Alleinerziehende in der Krabbelgruppe

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Erst kommt der Sonnenkäfer-Papa, dann kommt die Sonnenkäfer- Mama ...
Alleinerziehende in der Eltern-Kind-Gruppe
Mein Blick gleitet über meine Krabbelgruppe:
Was singen wir da eigentlich? Dort sitzt die junge Mutter, die gerade eine Trennung hinter sich
hat. Neben mir die Mama, deren Kind einen leiblichen und einen angeheirateten Papa hat.
Unsere Krabbelgruppe ist ein Ort geworden, in dem gerade auch alleinerziehende Elternteile
ihren Platz gefunden haben. Passt es da, dieses Lied zu singen?
Besonders extrem fiel mir dies am Muttertag auf, als ich wie gewohnt die Mamas hervorhob.
Dabei saß ein Vater, der gerade in eine eigene Wohnung umziehen musste und nun
vierzehntägig mit seinen beiden Kids in die Gruppe kam.
Wir reden von Werten und erzählen Bibel-Geschichten, die von intakten Familien berichten. Wie
können wir das tun, ohne dabei diejenigen zu verletzen, die gerade etwas ganz anderes erleben
und fühlen? Das ist ein schwieriger Balanceakt geworden in diesen Tagen. Den Teilnehmerinnen
Gott, den liebenden Vater, vor Augen zu malen – wenn die betroffene Mama nur vom „Erzeuger“
redet, der nicht zahlt, keine Verantwortung übernimmt und am „Papawochenende“ das Kind
anders erzieht als sie sich das wünscht… Da merke ich manchmal erst, während ich rede, dass da
manches nicht passt.
Welche besonderen Schwierigkeiten/Herausforderungen beschäftigen
„Alleinerziehende“:
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24 Stunden die alleinige Verantwortung für das Kleinkind
Verantwortung in allen Lebensfragen wie: Auto, Reparaturen, Steuererklärung. Nichts
kann mehr an den Partner delegiert werden
Keinen Ansprechpartner für Alltagsbelange und Entscheidungen
Vorwürfe in Erziehungsfragen, manchmal starke Unterschiede zum
„Besuchswochenende“
Finanzielle Engpässe. Die Notwendigkeit selbst Geld zu verdienen, Wohnung und Auto zu
teuer, zu groß, um sie zu halten.
Wenig oder keine unbezahlten Babysitter
Schuldgefühle dem Kind gegenüber
Schuldgefühle der Gemeinde/Familie gegenüber
Eifersucht / Neid auf „heile Familien“
Freunde ziehen sich zurück, weil z.B. Freundschaft zum Partner das bisherige Bindeglied
der Freundschaft war oder sie der/dem Betroffenen die Schuld an der Trennung geben,
weil sie nicht soviel Hilfe geben wollen wie derjenige sie brauchen könnte.
Alleinerziehende können wenig Zeit aufwenden, einen neuen Partner kennenzulernen
Was können wir in der Krabbelgruppe tun und leisten, wenn wir mit diesen Nöten konfrontiert
werden?
Wir wollen eine Gruppe sein, in der jeder wertgeschätzt und liebevoll behandelt wird. Wir
ermutigen einander, freuen uns an unseren Kindern und wollen in den Gesprächen unsere
eigenen Erfahrungen mit Gott und dem Glauben authentisch einbringen. Ehrlich und behutsam
hören wir einander zu und behalten Geheimnisse in der Gruppe und tratschen nicht in
Abwesenheit übereinander.
Wenn es den Rahmen nicht sprengt, werden manche Alltagsprobleme im gemeinsamen
Gespräch thematisiert. Als Gruppenleiterin gilt es manches Mal zu vermitteln. Die Erwartungen
und Vorstellungen der Mütter können stark voneinander abweichen. So denkt die
Alleinerziehende häufig, dass nur sie selbst echte Probleme habe. Eine Familienmutter fühlt sich
aber ebenfalls „alleinerziehend“, oft alleine gelassen und kann längst nicht jedes Erlebnis und
jede Frage mit ihrem Ehemann teilen.
Unterschiedliche Erziehungsauffassungen gibt es auch in der Ehe und so kann die Single-Mutter
mache Entscheidungen alleine treffen, bei der die Familienfrau sich auf Kompromisse einlassen
muss.
