Liebe Gemeinde, Himmelfahrt- was feiern wir da überhaupt? In Bethanien, also auf dem Ölberg, östlich von Jerusalem, segnete der Auferstandene die Jünger und während er das tat wurde er zum Himmel emporgehoben. So erzählt es das Lukasevangelium. Wohin wurde er denn da emporgehoben? Die Antwort, die Lukas gegeben hätte, damals, vor 2000 Jahren passt gar nicht mehr in unsere heutige Welterkenntnis hinein. Denn dort, wo die Menschen damals den Himmel vermutet haben, ist für uns einfach der den Planeten Erde umgebende Weltraum. Ist Jesus nach den Erzählungen des Neuen Testaments also zu einer Weltraumfahrt aufgebrochen? Die unendlichen Weiten –ein Feld theologischen Nachdenkens? Ist der Pfarrer vielleicht verrückt geworden? Mögen jetzt vielleicht einige denken! So lächerlich, wie sich das für Sie alle vielleicht anhört, ist diese Frage gar nicht! Natürlich erzählt das Neue Testament nichts davon. Ganz sicher! Aber: Sogar der gegenwärtige Papst Franziskus, hat sich kürzlich einmal folgender Frage gewidmet: "Wenn morgen eine Expedition von Außerirdischen zu uns auf die Erde käme, zum Beispiel - grün, mit langer Nase und großen Ohren, so wie Kinder sie malen - und eines von ihnen bittet um die Taufe, was würde dann passieren?" Mir ist natürlich klar, dass Du, Karo, keine Außerirdische bist. Um Deine Taufe geht es heute zuerst einmal. Aber: So spekulativ die Frage ist: Das Beispiel zeigt, warum sich durch die Möglichkeit außerirdischen intelligenten Lebens für die Theologie und für unser Verständnis dessen, was Jesus Christus für uns und die Welt bedeutet interessante Sichtweisen ergeben. Kernbestand christlichen Glaubens ist ja doch wohl das Bekenntnis, dass Gott ein Mensch geworden ist. Mit seiner Inkarnation, so heißt das lateinische Wort dafür, hat Gott sich uns, der Gattung homo sapiens sapiens, zugänglich gemacht und Gott wurde Mensch, um uns zu erlösen. Wirkt die Menschwerdung Gottes in Jesus für das ganze Universum befreiend? Diese Frage lässt einmal ganz neu darüber nachdenken, was Taufe überhaupt bedeutet. Zunächst aber dies: Sicherlich ist es alles andere als klar, ob es überhaupt außerirdisches Leben gibt. Weder gibt es aus naturwissenschaftlicher Sicht eine eindeutige Anzahl an Kriterien , die ein Planet erfüllen muss, um Leben zu ermöglichen, noch ist sicher, wie viele Planeten es gibt, die diese Kriterien erfüllen. Nimmt man an, dass alle Planeten, auf denen sich Leben entwickeln kann, erdähnliche Planeten sind, dann kommen einige Schätzungen auf eine sehr hohe Zahl an Planeten im Universum, auf denen Leben zumindest möglich ist: nämlich eine Schätzung von 1017 erdähnlichen Planeten im Universum. Das ergibt eine 1 mit 18 Nullen. Es ist wichtig klarzustellen, welcher Art diese Schlussfolgerung ist. Sie basiert auf einer Mischung aus wissenschaftlichen Fakten und vernünftigen Schätzungen, die ihrerseits auf wissenschaftlichen Fakten basieren. Und immerhin gehören Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff zu den häufigsten Elementen im Universum, also alles, woraus Leben auf der Erde entstand. Und theologisch lässt sich denken: Wenn Gott allmächtig und liebend ist, dann ist es möglich, dass Gott auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschaffen hat oder erschaffen wird. Wenn das Universum sehr groß ist –und das ist es nach heutiger Kenntnis - und Gott alles für einen bestimmten Zweck erschafft, dann ist das Universum sehr groß, weil Gott auch auf anderen Planeten intelligentes Leben erschaffen hat. Angesichts der Güte und Größe Gottes, von dem wir im Glaubensbekenntnis immerhin aussagen, dass Gott das gesamte Universum verursacht hat lässt sich problemlos denken: Natürlich reicht die Liebe Gottes auch über unseren Planeten hinaus, auch Außerirdische könnten eine Seele haben und Gottes Ebenbild sein. Intelligenz und freier Wille sind die unerlässlichen Voraussetzungen, um in einer liebenden Beziehung zu anderen zu stehen, ob es um ein Mitgeschöpf geht oder um Gott. Die Frage, ob die Entdeckung, dass wir nicht allein im Universum sind, Auswirkungen auf den christlichen Glauben hätte, ist nicht so neu, wie viele von Ihnen vielleicht vermuten