für
Öl-, Gas- und Bitumenvorkommen werden derzeit Lizenzen vergeben. Allerdings sind
Investitionen in diesem Bereich aufgrund von Intransparenz und kriminellen Strukturen
schwierig.
Die dramatische Umweltverschmutzung wird bisher kaum bekämpft. Ein Umweltbewusstsein
existiert in der Bevölkerung nicht. Das albanische Umweltministerium gilt als ineffizient und
verfügt kaum über Finanzmittel. Die Hoffnungen ruhen auf privaten und öffentlichen
Investitionen aus dem Ausland. Das deutsche Entsorgungsunternehmen Becker GmbH aus
Mehlingen betreibt seit 2010 in einem deutsch-albanischen Joint Venture eine Mülldeponie
nach europäischem Standard in Nordalbanien, leidet aber unter Problemen mit örtlichen
Behörden. Viele Kommunen halten bestehende Verträge nicht ein. Ähnliche von der
Regierung geförderte Projekte gibt es in Tirana, Durres oder Saranda. In ländlichen Gegenden
existiert noch keine Abfallentsorgung.
E./NfA/19.6.2012
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