predigthimmelfahrt2015fertig - kapernaum

Werbung
Liebe Gemeinde,
Himmelfahrt- was feiern wir da überhaupt? In Bethanien, also auf
dem Ölberg, östlich von Jerusalem, segnete der Auferstandene die
Jünger und während er das tat wurde er zum Himmel emporgehoben.
So erzählt es das Lukasevangelium. Wohin wurde er denn da
emporgehoben? Die Antwort, die Lukas gegeben hätte, damals, vor
2000 Jahren passt gar nicht mehr in unsere heutige Welterkenntnis
hinein. Denn dort, wo die Menschen damals den Himmel vermutet
haben, ist für uns einfach der den Planeten Erde umgebende
Weltraum. Ist Jesus nach den Erzählungen des Neuen Testaments
also zu einer Weltraumfahrt aufgebrochen? Die unendlichen Weiten
–ein Feld theologischen Nachdenkens? Ist der Pfarrer vielleicht
verrückt geworden? Mögen jetzt vielleicht einige denken!
So lächerlich, wie sich das für Sie alle vielleicht anhört, ist diese
Frage gar nicht! Natürlich erzählt das Neue Testament nichts davon.
Ganz sicher! Aber:
Sogar der gegenwärtige Papst Franziskus, hat sich kürzlich einmal
folgender Frage gewidmet:
"Wenn morgen eine Expedition von Außerirdischen zu uns auf die
Erde käme, zum Beispiel - grün, mit langer Nase und großen Ohren,
so wie Kinder sie malen - und eines von ihnen bittet um die Taufe, was
würde dann passieren?" Mir ist natürlich klar, dass Du, Karo, keine
Außerirdische bist. Um Deine Taufe geht es heute zuerst einmal.
Aber: So spekulativ die Frage ist: Das Beispiel zeigt, warum sich
durch die Möglichkeit außerirdischen intelligenten Lebens für die
Theologie und für unser Verständnis dessen, was Jesus Christus für
uns und die Welt bedeutet interessante Sichtweisen ergeben.
Kernbestand christlichen Glaubens ist ja doch wohl das Bekenntnis,
dass Gott ein Mensch geworden ist. Mit seiner Inkarnation, so heißt
das lateinische Wort dafür, hat Gott sich uns, der Gattung homo
sapiens sapiens, zugänglich gemacht und Gott wurde Mensch, um uns
zu erlösen.
Wirkt die Menschwerdung Gottes in Jesus für das ganze Universum
befreiend?
Diese Frage lässt einmal ganz neu darüber nachdenken, was Taufe
überhaupt bedeutet.
Zunächst aber dies:
Sicherlich ist es alles andere als klar, ob es überhaupt außerirdisches
Leben gibt. Weder gibt es aus naturwissenschaftlicher Sicht eine
eindeutige Anzahl an Kriterien , die ein Planet erfüllen muss, um
Leben zu ermöglichen, noch ist sicher, wie viele Planeten es gibt, die
diese Kriterien erfüllen. Nimmt man an, dass alle Planeten, auf denen
sich Leben entwickeln kann, erdähnliche Planeten sind, dann kommen
einige Schätzungen auf eine sehr hohe Zahl an Planeten im
Universum, auf denen Leben zumindest möglich ist: nämlich eine
Schätzung von 1017 erdähnlichen Planeten im Universum. Das ergibt
eine 1 mit 18 Nullen. Es ist wichtig klarzustellen, welcher Art diese
Schlussfolgerung ist. Sie basiert auf einer Mischung aus
wissenschaftlichen Fakten und vernünftigen Schätzungen, die
ihrerseits auf wissenschaftlichen Fakten basieren.
Und immerhin gehören Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff zu
den häufigsten Elementen im Universum, also alles, woraus Leben auf
der Erde entstand. Und theologisch lässt sich denken: Wenn Gott
allmächtig und liebend ist, dann ist es möglich, dass Gott auf mehr als
einem Planeten intelligentes Leben erschaffen hat oder erschaffen
wird. Wenn das Universum sehr groß ist –und das ist es nach heutiger
Kenntnis - und Gott alles für einen bestimmten Zweck erschafft,
dann ist das Universum sehr groß, weil Gott auch auf anderen
Planeten intelligentes Leben erschaffen hat.
Angesichts der Güte und Größe Gottes, von dem wir im
Glaubensbekenntnis immerhin aussagen, dass Gott das gesamte
Universum verursacht hat lässt sich problemlos denken: Natürlich
reicht die Liebe Gottes auch über unseren Planeten hinaus, auch
Außerirdische könnten eine Seele haben und Gottes Ebenbild sein.
Intelligenz und freier Wille sind die unerlässlichen Voraussetzungen,
um in einer liebenden Beziehung zu anderen zu stehen, ob es um ein
Mitgeschöpf geht oder um Gott.
