Versunkenes Welterbe sichtbar machen - Prof. Dr. G

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Maulbronn 5.6.14
Gunter Schöbel
„Versunkenes Welterbe sichtbar machen – dargestellt am Pfahlbaumuseum Unteruhldingen“
S.g.D.u.H., liebe Kolleginnen und Kollegen,
Meine Aufgabe ist es heute (1)– versunkenes Welterbe –wie hier im Bodensee- sichtbar zu machen.
Ihnen zu verdeutlichen, dass es durchaus Methoden gibt, mit Hilfe der Museologie, der
Museumswissenschaft, Dinge aus der Geschichte unseres Landes zu erklären und erlebbar zu
machen, die man gemeinhin nicht sieht, weil sie versteckt und geschützt unter Wasser liegen. Es sei
denn, Sie sind Forschungstaucherin oder Forschungstaucher und verfügen über eine Ausbildung in
Archäologie oder einer ihrer Nachbarwissenschaften und nehmen an Ausgrabungen teil.
Ich möchte Ihnen (2) am Beispiel des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen am Bodensee in B.-W.
zeigen, an dem ich tätig sein darf (3), wie ein Museum für Alle, ein Erinnerungsort und ein Erlebnisort
für viele – insbesondere für das Weltkulturerbe Prähistorische Pfahlbauten - sich darstellen kann.
Wie Kommunikation und Wissensvermittlung an der Schnittstelle von Unterwasserbefund und
Überwasserinstallation funktioniert. Und wie Tourismus und Bildung verknüpft werden können. Es ist
ja leider so, dass ein Unterwassermuseum aus Schutzgründen für den originalen Befund nicht
möglich ist und auch die mangelhaften Sichtbedingungen in einem Binnengewässer weder den
Einsatz eines Glasbodenschiffs oder gar eines U-Boots – dieses wurde aus touristischer Sicht schon in
Erwägung gezogen – dies nicht zulassen. Zum Glück für das Erbe und auch für uns als Museum.
Das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen (4) am Bodensee ist eines der besucherstärksten
Archäologiemuseen Europas. Seine Standortfaktoren sind im Sommerhalbjahr günstig. Seine Lage am
ältesten Naturschutzgebiet des Sees verdanken wir den örtlichen Museumsgründern und Stakeholdern der 20er Jahre, die heute noch den usp (unique selling point), das faszinierende
Alleinstellungsmerkmal vor Ort sichert. Die Einrichtung besteht inzwischen seit 92 Jahren als
Freilichtmuseum und Forschungsinstitut. Mit 270 000 – 300 000 Besuchern jährlich, im Sommer bis
zu 60 Beschäftigten und einem reduzierten Mitarbeiterstab im Winter ist es ein klassisches
Forschungsmuseum mit Öffentlichkeitsauftrag. Es sind vorhanden: Abteilungen für Wiss., Technik,
Verwaltung. Pädagogik. 4 Wissenschaftlerinnen, weiter Pädagogen und 35 Besucherführerinnen, die
gemeinsam das Museum betreuen.
Es finanziert sich aus Eintrittsgeldern, befindet sich als nichtstaatliches Museum in
Vereinsträgerschaft. Es ist eines von 6400 Museen in Deutschland oder 35 000 Museen in Europa,
betreut eine Sammlung von 2,2 Mio. Einheiten. Grundlegend sind neben dem allgemeinen
archäologischen Bildungsauftrag, die Besucher- und Tourismusorientierung seit der Gründung im
Jahre 1922. Und es befindet sich in einem Netz von etwa weiteren 400 Tourismuszielen im 30 km
Radius (5), darunter alleine 100 Schlössern, Klöstern und Museen. Baden-Württemberg (6)–und dies
klang an- hat aktuell 4 Welterbestätten. Die Reichenau, den Limes, das Kloster Maulbronn, für uns
am Bodensee auch die Stiftsbibliothek St. Gallen und die Pfahlbauten als serielles Welterbe, das die
Besonderheit hat (6), sich zu verteilen. 15 In Baden-Württemberg– darunter Unteruhldingen grüner
Punkt, , 3 in Bayern – und 111 Orte in 6 Ländern (7). Das Management ist nicht einfach. Aber das
Erbe sehr wichtig. Es handelt sich hierbei vorwiegend um die Reste 3000 bis 6000 Jahre alter
Siedlungen, die als Archive unter Wasser von längst vergangenen Zeiten künden. Steinzeit,
Bronzezeit, ein Reservoir von Informationen, das die UNESCO besonders schützen will, weil sie -ein
einzigartiges Zeugnis einer untergegangenen Kultur darstellen -weil sie ein hervorragendes Beispiel
überlieferter menschlicher Siedlungsform verkörpern und weil sie für unseren Raum ein
außergewöhnliches Beispiel für die Entwicklung der Menschheit bedeuten – das stellt alle Teilnehmer
vor eine große Aufgabe, die von den Denkmalpflegen der Länder koordiniert wird. Das Thema liegt
nicht zuletzt aufgrund der Lage an den Seen und der Freizeitlandschaften immer an den
Schnittgrenzen von Denkmalpflege-, Tourismus- und Museumsaufgaben – und inkludiert auf
besondere Weise die UNESCO Ziele nach Schutz aber auch sachgerechter Dissemination der
historischen Vermittlungsinhalte (8).