Im Gespräch ist es gut, einander die gegenseitige Wertschätzung zu geben: „Toll wie du das alles
so alleine hinbekommst.“ „Das und das gelingt dir echt gut!“
Wir können versuchen, herauszuarbeiten, dass wir in mancherlei Hinsicht eigentlich doch in
einer ähnlichen Situation sind. Jede von uns steht in dem Spannungsfeld Familie unter Druck
(z.B. der Herkunftsfamilie und der Schwiegerfamilie) und ist häufig auf sich alleine gestellt. Jede
von uns muss oft eigene Belange zurückstecken und viele Entscheidungen alleine verantworten
und fühlt sich manchmal im Stich gelassen von ehemaligen Freundinnen oder der eigenen
Familie. Auch in der Familie kann es finanziell eng zugehen.
Wir brauchen uns gegenseitig in der Krabbelgruppe, weil wir Verständnis für die Situation des
jeweils anderen empfinden und uns gegenseitig in unserem Erzählbedürfnis zuhören können.
Wir können uns über die Gruppenstunde hinaus verabreden, z.B. am Spielplatz oder zum
gemeinsamen Spaziergang. Verabreden zum Groß-Einkauf, zum Kochen und gemeinsam Essen.
Idealerweise kann eine Familie eine „Single-Familie“ „adoptieren“. Sie können sich gegenseitig
besuchen, beim Babysitten aushelfen, Kinderbekleidung und Spielsachen weitergeben oder auch
mal konkrete handwerkliche Hilfe und Rat geben. Dazu gehört natürlich ein gebotener Respekt
vor der Partnerschaft, die nicht durch „Flirten“ gefährdet werden darf.
Eine Familie braucht natürlich auch Zeit für sich selbst und kann nicht jede freie Minute teilen.
Ich kann nicht die Probleme für den Anderen lösen, aber den Rücken stärken und praktische
Hilfsangebote machen ohne mich selbst zu überlasten. Grenzen werden gesteckt und sollen
akzeptiert werden.
Was kann die Gemeinde darüber hinaus tun:
Der Gebetskreis trägt die Anliegen der Krabbelgruppe mit und betet für die Einzelnen.
In der Gemeinde ist in der Regel ein größerer Kreis von Personen, die in verschiedenen
Lebenslagen Hilfen geben können. So kann die Alleinerziehende an die verschiedenen
„Fachkräfte“ (babysittende Teenager, Senioren als Oma-Ersatz o.ä.) vermittelt werden.
Gemeindefeste und Veranstaltungen, die es Alleinerziehenden leicht machen, gemeinsam mit
dem Kind zu kommen (Grillfest, Waldweihnacht, Konzerte, Gemeindemittagessen, Gottesdienste
mit Kleinkindbetreuung, Freizeiten mit Kostenermäßigung)
Ein guter Hauskreis kann eine Singlefamilie (als kleiner Kreis in der Gemeinde) mittragen und
sich auch mal dort treffen.
Seelsorger in der Gemeinde können Hilfen geben in den allgemeinen Lebensfragen, wenn sich
die betroffene Person darauf einlässt.
Was will ich tun:
Ich denke an die Geschichte in Matthäus 9,1-8: Das, was die vier Freunde des gelähmten Mannes
getan haben, soll mein Beispiel sein. Sie haben Freund zu Jesus gebracht und ihn seiner
heilenden Gegenwart zugeführt.
Was Jesus dann mit demjenigen geklärt hat, war nicht mehr in der Verantwortung der Freunde.
Ihr Auftrag war, den Freund lieb haben, ihn zu Jesus hinbringen, kreativ sein dabei, das Dach
abdecken, eines der vielen Seile festhalten, das an der Trage befestigt war und wissen, dass –
wenn einer helfen kann – dass dies Jesus Christus ist.
Zurück zum Eingangslied: statt „Sonnenkäfer - Papa und – Mama“ singe ich wesentlich befreiter:
„Egal wie du aussiehst, egal wie Du dich fühlst, Gott liebt Dich – er liebt Dich wenn Du lächelst, er
liebt dich wenn du weinst, ... gib Ihm die Ehre“. Das passt für unsere ganze Gruppe!
Angelika Bitzer
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