Die Frage, ob die Entdeckung, dass wir nicht allein im Universum sind,
Auswirkungen auf den christlichen Glauben hätte, ist nicht so neu,
wie viele von Ihnen vielleicht vermuten würden. Sie wurde in der
Theologie schon seit dem 16. Jahrhundert immer Mal wieder
erörtert. Nicht erst seit den Zeiten von Star-Trek!
Und unabhängig von astronomischen Spekulationen wurde ein
wenigstens Ähnliches Thema schon längere Zeit zuvor diskutiert,
allerdings anhand der Menschen in entlegenen Gebieten der Erde, die
gar nicht die Möglichkeit hatten, von Christus zu wissen.
In der spätantiken Welt wurde sogar spekuliert, ob es außerhalb der
damals bekannten Gebiete auch intelligente Wesen gebe, die nicht
von Adam abstammen. Papst Zacharias, der im 8. Jahrhundert lebte,
lehnte es ab, sich überhaupt mit der Frage zu beschäftigen. Erst mit
den Entdeckungsreisen der frühen Neuzeit und der Kolonialisierung
der "Neuen Welt" wurde sie wieder wichtig: Sind die Ureinwohner
Amerikas, die von westlichen Eroberern ermordet, versklavt und
unterworfen werden, überhaupt "echte" Menschen?
Bis alle Menschen, auch die Ureinwohner, als vollwertige Menschen
anerkannt wurden, brauchte es viel Überzeugungsarbeit: Der
Dominikaner Bartolomé de Las Casas verteidigte die Ureinwohner
gegen die wirtschaftlichen Interessen der Kolonialisten. Er sprach
ihnen eine Seele zu und konnte schließlich dafür sorgen, dass 1537
die Versklavung der Ureinwohner zumindest päpstlicherseits
verboten wurde. Auch sie hätten eine Seele und das Recht, Christus
kennenzulernen. Die Tatsache, dass vor noch nicht allzu langer Zeit
ernsthaft darüber nachgedacht wurde, ob Bewohner anderer
Kontinente wirklich echte Menschen seien, mit gleichen Rechten und
Pflichten wie wir Europäer, mag uns vielleicht erstaunen. Aber so war
es. Und bei manchen Menschen in unsere Gegenwart und Mitte
scheint es immer noch so zu sein, wenn wir kurz an die Frage denken,
ob Flüchtlingen im Mittelmeer von uns geholfen werden soll- oder
eben nicht….
Nachdem es keine unbekannten Flecken mehr auf der Erde gab,
richtete sich gelegentlich der Blick der Theologen ins All, es wurde
über die Möglichkeit von Außerirdischen nachgedacht. Im 19.
Jahrhundert argumentierten einige, dass wegen der Größe und
Herrlichkeit Gottes davon auszugehen sei, dass das Weltall voll von
intelligenten Wesen sei. Dann aber stellt sich die Frage, was das für
das Christentum bedeutet: Gott ist Mensch geworden zu einer ganz
bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort: Jesus von
Nazareth, Sohn Maria und Josefs, geboren in Juda vor 2000 Jahren
- -- und eben nicht auf einem ganz anderen Planeten.
Die einen vertraten folgende Auffassung: Das Universum sei so
vollkommen eins, dass ein einziges Eintauchen des Sohnes Gottes in
seinen Schoß es ganz überflutet und durchdringt mit seiner Gnade
der Sohnschaft. Nur: was soll das in der Konsequenz bedeuten?
Sollte das, im Fall, dass noch andere Welten von intelligenten und
fühlenden Wesen bewohnt sein sollten, der Menschheit die Rolle
zuweisen, Mission, die Ausbreitung des christlichen Glaubens, für das
gesamte Universum zu übernehmen? Abgesehen davon, dass dieser
Vorsatz unmöglich ist und wohl auch für immer sein wird, zeigt sich
darin, dass es ein Verständnis des christlichen Glaubens in der Kirche
gibt, das ich als ausgesprochen provinziell und hinterweltlerisch
beschreiben würde. Schon auf der Erde stellen die Christen nicht
einmal annähernd eine Mehrheit. Und dann sollen wir das gesamte
bewohnte Universum missionieren? Für mich wird durch solch eine
Position nur klar, wieviel zu wichtig wir Christinnen und Christen uns
manchmal nehmen, statt Gott das eine oder andere zu überlassen.
Andere meinten, dass das Universum in anderen Bereichen und zu
anderen Zeiten für weitere, andere, uns unbekannte und fremde
göttliche Manifestationen offen sei -- es könnte also mehrere Orte
und Zeiten geben, zu denen Gott Mensch bzw. Außerirdischer wird.
Über diese Möglichkeit wurde zwar schon vor 200 Jahren gespottet:
Wenn das so wäre dann hätte Jesus sehr viel zu tun mit all den
Reisen von Planet zu Planet. Aber ist das wirklich so lächerlich?
Obwohl dieses Problem in der Theologie bisweilen sehr emotional
diskutiert wird, ist es nüchtern betrachtet wenig spektakulär.
