Klimawandel und die Philippinen1 1. Klimawandel und die Philippinen Die zur philippinischen Inselgruppe Visayas gehörende Insel Leyte wurde im Februar 2006 von schweren Regenfällen heimgesucht. Innerhalb von zehn Tagen kam es zu einem Niederschlag von ungefähr 200 Zentimetern. Ausgelöst durch den heftigen Niederschlag wurde das Dorf Guinsaigon, im Süden der Insel, am 17. Februar 2006 durch einen Erdrutsch begraben. Da die Schlammlawine sich am Morgen löste, wurden viele Kinder der Grundschule des Ortes verschüttet. Insgesamt starben durch den Erdrutsch 1.126 Menschen, so Mitarbeiter/innen des Roten Kreuzes. Wissenschaftler/innen und Einwohner/innen der Region suchen nun gemeinsam nach den Ursachen des Erdrutsches. Einige sehen zum Beispiel das Abholzen des Regenwaldes und der damit verbundenen Bodenerosion den Hauptgrund. Unbestritten ist, dass die heftigen Niederschläge den Boden aufweichten und sich so Erdmassen und Steine lockerten, die schlussendlich auf das Dorf stürzten. Ein Auslöser solch starker Regenfälle ist das so genannte La Niña-Phänomen, eine Klimaveränderung in Folge geänderter Temperaturund Luftdruckverhältnisse im Pazifik. Es wird auch als eine Auswirkung des weltweiten Klimawandels betrachtet. 2. Ausmaß des Klimawandels in den Philippinen Die philippinische Regierung bezeichnet ihr Land selbst als „sehr verwundbar gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels." Es fehlt dem südostasiatischen Land die Fähigkeit, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen und mit den daraus resultierenden Katastrophen umgehen zu können. Der Klimawandel bedroht Menschenleben, Kulturgüter, Tier- und Pflanzenarten sowie ganze Ökosysteme. El Niño und La Niña 1 „Vernetzte Erde. Das Projekt für Schulen“, Tatort- Straßen der Welt e.V., Köln, 2010, S. 17ff. El Niño (der Junge, Christuskind) und La Niña (das Mädchen) werden zwei Klima-Phänomene im Pazifik genannt, die vom Normalzustand abweichen. Der Name „El Niño" ist vom Zeitpunkt des Auftretens abgeleitet, der meist in der Weihnachtszeit liegt. Wenn El Niño auftritt, kehren sich die üblichen Meeresströmungen und Winde im Pazifik um. Das Wasser im Westen des Meeres, also auch im Philippinen-Archipel, kühlt ungewöhnlich stark ab, während es vor Südamerika sehr warm wird. Das hat einerseits massive Auswirkungen auf das Wetter, weil sich Regen und Winde (bzw. Stürme) vollkommen anders verteilen als gewöhnlich. El Niño führt in Südostasien zu Trockenheit und Dürre. Süd- und Mittelamerika leiden unter extremen Niederschlägen und Stürmen. Wo das Wasser sich erwärmt, sterben auch Plankton und Korallen ab, die Grundlagen der Nahrungsketten sind. La Niña bezeichnet ein entgegengesetztes Extrem. Dann ist das Wasser des Pazifik in Asien überdurchschnittlich warm, während es im Osten des Ozeans stark abkühlt. Die Philippinen werden dann besonders durch Taifune, extremen Regen sowie ein Absterben vieler Meeresbewohner geschädigt. Beide Phänomene sind natürlichen Ursprungs und treten seit Jahrhunderten unterschiedlich stark auf. Ob sie durch den von Menschen verursachten Klimawandel verstärkt werden, ist nicht gesichert, aber wahrscheinlich. Der Klimawandel in den Philippinen äußert sich anhand verschiedener Phänomene. Es kommt zu Veränderungen im Verlauf und in der Menge von Niederschlag in einer Region über einen bestimmten Zeitraum. Im Zuge von La Niña kommt es zu tagelang anhaltenden, starken Niederschlägen, Erdrutschen und plötzlichen Überschwemmungen, den so genannten Sturzfluten. Besonders davon betroffen sind die Menschen in den umliegenden Ortschaften. Nicht selten verlieren sie ihre Häuser oder sogar ihr Leben. Besonders der Norden des philippinischen Archipels ist stark durch Taifune gefährdet. Ihre Zahl und Stärke nahm in den letzten Jahren deutlich zu. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace berichtet, dass die philippinischen Inseln jährlich von 20 tropischen Taifunen heimgesucht werden, von denen acht bis neun auf bewohntes Festland treffen. Allein im September 2009 starben durch den Taifun „Pepeng" 465 Menschen. Mehr als 100.000 Menschen wurden in der Laguna Provinz südlich der Hauptstadt evakuiert, da ihre Häuser im Zuge von Überschwemmungen unter Wasser standen. Doch Überschwemmungen werden nicht nur durch Taifune und sintflutartige Regenfälle ausgelöst. Der immer weiter steigende Meeresspiegel ist ebenfalls ein Auslöser solcher Naturkatastrophen. Besonders für Inselstaaten wie die Philippinen sind die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs verheerend. Im Küstengebiet liegen zehn der größten Städte der Philippinen. Schon heute stehen die Städte von Metro Manila bei Regenfällen regelmäßig unter Wasser. Steigt das Meer nur um einen Zentimeter, wird ein Meter Uferregion mit Wasser bedeckt. Dieser Anstieg ist eine Bedrohung für das Küstengebiet, die Ökosysteme von Inseln und für die dort lebenden Menschen. Von den 81 philippinischen Regionen wären 64 direkt von dem Anstieg des Meeresspiegels um wenige Zentimeter betroffen. 700 Millionen Quadratkilometer sind von Überschwemmungen gefährdet und mindestens 1,5 Millionen Filipin@s würden vertrieben werden. Besonders betroffen wären die Provinzen Sulu, Palawan und Zamboaga des Sur. Durch das Vordringen des Meerwassers versalzen lebenswichtige Trinkwasserreservoirs und wären so für die Bevölkerung nicht mehr nutzbar. Auch die Natur ist von einer Erwärmung der Ozeane betroffen. Die Philippinen besitzen das zweitgrößte Korallenriff der Welt. Durch den Temperaturanstieg kommt es zum Ausbleichen und Absterben der sonst so farbenfrohen Nesseltiere, da diese sehr empfindlich auf Veränderungen ihrer Umgebung reagieren. Bereits ein Anstieg von ein bis drei Grad Celsius der Wassertemperatur kann die so genannte Korallenbleiche nach sich ziehen. Als „La Niña" die Wassertemperatur ansteigen ließ, kam es in den philippinischen Provinzen Pangasian, Puerto Galera, Negros, Dumaguete und Palawan zu einer massiven Korallenbleiche. Außerdem kommt es durch die erhöhte Wassertemperatur zu vermehrtem Fischsterben und zur Schädigung von Mangroven, Seegras und marinen Ökosystemen, wodurch die Existenz der ärmeren Küstenbevölkerung bedroht wird. Trotz immer heftiger und intensiver werdender Niederschläge hat die Regenmenge auf den Philippinen innerhalb der letzten 100 Jahre durchschnittlich um sechs Prozent abgenommen, weil auch mehr Dürreperioden hinzukamen. Gleichzeitig ist die Durchschnittstemperatur deutlich angestiegen, was durch die Trockenheit, ausgelöst von El Niño, noch verstärkt wird. Lange Dürreperioden, wie im Frühjahr 2010, haben zur Folge, dass für die Stromversorgung wichtige Stauseen trocken liegen und die daran angeschlossenen Wasserkraftwerke keinen Strom mehr produzieren. Lang anhaltende, regelmäßige Stromausfälle in fast allen Regionen der Philippinen waren im Frühjahr 2010 zu beobachten. In Davao, der größten Stadt im Süden des Landes, fiel beispielsweise täglich für zwei bis drei Stunden der Strom aus, manchmal mehrmals am Tag. 3. Einfluss auf die Bevölkerung All diese Ereignisse und Katastrophen haben nicht nur einen negativen Einfluss auf das Ökosystem der Philippinen. Auch die