Das Versunkene Welterbe muss sichtbar gemacht werden, denn nur das was man kennt, schützt man
auch. – Dies vollzieht sich an originaler Fundstelle mittels eines „Welterbepavillions“ der Gemeinde
(9) mit Bildschirmen im Freien, die Wissenswertes präsentieren. Im Zuge der Welterbeernennung hat
sich diese bemüht, Ihre Station gegenüber der Öffentlichkeit in Zusammenarbeit mit den
Denkmalbehörden kenntlich zu machen und ist jetzt dabei, mit einem eigenen Masterplan
themenbezogene Infrastruktur zu gestalten. Die Originalreste sind durch das Wasser hindurch meist
nicht sichtbar, der Ort aber wird inszeniert und erinnert. Wenige Meter davon entfernt (10) erhebt
sich das Freilichtmuseum Unteruhldingen, das darauf Bezug nimmt. – Es arbeitet mit (11)
archäologisch fundierten Rekonstruktionen und zeigt Pfahlbauten aus 7 Welterbestätten
Deutschlands und der Schweiz. Dies geschieht seit (12) 1922 als Menschen aus der Region fasziniert
entschieden, mit einem Verein, der Hilfe der Universität und den neuen Sichtweisen der 20er Jahre
ein pädagogisch intendiertes Freilichtmuseum zu gründen. Sie hatten den Weitblick und die Zähigkeit
dies durchzusetzen auch wenn die Wirtschaftskrisen 1923 und 29 und bürokratische Hemmnisse dies
zu verhindern suchten. Bis heute waren über 13,5 Mio Besucher in der Anlage. Anfangs (13) trug man
noch Knickerbocker, Glockenhüte oder Chloches. Die Methode der Besucherführungen machen bis
heute (14) rund 14 000 Mal im Jahr die Vermittlung von Mensch zu Mensch zu einem Erlebnis, das
besser ist als jede augmented reality. Sie macht Geschichte begreifbar. Sie unterstützt ohne
Computer menschlich eine Realitätswahrnehmung mit allen Sinnesmodalitäten. Inszenierungen von
Lebenswelten (15) versammeln und verdichten wissenschaftliche Erkenntnisse in einem
nachvollziehbaren Bild anhand originalgetreu nachgebildeter Darstellungen der Alltagswelt. Aus
Scherben und Fragmenten entsteht wieder eine Vermittlungsgrundlage. Die wichtigsten Fragen der
Besucher nach den Menschen der vergangenen Zeit (16) werden aufgenommen und kommen in
einem „Haus der Fragen“ mit den illustrierten Antworten –im Übrigen ein Europaprojekt in Kultur
2000- zur Darstellung. –Wie sah z.B. eine typische Pfahlbaufamilie aus?
Selbstverständlich sind die Ergebnisse der Interaktion (17) zwischen Besucher und
Museumsverantwortlichen auch im Internet in 12 verschiedenen Sprachen nachzulesen. Eine kleine
Enzyklopädie wie wir sie auch in Zusammenarbeit mit der ARD/dem SWR bei „Steinzeit das
Experiment- Leben wie vor 5000 Jahren“ in das Netz stellen durften.