Erstens widerspricht die Behauptung der Menschwerdung Gottes in
Jesus Christus keinesfalls der möglichen Existenz
extraterrestrischen Lebens. Zweitens sieht es nur scheinbar so aus,
dass die Menschwerdung Gottes im Menschen Jesus von Nazareth an
sich ein intellektuell einleuchtendes und unproblematisches Ereignis
wäre. Das ist und war das christlche Bekenntnis noch nie –auch
abgesehen von möglichen Außerirdischen! – Das eigentliche Problem
dieser Debatte über die Inkarnation Gottes kann daher auch ohne
Bezug auf extraterrestrische Zivilisationen in folgenden Fragen
ausgedrückt werden: Können wir davon ausgehen, dass andere oder
alle Zivilisationen erlösungsbedürftig sind? Können wir davon
ausgehen, dass Gott sich zum Zwecke der Erlösung einer Zivilisation
mehr als einmal inkarnieren kann?
Die Antworten auf diese Fragen hängen vom zugrunde gelegten
Verständnis der Erlösungsbedürftigkeit der Schöpfung sowie von der
Interpretation der Menschwerdung Gottes ab.
In Bezug auf die Sünde ist es im Jahr 2015 plausibel, nicht davon
auszugehen, dass sie auf ein historisches Ereignis zurückgeht, etwa
den Sündenfall von Adam und Eva im Paradies. Sondern Sünde, von
der wir Menschen durch die Taufe bzw. durch Vertrauen auf Gott
erlöst werden müssten, drückt in Bezug auf unser wirkliches Leben
die existentielle Dimension der Schuldigkeit geschöpflichen Seins
aus: Es gehört zum Wesen intelligenten und freien Lebens, dass es in
Verhältnissen der Schuldigkeit steht und daher erlösungsbedürftig
ist. Jedes freie und intelligente Wesen ist erlösungsbedürftig, weil
keine Wesen außer Gott unfehlbar, allwissend oder unendlich liebend
ist. Wir alle besitzen die Fähigkeit, planvoll anderen Wesen zu
schaden und Schmerzen zuzufügen. Hierüber würde sich mit
außerirdischen Lebewesen keine wesentlich andere Diskussion als mit
Muslimen oder Buddhisten ergeben. Und in diesen Zusammenhang
passt dann auch Dein Taufspruch Karo: Lass dich nicht vom Bösen
überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!
Zweitens dürfen wir annehmen, dass es aufgrund der Unendlichkeit
Gottes möglich ist, dass er sich erneut und immer wieder in einer
menschlichen Natur inkarniert. Es spricht nichts dagegen, diese
Möglichkeiten auch auf außerirdische intelligente Naturen
auszuweiten. Wir können aus theologischer Perspektive also nicht
ausschließen, dass es auf anderen Planeten tatsächlich weitere
Inkarnationen Gottes gibt und Gott die biologische Natur der
dortigen Wesen annimmt. Auch wenn diese Vorstellung neu oder
absurd klingen mag, spricht sie nicht gegen die Grundannahme des
Christentums, um die es hier geht: dass Gott auf der Erde in Jesus
Christus einer von uns geworden ist. Und darum taufen wir auch im
Wedding immer weiter. Heute feiern wir deine Taufe, Karo!
Zurück zu Himmelfahrt:
von einem jüdischen Lehrer, einem Rabbi, ging die Sage um, dass er
jeden Morgen vor dem Frühgebet - zum Himmel aufsteige. Ein
Mensch, der sein Gegner war, lachte darüber und legte sich vor
Morgengrauen auf die Lauer. Da sah er, wie der Rabbi als Holzfäller
verkleidet sein Haus verließ und in den Wald ging. Der Gegner folgte
ihm von weitem. Er sah den Rabbi Holz fällen und in Stücke hacken.
Dann lud er sich die Holzstücke auf den Rücken und schleppte sie in
das Haus einer armen, kranken, alten Frau. Der Gegner schaute durch
das Fenster, und sah den Rabbi auf dem Boden knien und den Ofen
anzünden.
Als die Leute später den Gegner fragten, was es denn nun auf sich
habe mit der täglichen Himmelfahrt des Rabbi, sagte er: „Er steigt
noch höher als bis zum Himmel."
Die Geschichte will sagen, dass der Himmel nicht ein Ort ist, der
irgendwo über der Erde im Weltall zu finden ist. Der Himmel ist
vielmehr dort, wo Menschen Gutes tun, wo sie einander helfen. Der
Rabbi in der Geschichte hat durch sein soziales Handeln den Himmel
geerdet. Oder anders gesagt ist der Himmel auf Erden dort,
wo wir für andere Anwalt und Helfer sind. Da ist schon hier auf
Erden ein Stück Himmel. So hat Jesus jedenfalls den Willen Gottes
verstanden: dass wir einander lieben und füreinander da sind. Das
feiern wir zu Himmelfahrt.
Und der Friede Gottes, der einen viel weiteren Horizont hat als wir
ihn je verstehen werden, bewahre unsere Herzen und Sinne in
Christus Jesus. Amen.
Herunterladen