philippinische Bevölkerung ist davon betroffen. Negative Auswirkungen ergeben sich für die Landwirtschaft. Weder ein zu nasses, noch ein zu trockenes Feld kann gute Ernteerträge bringen. Den Fischern wird die Lebensgrundlage genommen, wenn die Fische selbst oder ihre Nahrungsgrundlage in Folge erwärmter Meere sterben. Außerdem werden die Küstenbewohner durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht, da ihnen dadurch der Lebensraum genommen wird. Besonders die indigene Bevölkerung (die „Ureinwohner"), zum Beispiel die T´boli in Mindanao, die in ihren Lebensgewohnheiten besonders auf ein funktionierendes Ökosystem angewiesen sind, sind bedroht. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass die Kluft zwischen arm und reich gerade in den Regionen auseinanderklafft, in denen die Ausmaße des Klimawandels besonders ausgeprägt sind. Durch die globale Erwärmung können sich lebensgefährliche Infektionskrankheiten wie Malaria und das Dengue-Fieber weiter ausbreiten. So bedroht der Klimawandel auch die Gesundheit von vielen Millionen Menschen. Besonders betroffen davon sind Kinder. Emmanuel M. Hizon von der philippinischen Organisation Freedom from Debt Coalition (FDC): "Neuere Schätzungen der Regierung besagen, dass die Schäden allein durch die Taifune Ondoy und Pepeng 2009 für Landwirtschaft und Infrastruktur sich auf insgesamt 38 Milliarden Pesos (ca. 640 Millionen Euro) belaufen. Andere Studien beziffern die Schäden sogar auf 60 Milliarden Pesos (ca. 1 Milliarde Euro). Wir haben den Begriff der „Klimaschulden“ entwickelt. Wir meinen, dass Entwicklungsländer wie die Philippinen, nicht die Kreditnehmer sind, sondern im Gegenteil die Kreditgeber. Die Regierungen der entwickelten Nationen, die Regierungen der nördlichen Länder sind die eigentlichen Kreditnehmer. Seit vielen Jahren haben wir ihr Wachstum, ihre Entwicklung finanziert, und zwar durch ihre Ausbeutung unserer Naturressourcen und unserer Wirtschaft. Darum verlangen wir, was den Klimawandel angeht, von den entwickelten Nationen Reparationszahlungen." (http://fdc.ph) 4. Was kann dagegen getan werden? Der Klimawandel ist nicht das Ergebnis eines einzelnen Fehlverhaltens. Außerdem gelten nicht einzelne Länder als Verursacher der globalen Erderwärmung. Es zeigt sich jedoch, dass die Auslöser des Klimawandels, also ein sehr hoher CO2-Ausstoß eher in den Ländern des Nordens zu finden sind. Die Folgen tragen jedoch meist die Menschen in den Ländern des Südens, beispielsweise auf den Philippinen. Die Industrieländer müssen rasch und dauerhaft den Ausstoß von Klimagasen deutlich reduzieren.Um die Folgen des Klimawandels abzuschwächen und einem weiteren Fortschreiten der globalen Erwärmung entgegen zu wirken, müssen auch im Süden unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden. Wichtig ist dabei es die lokalen Akteure mit einzubinden und Bildungsarbeit zu leisten, um die Bevölkerung über den Ursprung von Naturkatastrophen aufzuklären und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen damit umzugehen. Nicht nur auf den Philippinen suchen Politiker/innen, Wissenschaftler/innen, Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) gemeinsam mit der Zivilgesellschaft nach Faktoren, die das Land so anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels machen. Dann entwickeln Politiker/innen eine Strategie, die auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel aufzeigt. Auch muss die Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung angehalten werden, so dass sie durch Emissionen den Klimawandel nicht noch weiter verstärkt.