Kurze Innovationszyklen für die darstellenden Museumsbereiche von 1 – 2 Jahren und die
Entwicklung saisonaler Schwerpunkte in der Angebotsstruktur sind sehr wichtig, um
Mehrfachbesuche zu initiieren. Mit etwa 33 % liegt der Mehrfachbesucher bei uns leicht über den
Werten für Museen in Deutschland, die dort mit etwa 25 % angegeben werden. Freizeitparks
erreichen im Schnitt 75 % Mehrfachbesuche und kommen – wie etwa der Europapark Rust mit 25 %
Neuakquise aus. Dies erfordert ständig die Einbindung neuer Themen und Vermittlungsmodule. Als
2011 im Juni das neue Welterbe (18) kam –das für uns schon immer Thema gewesen war- reagierten
wir in nur 6 Monaten mit einer Ausstellung mit 1000 Spitzenfunden (19) und erläuterten in
traditioneller Form die Befunde und Funde thematisch, methodisch und chronologisch. Dies betraf
den Bereich des tangible und des intangible cultural heritage unter der Frage: „Was haben Sie
geerbt?“ Gleichzeitig war dies der Startschuss für eine Neukonzeption im Rahmen eines 10-jährigen
Masterplans. Es galt (20), dem Satz „ich war schon einmal in den Pfahlbauten als Kind – vor Jahren
mit der Schulklasse – etwas entgegenzusetzen. Zunächst mit dem Mittel der Eigenevaluation (21)
2008-2012 an 3168 Personen. Kaum überraschend war der hohe Anteil an Jugend und Familien (22),
eher der etwas niedrige Anteil an über 60-jährigen mit nur 15 Prozent. Wir haben 57,4 Prozent
Frauenanteil und sind wie die meisten Freilichtmuseen mit einem Gast knapp über 40 noch sehr jung
beim Durchschnittsalter. Spannend war die Wunschliste der Besucherinnen (23), die uns kaum
erstaunte. Mitmachangebote, Ruhezonen, Barrierefreiheit, mehr Fremdsprachen, Experimente,
besserer ÖPNV, einfachere Sprache bei Printtexten schienen uns bei der vollzogenen
Besucherorientierung machbar. Wir intensivierten für das Weltkulturerbe (24) unsere „hands-on“
Bereiche, die handlungsorientierten Felder, die Experimentelle Archäologie und die Vorführungen
neben dem Kerngeschäft. „Mitmachangebote“ (25) zur Ernährung in der Steinzeit und incentives
nahmen zu. Die Besucher waren glücklich und auch wir trotz des jetzt höheren Betreuungs-und
Personalaufwandes beim Erfahrungsaustausch.
Nachdenklich hatten uns (26) aber im Prozess der Evaluierung Sätze wie die Einschätzung eines 9jährigen Mädchens aus der Schweiz aus unserer jüngsten Zielgruppe gemacht, die auf die Frage
einer Besucherführerin an ihre Klasse antwortete als sie gefragt wurde, wie sie denn unser Museum
fände. Sie antwortete: „Scho interessant, aber a bitzeli langwielig“. Das wollte nicht so recht zu
unserer Eigenevaluation passen, betraf die Zukunftsgeneration und bildete zusammen mit dem
Engagement des Hauses für das neue Weltkulturerbe den Anlass, das Museum mit seinen 90 Jahren
auf den Kopf zu stellen und auf Herz und Nieren prüfen zu lassen. Wir wollten alles sein, nur nicht
langweilig.
Zusammen mit einer Schweizer Museumsfirma deklinierten wir ab 2012 die neuen Aufgaben durch
und entwickelten nach der Stufe 1 (27) mit der schon gezeigten klassischen Museumseinheit einer
Sonderausstellung zur besseren Kenntlichmachung 2013 drei neue Module (28). Eine
Erzählmaschine, was das ist zeige ich noch, eine Panoramainsel zur besseren Erläuterung der Anlage
und Sitzstufen am Ufer für 300 Menschen, die gerne angenommen werden. Schritt 3 (29) ein
Steinzeitparcours mit hands-on-Einheiten, Schülerwerkstatt und Ruhezonen wurde für Familien und
Aktionsprogramme entwickelt. Im 10-jährigen Masterplan wird eine breite Palette an Facilities (30)
wie ein neuer Eingangsbereich mit Piazza, Shop und Café entstehen, der die Erschließung des alten
Museums – wie Sie dies von vielen Museen inzwischen kennen- verbessern wird. Eine
Diversifizierung des Angebotes zur besseren Versorgung der Zielgruppen mit den UNESCO
Welterbeinformationen wird bis in 5 Jahren unser Haus in vielen Bereichen ergänzt und verändert
haben. Der Informationsgehalt (31) etwa durch Sonderausstellungsmöglichkeiten soll wachsen. Ein
in vieler Hinsicht partizipatives und den Bedürfnissen der Besucher angepasstes Museum wird
entstehen.