würden. Sie wurde in der Theologie schon seit dem 16. Jahrhundert immer Mal wieder erörtert. Nicht erst seit den Zeiten von Star-Trek! Und unabhängig von astronomischen Spekulationen wurde ein wenigstens Ähnliches Thema schon längere Zeit zuvor diskutiert, allerdings anhand der Menschen in entlegenen Gebieten der Erde, die gar nicht die Möglichkeit hatten, von Christus zu wissen. In der spätantiken Welt wurde sogar spekuliert, ob es außerhalb der damals bekannten Gebiete auch intelligente Wesen gebe, die nicht von Adam abstammen. Papst Zacharias, der im 8. Jahrhundert lebte, lehnte es ab, sich überhaupt mit der Frage zu beschäftigen. Erst mit den Entdeckungsreisen der frühen Neuzeit und der Kolonialisierung der "Neuen Welt" wurde sie wieder wichtig: Sind die Ureinwohner Amerikas, die von westlichen Eroberern ermordet, versklavt und unterworfen werden, überhaupt "echte" Menschen? Bis alle Menschen, auch die Ureinwohner, als vollwertige Menschen anerkannt wurden, brauchte es viel Überzeugungsarbeit: Der Dominikaner Bartolomé de Las Casas verteidigte die Ureinwohner gegen die wirtschaftlichen Interessen der Kolonialisten. Er sprach ihnen eine Seele zu und konnte schließlich dafür sorgen, dass 1537 die Versklavung der Ureinwohner zumindest päpstlicherseits verboten wurde. Auch sie hätten eine Seele und das Recht, Christus kennenzulernen. Die Tatsache, dass vor noch nicht allzu langer Zeit ernsthaft darüber nachgedacht wurde, ob Bewohner anderer Kontinente wirklich echte Menschen seien, mit gleichen Rechten und Pflichten wie wir Europäer, mag uns vielleicht erstaunen. Aber so war es. Und bei manchen Menschen in unsere Gegenwart und Mitte scheint es immer noch so zu sein, wenn wir kurz an die Frage denken, ob Flüchtlingen im Mittelmeer von uns geholfen werden soll- oder eben nicht…. Nachdem es keine unbekannten Flecken mehr auf der Erde gab, richtete sich gelegentlich der Blick der Theologen ins All, es wurde über die Möglichkeit von Außerirdischen nachgedacht. Im 19. Jahrhundert argumentierten einige, dass wegen der Größe und Herrlichkeit Gottes davon auszugehen sei, dass das Weltall voll von intelligenten Wesen sei. Dann aber stellt sich die Frage, was das für das Christentum bedeutet: Gott ist Mensch geworden zu einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort: Jesus von Nazareth, Sohn Maria und Josefs, geboren in Juda vor 2000 Jahren - -- und eben nicht auf einem ganz anderen Planeten. Die einen vertraten folgende Auffassung: Das Universum sei so vollkommen eins, dass ein einziges Eintauchen des Sohnes Gottes in seinen Schoß es ganz überflutet und durchdringt mit seiner Gnade der Sohnschaft. Nur: was soll das in der Konsequenz bedeuten? Sollte das, im Fall, dass noch andere Welten von intelligenten und fühlenden Wesen bewohnt sein sollten, der Menschheit die Rolle zuweisen, Mission, die Ausbreitung des christlichen Glaubens, für das gesamte Universum zu übernehmen? Abgesehen davon, dass dieser Vorsatz unmöglich ist und wohl auch für immer sein wird, zeigt sich darin, dass es ein Verständnis des christlichen Glaubens in der Kirche gibt, das ich als ausgesprochen provinziell und hinterweltlerisch beschreiben würde. Schon auf der Erde stellen die Christen nicht einmal annähernd eine Mehrheit. Und dann sollen wir das gesamte bewohnte Universum missionieren? Für mich wird durch solch eine Position nur klar, wieviel zu wichtig wir Christinnen und Christen uns manchmal nehmen, statt Gott das eine oder andere zu überlassen. Andere meinten, dass das Universum in anderen Bereichen und zu anderen Zeiten für weitere, andere, uns unbekannte und fremde göttliche Manifestationen offen sei -- es könnte also mehrere Orte und Zeiten geben, zu denen Gott Mensch bzw. Außerirdischer wird. Über diese Möglichkeit wurde zwar schon vor 200 Jahren gespottet: Wenn das so wäre dann hätte Jesus sehr viel zu tun mit all den Reisen von Planet zu Planet. Aber ist das wirklich so lächerlich? Obwohl dieses Problem in der Theologie bisweilen sehr emotional diskutiert wird, ist es nüchtern betrachtet wenig spektakulär. Erstens widerspricht die Behauptung der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus keinesfalls der möglichen Existenz extraterrestrischen Lebens. Zweitens sieht es nur scheinbar so aus, dass die Menschwerdung Gottes im Menschen Jesus von Nazareth an sich ein intellektuell einleuchtendes und unproblematisches Ereignis wäre. Das ist und war das christlche Bekenntnis noch nie –auch abgesehen von möglichen Außerirdischen! – Das eigentliche Problem dieser Debatte über die Inkarnation Gottes kann daher auch ohne Bezug auf extraterrestrische Zivilisationen in folgenden Fragen ausgedrückt werden: Können wir davon ausgehen, dass andere oder alle Zivilisationen erlösungsbedürftig sind? Können wir davon ausgehen, dass Gott sich zum Zwecke der Erlösung einer Zivilisation mehr als einmal inkarnieren kann? Die Antworten auf diese Fragen hängen vom zugrunde gelegten Verständnis der Erlösungsbedürftigkeit der Schöpfung sowie von der Interpretation der Menschwerdung Gottes ab. In Bezug auf die Sünde ist es im Jahr 2015 plausibel, nicht davon auszugehen, dass sie auf ein historisches Ereignis zurückgeht, etwa den Sündenfall von Adam und Eva im Paradies. Sondern Sünde, von der wir Menschen durch die Taufe bzw. durch Vertrauen auf Gott erlöst werden müssten, drückt in Bezug auf unser wirkliches Leben die existentielle Dimension der Schuldigkeit geschöpflichen Seins aus: Es gehört zum Wesen intelligenten und freien Lebens, dass es in Verhältnissen der Schuldigkeit steht und daher erlösungsbedürftig ist. Jedes freie und intelligente Wesen ist erlösungsbedürftig, weil keine Wesen außer Gott unfehlbar, allwissend oder unendlich liebend ist. Wir alle besitzen die Fähigkeit, planvoll anderen Wesen zu schaden und Schmerzen zuzufügen. Hierüber würde sich mit außerirdischen Lebewesen keine wesentlich andere Diskussion als mit Muslimen oder Buddhisten ergeben. Und in diesen Zusammenhang passt dann auch Dein Taufspruch Karo: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem! Zweitens dürfen wir annehmen, dass es aufgrund der Unendlichkeit Gottes möglich ist, dass er sich erneut und immer wieder in einer menschlichen Natur inkarniert. Es spricht nichts dagegen, diese Möglichkeiten auch auf außerirdische intelligente Naturen auszuweiten. Wir können aus theologischer Perspektive also nicht ausschließen, dass es auf anderen Planeten tatsächlich weitere Inkarnationen Gottes gibt und Gott die biologische Natur der dortigen Wesen annimmt. Auch wenn diese Vorstellung neu oder absurd klingen mag, spricht sie nicht gegen die Grundannahme des Christentums, um die es hier geht: dass Gott auf der Erde in Jesus Christus einer von uns geworden ist. Und darum taufen wir auch im Wedding immer weiter. Heute feiern wir deine Taufe, Karo! Zurück zu Himmelfahrt: von einem jüdischen Lehrer, einem Rabbi, ging die Sage um, dass er jeden Morgen vor dem Frühgebet - zum Himmel aufsteige. Ein Mensch, der sein Gegner war, lachte darüber und legte sich vor Morgengrauen auf die Lauer. Da sah er, wie der Rabbi als Holzfäller verkleidet sein Haus verließ und in den Wald ging. Der Gegner folgte ihm von weitem. Er sah den Rabbi Holz fällen und in Stücke hacken. Dann lud er sich die Holzstücke auf den Rücken und schleppte sie in das Haus einer armen, kranken, alten Frau. Der Gegner schaute durch das Fenster, und sah den Rabbi auf dem Boden knien und den Ofen anzünden. Als die Leute später den Gegner fragten, was es denn nun auf sich habe mit der täglichen Himmelfahrt des Rabbi, sagte er: „Er steigt noch höher als bis zum Himmel." Die Geschichte will sagen, dass der Himmel nicht ein Ort ist, der irgendwo über der Erde im Weltall zu finden ist. Der Himmel ist vielmehr dort, wo Menschen Gutes tun, wo sie einander helfen. Der Rabbi in der Geschichte hat durch sein soziales Handeln den Himmel geerdet. Oder anders gesagt ist der Himmel auf Erden dort, wo wir für andere Anwalt und Helfer sind. Da ist schon hier auf Erden ein Stück Himmel. So hat Jesus jedenfalls den Willen Gottes verstanden: dass wir einander lieben und füreinander da sind. Das feiern wir zu Himmelfahrt. Und der Friede Gottes, der einen viel weiteren Horizont hat als wir ihn je verstehen werden, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.