Ein zentrales Element ist gerade fertig gestellt worden und ich darf Ihnen davon berichten. Seit 2013
(32) präsentieren wir ein „Archaeorama“, eine Erzählmaschine, mit Tauchbasis, Unterwasserwelt,
360 Grad Pfahlbaupanorama und einem Steg zum Bodensee. Es ist ein dramaturgisches Instrument
zur Erläuterung des Weltkulturerbes Pfahlbauten und bringt Ihnen die methodische Arbeit der
Unterwasserarchäologie, die verschlossene Welt der Erbestätten und die Geschichte des
Naturraumes bis hin zu einer rekonstruierten Geschichtswelt näher. Bauzeit 6 Monate, Durchlaufzeit
12 Minuten, stündliches Fassungsvermögen bis zu 550 Besucher. Im Schnitt liegt jedoch die
Durchlaufrate bei 100 bis 300 Besuchern pro Stunde.
Es beginnt in einer Tauchbasis (33) in der Sie die Requisiten der Taucharchäologie, eine
Laborsituation und zwei Taucherstimmen aus dem off im Rahmen eines räumlichen Präsenzmodells
vor einem Tauchgang empfangen. In einer nachgestellten Unterwasserwelt (34) besuchen Sie
zwischen Pfählen und wechselndem Licht auf schwammigen Untergrund eine Ausgrabungssituation
und erfahren vom fragilen Weltkulturerbe und seiner immensen Bedeutung als Forschungsressource.
Im Pfahlbaupanorama (35) wird die Landschaftsentstehung seit der letzten Eiszeit und das Entstehen
der Pfahldörfer deutlich. Am Ende öffnet sich das Kino (36) und der Übergang von der filmischen
Fiktion hin zur Rekonstruktion des Freilichtmuseums erfolgt. Die Menschen lächeln (37) und der
Moment wird oft vom Klatschen der Besucherinnen und Besucher begleitet obwohl sie vom
eigentlichen Museum noch gar nicht so viel gesehen haben. Der Bogen zwischen den Schätzen unter
Wasser und den Nachbildungen im Museum ist geschlagen. Eine Transition, ein Magic Moment ist
gelungen. 30 Meter Leinwand, 13 Beamer und 3 Tonnen Glas sind dort verbaut. Das Ergebnis der
Besucherbefragungen ist eindeutig. Die Zustimmung liegt (38) gut über 90 Prozent, die Schulnoten
drücken es aus. Die Einrichtung ist auch in Anbetracht des stetig anwachsenden internationalen
Publikums in 3 Sprachen zu erleben, die vierte ist in Vorbereitung. Jetzt heißt es immer öfters (39)
„Des war jetzt cool“. Mehrfachbesuche sind dadurch jetzt für alle ehemaligen Besucher wieder
interessanter. Auch die Rezeption kann sich jetzt wieder sehen lassen. Eine Schulklasse aus dem
Schwarzwald hat uns Briefe geschrieben und einen darf ich Ihnen (40) weil er uns so gut gefällt
vorlesen:
Zitat Johanna Wild, 9 Jahre, Grundschule Triberg: „…Als wir in den Raum mit den Umkleiden kamen
war mir etwas mulmig. Denn ich dachte, das ich mich nun umziehen müsste. Als sich nach 3 Minuten
die Tür öffnete, war ich plötzlich unter Wasser! Ich hatte wirklich das Gefühl, unter Wasser zu sein.
Im nächsten Raum war es sehr spannend wie das Eis brach und die vielen Fische kamen. Die Führung
war auch sehr toll, ein paar Sachen wußte ich schon, denn ich bin sehr interessiert an der Steinzeit.“
Doch damit sind wir noch nicht am Ende. Neue pädagogische Projektlinien (41) versuchen gerade
zum Beispiel begleitend zu den Lehrplänen interaktive Lernszenarien umzusetzen. Mit Schulen aller
Formate versuchen wir am 4-Ländersee erfahrendes Lernen zu unterstützen und
Geschichtskompetenz in Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen zu entwickeln. „Ein Tag in der
Steinzeit“ – vermittelt Neolithisierungsprozesse, zum Beispiel wie man pflügt, die
Ressourcennutzung, Migrationshintergründe und Technologietransfer bereits vor 7000 Jahren vom
fruchtbaren Halbmond oder von der Levante aus und ist integrativ sehr für die Vermittlungsarbeit
geeignet. Das Kennenlernen kultureller Vielfalt, heute noch bewohnter Pfahlbauten mit Hilfe der
Ethnologie und die Regionalgeschichte als Teil einer Weltgeschichte sind Themen, die sich bei einer
solchen Auseinandersetzung mit Schulklassen nahezu automatisch ergeben.
Die Kinderuni Tübingen (42) vermittelt wie auch an anderen Standorten im Land das Wissen über die
Kenntnisse und Fähigkeiten zur Steinzeit und regt zu Lernprozessen an (43). Mit Studierenden der
Fachwissenschaften (44) erfolgt im Rahmen der Rezeptionsanalyse die Betrachtung des Publikums
unserer Programme an der Universität. Und wir erkennen z.B. , dass über 60 Prozent der Kinder dort
Universitätsangehörige als Vater, Mutter und Tante angeben. Dies bedeutet, dass dadurch nur
eingeschränkte Zielgruppenkreise erreicht werden. Es wird versucht durch das Einladen von weniger
bildungsaffinen Gruppen wie Förderschulen oder Realschulen die Durchdringung der Öffentlichkeit
zu verbessern. Dahinter steht auch die UNESCO Forderung der Mexiko Konvention 1982, den
elitären, bildungsbürgerlichen Kulturbegriff aufzulösen und eine kindgerechte, in mehrerer Hinsicht
barrierefreie Einführung in Geschichte und Kulturverständnis zu erreichen.
Auch die UNESCO Schulen in B.-W (45) durften wir in diesem Jahr in Bad Wildbad betreuen. Genau
genommen die Lehrkräfte dieser Schulen im Rahmen von Fortbildungen. Dadurch sollte das
methodische Handwerkszeug auch für die intangible heritage ressources zur Kenntnis gebracht
werden. Wie kommt ein Loch in eine Steinperle ? Waren Perlen in der Steinzeit bereits Luxusgüter
oder Handelswaren ? Es hat wie Sie sehen viel Spaß gemacht. Wir setzen im Sommer ein Feriencamp
am Bodensee gemeinsam um und haben bereits eine Kooperation zwischen diesen
Schwerpunktschulen, den Studierenden der Universität Tübingen und dem Pfahlbaumuseum
vereinbart. Daraus können in Baden-Württemberg, aber auch in den sechs beteiligten Ländern von
Slowenien, Italien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und Deutschland neue Netzwerke und
Wissenscluster entstehen, die dem gemeinsamen Ziel der Vermittlung unseres und der anderen
Weltkulturerben dienen können. Warum nicht zukünftig auch die Museen wie die UNESCO Schulen
stärker als Wissensträger in die Aufgaben einbinden?
Zum Abschluss darf ich Ihnen unser neuestes Projekt vorstellen. Das Schülerprojekt Archaeolab (46),
das von der Landesstiftung B.-W. unterstützt versuchen soll, zu beschreiben, was die Archäologen
und Archäologinnen tun. Bei dem Welterbe prähistorische Pfahlbauten ist es ja nicht damit getan, die
Siedlungsreste unter Wasser vorzustellen, die uns als Untersuchungsobjekte von vergangenen Zeiten
erzählen können. Es geht im Prozess der Wissensvermittlung auch und vor allem um die Methode,
immer neues Wissen zu geschichtlichen Ereignissen zu erarbeiten, Erfahrung im Umgang mit
geschichtlichen Kontexten zu erhalten. Deswegen beginnt das neueste Lernmodul im Schülerprojekt
(47) mit den kleinsten Informationsträgern, mit der Bestimmung von Pflanzenresten und Pollen aus
den Unterwasserkulturschichten. Dies ist eine biologische Fragestellung, welche den Fragen nach der
Ernährung und des Klimas früherer Zeiten nachspüren soll. Der Weg bis zu einem wissenschaftlichen
Ergebnis soll im Eigenerleben nachvollzogen werden. Dazu gehört auch das Bestimmen von
Tierknochen (48) einer Fundgattung in den Pfahlbausiedlungen, die uns Informationen zur
Wirtschaftsweise, der Jagd auf wilde Tiere oder die Viehzucht gibt. Es wird durch Nachvollziehen
einzelner Verfahrensschritte gelernt wie erste Schlüsse aus Untersuchungsmaterial gezogen werden
können. Dabei spielt natürlich auch die Keramik (49), das Hauptfundgut in den Pfahlbauten, zur
Bestimmung von Zeit und des materiellen Gutes in einer Wirtschaftseinheit eine wichtige Rolle. Es
muss zusammengesetzt und aus Scherben das Ganze rekonstruiert werden. Im Zusammenspiel der
Einzelmethoden (50) ergibt sich dann mit Hilfe von Holzuntersuchungen die Datierung der
Siedlungsanlage. Hier werden Holzproben für die Altersbestimmung verglichen und das Baudatum
eines Hauses ermittelt. Im interdisziplinären Zusammenspiel kommt so ein Ergebnis zustande. Und
am Ende hat hoffentlich eine ganze Schulklasse, wie hier eine Realschule aus Salem, begriffen, wie
die Archäologie und die Erforschung der Unterwasserstätten funktioniert (51). Vielleicht wird ja eine
oder einer von Ihnen einmal Archäologin oder Archäologe und hilft dadurch mit, diese
Welterbestätten weiter zu erforschen oder für ihren Schutz als Politiker oder Touristiker Sorge zu
tragen. Wir würden uns dies sehr wünschen und darüber im Sinne einer Nachhaltigkeit unserer
Vermittlung sehr freuen.
Das Programm befindet sich noch in der Erprobungsphase und soll ab Ende Juni vor allem für die
Jahrgangsstufen 7. Und 8. Klasse aller Schularten eingesetzt werden. Wir hoffen dass wir dadurch
beitragen, dass die frühen Geschichtsperioden weiter im Curriculum der fortführenden Schulen
erhalten bleiben. Die neuen Bildungspläne in B.W. sehen hier ja leider eine andere Entwicklung vor.
Zusammenfassend liegen im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen als einem Ort der 111 erwählten
Standorte inzwischen mehr als ein Dutzend Vermittlungsmodule für die breite Bevölkerung vor.
Unsere Aufgabe ist es seit mehr als 90 Jahren auf die Bedeutung dieser schützenswerten Kultur
hinzuweisen. Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln sind die Hauptaufgaben aller Museen.
Unser dichtes Netz innerhalb der Wissenschaften und des Tourismus wird uns helfen, immer stärker
auch im internationalen Fokus die Aufmerksamkeit auf dieses 36ste deutsche Welterbe zu lenken.
Amerikanische Radreiseveranstalter und chinesische Kulturreisen nehmen uns als Vermittlungsort für
Pfahlbauten gerade stärker wahr. Unsere Kooperationen wachsen an. Deswegen sind wir guten
Mutes, dass unsere Bemühungen um einen der Welterbeorte –dem von Unteruhldingen- auch in den
nächsten Jahrzehnten noch auf fruchtbaren Boden fallen werden.
Man muss die Dinge halt lieben und ihren Wert erkennen (52), auch wenn es von außen betrachtet
manchmal nur wenig spektakuläre alte Pfähle, mit Ton, Steinen und Scherben sind, um die man sich
kümmert und die man vielleicht, wenn man Glück hat, einmal vom Boot aus durch das trübe Wasser
sehen kann.
Man liebt nur das was man kennt und schützt nur was man liebt. Konrad Lorenz.
Besser kann man den Auftrag (53) der UNESCO und das Verhältnis des Taucharchäologen zu seinem
Arbeitsgegenstand aus heutiger Sicht wohl nicht beschreiben.
Gunter Schöbel 3.6.14
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